tag:blogger.com,1999:blog-33159060213698642032024-03-13T13:02:18.847+01:00Politisches und weitere IntimitätenJennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.comBlogger259125tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-79129969417010446972018-12-09T12:50:00.000+01:002018-12-09T12:50:29.905+01:00CDU-Parteitag 2018: Play it again, AKK! <div class="_5pbx userContent _3ds9 _3576" data-ad-preview="message" data-ft="{"tn":"K"}" id="js_7cf">
Reden wir für einen Moment mal nicht über Friedrich Merz. Erinnern wir uns lieber an Helmut Kohl, anno dazumal im Mai 1991. Der Kanzler der Wiedervereinigung tourt durch die blühenden Landschaften in spe und kommt bei der Gelegenheit auch in <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Eierwurf_von_Halle"><b>Halle</b></a> vorbei. Dort empfangen ihn aufgebrachte Demonstranten mit <b><a href="https://www.youtube.com/watch?v=gbBUj_VRA-Y">Pfiffen und fliegenden Eiern</a></b>. Mitten drin und vorn dabei ein örtlicher Jusos-Mann, der sich später noch auf sozialdemokratische Rückendeckung verlassen können sollte. Ein Jahr zuvor, der 2. Golfkrieg nahm gerade Form an, waren es wiederum grüne Parteigänger, die sich in wütender Sorge um den Weltfrieden bei Kohls vor der Haustür einfanden. „Kohl schickt unsere Söhne für die Ölscheichs in den Wüstentod“, stand auf ihren Transparenten - was natürlich nicht stimmte, dafür aber gut aussah und sich noch besser anfühlte. <br />
<br />
Heute, 27 Jahre später, gratuliert Jürgen Trittin, Mitglied des Jürgen-Todenhöfer-Flügels der Grünen, Annegret Kramp-Karrenbauer zum neuen Amt als Vorsitzende der CDU und <b><a href="https://twitter.com/JTrittin/status/1071075128337928192">freut sich</a></b> über die Niederlage des Schäuble-Merz-Duos ("Don't mess with Merkel"). Kurz zuvor erlitt die links geneigte Twitteria einen kleinen Herzinfarkt, nachdem Friedrich Merz in seiner Rede SPD und Grüne nicht wie gewohnt als willkommenen Koalitionspartner, sondern tatsächlich und ganz ohne Ironie als politischen Gegner identifiziert hatte. Ein Glück, dass dieses Schreckensszenario noch einmal knapp abgewendet werden konnte. <br />
<br />
<blockquote class="twitter-tweet" data-lang="de">
<div dir="ltr" lang="de">
Hat Friedrich <a href="https://twitter.com/hashtag/Merz?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#Merz</a> grad wirklich gesagt, dass seine HauptGegner SPD, Grüne und die FDP seien? Nicht die Rechtsradikalen? Wirklich? Wo fischt dieser Mann eigentlich? Gehts noch? <a href="https://twitter.com/hashtag/CDUbpt18?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#CDUbpt18</a></div>
— Igor Levit (@igorpianist) <a href="https://twitter.com/igorpianist/status/1071035179576320001?ref_src=twsrc%5Etfw">7. Dezember 2018</a></blockquote>
<br />
Nun ist es ohnehin eine eher stilllose Tradition, den weltanschaulichen Gegner mit Lebensmitteln zu bewerfen. Um den alt hergebrachten Brauch, zwischen Union und Sozialdemokratie noch ein wenig Platz für Unterschiede und Konflikte zu reservieren, ist es dagegen schon etwas schade. Dass diese Konflikte nach wie vor existieren, wurde selten deutlicher als in den letzten Wochen. Friedrich Merz ist der Mann, gegen den Martin Schulz 2017 in den Wahlkampf zog. Transatlantiker, wirtschaftsliberal und eine trockene Reibungsfläche auf zwei Beinen, die schon allein durch ihren Kontostand den gegnerischen Blutdruck in die Höhe treibt. Vor allem aber brachte Friedrich Merz etwas mit, das seinen beiden Kontrahenten abgeht: einen "Überbau", der vom tagespolitischen Kleinklein unberührt bleibt. Während AKK bisher durch clever komponierte Sowohl-als-Auch-igkeit auffiel und Spahn sich routinemäßig mal am Migrationspakt, mal an Englisch sprechendem Servicepersonal abarbeitet, ließ Merz ein gefestigtes Wertereservoire erkennen, aus dem er seine Haltung zu spezifischen Themen wie Russland, Marktwirtschaft, Europa und Migration ableitet.<br />
<br />
Sein Versprechen, die AfD gleich zu <b><a href="https://www.n-tv.de/der_tag/Merz-CDU-kann-40-Prozent-holen-und-AfD-halbieren-article20724376.html">halbieren</a></b>, wirkte zwar etwas zu ambitioniert - wer schon mit gauländischer Moskau-Treue und nationalem Sozialismus nach Höcke'scher Art seinen Frieden gemacht hat, wird kaum für einen Merz die Segel streichen. Das macht aber nichts. Politische Inhalte stets am AfD-O-Meter zu messen, ist sowieso eine Unsitte. Es gibt Ideen, die per se klug und auch dann noch sinnvoll sind, selbst wenn sie an den Umfragewerten der AfD nichts ändern. Die<b> <a href="https://www.tagesschau.de/inland/merz-altersvorsorge-101.html">Aktien-Idee</a></b> des Friedrich Merz war beispielsweise so eine. Und eine Merz-Union wäre auch dann noch gut für die politische Landschaft gewesen, wenn sie "nur" 35% eingesammelt, dafür aber mehr Profil im Gepäck gehabt hätte.<br />
<br />
Dass es die AKK-Sympathisanten, die früher mal grün bis rot wählten, mit der Unterscheidbarkeit in der Mitte nicht so haben, ist jedenfalls keine Überraschung. Wer heute Mitte bis Ende 20 ist, hat in seinem bewussten politischen Leben nur Angela Merkel erlebt. Viel Groko, viel Einigkeit, viel Eckenlosigkeit, die ihren Höhepunkt im hohen Norden findet, wo ein CDU-Mann öffentlich eine <a href="http://www.spiegel.de/politik/deutschland/daniel-guenther-fordert-offenheit-fuer-koalitionen-mit-der-linken-im-osten-a-1222710.html"><b>Koalition mit den SED-Nachfolgern</b></a> durchspielt. Wer dazu noch einen Twitter-Account besitzt, läuft Gefahr, Politik einzig als Spiel zwischen "Gut" und "Böse" zu betrachten, das schon dann gewonnen ist, wenn man <a class="_58cn" data-ft="{"type":104,"tn":"*N"}" href="https://www.facebook.com/hashtag/wirsindmehr?source=feed_text&epa=HASHTAG"><span class="_5afx"><span aria-label="Hashtag" class="_58cl _5afz">#</span><span class="_58cm">wirsindmehr</span></span></a> twittert und erfolgreich den Zugang zu einem AfD-Parteitag blockiert hat. Die Bilder eines CDU-Kanzlers, der von Linken mit Eiern beworfen wird (und mit an der Brille klebendem Eiweiß die Konfrontation sucht), müssen da zwangsläufig irritierend wirken. AKK wiederum verspricht schon allein durch ihren Stil, dass der Bundesrepublik Reibungseffekte dieser Art auch künftig erspart bleiben.<br />
<br />
Dass aber die CDU selbst, zumindest ihre Delegierten, den Konflikt genau so verachten, ist vielleicht keine neue, dafür aber nach wie vor erstaunliche Erkenntnis. Mindestens so erstaunlich wie die Tatsache, dass beruflicher Erfolg und marktwirtschaftlich orientierte Ideen inzwischen auch schon innerhalb der Union als verdächtig gelten. Natürlich ist es bequem, wenn man mit (bzw. trotz) CDU-Parteibuch mit allen kann und sich weder mit Sozis noch mit Grünen streiten muss. Ein Friedrich Merz, der mit klarem Profil an der deutschen Oberfläche kratzt, unter der nach wie vor recht viele Konfliktlinien verlaufen, wäre da eindeutig zu anstrengend. Lieber noch eine Schondecke drüberlegen und hoffen, dass Diskrepanzen einfach verschwinden, solange man sie nicht anspricht. Mittelfristig wird es aber auch außerhalb der Union ziemlich sicher unbequem, wenn bestehende Konflikte nicht mehr in der Mitte, sondern zwischen den Rändern, nicht mehr zwischen Union und SPD, sondern mehr und mehr zwischen Alexander Gauland und Annalena Baerbock ausgetragen werden. Es steht zu befürchten, dass spätestens an diesem Punkt selbst ein schicker Hashtag nicht mehr sonderlich weiterhelfen wird.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-NTe7ufWfQV0/XAz81gR0sDI/AAAAAAAAA_k/W23FqDlPrL0ID4cDpvsDBinYtFHYtipmACLcBGAs/s1600/tristesse.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="467" data-original-width="960" height="310" src="https://1.bp.blogspot.com/-NTe7ufWfQV0/XAz81gR0sDI/AAAAAAAAA_k/W23FqDlPrL0ID4cDpvsDBinYtFHYtipmACLcBGAs/s640/tristesse.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Christdemokratische Tristesse, Symbolbild</td></tr>
</tbody></table>
<br />
</div>
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com4tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-61927919969382857382018-12-09T12:01:00.001+01:002018-12-09T12:50:52.591+01:00Jung, antisemitisch, ahnungslosNachdem es im Zuge der Midterm-Wahlen auch einige professionelle
"Israelkritikerinnen" mit Migrationshintergrund aus der Demokratischen
Partei in den Kongress geschafft haben, gingen insbesondere in den
deutschen Medien reihenweise die Herzen auf. »Jung, muslimisch,
Ureinwohnerin« klingt schließlich besser als »Jung, antisemitisch,
ahnungslos«. Ein kurzer Kommentar über Identitätskitsch, Sympathie für den Terror und die
Freude am Wegschauen, erschienen in der "Jüdischen Allgemeinen" (online):<br />
<br />
"Bunt, Minderheit, weiblich und jung, mehr muss man ga<span class="text_exposed_show">r
nicht mitbringen, um deutsche Journalistenherzen höher schlagen zu
lassen. Schließlich mutet das nicht nur schicker an als »alt, weiß und
rüpelhaft«, es ist offenbar schon ein Wert an sich – vorausgesetzt, man
begreift amerikanische Politik als eine Art »Mensch ärgere dich
nicht«-Spiel zwischen Minderheiten und Frauen einerseits, die a priori
»gut« sind, und weißen Männern andererseits, denen automatisch nicht zu
trauen ist.</span><br />
<br />
<div class="text_exposed_show">
Betrachtet man
die Neuzugänge aus dieser Perspektive, kann es sich bei den
Antisemitismusvorwürfen freilich nur um üble Nachrede der Konkurrenz
handeln. Denn in Deutschland weiß man seit Jahrzehnten: Judenfeindschaft
trägt primär Glatze oder wenigstens ein GOP‐Basecap. Linke, Frauen und
Minderheiten sind dagegen automatisch immun gegen Judenhass. Und im
Zweifel gilt: Etwas mehr Härte gegenüber Israel kann nie schaden. Gerade
»wir als Deutsche« wissen ja, wie wichtig es ist, den Israelis ab und
an auf die Finger zu klopfen. So gesehen ist es natürlich begrüßenswert,
wenn im Kongress nun die Vielfalt Einzug hält und der »Israelknax«
endlich auch sein buntes, junges Gesicht zeigen darf. Schließlich ist
die Israelkritik zu wichtig, um sie ausschließlich weißen Deutschen zu
überlassen."<br />
<br />
... <b><a href="https://www.juedische-allgemeine.de/politik/hauptsache-jung-weiblich-und-progressiv/">hier</a> </b>gehts weiter.<br />
<br />
Darüber hinaus sind an gleicher Stelle in den letzten Monaten auch noch ein paar weitere Worte über bedeutende Protagonisten der Israelkritik erschienen, etwa über <a href="https://www.juedische-allgemeine.de/israel/jeanne-darc-aus-palaestina/"><b>Ahed Tamimi</b></a>, das <a href="https://www.juedische-allgemeine.de/israel/fluechtlinge-in-sechster-generation/"><b>Palästinenser-Flüchtlingswerk der UN</b></a> sowie <a href="https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/tilo-jung-und-seine-juenger/"><b>Tilo Jung</b></a>.<br />
<br /></div>
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-30443721860489759812018-07-11T10:57:00.001+02:002018-07-11T10:57:21.243+02:00Geschichtsbewusstsein gefühlt, nicht gerührt<div class="_5pbx userContent _3ds9 _3576" data-ft="{"tn":"K"}" id="js_3bx">
Es
gibt viele Wege, ein etwaiges Unwohlsein in Bezug auf <a href="https://www.tagesschau.de/inland/transitzentren-103.html"><b>Transitzentren</b></a>
für Asylbewerber zum Ausdruck zu bringen. Aber nur in Deutschland gibt
es auch genug von dieser ganz speziellen Expertise, die notwendig ist,
um daraus ein vulgär-historisches Bohei zu zaubern. Und so meldeten sich
also unlängst ein paar besonders ausgeschlafene
Anscheins-Antifaschisten zu Wort, die in fiktiven Transitzentren eine
Neuauflage der nationalsozialistischen Konzentrationslager <a href="https://twitter.com/search?q=transitzentren%20kz&src=typd"><b>zu erkennen meinten</b></a>. Was genau sie damit eigentlich artikulieren wollten, bleibt
etwas ungewiss. Ein Appell, doch gefälligst aus der Geschichte lernen,
kann es jedenfalls nicht gewesen sein. Denn das würde eine gewisse
Grundkenntnis der Geschichte voraussetzen, die jedoch mit so wagemutigen
Analogien nur bedingt vereinbar ist. Anscheinend betrachtet man
Geschichte in Vergleicher-Kreisen ohnehin vielmehr als Werkzeugkasten,
aus dem man sich bei Bedarf mal die Wasserwaage, mal den Zollstock
herausgreift, allein, um dadurch eine bessere Figur zu machen. Ist das
KZ dann erstmal überall, notfalls auch zwischen Kiefersfelden und
Kufstein, dann ist es gleichzeitig auch nirgendwo – und damit erst recht
nicht dort, wo es einst war: im deutschen Einflussbereich innerhalb
eines deutschen, singulären Kontexts. Aber auf derlei
Hauptsächlichkeiten kommt es gerade nicht an. Geschichtsbewusstsein an
sich ist zwar eine prima Sache, inzwischen tut es aber auch die gefühlte
Variante. Wenn man schon eine solche Vergangenheit hat, muss man
schließlich auch was draus machen. Wäre ja sonst schade drum.<br />
<br />
Seither ist sowieso schon wieder viel passiert. Die Koalition steht
noch, der „Masterplan“ ebenfalls, das Transitzentrum heißt nun
Transferzentrum, könnte morgen aber schon wieder zum "Verweilzentrum" mutieren.
Auch sonst ist insbesondere in Berlin einiges geboten. Der Inhaber eines
israelischen Restaurants veröffentlichte unlängst einen Auszug der
<a href="https://www.tagesspiegel.de/berlin/antisemitismus-in-berlin-31-seiten-hass-gegen-israelischen-gastronom-yorai-feinberg/22783246.html"><b>antisemitischen Liebesbriefe</b></a>, die er regelmäßig erhält, woraufhin er von
Facebook gesperrt wurde. Berliner Schulen eiertanzen weiterhin um
<a href="https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/32064"><b>antisemitisches Mobbing</b></a>. Und am Wochenende wurde ein jüdischer Syrer von
sieben Landsmännern <a href="https://www.morgenpost.de/berlin/polizeibericht/article214788205/Bericht-Festnahmen-nach-mutmasslich-antisemitischem-Angriff.html"><b>verprügelt</b></a>, nachdem er sich erdreistete, einen Teil
seiner Identität in Gestalt eines Davidsterns um den Hals zu tragen.
Vorkommnisse dieser Art werden inzwischen zwar medial beachtet, aber die
Transit-KZ-Emotionalität fehlt in diesem Rahmen dann doch irgendwie. So
erfrischend der Mangel an missglückten Vergleichen ist, so
aufschlussreich ist auch das Geschichtsbewusstsein, das sich in diesem
Zusammenhang eher weniger Bahn bricht.<br />
<br />
"Nie wieder KZ!" haben
die Deutschen also mittlerweile gelernt. Erfreulich. In Sachen "Nie
wieder Judenhass!" müssen sie dagegen wohl noch etwas üben.</div>
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com8tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-33697829850431377742018-07-05T18:50:00.001+02:002018-07-05T18:50:55.158+02:00Wiener ChuzpeDer österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz ist zweifellos
vielseitig begabt. Vor allem in Sachen Flexibilität macht ihm kaum
jemand etwas vor. “Die Sicherheit Israels ist für uns als Republik
Österreich nicht verhandelbar“, verkündete er am Mittwoch mit ernster
Miene während einer <a href="https://www.youtube.com/watch?v=GY_yKVLN1VI"><strong>Pressekonferenz</strong></a>
in Wien. Zu seiner Rechten stand dabei jedoch weder ein Vertreter der
israelischen Regierung noch ein Repräsentant der jüdischen Gemeinde,
sondern der iranische Präsident Hassan Rouhani, der kurz zuvor mit<strong> </strong><a href="https://www.derstandard.de/story/2000082800356/freundlicher-empfang-fuer-rohani-trotz-gespannter-stimmung-zwischen-teheran-und"><strong>militärischen Ehren und rotem Teppich</strong></a>
zum offiziellen Staatsbesuch in Wien empfangen wurde. Ganz so, wie es
einem nuklear ambitionierten „Israelkritiker“, dessen Regime sich der
Vernichtung Israels verschrieben hat, eben gebührt – doch dazu später
mehr.<br />
<br />
Wenn schon, denn schon, muss man sich also zwischen Ballhausplatz und
Hofburg gedacht haben. Je brutaler das Regime, desto pompöser der
Auftritt. So ein waschechter Mullah mit Hinrichtungs-Hintergrund kommt
schließlich nicht alle Tage zu Besuch. Zumal, und das darf man freilich
nicht vergessen, die österreichisch-iranische Freundschaft inzwischen
auch ernsthaft unter Beschuss steht. Denn seit sich die USA aus dem
Nuklear-Abkommen mit dem Iran zurückgezogen und zudem Sanktionen
verhängt haben, müssen die Iraner und ihre verbleibenden Freunde noch
enger unter dem westlich-antiwestlichen Dach zusammenrücken. Bereits am
Vortag war der iranische Präsident daher ebenso herzlich in der <a href="https://www.blick.ch/news/schweiz/schweiz-iran-irans-praesident-ruhani-trifft-vier-mitglieder-des-bundesrats-id8566479.html"><strong>Schweiz</strong></a> empfangen worden.<br />
<br />
Ein so lukrativer Deal jedenfalls darf keinesfalls zerstört werden,
da sind sich Kurz und Rouhani einig. 160 Jahre diplomatische Beziehungen
verbinden schließlich – so sehr, dass die „Österreichische Akademie der
Wissenschaften“ geschwind eine <a href="https://www.oeaw.ac.at/detail/event/160-jahre-beziehungen-zwischen-oesterreich-und-iran/"><strong>Ausstellung zu diesem Thema</strong></a>
auf die Beine stellte, die der iranische Außenminister Javad Zarif im
Rahmen dieses Besuchs mit seiner Amtskollegen Karin Kneissl <a href="https://twitter.com/MFA_Austria/status/1014536248864755712"><strong>eröffnete</strong></a><strong>.</strong> Hassan Rouhani hatte gute Gründe, als er „im Namen Gottes“ für die Gastfreundschaft Österreichs dankte.<br />
<br />
<h2>
Vom Umgang mit Judenhassern: heute bekämpfen, morgen hofieren</h2>
Sebastian Kurz wiederum nutzte die Gelegenheit, sein unnachahmliches
Talent im Bereich „Trittsicheres Tanzen auf zwei Hochzeiten“ zur Schau
zu stellen. Im Nachgang der Gespräche mit seinem iranischen Kollegen<a href="http://www.nachrichten.at/nachrichten/politik/innenpolitik/Schlagabtausch-zwischen-Rouhani-und-Kurz;art385,2942813"> <strong>betonte</strong></a>
er sowohl das „seit je her gute Verhältnis zum Iran und zur iranischen
Bevölkerung“ als auch die positiven Entwicklungen im Bereich der
Handelsbeziehungen, die nun wieder auf dem Niveau von vor den Sanktionen
angekommen sind. Ebenso wichtig sind dem Kanzler die „sehr engen
menschlichen Beziehungen“ – bestimmt die zu den inhaftierten
Oppositionellen und zur Todesstrafe verurteilten „Ehebrecherinnen“ –
sowie die „kulturellen Beziehungen“ zwischen dem Iran und Österreich,
wofür vor allem das „Kulturforum“ in Teheran steht: wohlgemerkt das
„einzige westliche Kulturinstitut im Iran, das eine ununterbrochene
Präsenz seit sechzig Jahren hat“, wie Kurz betont. So lange hat es nicht
einmal das Goethe-Institut in Teheran ausgehalten. Darüber hinaus sei
Österreich ein Land, das „sich überall für die Menschenrechte einsetzt,
und natürlich auch gegenüber dem Iran“. Löbliches Engagement, das man
vor allem daran erkennt, dass eine Gruppe Regime-kritischer
Demonstranten an diesem Tag in weite Ferne des Regierungszentrums <a href="http://wien.orf.at/news/stories/2922468/"><strong>verbannt</strong></a> wurde.<br />
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://4.bp.blogspot.com/-jjvLYC6yxXM/Wz5L3ARvU2I/AAAAAAAAA-g/fPpCo3cD5IU9DRlDNfFYyiEwsp6ai-xHACLcBGAs/s1600/wien.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="612" data-original-width="612" height="640" src="https://4.bp.blogspot.com/-jjvLYC6yxXM/Wz5L3ARvU2I/AAAAAAAAA-g/fPpCo3cD5IU9DRlDNfFYyiEwsp6ai-xHACLcBGAs/s640/wien.jpg" width="640" /></a></div>
<br />
<br />
„<em>Auch</em> ein Herzensanliegen“, also neben dem Dialog in allen
Formen und Farben, ist dem Kanzler die „ganz besondere historische
Verantwortung“. Genauer: „Der Kampf gegen Antisemitismus und die
Unterstützung Israels sind für uns zentral“, gab Kurz zu Protokoll. „Aus
unserer Sicht absolut inakzeptabel ist, wenn das Existenzrecht Israels
infrage gestellt wird oder zur Vernichtung Israels aufgerufen wird.
