Es hätte ja alles so schön sein können. Stellen wir uns vor, ein
ausländerfeindlicher Rentnerclub namens „Pro NRW“ macht mit Karikaturen
Wahlkampf, und keiner wäre hingegangen. Oder zumindest keiner außer den
Salafisten, die im Gegenzug auch lustige Plakate gebastelt hätten. Weil
aber Salafisten obskure Wesen sind, die den Koran „wörtlich nehmen“ und
ihn damit gleichzeitig „missbrauchen“, kam alles anders. Statt
Rentner-Karikaturen gab es also Messer, Pflastersteine und schwer
verletzte Polizisten, was für die zahlenmäßig überlegenere „Wahre
Islam“-Fraktion ein legitimes Vorgehen gegen die Verletzung ihrer
religiösen Gefühle durch islamkritische Bildchen darstellt.
Nun ist das Land verständlicherweise völlig aus dem Häuschen. „Was tun?“, fragt man sich. „Verbieten“, antwortet die SPD. Also, natürlich die Mohammed-Karikaturen, ohne die es laut sozialdemokratischer Logik keine Gewalt gäbe. Nachdem Innenminister Jäger (SPD)
in den letzten Tagen gleich zweimal einen Schuss in den Ofen verbuchte,
weil das Gericht „Pro NRW“ das Zeigen der Karikaturen partout nicht
untersagte, ist nun die Noch- oder Eventuell-bald-wieder-Ministerin
Hannelore Kraft an der Reihe. Sie will „durchgreifen“ und macht genau dieses Verbot zum Wahlversprechen.
Was natürlich eine ungeheuer geniale Methode ist. Um sexueller Gewalt
an Frauen vorzubeugen, könnte man auch gleich Miniröcke verbieten –
denn vielleicht erweckt dieses Kleidungsstück ja tatsächlich gewisse
Instinkte, denen der potenzielle Vergewaltiger schutzlos ausgeliefert
ist. Bei der Gelegenheit ließe sich ebenso das Antisemitismus-Problem
partiell lösen. Um die zarten Seelen handgreiflicher Neonazis nicht zu
verletzen, könnte man den Juden einfach das Tragen der Kippa untersagen.
Und wo wir schon dabei sind, würde sich auch ein Verbot von Luxuswägen
anbieten. Denn schließlich wissen wir ja, dass ein parkender Porsche
linksautonome Kapitalismuskritiker ungeheuer provoziert, worauf sie
einzig mit Brandstiftung antworten können.
Nun – klingt irre, ist es auch. Selbst FKK-Jüngerinnen
haben ein Recht auf körperliche Unversehrtheit, während man von den
umstehenden Herren zivilisiertes Verhalten erwartet. Sich anständig zu
benehmen, also auf andere Meinungen und sonstige äußere Reize nicht mit
dem Messer loszugehen – genau das unterscheidet uns von
Steinzeitmenschen. Nur diesen putzigen Kerlchen, die in ihrer Freizeit
schon mal den Dschihad gegen „Affen und Schweine“ proben, kann man das
offenbar nicht zumuten. Die sind hierzulande quasi die Ausnahme von der
Regel. Das merkt man daran, dass nun mittels Karikaturen-Verbot die
äußeren Umstände den Wünschen einer islamischen Steinzeittruppe
angepasst werden sollen.
Denn letztlich geht es hier nicht um Kleidungsstücke oder Fahrzeuge,
sondern um das Recht auf freie Meinungsäußerung. Man muss die knapp
dreißig Gestalten, die derzeit mit Karikaturen im Gepäck vor Moscheen
aufschlagen, keineswegs sympathisch finden, um trotzdem klar gegen das
geplante Verbot sein zu können. Das Recht, seine Meinung in Wort,
Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, gilt nun mal für
jeden. Also ebenso für Spinner, und auch dann, wenn es diesen nur um
Provokation geht. Wer aber religiöse Gefühle, also das subjektive
Empfinden anderer zur Grenze der Meinungsfreiheit erhebt, der hat von
Demokratie ungefähr genauso viel Ahnung wie Pro NRW und die Salafisten zusammen.
Zuerst im Rahmen der Kolumne "Neues aus Meschuggestan" auf "The European" erschienen.
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