Genauso haben wir natürlich kein Verständnis für die Verharmlosung des
Holocaust, ganz gleich, wo diese stattfindet. Die Sicherheit Israels ist
für uns als Republik Österreich nicht verhandelbar.“ Warum er dann aber
mit Hassan Rouhani überhaupt einen Experten für die praktische
Unsicherheit Israels mit militärischen Ehren empfängt, verriet der
österreichische Kanzler nicht. Schade eigentlich. Zu gerne hätte man
erfahren, wie sich beispielsweise der iranische <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/International_Holocaust_Cartoon_Competition"><strong>Holocaust-Karikaturen-Wettbewerb</strong></a>
auf die „sehr engen kulturellen Beziehungen“ zwischen beiden Ländern
ausgewirkt hat. Oder wie die Kurz’sche Israel-Politik, die mit
wohlklingenden Worten wie <a href="https://www.derstandard.de/story/2000081380639/netanjahu-betont-besondere-freundschaft-mit-oesterreich"><strong>„Staatsräson“</strong></a> und Bildern an der<strong> </strong><a href="http://www.oe24.at/oesterreich/politik/Hier-besucht-Kurz-die-Klagemauer-in-Jerusalem/336901173"><strong>Klagemauer</strong></a>
garniert wurde, mit dem „seit je her guten Verhältnis“ zu einem
Terrorregime korrespondiert, das sich tagein tagaus mit der Vernichtung
Israels befasst.<br />
<br />
<h2>
Eine Fluchtursache zu Gast bei Freunden</h2>
Aber vielleicht muss man auch an dieser Stelle einfach mehr an die
heilsame Kraft des Dialogs, immerhin neben Wiener Schnitzel und Walzer
eine klassisch österreichische Spezialität, glauben. „Österreich ist ein
Brückenbauer, ein neutrales Land, oft auch Ort des Dialogs“, erklärte
Kurz – also eine Begegnungsstätte für wild entschlossene Despoten und
westliche Amtsinhaber, die selbst im Angesicht zivilisatorischer
Abgründe noch ihre sowohl-als-auch-ige Äquidistanz zu wahren wissen.
Zwar leiden viele seiner europäischen Kollegen ebenfalls nicht unbedingt
an Berührungsängsten gegenüber dem iranischen Regime. Die Fähigkeit
jedoch, heute dem israelischen und morgen dem iranischen Staatschef
beschwingt gegenüber zu treten, bleibt dagegen eine exklusive Domäne des
österreichischen Kanzlers.<br />
<br />
Und als solcher hat Sebastian Kurz derzeit ohnehin noch ganz andere
Dinge zu tun. Die österreichische EU-Rats-Präsidentschaft hat begonnen,
Grenzverläufe und Schließungen stehen auf der Tagesordnung. Die
Asyl-Krise spaltet Europa, 2015 wie 2018. Insofern bietet es sich
förmlich an, mit dem iranischen Präsidenten einen Mann einzuladen, der
in Syrien dazu maßgeblich einen Beitrag geleistet hat. Auch und vor
allem Milizen unter iranischem Kommando sind es, die sich in Syrien um
die blutige Bilanz eines Kriegs kümmern, der seither mehrere Millionen
Menschen zur Flucht bewegte. Zwischen dem Libanon, Jemen, Irak und
Afghanistan sind die Handlanger des Regimes dahingehend ebenfalls aktiv.
„Ich hoffe sehr, dass alle Staaten der Region, aber natürlich auch die
großen Weltmächte einen Beitrag leisten, dass es zu einer friedlichen,
zu einer politischen Lösung kommt und das Leid der Menschen beendet
wird“, bemerkte Kurz dazu. Wobei seine Hoffnung der syrischen Realität
ohnehin schon sehr nahe kommt: Auch ein Friedhofsfrieden mit unzähligen
Toten ist ein Weg, dem dortigen Elend ein Ende zu setzen.<br />
<br />
<h2>
Dialog ohne Limit</h2>
Und so nahm der Staatsempfang seinen Lauf und endete später bei der
Wirtschaftskammer, wo Rouhani im Beisein österreichischer Unternehmer
einen <a href="https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5458805/Rouhani-appelliert-an-Unternehmer_Umwege-wegen-USSanktionen"><strong>Vortrag</strong></a>
hielt und man sich anschließend gegenseitig zu weiteren Geschäften,
notfalls unter Umgehen der amerikanischen Sanktionen, motivierte. Zuvor
jedoch nutzte der iranische Präsident noch die Gelegenheit, im Rahmen
der gemeinsamen Pressekonferenz und unter ausgeprägtem Schweigen seines
Gastgebers einige grundsätzliche Überlegungen zur „Israel-Frage“ zu
präsentieren. Die Iraner hätten „gute Beziehungen zu den Juden in aller
Welt“. Nur mit den „Zionisten“ gebe es eben immer Ärger. Die würden
nicht nur die Menschen in Gaza „unterdrücken“, sondern auch noch den IS
in Syrien sponsern und überhaupt eine äußerst schändliche Rolle in der
Region spielen. Dass die Israelis den Iranern inzwischen auch die
Regenwolken klauen, wie ein iranischer General unlängst <a href="https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/32133"><strong>feststellte</strong></a>,
vergaß er erstaunlicherweise zu erwähnen. Aber vielleicht gibt sich das
ja im Rahmen des Dialogs, für den die Österreicher im Allgemeinen,
Sebastian Kurz im Besonderen stets bereit sind. Notfalls auch in
demutsvoll gebückter Haltung.<br />
<br />
<em>Zuerst bei den <strong><a href="https://www.salonkolumnisten.com/sebastian-kurz-rouhani-staatsbesuch/">Salonkolumnisten</a></strong> erschienen.</em><br />
<em></em><br />
<em></em>Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-19677034527818535492018-06-04T16:52:00.000+02:002018-06-04T16:52:10.311+02:00Geschichtsklitterung nach gauländischer Hausmanns-Art<strong><em>Alexander Gauland pflegt schon länger ein eigentümliches
Verhältnis zur NS-Vergangenheit. Seine Rede vom Nationalsozialismus als
„Vogelschiss“ relativiert sowohl dessen Bedeutung in der deutschen
Geschichte als auch die NS-Verbrechen an sich. Was ihn an den Nazis
stört, sind weniger ihre Taten, sondern vielmehr der dadurch verursachte
Imageschaden für Deutschland. <br />
</em><br /></strong>
Es gibt viele Mittel und Wege, die deutsche Vergangenheit zu
beschönigen. Die einen behelfen sich mit Zahlenspielen, die anderen
setzen auf den ausgestreckten Zeigefinger. Fortgeschrittene kombinieren
gerne mal beide Strategien. Günter Grass beispielsweise beklagte zu
Lebzeiten das Schicksal von <a href="http://www.sueddeutsche.de/kultur/relativierung-von-kriegsgraeulen-wie-guenter-grass-den-weltkrieg-und-dessen-folgen-verrechnet-1.1137420"><strong>sechs Millionen Wehrmacht-Soldaten</strong></a>,
die in seiner Vorstellung den Sowjets zum Opfer fielen. Damit
versechsfachte er nicht nur die eigentliche Zahl, sondern verrechnete
sie auch geschickt mit den sechs Millionen ermordeten Juden. In Dresden
wiederum schraubt man hie und da die Opferzahlen des <a href="https://www.salonkolumnisten.com/dresden-bombardierung-selbstmitleid/"><strong>Luftangriffs im Februar 1945</strong></a>
in die Höhe, um sie anschließend lauthals auf dem Sündenkonto der
Alliierten zu verbuchen. Davon abgesehen bietet sich auch noch die
professionelle Leugnung der NS-Verbrechen an, doch damit befindet man
sich inzwischen nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. Der
Vergangenheitsbewältiger von heute setzt da lieber auf gezielte
„Israelkritik“, wonach auch die Israelis in Gaza ein „Ghetto“ oder gar
ein „Freiluft-KZ“ betreiben würden. Schon steht es 1:1 zwischen Opa und
Zionismus.<br />
<br />
Eine nicht minder originelle Herangehensweise hat indes AfD-Chef
Alexander Gauland entwickelt. Auch ihn treibt die deutsche Vergangenheit
um. Jedoch leugnet er sie weder, noch wiegt er sie mit vermeintlichen
Schandtaten der Alliierten auf. Gauland ist vielmehr ein Mann der Tat.
Als solcher krempelt er die Ärmel hoch und arrangiert Geschichte einfach
neu. Mit chirurgischer Präzision zerlegt er sie in ihre Einzelteile und
ordnet sie so an, bis sie seinen Vorstellungen entspricht. Eine
Kostprobe seiner Bemühungen präsentierte er vergangenen Herbst beim <a href="https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-09/afd-alexander-gauland-nazi-zeit-neubewertung"><strong>Kyffhäuser-Treffen</strong></a>,
wo er das allgemeine Recht einforderte, sich nicht nur „unser Land,
sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen“. „Man muss uns diese
zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute
nicht mehr“, stellte er fest, und forderte bei der Gelegenheit auch
gleich, auf die „Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen stolz
zu sein“. Wenn schon, denn schon.<br />
<br />
<h2>
Was nicht passt, wird passend gemacht</h2>
Insofern ist es nur folgerichtig und dazu keine bahnbrechende
Neuigkeit, wenn der AfD-Experte für selektive Geschichtsdeutung nun die
nationalsozialistische Herrschaft samt Holocaust, Vernichtungskrieg im
Osten und nie dagewesener Grausamkeit quer durch Europa als
„Vogelschiss“ interpretiert. So geschehen beim Bundeskongress der
„Jungen Alternative“ in Thüringen, wo Gauland folgendes <a href="https://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/video-202352.html"><strong>verlautbarte</strong></a>:<br />
<br />
<blockquote>
<em>„Wir haben eine ruhmreiche Geschichte. Daran hat
schon Björn Höcke erinnert. Und die, liebe Freunde, dauerte länger als
die verdammten 12 Jahre. Und nur, wenn wir uns zu dieser Geschichte
bekennen, haben wir die Kraft, die Zukunft zu gestalten. Ja, wir
bekennen uns zu unserer Verantwortung für diese zwölf Jahre. Aber, liebe
Freunde, Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000
Jahren deutscher Geschichte.“</em></blockquote>
<br />
Gerne wüsste man, welche kollektiven Großartigkeiten deutscher Geschichte Alexander Gauland <a href="https://www.salonkolumnisten.com/1000-jahre-duerftigkeit/"><strong>eigentlich meint</strong></a>.
Den dreißigjährigen Krieg oder die Hexenverfolgungen vielleicht? Zu
Demokratie und Rechtsstaat wiederum mussten die West-Alliierten die
Deutschen schon zwingen, ein originär teutonisches Verdienst ist an
dieser Stelle nur schwer zu erkennen. Aber derlei Fragen vermiesen auf
einem AfD-Event bloß die Stimmung. Sie sind auch nicht wichtig, wenn es
darum geht, die deutsche Identität zu trainieren. Geschichtspolitik nach
gauländischer Hausmanns-Art hat ohnehin eher kreativen Charakter. Sein
Geheimnis besteht darin, die Geschichte gehörig umzugraben und neu zu
arrangieren. Verbrechen und Heldentaten ordnet er im historischen
Blumenbeet dann einfach mal ganz anders an und hebt Aspekte hervor, die
man bislang eher im Unkraut vermutete. Was sich gut macht –
Stauferkaiser, Bismarck, Goethe – wird bevorzugt, was in der Rückschau
nicht so schmeichelhaft wirkt, etwa die Nazis, lässt er weg. „Das
betrifft unsere Identität heute nicht mehr“, sagt er dann und reißt die
Wurzeln raus. Höchstens am Rande dürfen die Nazis mitspielen, und zwar
lediglich in einer sozialverträglichen Variante – etwa in Form von
Wehrmacht-Soldaten, auf die deren Enkel ihrer „Tapferkeit“ wegen
durchaus stolz sein dürfen.<br />
<br />
<h2>
Relativierung durch die Hintertür</h2>
Fertig ist die neue Geschichtsschreibung, die nicht nach Inhalten,
sondern nach Verhältnissen fragt. Zwölf Jahre von tausend entsprechen
1,2 Prozent, proportional ein „Vogelschiss“ also, unabhängig davon, was
in dieser Zeit geschah. Und deutsche Wehrmachtsoldaten zeigten sich
immerhin<strong> </strong><a href="https://www.tagesspiegel.de/politik/afd-fraktionschef-gauland-ich-weiss-gar-nicht-was-voelkische-tendenzen-sind/20631896.html"><strong>„tapfer und pflichtbewusst“</strong></a>, weshalb man stolz auf sie sein dürfe, unabhängig davon, <em>wofür</em>
sie so unermüdlich kämpften und töteten. Der Zivilisationsbruch
verwandelt sich so in eine historische Randnotiz, die Wehrmacht wiederum
in eine Randnotiz-Unterabteilung, in der nicht alles schlecht war. Wozu
dann noch Gedenkminuten abhalten, Mahnmale einweihen, erinnern und
Holocaust-Forschung betreiben, all das für einen „Vogelschiss“?
Lächerlich! Befreit von diesem<strong> </strong><a href="https://www.facebook.com/aliceweidel/posts/1588809537796942"><strong>„Schuldkult“</strong></a>,
wie es seine Kollegin Alice Weidel auszudrücken pflegt, lässt sich doch
viel selbstbewusstere Politik ohne Rücksicht auf humanistischen
Firlefanz betreiben. Denn auch das ist es, was Alexander Gauland und den
seinen am Herzen liegt. Den Nationalsozialismus relativiert er im Zuge
seiner rhetorischen Turnübungen freilich nicht direkt, sondern indirekt.
Indem er auf rein rechnerischem Wege zunächst die Bedeutung „dieser 12
Jahre“ in der deutschen Geschichte marginalisiert und sie zu einer
bloßen Zahl nahe Null herabstuft, verharmlost er jedoch hintenherum
zwangsläufig die ihnen innewohnenden Verbrechen.<br />
<br />
Davon haben dann praktischerweise alle was: Alexander Gauland, für
den es mit „dieser“ Vergangenheit offenbar keine Zukunft geben kann,
weshalb er sich eine andere zurechtlegt; die Enkel und Urenkel, die die
Ehre ihrer (Ur-)Großväter retten wollen; und natürlich ebenso
diejenigen, die lieber gestern als heute einen „Schlussstrich“ ziehen
wollen und sich „darüber ärgern, dass den Deutschen auch heute noch die
Verbrechen an den Juden vorgehalten werden“. Letzteres bringt laut einer
<strong> </strong><a href="https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studie_LW_Deutschland_und_Israel_heute_2015.pdf"><strong>Bertelsmann-Stiftung</strong></a>
66 Prozent der Deutschen um den Schlaf, unter den Jüngern sind es 79
Prozent. Während vor allem Medienschaffende noch darüber rätseln, ob man
über das „Stöckchen“ der AfD springen und damit der gauländischen
Geschichtsdeutung überhaupt erst Relevanz verschaffen sollte, hat eine
Mehrheit der Deutschen diese Frage offenkundig schon längst für sich
beantwortet. Und wo noch darüber gemutmaßt wird, ob Gauland aus Kalkül
oder Überzeugung agiert, dürfte der AfD-Chef selbst eine ganz einfache
Antwort darauf finden: Er spricht aus, was er ausspricht, weil er es
kann. Weil es den Umfragewerten nicht geschadet hat, nicht schaden wird
und er eine Mehrheit hinter sich weiß.<br />
<br />
<h2>
Der germanischen Performance nicht förderlich</h2>
Indes werden in den Reihen der AfD schon die bewährten Eiertanz-Einlagen geboten. <a href="https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-06/alexander-gauland-nationalsozialismus-wortwahl-kritik-joerg-meuthen-afd"><strong>Jörg Meuthen</strong></a>
beispielsweise moniert die „unglückliche Wortwahl“, nicht jedoch die
Botschaft. Immerhin, so der AfD-Bundesvorsitzende, habe Gauland „in
keiner Weise die entsetzlichen Gräueltaten der Nazizeit verharmlost oder
relativiert“. Das stimmt natürlich. Im Gegensatz zu manchem
Parteigenossen hat er zudem weder die Politik Reinhard Heydrichs, Chef
des Reichssicherheitshauptsamts, als <a href="https://www.tagesspiegel.de/berlin/bernd-pachal-aus-marzahn-hellersdorf-afd-fraktionsvize-lobt-kluge-politik-der-nazis/14989222.html"><strong>„klug“</strong> <strong>gelobt</strong></a>, noch die beiden Weltkriege zu „deutschen Freiheitskämpfen“ <a href="https://www.tagesspiegel.de/politik/junge-alternative-dresden-afd-jugend-sieht-weltkriege-als-deutschen-freiheitskampf/14851260.html"><strong>befördert</strong></a> oder die „Protokolle der Weisen von Zion“ als <a href="http://jennifernathalie.blogspot.com/2016/05/die-protokolle-des-afd-weisen-vom.html"><strong>„genial“ bezeichnet</strong></a>. Für AfD-Verhältnisse also schon mal eine Leistung. <a href="https://twitter.com/mathieuvonrohr/status/1003317411796410368"><strong>Gauland selbst</strong></a>
lässt derweil ausrichten, mit der Bezeichnung des Nationalsozialismus
als „Fliegenschiss“ [sic!] habe er doch eine der „verachtungsvollsten
Charakterisierungen [gewählt], die die deutsche Sprache kennt“.
Wahrlich: Dass der AfD-Chef der NS-Zeit nichts Positives abgewinnen
kann, dafür muss man ihm unbedingt Respekt zollen.<br />
<br />
Tatsächlich hat selbiges aber auch niemand behauptet.
Selbstverständlich kann Gauland weder dem „Führer“ noch dessen Wirken
etwas abgewinnen. Nur sind es eben nicht unbedingt der industrielle
Judenmord, der Vernichtungskrieg und die Terrorherrschaft, die Gauland
am Nationalsozialismus stören. Was er Hitler dagegen wirklich übel
nimmt, ist der immer währende Fleck, den die NS-Herrschaft in der doch
sonst so blitzsauberen Bilanz der Deutschen hinterlassen hat. Nicht
Hitlers Verbrechen an sich sind das Problem, sondern die Tatsache, dass
der „Führer“ Deutschland in der Rückschau nicht unbedingt zum Vorteil
gereicht. Ein zweiter Weltkrieg, noch dazu schon wieder ein verlorener,
dann auch noch ein Genozid und Millionen Tote darüber hinaus – diese
„verdammten zwölf Jahre“ verhageln einfach die gesamte Performance.
Anstatt sich in der tausendjährigen Geschichte zu sonnen, müssen die
Deutschen nun also auch siebzig Jahre später Gedenkminuten einlegen und
Mahnmale einweihen. Und anstatt gemächlich den eigenen Lebensabend zu
genießen, muss Alexander Gauland durch die Lande tingeln, die Wehrmacht
rehabilitieren und den Deutschen das Rückgrat wieder aufrichten, das
Hitler ihnen <a href="https://www.zeit.de/2016/17/alexander-gauland-afd-cdu-konservatismus"><strong>seiner Ansicht nach</strong></a> „gebrochen“ hat. So hatte das deutsche Volk nun wirklich nicht gewettet.<br />
<br />
Schöner Mist also. Beziehungsweise Vogelschiss. Danke, Adolf!<br />
<br />
<br />
<em><strong>Zuerst bei den <a href="https://www.salonkolumnisten.com/gauland-nationalsozialismus-vogelschiss/">Salonkolumnisten</a> erschienen.</strong></em><br />
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com3tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-65530402953448672092018-05-25T18:32:00.000+02:002018-05-25T18:32:15.308+02:00Süddeutsche WiederholungstatenWarum die Süddeutsche Zeitung immer wieder mit als antisemitisch kritisierten
Karikaturen von sich reden macht – ein Nachtrag aus aktuellem Anlass in der aktuellen Ausgabe (Print + online) der "Jüdischen Allgemeinen".<br />
<br />
<em>"Doch in dem Werk von Dieter Hanitzsch geht es weniger um Schattierungen
als vielmehr um das große Ganze: die düsteren Machenschaften des
Benjamin Netanjahu. Eines Mannes also, der sich hier nur als
Regierungschef tarnt, in Wirklichkeit aber mit seinen schwulstigen
Lippen und seiner überdimensionalen Nase »den Juden« an sich
repräsentiert. Erst bearbeitet er den US-Präsidenten dahingehend,
Jerusalem als Hauptstadt anzuerkennen, nebenbei bombardiert er die
leidenden Palästinenser. Und als wäre das nicht schon genug,
reißt er sich jetzt auch noch den ESC unter den Nagel. Der raffgierige
Premier lässt nicht nur Netta wie eine Marionette zum ESC tanzen, er
flüstert nicht nur dem US-Präsidenten sinistere Pläne ein, nein, er
nimmt nun zusätzlich die Europäer in Geiselhaft, die nächstes Jahr in
Jerusalem eine Hauptstadt zu »legitimieren« haben, die den Juden ja
eigentlich gar nicht zusteht – zumindest aus Sicht vieler SZ-Leser.<br /><br />Kurzum:
Der skrupellose Bibi hat uns alle in der Hand, von Washington über
Jerusalem bis nach Europa, und dabei macht er auch vor Lesern der SZ
nicht halt. Insofern muss man Dieter Hanitzsch durchaus Anerkennung
zollen: Nicht vielen Karikaturisten gelingt es, große Teile des
Sündenregisters der Juden seit der Kreuzigung Jesu so kompakt in nur
einer Karikatur unterzubringen."</em><br />
<br />
Zum vollständigen Artikel <a href="https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/31653"><strong>hier entlang</strong></a>. <br />
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com87tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-79286204365559166722018-05-12T15:12:00.000+02:002018-05-12T15:12:03.682+02:00Iran-Deal? It’s identity politics, stupid!<strong><em>Weder hat der Iran-Deal den Nahen Osten sicherer gemacht,
noch den Iran von seinen nuklearen Ambitionen abgebracht. Mit den
europäischen Befindlichkeiten korrespondiert er dafür umso besser. Der
Abschied der USA aus dem Atomabkommen trifft die selbsternannten
„Friedensdiplomaten“ daher auch nicht politisch, sondern im Kern ihrer
Identität. <br />
<br />
</em> </strong>Der Nahe Osten ist das Lieblingsprojekt der Europäer. Kaum
ein Erdteil bewegt sie mehr. Kein Ort und kein Elend, weder die
humanitäre Krise Venezuelas noch der real existierende Gulag Nordkoreas,
verleiten sie zu so ausgeprägten Mahnungen, Warnungen und Sorgenfalten,
wie es die Region zwischen Israel und Afghanistan vermag. Dabei
sympathisiert der Europäer als solcher, der Deutsche im Besonderen,
ansonsten eher weniger mit unaufgeräumten Verhältnissen. Er hat es gern
übersichtlich und ordentlich, was besondere Beziehungen in Richtung
Morgenland zunächst etwas erschwert. Gleichzeitig gilt es, der selbst
auferlegten Verpflichtung zur gründlichen Schiedsrichterei zuverlässig
nachzukommen. Nahost ist einfach zu verlockend, um lediglich zu
schweigen.<br />
<br />
Um diesem Dilemma zu entkommen, haben europäische Beobachter,
Politiker und Diplomaten im Laufe der Zeit ausgeklügelte Strategien
entwickelt: Sie schauen gerne weg, wenn es zu chaotisch wird, etwa in
Syrien oder in Jemen. Und sie werden gerne laut, wenn sich die
Gelegenheit ergibt, auf der Weste der Amerikaner und der Israelis einen
Fleck zu identifizieren. Jihadisten, Despoten und Terror-Banden trifft
dagegen erstmal keine Schuld, handelt es sich bei ihnen doch bloß um
Opfer zionistisch-imperialistischer Bestrebungen. So lässt sich
entspannt Nahost-Politik betreiben, ohne dass es wehtut.<br />
<br />
<h2>
Die Ming-Vase unter den internationalen Verträgen</h2>
Dem Hang zur Ordnung und der Sehnsucht nach Geschichtsbuch-trächtigen
Auftritten mit moralisch anmutendem Charme entsprang 2015 auch das Iran-Abkommen.
Während internationale Abkommen gewöhnlich einem Zweck dienen, war der
Iran-Deal (JCPOA) stets Zweck an sich. Das Abkommen stellt gewissermaßen
die Ming-Vase unter den internationalen Verträgen dar. Ob es hält, was
es verspricht, gilt als eher zweitrangig – Hauptsache, man hat es. Und
weil man einst viel Mühe, Arbeit und Schweiß darin investierte, hat es
gefälligst auch am Leben zu bleiben.<br />
<br />
Entsprechend beleidigt reagiert man auf dem Kontinent, wenn
Störenfriede wie der israelische Premierminister die kostbare Ming-Vase
vehement als billige Mogelpackung bezeichnen. Und dementsprechend am
Boden zerstört zeigen sich die Europäer nun, nachdem der amerikanische
Präsident das kostbare Gut einfach gegen die Wand schmetterte und
anschließend öffentlichkeitswirksam auf den Scherben herumtrampelte.
Dass die USA sich unter Donald Trump nicht nur aus dem Abkommen
zurückziehen, sondern auch noch verstärkte Sanktionen gegen den Iran zu
verhängen gedenken, nehmen ihnen die Europäer mehr als nur übel.<br />
<br />
Kämpferisch treten sie nun an, ihr Lieblingsprojekt doch noch am Leben zu erhalten. Umgehend warf die EU-Außenbeauftragte <a href="http://www.deutschlandfunk.de/rueckzug-vom-iran-deal-eu-haelt-fest-am-atomabkommen.1773.de.html?dram:article_id=417521"><strong>Federica Mogherini</strong></a>
die rhetorischen Beatmungsgeräte an, immerhin sei JCPOA doch
„entscheidend für die Sicherheit Europas, der Region und der ganzen
Welt“. Schade nur, dass sich derlei Erkenntnisse noch nicht bis in die
nahöstlichen Gefilde herumgesprochen haben, wo der Iran mitsamt seiner
Handlanger grenzübergreifender und blutiger als zuvor unterwegs ist.
Seltsamerweise ist es um die Sicherheit unzähliger Iraner, Syrer, Iraker
und Jemeniten nach wie vor nicht so gut bestellt, wie man in Brüssel
meint.<br />
<br />
<h2>
Im antiimperialistischen Bällebad</h2>
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vergesellschaftet seine
persönliche Kränkung gekonnt. Seinerzeit als Außenminister selbst an den
Verhandlungen beteiligt, <a href="http://www.deutschlandfunk.de/atomabkommen-iaea-bescheinigt-dem-iran-erneut-vertragstreue.1939.de.html?drn:news_id=880728"><strong>beklagt</strong></a> er nun einen „schweren Rückschlag für die Friedensdiplomatie“ sowie eine „<a href="https://rp-online.de/politik/ausland/steinmeier-bezeichnet-trumps-iran-entscheidung-als-tragoedie_aid-22567877"><strong>Tragödie für den Iran</strong></a>“. Und Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, wirft Donald Trump vor, seine Wahlkampfversprechen sogar „<a href="https://www.zdf.de/nachrichten/zdf-morgenmagazin/wolfgang-ischinger-atom-deal-iran-100.html"><strong>zum Nachteil des Weltfriedens</strong></a>“ umzusetzen. Dabei ist es erst ein paar Wochen her, da der US-Präsident aus europäischer Perspektive zuletzt den <a href="https://www.huffingtonpost.de/entry/riskiert-trump-den-dritten-weltkrieg-3-dinge-die-ihr-nun-wissen-musst_de_5acee46be4b08337adc961cc"><strong>Weltfrieden gefährdete</strong></a> – nämlich, als er gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien leerstehende Chemiewaffen-Lager des Assad-Regimes bombardierte.<br />
<br />
Wenn es um den viel zitierten Weltfrieden geht, macht Donald Trump
offenkundig niemandem etwas vor. Kein Wunder, dass ihm die Gefährdung
des „Friedens in Nahost“ da umso leichter von der Hand geht. „Donald
Trump bringt die USA, Israel und die gesamte Region zurück an den Rand
eines großen Krieges“, so die Diagnose auf „<a href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/donald-trump-und-die-iran-entscheidung-einfach-brandgefaehrlich-kommentar-a-1206908.html"><strong>Spiegel Online</strong></a>“,
wo man den Nahen Osten offenkundig für eine friedliche Oase hält, die
erst dank des Mannes im Weißen Haus außer Balance geraten ist.
Schließlich wird Amerika ja nun von „moralisch Verwahrlosten“ regiert,
während Hassan Rohani durch „geistig moralische Überlegenheit“ glänzt,
wie <a href="https://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/US-Ausstieg-aus-Atomdeal-Wenn-der-Wahnsinn-regiert,iranatomabkommen100.html"><strong>ein Mitarbeiter von „Panorama“</strong></a>
(ARD) feststellt. Eine Einschätzung, die eventuell auch Georg Restle,
besorgter Redaktionsleiter beim ARD-Magazin „Monitor“, teilen würde.
„Und das am 8. Mai: Oberster Kriegstreiber sitzt im Weißen Haus“, <a href="https://twitter.com/georgrestle/status/993924875982114816"><strong>twitterte er</strong></a>
anlässlich der amerikanischen Atomentscheidung. Es sind wertvolle
Einordnungen wie diese, für die man gerne den GEZ-Beitrag entrichtet:
Der Ami ist der neue Adolf.<br />
<br />
Zu gerne würde man die Europäer für einen Moment aus dem
antiimperialistischen Bällebad abholen und sich mit ihnen so über den
Nahen Osten unterhalten, wie es unter Erwachsenen üblich sein sollte.
Spätestens dann würden sie vielleicht sogar feststellen, dass es
durchaus einige Wege gibt, den Atom-Deal zu analysieren, zu kritisieren
und zu bewerten. Die einen verdammen ihn von Grund auf, die anderen
halten ihn für gut gemeint, jedoch schlecht gemacht, und wieder andere
plädierten bislang für eine der Bedrohung angemessene Korrektur anstelle
einer Annullierung. Tatsächlich ist es sogar möglich, einen (und damit
nicht zwingend <em>diesen</em>) Deal zu befürworten, ohne dabei die
Bedrohung durch das iranische Regime zu negieren. Und es ist ebenso
machbar, Trumps Entscheidung und die Implikationen für die
transatlantische Partnerschaft <a href="https://www.welt.de/politik/ausland/article176213591/Rueckzug-aus-Iran-Abkommen-Trumps-riskante-Wette-koennte-aufgehen.html"><strong>zu diskutieren</strong></a>, ohne dabei die Gesprächsatmosphäre mit antiamerikanistischen Reflexen zu verunreinigen.<br />
<br />
<h2>
Knick in der Optik</h2>
All das ist im Rahmen des Möglichen, potentiell sogar unter
Beteiligung der Europäer – vorausgesetzt, sie bringen auch ein wenig
Realitätsbezug mit. Entscheidend ist nämlich in erster Linie nicht, wie
man das Agreement bewertet, sondern wie man die Teheraner Realität
überhaupt wahrnimmt. Hält man jedoch Hassan Rohani für einen „moderaten
Reformer“ und das Mullah-Regime an sich für einen etwas übermütigen,
aber eben doch durch viel Kultursensibilität und Geld zähmbaren Rowdy,
erübrigt sich die Diskussion. Man kann nur dann über den Umgang mit der
iranischen Führung sprechen, solange alle Beteiligten sich einig sind,
mit wem sie es in Teheran zu tun haben.<br />
<br />
Viele Europäer beeindrucken ihre Umwelt dahingehend allerdings mit
einem vergleichsweise sonnigen Gemüt. Ist von einem Abkommen die Rede,
denken sie nur an <em>ihren</em> Deal, an dem sie kein Komma geändert
sehen wollen. Wo Israel eine existentielle Bedrohung ausmacht, erkennen
die Europäer vielmehr „hysterische“ Israelis, die sich lediglich bedroht
„fühlen“. Und wenn eine aufgestachelte Menge durch Teheran marschiert
und „Death to USA, death to Israel!“ skandiert, nimmt man das zwischen
Brüssel und Berlin erst einmal nicht zur Kenntnis, verbucht es auf
Nachfrage höchstens als nahöstliche Verbal-Folklore. Denn die Europäer
im Allgemeinen, die Deutschen im Besonderen, haben sich schon länger
angewöhnt, ausschließlich das Gute im iranischen Regime zu sehen:
geheimnisvolle Ayatollahs, die brav die Hände schütteln sowie
Staatsunternehmen, die eifrig Baukräne und Turbinen ordern. Eine
Disziplin, in der weder die Israelis noch die amerikanischen
Mullah-Gegner mithalten können.<br />
<br />
Es ist dieser Knick in der Optik, der jedes europäische Gespräch über
das Nuklear-Abkommen in ein Feuerwerk der Logik verwandelt. Seit die
Vereinbarung 2015 in Kraft trat, hat der Iran alles unternommen, um sein
Gegenüber am Verhandlungstisch ausgesucht idiotisch aussehen zu lassen.
Sein Streben nach Vorherrschaft von Teheran über Bagdad bis nach Beirut
und Damaskus hat das Regime seither beständig intensiviert. Es lässt
seine Handlanger nicht nur im syrischen Bürgerkrieg mitmorden, sondern
auch den heißen Krieg mit Israel proben. Und wenn die Mullahs eine neue
atomar bestückbare <a href="http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/reichweite-2000-kilometer-iran-testet-neue-mittelstreckenrakete-15212656.html"><strong>Mittelstreckenrate</strong></a>
ins Sortiment nehmen, zögern sie keine Sekunde, dies ihrer Umwelt auch
unübersehbar mitzuteilen. Wo die Mullahs atomar zumindest oberflächlich
einen Gang runterschalten, geben sie seit Bestehen des Deals auf
konventionellem Wege umso mehr Gas. Europäisches Geld macht es möglich.<br />
<br />
<h2>
Identitätspolitik, getarnt als Diplomatie</h2>
Gleichwohl spielen Hauptsächlichkeiten wie diese insbesondere in der
deutschen Diskussion eine erstaunlich marginale Rolle. „Der Iran hält
sich an die Regeln“, betonen Federica Mogherini und ihre Freunde stets –
was wenig über den Iran und viel über die Natur des Abkommens aussagt,
an dem die Europäer so hängen. Dass der Iran bei Vertragsschluss log und
dies weiterhin tut, wertet man vielmehr als grünes Licht für ein
kraftvolles „Weiter so!“. Mehr als die Natur der Atom-Inspektionen
interessiert sie die Aufhebung der Sanktionen. Denn europäischer Logik
folgend wird sich ein auf Vorherrschaft und Gewalt fixiertes Regime
schon mäßigen, solange man nur genügend Handel mit ihm treibt.<br />
<br />
Insbesondere den Deutschen wird dabei oft vorgeworfen, es ginge in
puncto Iran ausschließlich ums Geschäft. Mehr als halbgare Diplomatie
sei von ihnen, deren Streitkräfte es wohl nur gerade so von Berlin bis
nach Potsdam schaffen würden, ohnehin nicht zu erwarten. Beides mag
stimmen, wird den Deutschen und ihren europäischen Mitstreitern aber
keinesfalls in Gänze gerecht. Denn in der Hauptsache dient das Abkommen
den Befindlichkeiten derer, die es einst abschlossen und anschließend
stolz vor die Kameras traten. Mag das Agreement auch noch so untauglich
sein, den Nahen Osten zu befrieden, der iranischen Bevölkerung zu mehr
Lebensqualität zu verhelfen und die Mullahs von ihren nuklearen
Ambitionen abzubringen – für die Pflege des europäischen Selbstbilds
eignet es sich dafür aber prima.<br />
<br />
Wenn die Europäer über den Iran, den Deal und das nun naheliegende
Scheitern sprechen, blicken sie weder nach Teheran, noch auf die blutige
Realität, sondern vor allem auf sich selbst. Auf ihre
„Friedensdiplomatie“, ihre „historische Errungenschaft“ und ihren
Gefühlshaushalt, dem „ein bisschen Frieden“ seit je her besser bekommt
als Realismus und Tatkraft. Und wenn es schief geht, sind nicht die
Schurken schuld, sondern die USA und Israel, die nichts Geringeres als
den Weltfrieden bedrohen. Jahrzehnte lang eingeübte Israelkritik und
ausgeprägte Amerika-Skepsis zahlen sich aus. Am wohlsten fühlt man sich
nicht innerhalb der westlichen Allianz, sondern als neutraler
Vermittler, der kultursensibel Verständnis auch für die brutalsten
Despoten aufbringt.<br />
<br />
Nur logisch also, dass das einzig verbleibende Argument für den
Erhalt des Atom-Deals vor allem darin besteht, dass man ihn
höchstpersönlich und eigenhändig geschlossen hat. Wenn
Sicherheitspolitik jedoch mit Identitätsstiftung verwechselt wird,
sollte man das Heft des Handelns möglicherweise doch lieber anderen
überlassen. Dem Frieden zuliebe.<br />
<br />
<em>Zuerst bei den <strong><a href="https://www.salonkolumnisten.com/iran-deal-europa/">Salonkolumnisten</a></strong> erschienen.</em>Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-25198593380050456362018-04-16T19:50:00.000+02:002018-04-16T19:50:20.613+02:00Spiel, Spaß und Spannung mit Davidstern und Hakenkreuz<strong><em>Das Theater Konstanz führt am Geburtstag Adolf Hitlers
„Mein Kampf“ von George Tabori auf. Gleichzeitig erweitert es die
Inszenierung um eine Kostümparty, die der deutschen Erinnerungskultur
wie auf den Leib geschneidert ist: Wer gratis rein will, muss ein
Hakenkreuz tragen, wer zahlt, kann einen Davidstern anlegen.<br />
</em> </strong><br />
Es gibt viele Wege, eine dunkle Vergangenheit zu bewältigen. Man kann sie sowohl nach Art von Erdogan leugnen als auch in <a href="http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/unter-putin-wird-russlands-geschichte-nur-selektiv-erzaehlt-15496121.html"><strong>putinesker</strong></a>
Weise verklären. Oder aber man geht mit der Zeit und probiert stetig
etwas Neues aus. So halten es die Deutschen, deren Verhältnis zur
NS-Vergangenheit vergleichsweise abwechslungsreicher Natur ist. Erst
haben sie von nichts gewusst, dann waren sie an nichts schuld.
Zwischendurch wurde ein wenig geleugnet, verharmlost und aufgerechnet,
bis es nur noch Opfer und keine Täter mehr gab. Heute wiederum bauen sie
unter anderem Mahnmale, zu denen <a href="http://www.rp-online.de/kultur/kunst/man-geht-gerne-zum-mahnmal-aid-1.2034893"><strong>„man gerne geht“</strong></a>
und sind stolz darauf, „aus der Geschichte gelernt“ zu haben. Was
genau, das behalten sie jedoch sicherheitshalber für sich. Während der
Shoa-Überlebende Primo Levi nüchtern feststellte, dass „es geschehen
ist“ und „folglich wieder geschehen kann“, sind sie Deutschen
dahingehend weitaus pragmatischer unterwegs. Inzwischen handeln sie
bevorzugt nach dem Motto: Es ist geschehen, also muss man auch etwas
daraus machen.<br />
<br />
Wie genau das dann in der Praxis funktioniert, lässt sich derzeit im
beschaulichen Konstanz am Bodensee begutachten. Das dort ansässige
Theater nämlich hat Großes vor: Am Geburtstag des Führers, dem kommenden
20. April, wird<strong> „</strong><a href="http://www.theaterkonstanz.de/tkn/veranstaltung/08750/index.html"><strong>Mein Kampf</strong></a><strong>“
</strong> von George Tabori unter der Regie des Kabarettisten Serdar Somuncu
uraufgeführt. Der Termin ist freilich kein Zufall, aber noch lange nicht
zu viel des Guten. Wenn man schon über eine so ereignisreiche
Vergangenheit verfügt, sollte man der Außenwelt auch zeigen, was man
hat. Darum dürfen ebenso die Zuschauer mitmachen, für die das Theater
ein <a href="https://www.br.de/nachrichten/streit-um-auffuehrung-von-taboris-mein-kampf-in-konstanz-100.html"><strong>Schmankerl der besonderen Art</strong></a> parat hält: „Die Aufführung von „Mein Kampf“ beginnt schon mit dem Kartenkauf“, verheißt es in der Ankündigung. Und weiter:<br />
<br />
<blockquote>
<em>„Sie können sich entscheiden: Mit dem regulären
Erwerb einer Eintrittskarte in der Kategorie ihrer Wahl erklären Sie
sich bereit, im Theatersaal einen Davidstern zu tragen. Sie haben auch
die Möglichkeit kostenlos ins Theater zu gehen: Für eine Freikarte
erklären Sie sich bereit, im Theatersaal ein Hakenkreuz zu tragen. Die
Symbole erhalten Sie vor der Vorstellung im Theaterfoyer.“</em></blockquote>
<br />
<h2>
Angewandte Geschichtsvergessenheit trifft auf dicke Krokodiltränen</h2>
Wie genau der Davidstern aussehen wird – zum Hakenkreuz passend in
Gelb oder eher neutral? – und ob man den Besitzern von Gratiskarten beim
Anlegen der Hakenkreuz-Binde einen schönen Abend wünschen oder nicht
doch eher „Heil Hitler!“ zurufen wird, ist dagegen noch nicht bekannt.
Klar ist nur eines: Das interaktive Kostümfest zu Konstanz soll
natürlich kein geschmackloser Marketing-Gag sein. Denn das prangern
nicht nur die Freunde und Förderer des Theaters, sondern auch die
örtliche Deutsch-Israelische Gesellschaft und der Verein für
Christlich-Jüdische Zusammenarbeit an. „Es gibt eine dritte Option: Man
kann auch keine Theaterkarte kaufen“, empfehlen die beiden
Letztgenannten.<br />
<br />
<a href="https://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/konstanz/Proteste-gegen-die-Auffuehrung-Mein-Kampf-Theaterfreunde-distanzieren-sich-vom-Theater;art372448,9693657"><strong>Kritik</strong></a>, die man im Theater „ernst nimmt“, ohne sie zu teilen. Dort herrscht vielmehr Erstaunen über die <strong>„</strong><a href="https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/friedrichshafen/Streit-um-Auffuehrung-Mein-Kampf-Theater-Konstanz-reagiert-auf-Vorwuerfe,theaterstueck-mein-kampf-konstanz-100.html"><strong>Vorverurteilung</strong></a><strong>“</strong>.
Schließlich gehe es doch vielmehr um eine „längst überfällige Debatte“.
Mehr noch: Tatsächlich verfolge man eine wichtige, geradezu
pädagogische Mission: „Wir möchten ihnen [den Kritikern, A.d.R.] gerne
nahelegen, diese Aktion als eine Auseinandersetzung und dringenden
Hinweis darauf zu verstehen, wie korrumpierbar und verführbar auch heute
Menschen für den Faschismus sind“, betont Dramaturg Daniel Grünauer im
Angesicht der Kritik. Ein durchaus bedenkenswerter Einwand, der vor
allem zeigt, wie verführbar die Menschen auch heute für angewandte
Geschichtsvergessenheit sind. Benötigte man für den Faschismus früher
noch mindestens einen Führer, beginnt er heutzutage am Bodensee
offensichtlich schon dann, wenn Hakenkreuze gegen Gratiskarten getauscht
werden.<br />
<br />
Inzwischen hat das Theater jedoch seine „Eintrittsstruktur
erweitert“, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Zahlende Besucher
dürfen wählen, ob sie sich „als Zeichen der Solidarität mit den Opfern
der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ den Davidstern anheften
lassen möchten oder nicht. Eine schöner Gedanke, der sogar noch schöner
sein könnte, wenn er den Deutschen nur rund achtzig Jahre früher
gekommen wäre. Das Hakenkreuz für Sparfüchse wiederum bleibt
obligatorisch. Wer nicht ausgerechnet am Geburtstag des Führers den
Nationalsozialismus nachspielen möchte, kann die Karten für diesen Tag
auch umtauschen. Das geht sogar gebührenfrei und ohne Verkleidung.<br />
<br />
<h2>
Juden gibt’s nur in der Opferrolle</h2>
Damit lässt das Theater es vorerst bewenden. Schade eigentlich. Denn
sowohl für Besucher als auch für Beobachter in der Ferne bleiben
hinsichtlich der Rollenverteilung einige Fragen offen. Wenn sich die
zahlende Kundschaft mit den verfolgten und ermordeten Juden
solidarisiert, mit wem sollen sich dann die Gratis-Hakenkreuz-Träger
solidarisch erklären? Mit den Nazis, die von Konstanz aus betrachtet in
erster Linie nur „verführt und korrumpiert“ wurden (wie gemein!), aber
wohl nie überzeugt waren? Und wenn das Hakenkreuz für Korrumpierbarkeit
steht, wofür steht dann der Davidstern? Für Courage und Integrität?
Sicher, Jude sein gefährdet auch heute noch (oder wieder) hie und da die
Gesundheit. Wohl dem, der seinen Davidstern hinterher geschwind an der
Garderobe abgeben kann. Aber diesen durchaus beklagenswerten Zustand
muss man als Theatermacher ja nicht gleich zur Norm erheben.<br />
<br />
Es sei denn, man macht es sich lieber in der Vergangenheit gemütlich,
wo das Gegenstück zum Hakenkreuz der gelbe Judenstern ist und Juden
folglich nur in der Opferrolle vorkommen, auf deren Rücken sich der
eigene Moralkompass gleich viel müheloser vergolden lässt. Was wiederum
die Frage aufwirft: Was sollen eigentlich Juden tun, die gerne „Mein
Kampf“ in Konstanz sehen würden, aber keine Lust auf eine Mottoparty
haben, deren Teilnehmer sich wahlweise ins Gewand ihrer verfolgten
Vorfahren oder in das von deren Mördern werfen? Fragen über Fragen, von
denen sich die tapferen Theatermacher aber freilich nicht so schnell ins
Bockshorn jagen lassen. Man wird ja wohl noch in Ruhe mahnen,
Diskussionen anstoßen und Zeichen setzen dürfen.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://4.bp.blogspot.com/-kcNHEOmlcWc/WtThq_kCT-I/AAAAAAAAA9E/4csTH3JB9aUqojm7BOi05Mi8zKFl5kxJQCLcBGAs/s1600/Judenstern_JMW.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1372" data-original-width="1518" height="361" src="https://4.bp.blogspot.com/-kcNHEOmlcWc/WtThq_kCT-I/AAAAAAAAA9E/4csTH3JB9aUqojm7BOi05Mi8zKFl5kxJQCLcBGAs/s400/Judenstern_JMW.jpg" width="400" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Theater Konstanz: Wo Symbole des Völkermords wie Bonbons verteilt werden <br />
<span class="recht"><a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Judenstern_JMW.jpg" target="_blank"> Daniel Ullrich, Threedots | CC-BY-SA 3.0</a></span></td></tr>
</tbody></table>
<br />
<h2>
So schön können Erinnerungslücken sein!</h2>
Ohnehin beweist das Theater Konstanz in dieser Angelegenheit
lediglich, wie nah es am Puls der Zeit operiert. Es ist erst einige
Monate her, da das „Zentrum für politische Schönheit“ dem AfD-Politiker
Björn Höcke in Reaktion auf dessen „Mahnmal der Schande“-Rede ein <a href="https://politicalbeauty.de/mahnmal.html"><strong>Mini-Holocaust-Mahnmal</strong></a>
in den Vorgarten stellte und von ihm einen Kniefall verlangte. Kurz
zuvor hielt die „Deutsche Bahn“ es wiederum für eine brillante Idee,
einen ICE nach <a href="https://www.salonkolumnisten.com/totalausfall-deutsche-bahn/"><strong>Anne Frank</strong></a>, die per Reichsbahn in den Tod geschickt wurde, zu benennen. Ebenfalls jüngeren Datums ist eine <a href="https://www.ksta.de/politik/studie-zu-ns-erinnerungen-die-deutschen--ein-volk-der-helfer-und-opfer-29695666"><strong>Studie</strong></a>
der Uni Bielefeld und der „Stiftung Erinnerung, Verantwortung und
Zukunft“ über familiäre Erinnerung an die NS-Vergangenheit. Mehr als 50
Prozent der Befragten sind demnach der Ansicht, dass ihre Vorfahren zu
den Opfern des Zweiten Weltkriegs zählen. Zwei Drittel gaben an, unter
ihren Vorfahren befänden sich keinerlei Täter des Kriegs. Nur 18 Prozent
bejahen die Frage nach der familiären Täterschaft. 2018 sind die
Deutschen also endlich dort angekommen, wo sie immer hin wollten: auf
dem Niveau eines Volkes voller unschuldiger Opfer.<br />
<br />
Bei so viel Unbekümmertheit ist nur konsequent, wenn sich die
Deutschen der NS-Vergangenheit im Allgemeinen, der Shoa im Besonderen so
bedienen, als handele es sich um den Requisiten-Fundus der örtlichen
Theatergruppe. Man greift sich das heraus, was gerade gefällt, ohne
näher etwas damit zu tun zu haben. In Thüringen stellen Nachfahren der
Täter einem anderen Täter-Nachfahren das Berliner Denkmal an sechs
Millionen ermordete Juden vor die Tür, weil es sich gerade gut anfühlt.
In Konstanz wiederum verteilen die Enkel der Nazis untereinander
Davidsterne und Hakenkreuze, als ginge es um Bonbons oder Flyer.
Losgelöst von der Vergangenheit und ihren konkreten Zusammenhängen lebt
und „erinnert“ es sich eben leichter. Gänzlich unbefangen lässt sich
dann sogar das gute alte Hakenkreuz locker wieder auftragen, ohne
Magenschmerzen zu erzeugen. Man kann aber auch als Anne Frank gehen –
jeder eben nach seinem Geschmack Und das Beste an alledem: Weder die
Vergangenheit selbst, noch die toten Juden können sich darüber
beschweren. Eine Win-Win-Situation auch für die Konstanzer
Theatermacher, denen auf diese Weise das Kunststück gelingt, ein
Theaterstück über Antisemitismus auf die Bühne zu bringen und
gleichzeitig eben jenen Judenhass mithilfe der Kölner-Karneval-Methode
zu bagatellisieren.<br />
<br />
Derweil laufen die Vorbereitungen zur Uraufführung von „Mein Kampf“
auf Hochtouren. Gut gerüstet mit jeder Menge Hakenkreuzen und
Davidsternen begrüßt man die Debatte, die, so das Theater in seiner
Stellungnahme, „viel über den teils fragwürdigen Umgang unserer
Gesellschaft mit der Vieldeutigkeit nationalsozialistischer Symbole und
Zitate aussagt“. Ein Hakenkreuz muss also nicht zwangsläufig etwas Böses
bedeuten. Es kann auch für das Gute am Bodensee stehen. So zumindest
dürften es einige derer sehen, die schon ihre kostenlosen
Hakenkreuz-Karten ergattert haben. Bereits fünfzig Gratis-Tickets gingen
über den Tresen, <a href="https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.empoerung-ueber-inszenierung-in-konstanz-mit-hakenkreuz-und-davidstern-ins-theater.0e8f6e34-80ff-420c-8c83-c8b0de1ceb75.html"><strong>teilt eine Sprecherin</strong></a>
mit. Ein guter Anlass, in aller Unschuld einmal mehr den Anfängen zu
wehren – oder auch: Theater Konstanz, bitte übernehmen Sie!<br />
<br />
<em>Zuerst bei den <strong><a href="https://www.salonkolumnisten.com/theater-konstanz-hakenkreuz-und-davidstern/">Salonkolumnisten</a></strong> erschienen.</em>Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com6tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-1634646411918307412018-03-23T01:35:00.000+01:002018-03-23T01:35:54.589+01:00Das Putinuum MobileWährend sich im Laufe des vergangenen Sonntags Millionen Russen an die
„Wahl“urnen begaben, um sich dort zwischen Vladimir Putin und einer Hand
voll Kostüm-Kontrahenten zu entscheiden, war auch in Deutschland
einiges an Wahlkampf geboten. Ein AfD-Abgeordneter des Berliner
Abgeordnetenhauses namens <a href="https://twitter.com/HughBronson_AfD/status/975317030424530944"><strong>Hugh Bronson</strong></a>
witterte amerikanische Umtriebe zwischen Moskau und Vladivostok. Seiner
Ansicht nach dienten die jüngsten US-Sanktionen gegen Russland
vermutlich dazu, die „Präsidentschaftswahlen zu Putins Nachteil zu
beeinflussen und sich somit ein ungeliebtes Staatsoberhaupt vom Halse zu
schaffen“. Derweil stellte der Büroleiter Jörg Meuthens die <a href="https://twitter.com/TomaszFroelich/status/975426287220281344"><strong>Frage</strong></a>, wo denn der Unterschied zwischen Russland und Deutschland sei, da hie wie dort das Ergebnis ja schon vorher feststünde.<br />
<br />
<blockquote class="twitter-tweet">
<div dir="ltr" lang="de">
Die <a href="https://twitter.com/hashtag/Medien?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#Medien</a> regen sich darüber auf, dass die Wiederwahl von <a href="https://twitter.com/hashtag/Putin?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#Putin</a> in <a href="https://twitter.com/hashtag/Russland?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#Russland</a> schon vor der Wahl feststehen würde. War das bei der Wiederwahl von <a href="https://twitter.com/hashtag/Merkel?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#Merkel</a> hierzulande denn anders? <a href="https://twitter.com/hashtag/Russlandwahl?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#Russlandwahl</a></div>
— Tomasz M. Froelich (@TomaszFroelich) <a href="https://twitter.com/TomaszFroelich/status/975426287220281344?ref_src=twsrc%5Etfw">18. März 2018</a></blockquote>
<br />
Angesichts dieser intellektuellen Höchstleistungen musste FDP-Vize
Wolfgang Kubicki also deutlich aufs Gas treten, um den Putin-Freunden
von der AfD das Wasser zu reichen. Dem <a href="http://www.deutschlandfunk.de/interview-der-woche-kubicki-bundesregierung-soll-auf.2932.de.html?drn:news_id=862608"><strong>Deutschlandfunk gegenüber</strong></a>
forderte er in gewohnter Manier eine Lockerung der Sanktionen. Die
Bundesregierung solle Bereitschaft zeigen, „auf Russland zuzugehen“, so
der Eintreter der sperrangelweit offenen Tore. Sonst drohe ein Kalter
Krieg. Dass der schon längst im Gange ist, hat Kubicki offenbar noch
nicht mitbekommen. Darüber hinaus kritisierte er die „voreilige
Beschuldigung“ Russlands hinsichtlich des Giftgasangriffs auf den
Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter im britischen
Salisbury. Bei der Gelegenheit enthüllte Kubicki zudem, dass das Giftgas
vielmehr in einem Labor in Usbekistan erzeugt worden sei, das nach dem
Zusammenbruch der Sowjetunion von den USA aufgelöst wurde. Die Amis
waren‘s also, zumindest gefühlt.<br />
<br />
Eine These, die Sigmar Gabriel zwar (noch) nicht teilt. Was aber den
Umgang mit dem russischen Giftgasangriff angeht, trennt den
Außenminister a.D. wenig von Wolfgang Kubicki. Auch er echauffierte sich
eine <a href="https://www.welt.de/politik/deutschland/article174603349/Ex-Aussenminister-Sigmar-Gabriels-boese-Abrechnung-mit-der-aktuellen-Russland-Politik.html"><strong>Woche zuvor </strong></a>über die gemeine Verdächtigung der Bundesregierung und würde lieber
eine UN-Organisation mit der Prüfung beauftragen. Wie man spätestens
nach den Giftgas-Angriffen Assads in Syrien weiß, haben die Vereinten
Nationen, ihr Sicherheitsrat im Besonderen, in solchen Angelegenheiten
schließlich extra schwere Geschütze aufzufahren.<br />
<br />
<h2>
Putin und seine Freunde: Propaganda gegen Posten</h2>
Einige Tage zuvor offenbarte eine repräsentative<strong> </strong><a href="https://www.welt.de/politik/ausland/article174648662/WELT-Trend-Mehrheit-der-Deutschen-wuenscht-politische-Annaeherung-an-Russland.html"><strong>Umfrage der WELT</strong></a>,
dass sich die Mehrheit der Deutschen eine Annäherung an Russland
wünscht. 58 Prozent der Befragten sind für ein besseres Verhältnis zu
Moskau, nur 26 Prozent für mehr Distanz. 14 Prozent wiederum sind mit
der deutsch-russischen Freundschaft in ihrer aktuellen Form zufrieden.
Ein schöner Erfolg für Vladimir Putin und dessen Netzwerk aus
Desinformationskriegern, nützlichen Idioten, bezahlten Propagandisten,
Lobbyisten, Trollen und Bots, deren Bemühungen zumindest an dieser Front
von Erfolg gekrönt sind. Die einen trommeln klar für Russland, die
anderen wenigstens pauschal gegen alles, was Putin gefährlich werden
könnte. Wieder andere kippen einfach nur Öl ins hausgemachte Feuer und
kümmern sich mit konzertierten Vernebelungs-Aktionen darum, dass am Ende
niemand mehr weiß, was wahr ist und was nicht und wo der Unterschied
zwischen Demokratie und Autokratie liegt. Zusammen stellen sie sicher,
dass eine Putin-kritische Politik keine Mehrheit bekommen kann – weder
parlamentarisch, noch in Umfragen.<br />
<br />
Infolge dessen kann Putin weiterhin das tun, was er eben so tut:
Nachbarn überfallen, in Syrien mit Fassbomben um sich werfen,
amerikanische Wahlkämpfe beeinflussen und lästige Exilanten auf offener
Straße mitten in England vergiften. Während die Deutschen sich weniger
um Außenpolitik und mehr um innere Angelegenheiten scheren, ist es in
Russland genau umgekehrt. Nachdem Putin innenpolitisch und
wirtschaftlich keine sonderlichen Erfolge vorzuweisen hat, konzentriert
er sich auf die Pflege der postsowjetischen Seele, indem er sich in
revanchistischen, imperialistischen Abenteuern übt, die Russland zurück
zu „alter Größe“ führen sollen. Da ist es freilich hilfreich, wenn man
im Westen auf diejenigen zählen kann, die gegen die Sanktionen mobil
machen, sich für Nordstream II in die Bresche werfen, die antiwestlichen
Ränder stärken, jegliche Entscheidungsfindung verunmöglichen und an der
Atlantikbrücke sägen. Im Gegenzug erhalten sie Kredite, Posten bei
Gazprom oder RT, <a href="http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-abgeordneter-ulrich-oehme-auf-illegaler-irak-mission-a-1197253.html"><strong>propaganda-taugliche Reisen</strong></a> nach Syrien oder auf die Krim, glänzende Freundschaftsmedaillen und <a href="https://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/5136136/FPOe-schliesst-FuenfJahresVertrag-mit-KremlPartei"><strong>Verträge</strong></a>
sowie ideologische Schützenhilfe zur Realisierung ihrer
Systemwechsel-Phantasien, die mit denen Putins deckungsgleich sind. Auch
sie sind es, die die Politik des Kreml-Chefs mitermöglichen, ihm seine
Macht und seinen Oligarchen ein angenehmes Dasein garantieren. So wie in
der EU niemand etwas gegen das Morden in Syrien unternehmen will,
dachte in London jahrelang kein Mensch ernsthaft daran, der sich dort <a href="http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/In-Londongrad-herrscht-Nervositaet"><strong>wohlfühlenden russischen Schwarzgeld-Prominenz</strong></a><strong> </strong>den Riegel vorzuschieben. Und auch der amerikanische Präsident ist derzeit eher<strong> </strong><a href="https://www.reuters.com/article/us-usa-russia-cyber/u-s-not-coordinating-against-russian-cyber-threat-top-general-idUSKCN1GK2KI?utm_campaign=trueAnthem:+Trending+Content&utm_content=5aa1c52104d3011a748cdc45&utm_medium=trueAnthem&utm_source=twitter"><strong>nicht in der Stimmung</strong></a>,
Vorsorge dafür zu treffen, dass sich die russische Einmischung in den
Wahlkampf nicht wiederholt. „Warum sollte Putin sowas tun?“, wird oft
ganz unschuldig gefragt, jüngst in Sachen Skripal beispielsweise. Putins
Antwort darauf wäre: Warum nicht?<br />
<br />
<h2>
Habemus Putin!</h2>
Und so wurde gestern unter wehenden Fahnen und lautstarken
„Rossija!“-Rufen in Moskau der völlig überraschende Wahlsieg des neuen
alten Kremlchefs zelebriert. Aber keineswegs nur dort. Schon vor einem
Monat mahnte ein<strong> </strong><a href="http://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_83277358/joerg-baberowski-wir-sollten-froh-sein-dass-putin-an-der-macht-ist-.html"><strong>Berliner Historiker</strong></a>
zu mehr Demut, vielmehr „sollten wir dankbar sein, dass Putin an der
Macht ist“. Umgehend nach Bekanntgabe des ersten Wahl-Ergebnisses
wiederum meldeten sich Alexander Gauland und Jörg Meuthen zu Wort und <a href="https://twitter.com/JustusBender/status/975438086573346816"><strong>gratulierten</strong></a> <span style="text-decoration: line-through;">ihrem</span>
dem russischen Staatspräsidenten zu seiner Wiederwahl. „Wir wünschen
ihm viel Erfolg und politische Umsicht für seine nächste Amtsperiode“,
hieß es an dieser Stelle. Und ja, mehr „Umsicht“ bei Giftgasangriffen
und gewaltsamen Grenzverschiebungen wäre tatsächlich eine feine Sache.
Bei der Wahl seiner Partner und Freunde hat Putin dagegen schon genug
Umsicht bewiesen, was man auch an Glückwunsch-Telegrammen wie diesen gut
erkennen kann. Gute Freunde kann eben niemand trennen.<br />
<br />
<strong>Zuerst am 19. März 2018 bei den <u><a href="https://www.salonkolumnisten.com/das-putinuum-mobile/">Salonkolumnisten</a></u> erschienen.</strong>Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-84447544640200966722018-03-02T00:52:00.000+01:002018-03-02T00:52:28.299+01:00Zweierlei Säbelrasseln<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}" id="js_u">
Vladimir Putins
alljährliche <strong><a href="http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/russlands-praesident-putin-haelt-eine-rede-an-die-nation-15474018.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0">Rede an die Nation</a></strong> ist schon ein paar Stunden alt, und im
Auswärtigen Amt tüfteln findige Diplomaten immer noch an einer passenden
Reaktion. Der Kreml-Chef sprach von Interkontinentalraketen,
atombetriebenen Marschflugkörpern, Waffen, die mit herkömmlichen Mitteln
nicht abzufangen seien - da braucht es Fingerspitzengefühl, um die
zarten Gemüter in Moskau nicht unnötig zu irritieren. Der erste Entwurf
eines Praktikanten - <em>"Sigmar Gabriel zeigte sich ob des
Aufrüstungsprogramms der russischen Regierung zutiefst besorgt. 'Es ist
nicht zielführend, die Lage durch Säbelrasseln und Kriegsgeheul weiter
anzuheizen', so der geschäftsführende Außenminister. Er warnte vor einem
atomaren Wettrüsten und rief den Kreml zur Besonnenheit auf."</em> - landete
umgehend in Ablage P. Ein solches Wording ist schließlich exklusiv für
die <a href="http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-02/us-ruestung-atomwaffen-sigmar-gabriel-kritik"><strong>Amerikaner</strong> </a>und die <strong><a href="http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-06/frank-walter-steinmeier-nato-manoever-russland-abruestung">Nato</a></strong> reserviert. <br />
<br />
Nebenan im
Wirtschaftsministerium ist man dagegen schon weiter. Nachdem bekannt
wurde, dass mutmaßlich russische <strong><a href="https://www.welt.de/politik/deutschland/article174105594/Hackerangriff-auf-Bundesregierung-Absolute-Sicherheit-ist-unmoeglich.html">Hacker</a></strong> das Datennetzwerk des Bundes und
der Sicherheitsbehörden wohl über mehrere Monate hinweg infiltriert
haben, meldete sich umgehend Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries zu
Wort. „Wenn es irgendwas mit der [russischen] Regierung zu tun hätte,
dann würde es natürlich Probleme nach sich ziehen“, gab die
Sozialdemokratin zu bedenken. Im Zweifel für den Angeklagten! Wer Hacker
in den Bundestag, in den US-Wahlkampf, in die Ukraine und ins Baltikum
entsendet, muss schließlich noch lange nicht vor den Haustüren von Frau
Zypries und Herrn Gabriel tätig geworden sein. Gut möglich, dass es auch
patriotisch veranlagte Hacker in Elternzeit waren, die dieses Jahr
keinen Urlaub auf der Krim machen wollten. Dagegen kann Putin dann eben
nichts machen. <br />
<br />
Wobei die Wirtschaftsministerin freilich recht
hat. Es zöge in der Tat "Probleme nach sich", wenn die Cyberangriffe
einen Kreml-Hintergrund hätten. Vor allem für Frau Zypries selbst. Denn
im Lichte dessen würden ihre <strong><a href="https://www.tagesschau.de/wirtschaft/zypries-usa-russland-101.html">Warnungen in Richtung USA</a></strong>, denen sie
angesichts der Verschärfung der Russland-Sanktionen "völkerrechtswidriges
Verhalten" vorwarf, doch etwas suboptimal erscheinen. Schon ein wenig
peinlich, wenn man sich erst für den Kreml ins Zeug legt und der es
einem dann mit Hackereien dankt.<br />
<br />
Insofern bietet es sich an,
skeptisch zu bleiben und abzuwarten. Dem Vernehmen nach sollen die
Hacker auch einige Zeit im Netzwerk des Auswärtigen Amts verbracht
haben. Und das wiederum spricht eher gegen eine russische Beteiligung.
Denn warum sollte man als Hacker seine Zeit mit Sigmar Gabriels Emails
verplempern, wenn man sich doch ohnehin auf Gas-Gerd Schröder verlassen
kann?</div>
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-33350455980495139612018-02-19T01:11:00.002+01:002018-02-19T01:11:55.506+01:00Abschieben für Deutschland<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}" id="js_10">
Es ist gefühlt eine halbe Ewigkeit her, als AfD-Chef Alexander Gauland vorschlug, die damalige Staatsministerin Aydan Özoguz "in Anatolien zu <a href="http://www.faz.net/aktuell/politik/bundestagswahl/afd-alexander-gauland-traeumt-von-entsorgung-aydan-oezoguz-15171141.html"><strong>entsorgen</strong></a>". Wesentlich jüngeren Datums ist die an "Kümmelhändler und Kameltreiber" gerichtete Aufforderung <a href="http://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-02/politischer-aschermittwoch-afd-sachsen-bjoern-hoecke/komplettansicht"><strong>André Poggenburgs</strong></a>, sich "dorthin zu scheren", wo sie seiner Ansicht nach hingehören - nämlich "weit, weit, weit, hinter den Bosporus, zu ihren Lehmhütten und Vielweibern". Das gefiel dem Aschermittwochs-Publikum, das beim Stichwort "<strong><a href="https://twitter.com/MelAmann/status/963820164692303872">Cem Özdemir</a></strong>" wiederum wie auf Kommando "ABSCHIEBEN!!!" zurückgröhlte. Und nun meldet sich Alice Weidel <strong><a href="https://www.facebook.com/aliceweidel/photos/pb.1061322973878937.-2207520000.1518998505./1868324639845429/?type=3&theater">zu Wort</a></strong>, um Deniz Yücel nicht nur sein Journalist-, sondern auch sein Deutsch-Sein abzusprechen. Wer Deutscher ist und wer nicht, und wo er oder sie sich dementsprechend hinzubegeben hat, ist innerhalb der AfD zweifellos eine Frage von außerordentlicher Relevanz. Nur die Antworten darauf changieren noch ein wenig. Ein Pass allein, also geltendes Recht, macht jedenfalls noch keinen Deutschen. Soviel steht fest. Was gibt aber dann den Ausschlag? Die Hautfarbe, die aus alternativer Sicht ja auch bei Boateng und Noah Becker eine Rolle spielt? Der Geburtsort der Großeltern? Die Gesinnung? Eine Mischung aus alledem? Poggenburg macht daraus zum Glück keinen Hehl. Er führt einen deutsch-türkischen Verband, dessen Statement ihm nicht passt, ins Feld, nur um anschließend allen hier lebenden Deutschen mit türkischen Wurzeln kollektives Koffer-Packen zu empfehlen. Wobei der Verband sowieso nur ein Vorwand ist, den Poggenburg und die seinen gar nicht brauchen, um zu ihrer „Ihr gehört hier nicht her!“-Überzeugung zu gelangen. Es klingt nur besser, wenn man es dann anschließend mal wieder nicht „so gemeint“ haben will.<br />
<br />
Gauland und Weidel berufen sich dagegen auf ihre ungeschriebene Entscheidungsbefugnis qua Biodeutsch-Sein: Wer eine "falsche Herkunft" und noch dazu eine falsche Gesinnung hat, gehört nicht dazu. Und wer nun die passenden Wurzeln und Meinungen hat, entscheiden Gauland und Weidel. Einen Yücel allein kann man gerade noch so hinnehmen. Aber wehe, er wird übermütig und macht Witze, die der AfD nicht gefallen. Dann ist Schluss mit lustig - genauso wie bei Frau Özoguz, die ihr Recht auf nicht-AfD-konforme Äußerungen allein aufgrund der Tatsache verwirkt hat, dass ihre Eltern nicht hier geboren wurden. Während Gauland und Weidel vorerst "nur" ein Deutsch-Sein unter Vorbehalt und mit 2.Klasse-Ticket propagieren, ist Poggenburg schon einen Schritt weiter und möchte präventiv gegen die durch "aufmüpfige Ausländer" drohende Gefahr vorgehen. Schließlich lauert in jedem Türken (also dem, den man dafür hält) wahlweise ein kleiner Yücel, ein IS-Kämpfer oder mindestens ein "vaterlandsloser Geselle". <br />
<br />
Nun gibt es durchaus <strong><a href="https://www.emma.de/artikel/ministerin-aydan-oezuguz-entlarvt-334201">gute Gründe</a></strong>, Frau Özoguz auf Grundlage ihres bisherigen Schaffens für eine Fehlbesetzung zu halten. Man kann ebenso Yücels Sarrazin-Kolumne für geschmacklos und bestimmte Verlautbarungen mancher Migranten- und Islam-Funktionäre für fragwürdig halten. Bloß ist es ja ohnehin nicht der inhaltliche Streit unter Individuen, den die AfD sich auf die Fahnen schreibt. In Özoguz wie in Yücel sieht man nicht die Politikerin oder den Journalisten, sondern in allererster Linie den „Ausländer“. Es ist dementsprechend das große Ganze, das der AfD am Herzen liegt: das Deutsch-Sein an sich und die exklusive Mitgliedschaft in diesem Nobel-Volk, als dessen strenger Türsteher man sich versteht. Um dieses Deutsch-Sein zu definieren, bedient man sich als "Partei des Rechtsstaats" dann mit Vorliebe bei Erdogan und mischt noch eine großzügige Portion Abstammungs-"Lehre" mit rein. <br />
<br />
<blockquote class="twitter-tweet" data-lang="de">
<div dir="ltr" lang="de">
<a href="https://twitter.com/hashtag/DenizY%C3%BCcel?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#DenizYücel</a> ist zurück. Schade, er meinte ja, was Besseres als 🇩🇪 würde sich allemal finden. Von der 🇹🇷 kann 🇩🇪 aber was lernen. Ein Straftatbestand analog der "Beleidigung des Türkentums" gegen <a href="https://twitter.com/hashtag/Deutschenhasser?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#Deutschenhasser</a> wäre eine Option. <a href="https://twitter.com/hashtag/KeepDeniz?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#KeepDeniz</a> <a href="https://twitter.com/hashtag/AfD?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#AfD</a> <a href="https://t.co/khse1kPVJl">https://t.co/khse1kPVJl</a></div>
— Ronny Kumpf 🇩🇪 (@RonnyKumpf) <a href="https://twitter.com/RonnyKumpf/status/964938538390302720?ref_src=twsrc%5Etfw">17. Februar 2018</a></blockquote>
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Das passiv-aggressive Grundrauschen, das inzwischen entstanden ist, sorgt am Ende für eine besonders pikante Note: groß im "Entsorgen", genauso groß aber auch im kollektiven Mimimi, und daher doppelt so groß in jammer-deutschen Gewaltfantasien, die derzeit die Kommentarspalten zum Thema Yücel, diesem „Feind des Volkes“, einnehmen. Was wiederum die Frage aufwirft, wie weit es mit den "deutschen Patrioten" her ist, wenn sie nicht einmal einen Deniz Yücel aushalten können. Aber Diskrepanzen dieser Art müssen weder den Experten für Kümmelhandel noch den für angewandte Entsorgung sonderlich tangieren. Man wehrt sich schließlich nur gegen all die Demütigungen, die man als Deutscher gemeinhin zu erleiden hat. Ganz wie immer also.<br />
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Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-33127857303865205282018-02-14T01:29:00.001+01:002018-02-14T01:29:55.630+01:00Dresden: Festspiele des Selbstmitleids<strong><em>Alle Jahre wieder richtet Dresden zum Jahrestag der alliierten Luftangriffe beachtliche Gedenkevents aus. Auf Selbstmitleid und Entkonkretisierung der Geschichte folgt nun ein Vorschlag aus der AfD, der den 13. Februar zum Feiertag befördern soll. Björn Höcke gefällt das. <br />
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</em> </strong>Der Dresdner an sich fällt nicht nur durch sein fideles Wesen auf. Was ihn zugleich von allen anderen west- und ostdeutschen Großstädtern unterscheidet, ist die Ernsthaftigkeit, mit der er die Rolle seines Lebens spielt: die des Opas, der vom Krieg erzählt. Jahr für Jahr richtet Dresden anlässlich der Bombardierung der Stadt am 13. Februar 1945 ein beachtliches Gedenkevent aus. Traditionen muss man schließlich pflegen. Das wusste schon die SED-Führung, die den Jahrestag der verheerenden Angriffe durch „anglo-amerikanische Luftgangster“ zu einem antiimperialistischen Propaganda-Spektakel beförderte. Erfunden hat die DDR derlei Folklore indes jedoch nicht. Zu verdanken ist sie vielmehr NS-Propagandaminister Joseph Goebbels, der sich schon in den Trümmern der zerstörten Stadt daran machte, der Katastrophe einen „Volksgemeinschaft“-tauglichen Spin zu verpassen.<br />
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Natürlich, das alliierte Kalkül vom „moral bombing“, das in Dresden 25.000 Tote forderte, ging ohnehin nicht auf. Die Deutschen folgten ihrer Führung unbeirrt, schickten bis zum Schluss Juden in den Tod und wussten ohnehin genau, wo das Böse lauert – nicht in der Wolfsschanze, sondern im Westen. Dennoch ließ Goebbels nichts anbrennen und hängte der damals bekannten Zahl der Toten noch schnell eine Null an. Bestattungslisten sprachen von 20.204 Toten, die Propaganda von 202.040. Fertig war der Mythos, der in der DDR weiter gedieh und auch die Wende, Historikerkommissionen und seriöse Forschung unbeschadet überlebte. Wer heute einen Dresdner beleidigen möchte, erzielt mitunter eine durchaus ordentliche Trefferquote, wenn er von 25.000 Todesopfern spricht.<br />
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<h2>
Geschichte ist das, was man für sich selbst daraus macht</h2>
Die Dresdner verfügen über eine einzigartige Begabung, sobald es darum geht, sich selbst zum unschuldigen Opfer der Geschichte zu befördern. Einer Geschichte, die laut sächsischer Überlieferung natürlich erst in diesem Februar 1945 losging – also zu dem Zeitpunkt, als auch die Dresdner selbst den bis dahin schon sechs Jahre andauernden Krieg zu spüren bekamen. Von da an mauserten sich die Elbflorenz-Bewohner zu Experten für angewandte Kritik einer auf die Zivilbevölkerung ausgerichteten Kriegsstrategie. Als die deutsche Luftwaffe ihre Bomben etwa über Warschau und Coventry abwarf, waren die Dresdner dahingehend bedauerlicherweise noch nicht so weit. Einige von ihnen sind es bis heute nicht. Insofern ist es nur konsequent, dass daneben auch der deutsche Vernichtungsfeldzug im Osten sowie die Gaskammern ihren Platz im örtlichen Geschichtsbuch räumen müssen. An ihre Stelle tritt die vom Bombenkrieg betroffene Oma, die exklusiv und ausschließlich als Bombenopfer betrachtet wird. Dass Oma nicht nur Opfer der britischen Luftangriffe, sondern womöglich auch eine glühende Nationalsozialistin war; dass beides eventuell sogar in Zusammenhang zueinander steht – wenngleich die Bomben keinen Unterschied zwischen Tätern, Mitläufern, Unschuldigen und Verfolgten machten –, gilt von Dresden aus betrachtet nicht selten als pure Ketzerei. An der Elbe hat man es lieber bekömmlich. Geschichte ist nicht das, was war, sondern das, was man für sich selbst daraus macht.<br />
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Über Jahrzehnte hinweg bildete der 13. Februar in Dresden den Höhepunkt der Festspiele des Selbstmitleids. Heute ist das weitestgehend noch immer so, nur etwas eleganter verpackt. Neonazis, die einen „Bombenholocaust“ beklagen, treffen auf Antifa-Aktivisten. Daneben entsteht eine Lichterkette für all jene, die an diesem identitätsstiftendem Tag nicht direkt in die Rauferei einsteigen wollen, allerdings auch nicht dazu imstande sind, einfach daheim zu bleiben und den Toten ihre Ruhe zu lassen. Die Stadt Dresden unterhält eine eigens dem 13. Februar gewidmete Website mit einem reichlich gefüllten <a href="https://13februar.dresden.de/de/veranstaltungen.php"><strong>Terminkalender</strong></a>, der für jeden etwas bietet: vom Spaziergang auf dem „Dresdner Gedenkweg“ über einen „International Peace Slam“ („internationale Gastwissenschaftler berichten (…) über ihre Friedenserfahrungen“) bis hin zum Gedenken in, vor oder unter der Frauenkirche bis spät in die Nacht. Wer es eilig hat, kann im Rahmen des „dezentralen Gedenkens“ auch schnell und unverbindlich einen von acht Gedenkorten aufsuchen.<br />
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<h2>
Überall Opfer, nirgendwo Täter</h2>
Über alledem schwebt das offizielle <a href="https://13februar.dresden.de/de/aufruf.php"><strong>Gedenk-Motto</strong></a> der Stadt: „Aus Anlass der Bombardierung unserer Stadt im Februar 1945 erinnern wir an die Opfer von Nationalsozialismus und Krieg, Hass und Zerstörung.“ Ein beachtliches Unterfangen, das allerdings auch ein paar Komplikationen in sich birgt. Immerhin freuten sich nicht wenige Opfer der Nazis über die im gleichen Atemzug erwähnte Zerstörung durch die Alliierten, die eben auch ein Ende des Grauens versprach. Die Luftangriffe und das folgende Chaos waren es, die den Dresdner Juden und deren Angehörigen, die schon auf der Deportationsliste standen, das Leben retteten. Aber über derlei Feinheiten muss man sich an der Elbe keine Gedanken machen. Verfolgte hin, Verfolger her, am Ende waren wohl alle „Opfer <em>von</em> Nationalsozialismus“ – was ein wenig so klingt, als gäbe es mehrere Nationalsozialismen, wodurch das Original nicht ganz so auffällt.<br />
<br />
Möglicherweise ist die Erwähnung der Opfer des Nationalsozialismus aber auch nur eine Pflichtübung, die sich weniger an die Dresdner, sondern vielmehr an Nicht-Dresdner richtet, denen das ritualisierte Selbstmitleid sonst nur schwer zu vermitteln wäre. Wie könnte man schließlich etwa einem Hamburger, dessen Stadt durch alliierte Bombenangriffe 34.000 Tote verzeichnete, das alljährliche Spektakel verständlich machen? Wie will man erklären, dass die einen ihr Erbe akzeptieren können, man selbst aber nicht darüber hinwegkommt? Betrauert man rund um die Elbe überhaupt noch wirklich die Opfer, oder instrumentalisiert man sie nicht vielmehr?<br />
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<h2>
Ein Feiertag zur kollektiven Entspannung</h2>
Die Rede von „Hass und Krieg“ wiederum mutiert derweil zu wohltuender Gymnastik, dank der sich alle noch vorhandenen Verspannungen lösen und die konkreten Zusammenhänge wie von selbst verschwinden. „Nie wieder!“ klingt gut, „Nie wieder Krieg!“ noch viel besser. Ob damit der Krieg der Nazis oder der der Alliierten, der Feldzug im Namen der Vernichtung oder der Krieg gegen das Böse gemeint ist, muss man als Dresdner gar nicht erst konkretisieren. Jeder kann sich selbst aussuchen, wo er die Täter, wo die Opfer verortet. All das ist bequem und korrespondiert bestens mit der DNA der Veranstaltung, die sich hauptsächlich aus Selbstmitleid zusammensetzt. Ausschlaggebend ist daher auch nicht, ob die Stadt in diesen Tagen Stolpersteine, Friedenswissenschaftler oder Gottesdienste aufs Programm setzt, sondern die Tatsache, dass sie diesen Tag überhaupt zum Spektakel befördert.<br />
<br />
Für manch einen ist all das aber noch lange nicht genug. Erst vor kurzem drang aus der sächsischen AfD der <a href="https://www.sachsen-depesche.de/interview/dr-maximilian-krah-afd-im-gespr%C3%A4ch-mit-der-sachsen-depesche.html"><strong>Vorschlag</strong></a> hervor, den 13. Februar „als Gedenktag zu einem staatlichen Feiertag“ zu befördern. Eine interessante Idee, die der laut Björn Höcke dringend benötigten „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ sehr nahe kommt. Nicht nur, dass damit den berufstätigen Dresdnern, die es bloß zum „dezentralen Gedenken“ in der Mittagspause schaffen, ein großer Gefallen getan wäre. Es würde auch die Verkrampfungen derjenigen lindern, die sich schon seit Jahrzehnten durch ihre Aufrechnungs-Künste hervortun und die Opferzahlen in schwindelerregende Höhen schrauben – auf dass die eigene Weste etwas weniger düster erscheint. Offenkundig sind ihnen 25.000 Opfer nicht genug. Wer aber einen gesetzlichen Feiertag hat, hat recht. Diskutieren muss er dann nicht mehr. Der 9. November und der 27. Januar sind bundesweit nur Gedenk-, keine Feiertage. Der 13. Februar als Feiertag würde daneben in hellem Glanze erstrahlen und die Herzen jener erwärmen, in deren Welt vor allem die Deutschen die Opfer der Geschichte waren.<br />
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<h2>
AfD-ler, schaut nach Polen! </h2>
Vielleicht sollte man in und rund um die AfD aber auch nach Polen blicken, wo man dahingehend schon weiter ist. Dort möchte die Regierung derlei Angelegenheiten nun <a href="http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/30733"><strong>per Gesetz</strong></a> klären, womit jegliche Thematisierung der Nazi-Kollaboration von Polen während der deutschen Besatzung unterbunden werden soll. Offiziell argumentiert man in Warschau mit der in der Tat falschen Bezeichnung „polnisches Todeslager“ und dem „guten Ruf Polens“. Zahlreiche Regierungen, allen voran die israelische, sind davon jedoch weniger angetan. Auf die Kritik Netanyahus hin entlud sich im Netz ein antisemitischer <a href="https://www.timesofisrael.com/israeli-embassy-in-poland-inundated-with-wave-of-anti-semitic-messages/"><strong>Shitstorm</strong></a>, der sich vor allem gegen die israelische Botschaft in Polen richtete. Mittlerweile, so berichtet die Botschafterin, verbreiten auch polnische Medien derlei Äußerungen. Ein Berater der PiS-Regierung <a href="https://www.jta.org/2018/02/11/news-opinion/israel-middle-east/israels-reaction-to-polish-holocaust-law-due-to-shame-for-passivity-during-the-holocaust-advisor-says"><strong>attestierte</strong></a> den Israelis prompt Gefühle der „Scham“ aufgrund der „Passivität“ der Juden während des Holocausts. Will heißen: Selbst schuld, wenn man sich zur Schlachtbank führen lässt. Eine kreative Auslegung, die auch insoweit beachtlich ist, als die polnisch-israelischen Beziehungen bislang nicht die schlechtesten waren. Offenkundig ist selbst ein Land, das tatsächlich in besonderem Maße unter Nazis und Sowjets zu leiden hatte, nicht vor den Reizen der alles umfassenden Opferrolle gefeit.<br />
<br />
In Dresden hingegen dürften Klitterversuche dieser Machart auf Sympathie stoßen. Der Trend geht zur Zweit-Geschichte. Warum nicht auch in Sachsen dem potentiellen Feiertag ein Gesetz zur Seite stellen? Wer die ausschließliche Opferrolle der Dresdner leugnet, wird mit Bewährung und verbindlicher Teilnahme bei Pegida nicht unter 12 Monaten bestraft. Klingt verrückt? Gewissermaßen. Aber Arthur Harris selbst hätte sicherlich auch jeden für verrückt erklärt, der ihm 1945 eine identitätsstiftende Rolle im Seelenhaushalt Dresdens vorausgesagt hätte.<br />
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<em>Zuerst bei den <strong><a href="https://www.salonkolumnisten.com/dresden-bombardierung-selbstmitleid/">"Salonkolumnisten"</a></strong> erschienen.</em>Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-39665617566448822902018-02-12T01:56:00.000+01:002018-02-12T10:35:05.302+01:00Wenn der Nahost-Korrespondent zweimal wegsiehtNachdem der Iran in den letzten Jahren seinen Einfluss in der Region erfolgreich ausgeweitet hat, ist er am vergangenen Samstag dort angekommen, wo er von Anfang an hinwollte: in der direkten Konfrontation mit der israelischen Armee an der syrisch-israelischen Grenze. Eine iranische Drohne drang in den israelischen Luftraum ein, wurde jedoch rasch von der israelischen Luftwaffe abgeschossen. Die wiederum flog daraufhin Angriffe auf iranische Stellungen in Syrien, wobei eine F-16 der Israelis ins Feuer der syrischen Luftabwehr geriet und abstürzte. Die Piloten - einer leicht verletzt, einer schwer - konnten sich per Schleudersitz auf israelischen Boden retten. <br />
<br />
Soweit der Stand der unheimlichen Dinge, auf den nun die gut eingeübten Wortmeldungen folgten. Immerhin, das amerikanische <strong><a href="https://www.state.gov/r/pa/prs/ps/2018/02/278202.htm">Außenministerium</a></strong> verurteilt die iranische Aggression, während Vladimir Putin, der Heiland im "Kampf gegen den Terror" und bester Freund Assads und der Mullahs, Netanyahu <strong><a href="https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-israel-putin/putin-urges-netanyahu-to-avoid-escalation-in-syria-ifax-idUSKBN1FU0Z6?utm_campaign=trueAnthem:+Trending+Content&utm_content=5a7f97e904d3014697d3743f&utm_medium=trueAnthem&utm_source=twitter">dazu auffordert</a></strong>, jegliche "Eskalation" in Syrien zu unterbinden und die Souveränität Syriens zu achten. Im Eskalationsgewerbe kennt er sich schließlich aus. Der Chef der UN fordert ebenfalls mehr <strong><a href="https://twitter.com/BlogsofWar/status/962536491988799493">Deeskalation</a></strong> und verabschiedet sich danach wieder ins wohlverdiente Wochenende. In Gaza und im libanesischen Hisbollah-County wird <a href="https://www.timesofisrael.com/palestinians-cheer-downing-of-f-16-warn-israel-not-to-attack-gaza/"><strong>gefeiert</strong></a>, in den Straßen von Damaskus verteilt man zur <strong><a href="https://www.nytimes.com/2018/02/10/world/middleeast/israel-iran-syria.html">Feier des Tages</a></strong> Süßigkeiten. In Europa herrscht derweil das übliche Schweigen. Auch in Deutschland fällt niemandem etwas ein, was in Anbetracht der vorangegangen Wortmeldungen in Sachen Iran - etwa <strong><a href="https://jennifernathalie.blogspot.de/2018/01/teheran-europa-kein-anschluss-unter.html">Sigmar Gabriels Rat</a></strong> an die iranischen Demonstranten, es nicht zu übertreiben - schon eine positive Entwicklung ist. Keinen wirklichen Außenminister zu haben ist eben auch nicht das Schlechteste. Einzig Frank-Walter Steinmeier meldet sich zu Wort. Und zwar mit einem <strong><a href="https://twitter.com/eli140483/status/962627738539642880">Glückwunsch-Telegramm</a></strong> in Richtung <strong><a href="http://www.tehrantimes.com/news/421174/Foreign-leaders-congratulate-Iran-on-revolution-anniversary">Teheran</a></strong> anlässlich des 39-jährigen Jubiläums der Islamischen Revolution, das am Sonntag feierlich von denen begangen wurde, die zeitgleich Frauen ohne Kopftuch in Folterknäste sperren. Man muss eben Prioritäten setzen, gerade auch als Deutscher.<br />
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<blockquote class="twitter-tweet" data-lang="de">
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FTFY <a href="https://t.co/bNfArX90Vr">pic.twitter.com/bNfArX90Vr</a></div>
— Jonathan Schanzer (@JSchanzer) <a href="https://twitter.com/JSchanzer/status/962561609250959360?ref_src=twsrc%5Etfw">11. Februar 2018</a></blockquote>
<script async="" charset="utf-8" src="https://platform.twitter.com/widgets.js"></script><br />
Was den europäischen Diplomaten an Worten fehlt, bügelt nun allerdings das öffentlich-rechtliche Fernsehen mühelos wieder aus. Der ARD-Israel-Korrespondent verrät beispielsweise<strong> <a href="http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-376047.html">in der Tagesschau</a></strong>, die israelische Regierung würde sich vom "Iran bedroht fühlen". Also ungefähr so, wie sich manche Menschen von Spinnen "bedroht fühlen". Gefühle sind bekanntermaßen eine recht subjektive Angelegenheit. Gut möglich, dass die Israelis einfach gerade diverse Schwankungen ihres Gefühlshaushalts durchleben und sich die iranische Militärpräsenz vor der Haustür sowie die jahrelangen Vernichtungsdrohungen der Mullahs nur einbilden. Die ARD hält sich da lieber bedeckt. Trotz des offensichtlichen Drohnenmanövers aus iranischer Hand und trotz etlicher Zeugnisse der <strong><a href="https://www.haaretz.com/middle-east-news/syria/syrian-and-iranian-backed-forces-push-deeper-into-border-area-with-israel-1.5629576">iranischen Militärpräsenz in Syrien</a></strong> zitiert man lieber beide Seiten: die "Behauptungen" Netanyahus, die Dementis der Iraner. Am Ende kann der Zuschauer dann auswürfeln, ob das iranische Regime nun in Syrien präsent ist oder nicht. Dass Israel sich nicht nur bedroht <em>fühlt</em>, sondern auch bedroht <em>ist</em>, muss man ja nicht gleich verraten. Wäre schließlich schade um das beliebte Narrativ vom stetig aggressiv gestimmten Israel. <br />
<br />
Nicht minder aufschlussreich geht es auch beim "<strong><a href="https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/videos/schaltgespraech-albrecht-100.html">heute journal</a></strong>" zu. Ob Netanyahu denn jetzt wirklich "sein Land hinter sich" hätte, nachdem er auf "<em>einen</em> Drohnenflug mit <em>zwölf </em>Bombenangriffen reagiert hat", möchte Claus Kleber von Nicola Albrecht in Tel Aviv wissen. Die bejaht, mit ernster Miene, hat sie doch bedauerlicherweise keinen Israeli finden können, der mit der Bedrohung der eigenen Existenz auch gut leben könnte. Ohnehin ist der Fall für sie klar: "Beide Seiten spielen mit dem Feuer", erklärt die ZDF-Korrespondentin dem deutschen Publikum, so als ginge es um eine Auseinandersetzung im Sandkasten, bei der es nur selten Unschuldige gibt. Dass beide Seiten "rote Linien" austesten, will sie ebenso herausgefunden haben. Wo ihre persönliche rote Linie verläuft, bei Raketenalarm in Tiberias oder erst dann, wenn der "red alert" in ihrem eigenen Büro in Tel Aviv ertönt, lässt sie indes offen. Ohnehin beunruhigt sie vielmehr, dass Netanyahu "diesen Vorfall nutzen wird, um sein außenpolitisches Mantra, nämlich dass Iran der eigentliche Aggressor hier in der Region ist, der Böse, noch einmal auf der internationalen Plattform intensivieren wird". Und das, so der unausgesprochene Gedanke, wäre dann wirklich der Ernstfall. Da wüssten selbst erfahrene Nahost-Korrespondenten nicht mehr weiter. Ein drohender Krieg zwischen dem Iran und Israel auf dem Golan und im Libanon, Raketen, Tote, nukleare Ambitionen der Mullahs, die über alledem schweben - nicht schön, aber auch nicht sonderlich erwähnenswert, und erst recht nicht so schlimm wie die Vorstellung, dass ein israelischer Regierungschef etwas gegen den Iran sagen könnte. Nutzt er ja eh nur für seine politischen Zwecke, dieser Schlingel. <br />
<br />
Vielleicht muss man die Israel-Korrespondenten von ARD und ZDF aber auch einfach beneiden; um ihre Fähigkeit, selbst in Zeiten der Krise einen klaren Kopf zu bewahren und allen Widerständen zum Trotz der eigenen Linie treu zu bleiben: im Zweifel gegen Israel.<br />
<br />Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-63389695273293293762018-01-27T18:56:00.002+01:002018-01-29T01:53:58.509+01:0027. Januar: Einmal Gedenken mit Israelkritik, aber bitte ohne Juden!<strong><em>Gerne rühmt sich das offizielle Deutschland seiner
Vergangenheitsbewältigung. Gleich nebenan treffen jedoch immer häufiger
Israelkritiker und Freunde des Schlussstrichs aufeinander, die den Juden
Auschwitz gleichermaßen schwer verzeihen können. Über
Schuldabwehrspieler, professionelle Banalität und deutsche
Entlastungsrituale. </em><br />
</strong><br />
Der 27. Januar ist ein guter Tag, um den Deutschen einmal zu
gratulieren. Denn aus ihrer Geschichte haben sie nicht nur vieles
gelernt. Tatsächlich lernen sie sogar von Tag zu Tag auch noch etwa
dazu. Erst am vergangenen Montag bot sich hierzu erneut eine
Gelegenheit. Zur besten Sendezeit, ab etwa 23 Uhr, konnte das historisch
interessierte Publikum sich gleich an zwei Dokumentationen erfreuen,
die die „deutsch-jüdische Symbiose“ tangieren. Der Film <a href="http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/hitlers-letzte-mordgehilfen-100.html"><strong>„Hitlers letzte Mordgehilfen?“</strong></a>
gewährte Einblicke in die Arbeit der Staatsanwälte, die sich auf die
Spuren der noch wenigen lebenden KZ-Wächter begeben. Kümmerte sich die
deutsche Justiz über sechzig Jahre ausschließlich um die Mörder,
verfolgt sie seit kurzem auch die Beihilfe zum Massenmord. So zeigt die
Dokumentation vorrangig Ermittler, die auf dem Gelände des ehemaligen
KZs Stutthoff nicht mehr bestehende Wachtürme rekonstruieren und der
Frage nachgehen, ob man von dort aus den ein oder anderen Mord hätte
wahrnehmen können – andernfalls wird es mit der Anklage schwieriger.
Nicht auszuschließen, dass jemand ein KZ bewachte, ohne dabei jemals
etwas Mörderisches gesehen oder auch nur gehört zu haben. Im Zweifel für
den Angeklagten. Ein deutlicher Hinweis für die Existenz des
„Schuldkults“, von dem nicht nur AfD-Spitzen wie Alice Weidel zu
berichten wissen.<br />
<br />
So wirklich zur Sache ging es aber erst eine Dreiviertelstunde später. Unter dem Motto <a href="http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/der-mossad-die-nazis-und-die-raketen-100.html"><strong>„Der Mossad, die Nazis und die Raketen“</strong></a>
behandelte die nun folgende Doku das gegen Israel gerichtete
Raketenprogramm Gamal Abdel Nassers, an dem sich in den 60er-Jahren auch
deutsche Ingenieure mit NS-Hintergrund beteiligten. Der Zuschauer
erfährt von Mossad-Chef Isser Harel, dem damals „fast jedes Mittel
recht“ war, um das ägyptische Treiben zu stoppen – und davon, wie ihm
dabei auch deutsche Raketen-Experten durch eine Briefbombe und ein
Entführungskommando zum Opfer fielen. Israelische Täter, deutsche
Leidtragende: Die Raketen-Affäre ist eine Offenbarung für alle, die
schon immer um die Skrupellosigkeit der Zionisten wussten. Umso mehr, da
die ägyptischen Raketen damals <em>noch</em> nicht lenkfähig, also
„keine Bedrohung“ für Israel waren, wie die Stimme aus dem Off im Chor
mit weiteren Zeitzeugen latent triumphierend erklärt. Am Ende des Abends
steht es 1:1 zwischen Deutschen und Juden. Zumindest gefühlt.<br />
<br />
Nun ist es durchaus vorstellbar, dass bei den
Programm-Verantwortlichen im Ersten lediglich Kommissar Zufall am Werk
war. Denkbar wäre aber auch, dass seelenhygienische Erwägungen zumindest
unterbewusst eine Rolle spielten. Erinnern und Entlastung,
Stolpersteine und Israelkritik, Gedenken und gute Ratschläge an die
israelische Regierung – es ist exakt dieser Rhythmus, in dem sich die
Vergangenheit schon seit einiger Zeit besonders entspannt bewältigen
lässt. Die Gründung des Staates Israel war nicht nur ein Glücksfall für
die Juden, sondern auch für die Deutschen, die seither penibel
Strichlisten über die Vergehen der Juden zwischen Mittelmeer und Jordan
führen. Wenn nun sogar die Israelis in Gaza ein „Ghetto“ betreiben,
wiegt der Dienst der Großväter zwischen Warschau und Auschwitz gleich
viel weniger schwer.<br />
<br />
<h2>
Erinnern und bewältigen? Fein, aber bitte nicht übertreiben!</h2>
Inzwischen sind 22 Jahre vergangen, seit der damalige Bundespräsident
Roman Herzog den 27. Januar zum Gedenktag an die Opfer des
Nationalsozialismus ernannte. Seither gedenkt man in Deutschland an
diesem Tag nicht, wie es kraft eines UN-Beschlusses in anderen Ländern
üblich ist, der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Tag_des_Gedenkens_an_die_Opfer_des_Holocaust"><strong>Opfer der Shoa</strong></a>,
sondern universell aller Opfer, die auf das Konto der
Nationalsozialisten gingen. Das ist auf den ersten Blick löblich, auf
den zweiten jedoch auch ein wenig bequem. Erinnerung, so scheint es, ist
eine gute Sache. Aber es damit übertreiben, gar an die Wurzel des
Nationalsozialismus, nämlich den Judenhass gehen, muss man ja nun auch
nicht. Man hält Reden, legt Kränze ab und weiht Gedenkstätten ein. Man
rühmt sich der Auschwitz-Prozesse, der „Wiedergutmachungs“-Zahlungen und
des „jüdischen Lebens“, das hie und da unter höchsten
Sicherheitsvorkehrungen stattfindet. Das alles sieht gut aus und fühlt
sich noch besser an. Vor allem aber beruht es größtenteils auf den
Verdiensten weniger, deren Aufarbeitungs-Bemühungen lange Zeit auf
Widerstände stießen.<br />
<br />
Dass Fritz Bauer sein Wissen über den Aufenthaltsort Adolf Eichmanns <a href="https://www.welt.de/kultur/article7576549/Als-Israelis-den-Nazi-Adolf-Eichmann-entfuehrten.html"><strong>lieber mit dem Mossad</strong></a> als mit deutschen Behörden teilte, dass die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Verj%C3%A4hrungsdebatte"><strong>Verjährung</strong></a>
von Mord – und damit auch die des Völkermords der Nazis – erst nach
einigem Hin und Her aufgehoben wurde, darüber lässt sich treffend
schweigen. Der Erinnerungskultur wird zwar häufig nachgesagt, lediglich
ein Elitenprojekt zu sein. In Wirklichkeit ist sie allerdings nicht
einmal das. Es sei denn, man hält das renommierte „Institut für
Zeitgeschichte“, das über Jahrzehnte ein Erscheinen des von Raul Hilberg
verfassten Standardwerks „Die Vernichtung der europäischen Juden“ <a href="http://www.sueddeutsche.de/kultur/zeitgeschichte-angst-vor-derwahrheit-1.3712182"><strong>behinderte</strong></a>,
für eine gänzliche unelitäre Veranstaltung. Frankreich brachte Claude
Lanzmanns „Shoa“ hervor, die USA die weltweit beachtete Serie
„Holocaust“. In Deutschland setzt man lieber auf hitlerbärtige
Satire-Produktionen, auf „Er ist wieder da“, auf Guido Knopp und Hitlers
Frauen und immer öfter auch auf Entspannungsübungen, die Titel wie <a href="http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/15529"><strong>„Unsere Väter, unsere Mütter“</strong></a>
tragen. Während der amerikanisch-israelische Historiker Saul
Friedländer sein mehrfach ausgezeichnetes Werk „Das Dritte Reich und die
Juden“ vollendete, kümmerte sich das offizielle Deutschland emsig um
die<strong> </strong><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%B6rg_Friedrich#%E2%80%9EDer_Brand%E2%80%9C_und_%E2%80%9EBrandst%C3%A4tten%E2%80%9C"><strong>Bombenangriffe</strong></a>
der Alliierten. Dass die relevanten Forschungen zur Shoa weniger von
deutschen Historikern ausgingen und überwiegend von Autoren aus dem
Ausland stammen, kommt in Sonntagsreden allerdings nicht so gut an.<br />
<br />
<h2>
Zwischen Wanderzirkus und „Buchenwald Libre“</h2>
Seit je her rühmt sich das Land der Dichter und Denker seiner eigenen
Tiefsinnigkeit. Mit den vermeintlich „oberflächlich-kommerziellen“
Kulturprodukten jenseits des Atlantiks will es wenig gemein haben. In
Sachen Erinnerung ist es jedoch nahezu umgekehrt. Deutsches Gedenken
zählt mehr auf Effekte denn auf Substanz. Entscheidend ist nicht der
Inhalt, sondern die Verpackung. Die Deutsche Bahn beispielsweise hielt
es für eine gute Idee, einen <a href="https://www.salonkolumnisten.com/totalausfall-deutsche-bahn/"><strong>ICE nach Anne Frank</strong></a>
zu benennen. Immerhin stehe sie „für Toleranz und für ein friedliches
Miteinander verschiedener Kulturen“, was „in Zeiten wie diesen,
wichtiger denn je“ sei. Ganz so, als hätte es sich bei Anne Frank
lediglich um eine verhinderte Vorkämpferin im Dienste der
multikulturellen Gesellschaft, bei den Nazis dagegen um miesepetrige
Spielverderber mit Aversion gegen ein „friedliches Miteinander“
gehandelt. Etwas später stellte das „Zentrum für politische Schönheit“
dem AfD-Vergangenheitsexperten Björn Höcke ein Holocaust-Mahnmal vor die
Tür – und demonstrierte damit, dass sich das Andenken an die die
ermordeten Juden inzwischen auch mühelos als Wanderzirkus nutzen lässt.
Im <strong>„</strong><a href="http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/30655"><strong>Berliner Ensemble</strong></a><strong>“</strong>
wiederum stehen heute keineswegs nur erinnerungstechnische Workshops
und Podiumsdiskussionen auf dem Programm. Nach getaner Gedächtnisarbeit
kann man dort ebenso Party machen. „Reden, feiern und trinken – ohne
dabei zu vergessen“ lautet das Gebot der Abendstunde. Ob das Barmenü
auch „Buchenwald Libre“ oder „Auschwitz Sunrise“ führt, ist hingegen
nicht bekannt.<br />
<br />
Andernorts ist die Vergangenheitsbewältigung da schon weiter. Erst
neulich führte Alexander Gauland in seiner Kyffhäuser-Rede das
allgemeine <a href="https://youtu.be/RCb4KWtzLyo?t=910"><strong>Recht</strong></a> ein,
sich nicht nur „unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit
zurückzuholen“. Das Recht, „stolz zu sein auf die Leistungen deutscher
Soldaten in zwei Weltkriegen“, reklamierte er bei der Gelegenheit für
sich und die seinen gleich mit. Wenn schon, denn schon. Dabei muss man
dem AfD-Chef zugestehen, auf diese Weise immerhin neue Trends zu setzen.
Während die einen noch leugnen und die anderen relativieren (Dresden!
Rheinwiesen!), begibt sich Gauland ohne Umschweife auf die Zielgerade
und rehabilitiert, worum andere noch mühselig krebsen. Schließlich steht
für aufrechte Patrioten viel auf dem Spiel: Erst mit einer ordentlichen
Vergangenheit kann auch eine strahlende Zukunft entstehen. Es ist ein
Jahr her, da Björn Höcke die „systematische Umerziehung“ <a href="http://www.tagesspiegel.de/politik/hoecke-rede-im-wortlaut-weizsaeckers-rede-zum-8-mai-1945-war-gegen-das-eigene-volk/19273518-3.html?inShowTeaserImage=true&inShowIntro=false&inShowAuthors=true&inShowTime=false&inShowComments=false"><strong>beklagte</strong></a>,
mittels derer die Alliierten „unsere Wurzeln“ hätten roden, „unsere
kollektive Identität“ hätten „rauben“ wollen. Wer heute eine Zukunft
haben will, brauche eine „Vision“, die aber nur dann entstehen könne,
„wenn wir uns selber finden“, so Höcke. Und weiter: „Selber haben werden
wir uns nur, wenn wir wieder eine positive Beziehung zu unserer
Geschichte aufbauen. (…) Wir brauchen nichts anderes als eine
erinnerungspolitische Wende um 180 Grad!“<br />
<br />
<h2>
Der Selbstfindungstrip des Björn Höcke: eine zutiefst deutsche Angelegenheit</h2>
Es wäre naheliegend, den Selbstfindungstrip des Björn Höcke als Zweck
an sich zu betrachten; als bloße Entspannungsmaßnahme für Menschen, die
Geschichte mit einem Selbstbedienungsrestaurant („Eine Portion
Stauferkaiser mit Bismarck, aber bitte ohne Holocaust!“) verwechseln.
Wahrscheinlicher ist allerdings, dass seine Übungen das Mittel zum Zweck
darstellen. Das AfD-interne Navigationsgerät gibt „Zurück zu deutscher
Größe“ als Ziel vor. Auf dem Weg dorthin könnte alles so schön und
unbeschwert sein – wenn da nur nicht die toten Juden mitsamt der
Erinnerung an sie im Weg herum stehen würden. Nur die
„erinnerungspolitische Wende“ kann für freie Fahrt sorgen. Einer
Erhebung der <a href="https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studie_LW_Deutschland_und_Israel_heute_2015.pdf"><strong>Bertelsmann-Stiftung</strong></a>
zufolge wollen 55 Prozent der Deutschen „nicht mehr so viel über die
Judenverfolgung reden“ und diesbezüglich einen „Schlussstrich“ ziehen.
66 Prozent „ärgern sich darüber, dass den Deutschen auch heute noch die
Verbrechen an den Juden vorgehalten werden“. Unter den jüngeren
Befragten (18 bis 29 Jahre) sind es 79 Prozent. Die AfD mag zwar formal
eine 13 Prozent-Partei sein. Die Mission Höckes hat allerdings deutlich
mehr Potenzial.<br />
<br />
Vor allem jedoch harmoniert sie perfekt mit anderen
Bewältigungsstrategien, die schon länger zum guten Ton gehören. Brennt
etwa am Brandenburger Tor die israelische Fahne, so konsultiert man in
gewissen Kreisen keinesfalls die Feuerwehr, sondern das <a href="https://twitter.com/augstein/status/940162885313073152?lang=de"><strong>Strafgesetzbuch</strong></a>
– um zu unterstreichen, dass derlei Handlungen keinesfalls strafbar
sind. Fallen vornehmlich Muslime durch Judenhass auf, folgt darauf
einiges an <a href="https://www.salonkolumnisten.com/ja-und-nie-wieder/"><strong>Verständnis</strong></a> – immerhin leiden die jungen Rabauken ja genauso unter Israel wie man selbst. Und wenn der deutsche Außenminister <a href="http://jennifernathalie.blogspot.de/2017/04/eine-deutsche-woche-sigmar-gabriel-und.html"><strong>nach Israel reist</strong></a>,
um dort eigenhändig den Staatschef zu düpieren, läutet der „Spiegel“
schon mal das Ende der „Sonderbehandlung Israels“ ein. Konsequent ist
das allemal. Schließlich liegt laut <a href="http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/119/1811970.pdf"><strong>aktuellen Studien</strong></a>
der Anteil derer, die „gut verstehen können, dass man bei der Politik,
die Israel macht, etwas gegen Juden hat“, bei 40 Prozent. Ebenso viele
Befragte sind davon überzeugt, Israel führe „einen Vernichtungskrieg
gegen die Palästinenser“. Und wenn die Juden also die neuen Nazis sind,
wirken die alten Nazis gleich viel nichtiger.<br />
<br />
<h2>
Wenn die „Israelkritik“ auf Freunde des Schlussstrichs trifft</h2>
Auch die „Israelkritik“ folgt nicht selten den Regeln des
entlastenden Abwehrspiels – allerdings verschämter durch die Hintertür,
wo man statt „die Juden“ lieber „Israel“ sagt. Die Selbstfindungs-Gurus
von der AfD nehmen stattdessen flott den Haupteingang. Der Weg, der von
Täter-Opfer-Umkehr, Selbstmitleid, Ressentiments und Paranoia gesäumt
wird, bleibt dabei derselbe. Die einen instrumentalisieren den Holocaust
gegen Israel, die anderen betrachten ihn ohnehin als abgehakt. Die
einen stören sich mindestens an den toten Juden, die anderen an den
lebenden in Israel. In stiller Einigkeit teilen sie sich die Gewissheit,
sie selbst seien besser dran, wenn der „ewige Jude“ nicht kraft seiner
schieren Existenz ständig die eigene, doch eigentlich so weiße Weste
besudeln würde. Auschwitz nehmen sie den Juden gleichermaßen übel. Und
selbstverständlich würden sie niemals jemandem ein Haar krümmen – sie
wehren sich lediglich gegen das, was sinistere Mächte ihnen antun. Man
wird ja wohl noch ein wenig Notwehr betreiben dürfen.<br />
<br />
Womöglich ergänzen sich der moderne „Israelkritiker“ und der
Schlussstrich-Befürworter sogar besser, als sie es selbst für möglich
halten. Natürlich: Die einen sind in der offiziellen Mitte angekommen,
die anderen wären es gerne. Das unterscheidet sie. Gleichzeitig hat die
„Nicht mehr hören wollen“-Fraktion in der AfD ein dankbares Sprachrohr
gefunden, das zudem zum Nachahmen ermutigt. Umso mehr in Zeiten, da die
letzten Überlebenden das Zeitliche segnen und der Schlussstrich dadurch
gleich viel lockerer über die Lippen geht. Denn natürlich haben die
Deutschen aus ihrer Vergangenheit gelernt – vor allem jedoch, wie man
sie bewältigt, ohne dabei in den Spiegel blicken zu müssen.<br />
<br />
<em>Zuerst bei den <strong><a href="https://www.salonkolumnisten.com/gedenken-mit-israelkritik/">"Salonkolumnisten</a></strong>" erschienen.</em><br />
<em></em><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://3.bp.blogspot.com/-fcdwwebglmk/Wm5wKVheKJI/AAAAAAAAA8c/TCmXL5PoMzkLDvAjnvO7lgG4u5gGryusACLcBGAs/s1600/Schlu%25C3%259Fstrich_drunter_-_FDP_election_campaign_poster%252C_Germany_1949.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="501" data-original-width="350" src="https://3.bp.blogspot.com/-fcdwwebglmk/Wm5wKVheKJI/AAAAAAAAA8c/TCmXL5PoMzkLDvAjnvO7lgG4u5gGryusACLcBGAs/s1600/Schlu%25C3%259Fstrich_drunter_-_FDP_election_campaign_poster%252C_Germany_1949.jpg" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">FDP-Wahlplakat 1949 <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Schlu%C3%9Fstrich_drunter_-_FDP_election_campaign_poster,_Germany_1949.jpg">(gemeinfrei)</a></td></tr>
</tbody></table>
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-7576974851375703412018-01-21T23:44:00.000+01:002018-01-22T01:09:14.585+01:00Die Leiden der alten Tante SPD<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}" id="js_x">
Mit einem Lied auf den Lippen und überwältigenden 56% Basis-Zustimmung im Rücken macht sich die SPD nun also auf in Richtung <a href="http://www.faz.net/aktuell/politik/spd-stimmt-fuer-groko-verhandlungen-15409922.html"><strong>GroKo</strong></a>-Verhandlung. Damit erspart sich die deutsche Sozialdemokratie vorerst immerhin die Blöße, mit dem Slogan „Für eine starke Opposition!“ in einen Neuwahlkampf ziehen zu müssen. Und vermutlich ist das angesichts all der weiteren Peinlichkeiten, die das Unternehmen Schulz so nach sich gezogen hat, schon ein ordentliches Ergebnis. Überhaupt gleicht die SPD dieser Tage eher einer Baustelle, deren Mitarbeiter sich nicht einigen können, ob sie das Ganze einfach abreißen und neu aufbauen sollen, oder aber, ob sich der ein oder andere Part noch renovieren lässt. Sie agiert mit dem Habitus einer Volkspartei und den Umfragewerten einer Klientelpartei. Anspruch und Wirklichkeit haben ungefähr so viel miteinander zu tun wie Andrea Nahles und Audrey Hepburn. Zu gerne würden die Sozis wie eine einflussreiche Volkspartei (mit)regieren. Nur fehlen ihr seit geraumer Zeit die realen Machtoptionen, die Slogans wie „Gottkanzler Schulz“ oder „Ich will Bundeskanzler von Deutschland werden“ nicht wie Satire wirken lassen würden. Rot-Rot-Grün ist tot, Rot-Grün mausetot. Und letzteres nicht nur zahlenmäßig, sondern auch inhaltlich. Wer wissen will, was Rote und Grüne unter anderem trennt, muss nur die außenpolitischen Ansichten von <a href="https://twitter.com/cem_oezdemir/status/954782056088834050"><strong>Cem Özdemir</strong></a> mit denen von <a href="http://www.tagesspiegel.de/politik/kurden-im-norden-syriens-tuerkische-militaeroffensive-gabriel-warnt-vor-unkalkulierbaren-risiken/20871948.html"><strong>Sigmar Gabriel</strong></a> vergleichen. Kein Wunder, dass die Grünen sich da teilweise bei Angela Merkel wohler fühlen. Die kann immerhin auch Energiewende. <br />
<br />
Ähnlich miserabel sieht es bei den Wählern aus, bei der Kernklientel insbesondere. Böse Zungen behaupten, dass der klassische Arbeiter im Ruhrpott eher weniger mit Familiennachzug und „Nein“ zur Obergrenze anfangen kann. Aufreizende Werbung sieht er lieber in seinem Spint statt, wie Heiko Maas in jüngster Vergangenheit vorschlug, auf dem <a href="http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-04/heiko-maas-geschlechterdiskriminierende-werbung-verbot-vorschlag"><strong>Index</strong></a>. Überhaupt wird er sich in den Armen Guido Reils (AfD), dessen Partei gerade schwer auf <a href="https://www.welt.de/politik/deutschland/article171092617/Das-sind-die-Frontverlaeufe-unserer-Zeit.html"><strong>Gewerkschafter-Tou</strong>r</a> ist, vielleicht irgendwann wohler fühlen als in denen von Manuela Schwesig, die ihm nur eine Frauenquote bietet. Auch die SPD hat es eindrucksvoll verschlafen, auf die Fragenstellungen, die die AfD okkupiert, mit besseren Lösungen zu reagieren.<br />
<br />
Das alles hält die SPD aber freilich nicht davon ab, weiterhin dieselben Spitzen ins Rennen zu schicken, die den Dampfer vorher schon versenkt haben. Egal, wie wenig man mit der Sozialdemokratie am Hut hat: Es gibt ehrenwerte Gegner einerseits, Gegner, die zum Fremdschämen einladen, andererseits. Man muss Mindestlohn und Bürgerversicherung nicht gut finden, um trotzdem einen gewissen Respekt vor dem Andersdenkenden, etwa vor Sozialdemokraten wie Olaf Scholz zu haben. Bei Andrea „Bätschi, Fresse, bis es quietscht!“ Nahles, Stimmungskanone Ralf Stegner und Martin Schulz, der sich von einem Mahmoud Abbas die <a href="https://www.mena-watch.com/mena-analysen-beitraege/applaus-fuer-antisemitische-hetze-im-eu-parlament/"><strong>Brunnenvergifter-Lüge</strong></a> verkaufen lässt und nebenan auf Twitter die transatlantische Partnerschaft mitdemoliert, fällt das allerdings zunehmend schwer. Die „stolzen Sozialdemokraten“, von denen so oft die Rede ist, müssen sich irgendwo anders versteckt haben. <br />
<br />
<blockquote class="twitter-tweet" data-lang="de">
<div dir="ltr" lang="de">
Seit einem Jahr ist Trump nun im Amt. Ihn abwählen können nur unsere amerikanischen FreundInnen. Wir können ihm und den anderen Hetzern die größte Demokratiengemeinschaft der Welt entgegensetzen: Europa.<br />
<br />
Europa wird aber nur mit der SPD stärker.</div>
— Martin Schulz (@MartinSchulz) <a href="https://twitter.com/MartinSchulz/status/954690974818631680?ref_src=twsrc%5Etfw">20. Januar 2018</a></blockquote>
<script async="" charset="utf-8" src="https://platform.twitter.com/widgets.js"></script><br />
Die Operation <strong><a href="https://www.welt.de/politik/deutschland/article172682377/Kevin-Kuehnert-auf-SPD-Parteitag-zur-GroKo-Heute-ein-Zwerg-sein-um-zukuenftig-wieder-Riesen-zu-sein.html">Kühnert</a></strong> offenbart derweil einen Generationenkonflikt zwischen Sozis, die heute ein Amt haben wollen, und Sozis, die auch in drei bis vier Jahren noch eine Chance haben möchten. Wie genau diese Chancen aussehen, steht auf einem anderen Blatt. Dass die SPD nun wieder in Verhandlungen um die gar nicht mal allzu große Koalition eintritt, ändert daran jedenfalls wenig. Die Abrissbirne bleibt trotzdem auf der Tagesordnung. Andernorts sind linke Parteien dahingehend schon weiter, und das in einigermaßen gruseliger Weise. In den USA fand der "demokratische Sozialismus" nach Art von Bernie Sanders durchaus großen Anklang, in Großbritannien ist mit<strong><a href="http://www.faz.net/aktuell/politik/wahl-in-grossbritannien/wahl-in-grossbritannien-das-juedische-problem-der-labour-party-15048708.html"> Jeremy Corbyn</a></strong> ein wahr gewordener Albtraum am Start und auch in Frankreich ließen die Wähler den <strong><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Luc_M%C3%A9lenchon#Pr%C3%A4sidentschaftskandidatur_2012_und_2017">Linksaußen-Kandidaten</a></strong> keineswegs im Regen stehen. Mittel- bis langfristig ist nicht bloß interessant, wo die SPD heute steht, sondern auch, wo sie in fünf Jahren ihre Runden drehen wird - und vor allem, wer die Lücken füllen wird, die sich bis dahin zwangsläufig auftun werden.</div>
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-11789489576519383542018-01-02T13:55:00.000+01:002018-01-27T19:11:31.552+01:00Teheran – Europa: Kein Anschluss unter dieser Nummer<strong><em>Während die Proteste im Iran immer blutiger werden, übt
sich Europa in besonnener Zurückhaltung. Auf dem Spiel steht vieles: der
Atom-Deal, der Status-Quo in Despotistan, die eigene Glaubwürdigkeit.
Demonstranten, die für originär europäische Werte sterben, können daher
nicht mit Rückendeckung rechnen. </em> </strong> <br />
<br />
Charles de Gaulle hat einmal gesagt, Staaten haben keine
Freunde, sondern Interessen. Das stimmt zwar nicht völlig – immerhin
pflegen genügend Länder Freundschaften auf Basis gemeinsamer Werte, die
gleichzeitig auch ihren Interessen dienen – aber es ist immerhin eine
konsistente Aussage. Sigmar Gabriel hingegen hält es anders. Als Chef
des Außenamts pflegt er ganz ausgiebig diverse Freundschaften, etwa zum
Palästinenser-Führer <a href="https://twitter.com/sigmargabriel/status/845286126822850561?lang=de"><strong>Mahmoud Abbas</strong></a>, womöglich auch zu Wladimir Putin, mit dem er gerne mal <a href="http://www.zeit.de/news/2017-06/03/international-gabriel-trifft-schroeder-beim-abendessen-mit-putin-03212804"><strong>privat zu Abend isst</strong></a>.
Gleichzeitig empfiehlt er sich und den Europäern aber ebenso, sich
ihrer „Interessen zu besinnen“ und „Macht zu projizieren“ – so Anfang
Dezember auf dem <a href="http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-12/aussenpolitik-deutschland-internationale-verantwortung-sigmar-gabriel-umfrage-koerber-stiftung/komplettansicht"><strong>Außenpolitikforum der Körber-Stiftung</strong></a>
geschehen. Welche Interessen genau das sein sollen, wollte Gabriel
dabei jedoch nicht verraten. Eine „wertorientierte Außenpolitik“ werde
bei deren Durchsetzung jedenfalls nicht reichen. Stattdessen sei ein
„klarer Blick auf die Welt ohne moralische Scheuklappen“ vonnöten.<br />
<br />
Spätestens an dieser Stelle hätte man gerne erfahren, wann genau
„moralische Scheuklappen“ denn zuletzt die Aussicht vom Auswärtigen Amt
auf die Welt blockiert hätten. Als Sigmar Gabriel den amerikanischen
Präsidenten davor <a href="http://www.sueddeutsche.de/politik/nahostkonflikt-gabriel-warnt-trump-vor-anerkennung-jerusalems-als-israels-hauptstadt-1.3778644"><strong>warnte</strong></a>,
Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und damit der
deutsch-israelischen Partnerschaft erneut einen ganz besonderen Dienst
erwies? Als er für eine frühzeitige <a href="https://www.welt.de/debatte/kommentare/article168435012/Gabriels-Alleingang-Richtung-Putin-ist-ein-Skandal.html"><strong>Lockerung</strong></a>
der Russland-Sanktionen plädierte? Oder doch eher im vergangenen
Sommer, da er zu einer Konferenz zum Thema „Friedensverantwortung der
Religionen“ den Veranstalter der antisemitischen Al-Quds-Märsche in
Berlin <a href="https://www.presseportal.de/pm/75035/3644471"><strong>einlud</strong></a>?<br />
<br />
Auch das Mullah-Regime in Teheran kann sich angesichts der landesweit
um sich greifenden Proteste derzeit nicht über zu groß geratene
Scheuklappen made in Germany beschweren. Während Tag für Tag
zehntausende Iraner ein Ende des theokratischen Regimes fordern und
dabei vermehrt auf zu allem bereite Revolutionsgardisten treffen, ließ
es das Auswärtige Amt eher entspannt angehen. Erst am vierten Tag kamen
die zuständigen Diplomaten auf die Idee, der Regierung in Teheran
sicherheitshalber <a href="https://www.zdf.de/nachrichten/heute/proteste-gegen-regierung-auswaertiges-amt-appelliert-an-iran-100.html"><strong>zu empfehlen</strong></a>, „die Rechte der Protestierenden zu achten und besonnen zu handeln“.<br />
<br />
<h2>
Europa: mit „klarem Blick“ und ohne „moralische Scheuklappen“</h2>
Nun gehen die Protestierenden ja vor allem deshalb auf die Straße,
weil das Regime sich auch sonst nicht um deren Rechte schert. Aber das
muss niemanden in Berlin irritieren. Genauso wenig wie die <a href="https://twitter.com/SGhasseminejad/status/947834796293611521"><strong>ersten Toten</strong></a> und hunderte von <a href="http://www.bbc.com/news/world-middle-east-42532784"><strong>Verhaftungen</strong></a>. Es sind vor allem amerikanische Politiker, angefangen beim Präsidenten selbst über Republikaner wie <a href="https://twitter.com/SpeakerRyan/status/946847208451837953"><strong>Paul Ryan</strong></a> bis hin zu Demokraten wie <a href="https://twitter.com/RepAdamSchiff/status/947566286539669504"><strong>Adam Schiff</strong></a>,
die den Menschen auf iranischen Straßen den Rücken stärken. Europäische
Diplomaten üben sich derweil in besonnener Zurückhaltung und behalten
im Gabriel’schen Sinne den „klaren Blick“.<br />
<br />
Immerhin ist der fürsorglich eingetütete Iran-Deal gerade mal zwei
Jahre jung. Der damals amtierende Außenminister Frank-Walter Steinmeier
erblickte darin einen <a href="https://www.wallstreet-online.de/nachricht/10167575-sigmar-gabriel-aussenminister-gabriel-appelliert-iranische-regierung"><strong>„historischen Erfolg der Diplomatie“</strong></a>.
Da wäre es schade, wenn das junge Glück nach so kurzer Zeit schon
wieder dahin wäre, nur weil ein paar wütende Iraner dazwischen funken
und ein Leben ohne Tyrannei fordern. Auch die Mullahs sehen das ähnlich,
erlaubt ihnen das Atomabkommen doch, die nuklearen Ziele <a href="https://www.mena-watch.com/mena-analysen-beitraege/kann-der-iran-atomdeal-ein-vorbild-fuer-ein-nordkorea-abkommen-sein/"><strong>weiterzuverfolgen</strong></a>
und dabei mit westlichen Milliarden die Vorherrschaft in der Region zu
zementieren. Ob im Gazastreifen, im Jemen, im Libanon oder in Syrien,
dort vor allem in <a href="https://www.mena-watch.com/iranische-milizen-in-syrien-ruecken-in-richtung-israelischer-grenze-vor/"><strong>direkter Nachbarschaft</strong></a>
zu Israel, das von den Mullahs regelmäßig mit Vernichtungsdrohungen
bedacht wird – den Nahen Osten zu besuchen, ohne dabei über den Iran
und seine Handlanger zu stolpern, erweist sich zunehmend als
Herausforderung. Und schon zuvor – genauer: seit 1979 – zeigte der
islamische Gottesstaat viel Engagement in puncto <a href="http://www.herzliyaconference.org/_Uploads/2903Iranian.pdf"><strong>„Revolutionsexport“</strong></a>,
der sich sowohl in weltweiten Terroranschlägen als auch in einer
Stärkung des fundamentalistischen Islam manifestierte. Böse Zungen
erkennen gar im Iran keinesfalls die Lösung, sondern die Ursache
etlicher Probleme. Aber auf böse Zungen wollen die europäischen Ohren
lieber nicht hören.<br />
<br />
<h2>
Friedhofsfrieden first</h2>
Stattdessen konzentrieren sie sich auf ihre Interessen, die vor allem
in der Beibehaltung des Status quo bestehen. Natürlich gilt ihnen das
Atomabkommen als unentbehrlich, denn zum einen ist es milliardenschwer,
zum anderen ist es hübsch am eigenen diplomatischen Revers anzusehen.
Vor allem aber kennt der Nahe Osten aus europäischer Sicht ohnehin nur
zwei Aggregatzustände, die zu verändern der hiesigen Bequemlichkeit
nicht zuträglich wäre. Mal erscheint er als „Pulverfass“, vor allem
dann, wenn Israel Siedlungen baut oder der Ami einmarschiert und
Terrorregime entfernt. Und von Pulverfässern sollte man sich bekanntlich
fernhalten. Mal gestaltet er sich aber auch als festzementierte
Landschaft, für die einzig eine Herrschaft der Despotie vorgesehen sei.
Auch an solchen „Naturgesetzen“ sollte man als Europäer nicht rütteln.
Die vielgerühmte „Stabilität“ geht vor. Lieber pflegt man innige
Freundschaften zu den dortigen Staatschefs. Das lohnt sich vor allem
deshalb, weil der durchschnittliche Nahost-Despot nicht abgewählt werden
kann und somit als Freund und Partner praktischerweise besonders lange
erhalten bleibt.<br />
<br />
Ein Umsturz im Iran wäre dagegen eine äußerst ungemütliche
Angelegenheit. Kein Mensch weiß, was danach kommt. Niemand hat eine
Idee, was dann zu tun wäre. Die liebgewonnenen Autokraten würden nicht
mehr ans Telefon gehen, stattdessen müsste man sich mit neuen
Führungsfiguren arrangieren. Export-orientierte Unternehmen wären sauer
und stünden ebenso in europäischen Außenämtern auf der Matte wie
unzählige Vertreter aus der arabischen Nachbarschaft, deren Karten nun
ebenfalls neu gemischt würden. Nicht zuletzt bekäme auch das eigene
Image einige Kratzer ab. Ein neuer Post-Mullah-Iran wäre ein Ort, an dem
auch die Verbrechen der Mullahs schonungslos offengelegt würden. Zu
erklären, warum man sich mit eben jenen Mullahs jahrelang gemein machte,
wäre keine sonderlich angenehme Aufgabe.<br />
<br />
<h2>
Aus Schaden wird man klug. Nur in Europa nicht</h2>
Kurzum, ein Ende des Status Quo wäre lästig und daher nichts für eine
Politikergeneration, die es sich in puncto Nahost auf der
Zuschauertribüne gemütlich gemacht hat. Die sich dabei nicht von
humanitären Krisen oder nuklearen Ambitionen stören lässt und erst dann
aus der Fassung gerät, wenn das eigene Interesse an „Stabilität“ berührt
wird. Denn dann müsste man womöglich selbst etwas tun, und das
überlässt man gemeinhin doch lieber den anderen (zumeist den
Amerikanern). Die Europäer trifft man nie dort, wo es zählt, dafür aber
immer dann, wenn es „Appelle an beide Seiten“ zu verteilen gilt und auf
Leichenbergen an „Wiederaufbau“ gedacht werden kann. Revolution und
Wandel klingen ausschließlich in Geschichtsbüchern gut, in der eigenen
Amtszeit möchte man sie lieber nicht erleben.<br />
<br />
Das gilt auch dann, wenn sich der nahöstliche Frieden als
Friedhofsfrieden erweist und die Probleme Arabiens plötzlich vor der
eigenen Tür stehen. Die Flüchtlingskrise ist das Resultat eines
skrupellosen Zusammenspiels von „Stabilitätsgaranten“ wie Assad, Putin
und Rohani, die sich von westlichen Idealen und völkerrechtlichen
Prinzipien eher selten irritieren lassen. Sie ist aber auch das Resultat
westlicher Abstinenz. Die Untätigkeit, die sowohl von Europa als auch
von Amerika ausging, kostete in Syrien nicht nur hunderttausende
Menschenleben, sondern erzeugte auch eine europäische Krise, auf die
niemand eine gute Antwort findet. Während die Amerikaner schon länger
begriffen haben, dass den eigenen Interessen – von Sicherheit bis
Wohlstand – am besten gedient ist, wenn die Zahl freier, demokratischer
Staaten wächst und die der unfreien Regime sinkt, klammern sich die
Europäer beharrlich an das brüchige Stabilität-durch-Despotie-Modell und
geben der Autokratie stets gern den Vorzug. Dass ein Ende der
khomeinistischen Diktatur ein Segen wie auch eine Chance auf
tatsächlichen Frieden wäre, hält der europäische Diplomat folglich für
einen schlechten Scherz.<br />
<br />
<h2>
Zwischen Verrat, Gedächtnisverlust und Bequemlichkeit</h2>
Indes nehmen die Proteste im Iran ihren Lauf. Wo sie enden, ist nicht
abzusehen. Wie blutig sie werden können, hingegen schon. Für Anfänger
bietet sich ein Blick auf die Proteste im Jahr 2009 an, denen das Regime
mit brutaler Gewalt ein Ende setzte. Unzählige Oppositionelle landeten
in den vielen Folterknästen des Landes, wo sie nun auf die Demonstranten
von heute treffen. Manche von ihnen werden möglicherweise immer noch
darauf hoffen, dass der Westen ihnen diesmal den Rücken stärkt, nachdem
er sie 2009 im Stich ließ; dass er genug Druck auf die Regierung ausübt
und sie damit vor ungehemmter staatlicher Gewalt schützt. Immerhin, so
könnte man annehmen, existiert zwischen Europäern und protestierenden
Iranern ja eine Gemeinsamkeit: Die einen leben und regieren in Staaten,
deren Fundament das Bekenntnis zur individuellen Freiheit ist. Die
anderen gehen für dieselbe Freiheit auf die Straße und riskieren für sie
ihr Leben. Theoretisch sollte also auch Europa an ihrer Seite stehen,
mindestens Sympathien für sie hegen. Praktisch hingegen scheint den
Europäern entfallen zu sein, auf welcher Idee ihre Staatswesen fußen und
welche Ideale sie erfolgreich machten. Daheim trommeln sie für die „Ehe
für alle“ und Datenschutz, in die Ferne nach Despotistan liefern sie
indes Rückendeckung und Equipment, das die Unterdrückung des Einzelnen
noch effektiver macht. Und wenn sie dann noch Zeit haben, suchen sie die
Schuld für nahöstliches Elend zuverlässig bei den Amerikanern.<br />
<br />
Sigmar Gabriel lässt sich derweil nicht aus dem Konzept bringen, erst
recht nicht von „moralischen Scheuklappen“. Er sei angesichts der
jüngsten Entwicklungen zum einen „sehr besorgt“, so die jüngste <a href="https://www.wallstreet-online.de/nachricht/10167575-sigmar-gabriel-aussenminister-gabriel-appelliert-iranische-regierung"><strong>Stellungnahme am Montag</strong></a>.
Zum anderen hält er es „nach den Konfrontation der vergangenen Tage
[für] umso wichtiger, allseits von gewaltsamen Handlungen Abstand zu
nehmen“. Eine weise Einschätzung, für die vor allem die Menschen auf
iranischen Straßen dankbar sein werden. Das Regime möge also entgegen
seiner sonstigen Gewohnheiten die „Rechte der Demonstranten
respektieren“ – aber auch die Demonstranten selbst sollten es mit dem
Abreißen von Rohani-Plakaten lieber nicht übertreiben und sich ansonsten
besonnen zeigen, wenn bewaffnete Paramilitärs auf sie losgehen. Sobald
es um Mediation zwischen „beiden Seiten“ geht, ist auf den deutschen
Außenminister eben Verlass. Einer muss ja schließlich den „klaren Blick
auf die Welt“ bewahren.<br />
<br />
<em>Zuerst bei den <strong><a href="https://www.salonkolumnisten.com/teheran-europa-kein-anschluss-unter-dieser-nummer/">Salonkolumnisten</a></strong> erschienen.</em><br />
<em></em><br />Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-7296059196871478952017-12-26T17:01:00.000+01:002017-12-26T17:01:16.895+01:00"Ja aber" und "nie wieder!"<strong><em>Mit viel Ratlosigkeit blickt Deutschland auf Antisemitismus in der muslimischen Community. Dabei profitiert der Judenhasser an sich vor allem von der Schwäche der Mehrheit. Ein klares Zeichen dagegen müsste ohne Wenn und Aber Pro-Israel sein. Doch das kann eine Nation voller „Israelkritiker“ nicht verantworten. </em><br />
</strong><br />
Mit Antisemitismus-Debatten verhält es sich wie mit Autounfällen. Schön anzusehen sind sie nicht, und doch will ein jeder stets ganz vorne dabei sein. So wie der Gaffer sich unweigerlich dem Autowrack nähern muss, verspürt der Teilnehmer der Antisemitismus-Debatte einen überwältigenden Drang, auch mal etwas sagen zu <em>müssen</em>. Gemeinsam ist den gesammelten Diskussionen der letzten Jahre, dass so ziemlich jeder, aber freilich nie ein Antisemit mit dabei war. Stattdessen traf und trifft man stets nur profilierte Kritiker der israelischen Regierung, ganz normale Deutsche, die nun aber wirklich genug über die Verbrechen der Nazis gehört haben wollen, oder mutige Querdenker an.<br />
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Ganz ähnlich wie der Antisemitismus geht dabei auch die Diskussion über ihn mit der Zeit. Allzu lange ist es nicht her, da im Zuge des Gazakriegs 2014 vorwiegend junge Muslime über Wochen hinweg von der Großstadt bis hinein ins kleinste Dorf gegen den „Kindermörder Israel“ mobil machten. Auch israelische Fahnen wurden verbrannt, aber eben „nur“ an so beschaulichen Orten wie <a href="http://www.aachener-zeitung.de/lokales/aachen/palaestina-demo-teilnehmer-verbrennt-israelische-fahne-1.872156"><strong>Aachen</strong></a>. Zwischenzeitlich landeten Brandsätze an der Fassade einer Synagoge im Wuppertal, was ein deutsches Gericht später als<strong> </strong><a href="http://www.tagesspiegel.de/politik/antisemitismus-in-deutschland-wie-kann-ein-anschlag-auf-eine-synagoge-nicht-judenfeindlich-sein/19572812.html"><strong>Akt der Israelkritik</strong></a> einstufen sollte. In den Medien war derweil von <a href="https://www.morgenpost.de/berlin/article130466273/Wenn-Kinder-mit-zur-Anti-Israel-Demo-in-Berlin-kommen.html"><strong>„erlebnisorientieren Jugendlichen“</strong></a> die Rede, alles Weitere lief unter Folklore. Wichtiger war ohnehin, die „Gewaltspirale“ im Nahen Osten „kritisch“ zu begleiten.<br />
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Nun allerdings, da sich nicht nur in Berlin empörte Demonstranten mit Migrationshintergrund versammelt haben, um mit brennenden Israel-Fahnen und Aufrufen zur Intifada ihre Stimme gegen die Jerusalem-Entscheidung des amerikanischen Präsidenten zu erheben, hat die Diskussion eine andere Ausfahrt genommen. Zumindest auf den ersten Blick. Neben unzweideutigen Hinweisen, doch bitte säuberlich zwischen Antisemitismus, Antizionismus, Israelkritik und Kritik an der israelischen Regierung zu differenzieren, finden auch vergleichsweise eindeutige Verurteilungen des munteren Treibens statt.<br />
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Insofern muss man dem Flaggenverbrenner vom Brandenburger Tor womöglich sogar dankbar sein. Ohne sein „Israelkritik on fire“ wäre die Debatte vermutlich nicht dort, wo sie jetzt ist. Wurde das Problem 2014 vornehmlich zwischen Jerusalem und Gaza lokalisiert, denkt man nun immerhin darüber nach, ob es in Deutschland eventuell doch Schwierigkeiten mit Antisemitismus in der muslimischen Community geben könnte. Ein lodernder Davidstern in unmittelbarer Nähe zum Reichstag – das war dann wohl doch zu viel der Israelkritik. Ordnung muss schließlich sein, in Deutschland mag man es lieber dezenter.<br />
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Wettlauf der Anti-Antisemiten</h2>
So steht nun der „importierte Antisemitismus“ auf der Tagesordnung. Mit ihm ist ein Wettlauf um die Frage entbrannt, welches Team die höchste Antisemitismus-Reinheit vorzuweisen hat. Ganz vorne im Rennen liegt dabei die AfD. Deren Repräsentanten machen nun in Anti-Antisemitismus und haben plötzlich die historische Verantwortung wiedergefunden, die sie bei den letzten Höcke- und Gauland-Events noch an der Garderobe abgegeben hatten. Wenn der Judenhass von Muslimen oder gar „Merkels Gästen“ ausgeht, muss das Ansehen der Wehrmachtsoldaten eben Pause machen. Und so fragte Alice Weidel jüngst auf <a href="https://twitter.com/Alice_Weidel/status/940792915902783489"><strong>Twitter</strong></a>, ob gewaltbereiter Judenhass von Migranten „nun etwa auch zu Deutschland gehört?“. Eine legitime Frage. Zu Deutschland passt bekanntlich viel eher gepflegtes Gruseln vor den „<a href="https://www.welt.de/politik/article168489086/Alice-Weidel-will-Veroeffentlichung-rassistischer-E-Mail-stoppen.html"><strong>Marionetten der Siegermächte</strong></a>“.<br />
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Zeitungen wiederum, die niemals um eine „Israel droht mit Selbstverteidigung“-Zeile verlegen sind, fordern in ihren Leitartikeln dazu auf, der brandneuen Importware ein lautstarkes „Nie wieder!“ entgegenzusetzen. Und Bundespräsident <a href="http://www.sueddeutsche.de/politik/israel-und-deutschland-antisemitismus-darf-keinen-platz-haben-in-dieser-bundesrepublik-1.3793860"><strong>Frank-Walter Steinmeier</strong></a> betont, Antisemitismus dürfe „keinen Platz haben in dieser Bundesrepublik“. In der SPD aber offensichtlich schon. Zumindest, wenn er in so elegante Apartheid-Vergleiche verpackt wird, wie man sie aus dem Munde des Außenministers kennt. Erst vor gut einer Woche gab Sigmar Gabriel in einem Gespräch mit muslimischen Jugendlichen <a href="https://www.berliner-zeitung.de/politik/antisemitismus--sigmar-gabriel-debattiert-in-kreuzberg-mit-muslimischen-migranten--29296852"><strong>zu Protokoll</strong></a>:<br />
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<blockquote>
<em> „</em><em>Die Bundesregierung habe Trumps Entscheidung sofort kritisiert und nehme sich selbstverständlich auch das Recht heraus, Israels Regierungspolitik zu kritisieren. Er selbst, sagt Gabriel, habe vor einigen Jahren nach einem Besuch in Hebron in den besetzten Gebieten davon gesprochen, dass ihn das Gesehene an Apartheid erinnere. </em><em>Aber israelische Fahnen zu verbrennen, das sei die falsche Methode, um gegen israelische Politik zu demonstrieren.“</em></blockquote>
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Nicht auf den Antisemitismus-Gehalt, sondern auf die Methoden kommt es also an. Eine clevere Strategie, die sich auch „propalästinensische“ Demonstranten hinter die Ohren schreiben sollten. Problematisch wird es erst, wenn Davidsterne lodern. Die Aufmärsche an sich laufen bei Gabriel dagegen offenbar unter ganz normaler „Israelkritik“. Eine Einschätzung, der sich auch die meisten der zuständigen Polizeibeamten anschlossen. Solange nichts anbrannte, blieben die Demonstrationen der letzten Zeit stets „friedlich“. Aufrufe zur Intifada, Palästina-Karten ohne Israel, Hamas-Flaggen, arabische Schlachtrufe oder der Evergreen „Kindermörder Israel“, der sicher nur rein zufällig an den antisemitischen Topos vom ritualmordenden Juden erinnert, gelten derweil als Ausweis von Friedfertigkeit.<br />
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<h2>
Zwischen „ja aber“ und „selbst schuld!“</h2>
Und so erweist sich das Nie-Wieder-Land als äußerst talentiert, wenn es darum geht, den Judenhass aus sämtlichen unter Antisemitismus-Verdacht stehenden Angelegenheiten präzise zu entfernen. Junge Muslime in Deutschland werden mühelos in das nahöstliche Actio-Reactio-Schema integriert, demzufolge sie gar nicht anders können, als auf sämtliche Regungen aus Israel mit gewaltigem Furor zu antworten. Die Jerusalem-Entscheidung Donald Trumps gilt nicht als austauschbarer Anlass, um ein ohnehin bestehendes Ressentiment auf die Straße zu tragen, sondern als eindeutiger Auslöser einer legitimen Protestwelle. Und wenn Trump die Ursache und „Israelkritik“ der Inhalt des Protests ist, kann für Antisemitismus folglich nur noch wenig Platz bleiben. Allein der Begriff „Antisemitismus“ genügte, um unzählige Nahost-Experten in den <a href="http://jennifernathalie.blogspot.de/2017/12/tage-des-zorns-auf-tagesschaude.html"><strong>abwehrbereiten Ja-Aber-Modus</strong></a> zu versetzen. In etlichen Leserbriefen und Facebook-Kommentaren betonen sie seither, dass Antisemitismus freilich zu verurteilen sei, Kritik an Israel aber erlaubt sein müsse und beides ohnehin nichts miteinander zu tun habe. Während ein brennender Davidstern normalerweise Sorge auslösen müsste, denkt der moderne „Israelkritiker“ bei dessen Anblick erst einmal an den israelischen Siedlungsbau. Schließlich muss man Prioritäten setzen.<br />
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Ohnehin ist der Jude im Zweifel einfach selbst schuld. Bei Netanyahus Vorgehen müsse man sich ja nicht wundern, wenn die Araber sauer werden und ihrem Ärger auch hier Luft machen, so die gängige Annahme. Wenn dabei Israelis und Juden „verwechselt“ würden, sei das natürlich bedauerlich. Nebenan in der Realität interessiert sich der durchschnittliche „Free Palestine“-Aktivist allerdings weniger für derlei Feinheiten. Ihn tangiert nicht sonderlich, ob ein amerikanischer Präsident die Botschaft nach Jerusalem, Haifa oder Eilat verlegt, weil er schon den dazugehörigen Staat nicht anerkennt. Es ist ihm auch völlig gleichgültig, ob Netanyahu Israel in eine theokratische Diktatur verwandelt oder es bis auf Tel Aviv komplett den Arabern überlässt. Ihn stört nicht, in welchen Grenzen Israel besteht, sondern dass Israel überhaupt, und zwar vor allem als Staat der Juden, existiert. Darum ergibt es für ihn auch durchaus Sinn, auf die Verlegung der amerikanischen Botschaft mit tätlichen Angriffen auf eine <a href="https://www.welt.de/politik/ausland/article171441557/Maskierte-werfen-Molotowcocktails-auf-Synagoge-in-Goeteborg.html"><strong>Synagoge in Schweden</strong></a> oder ein <a href="http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/30323"><strong>koscheres Restaurant in den Niederlanden</strong></a> zu reagieren. Jude bleibt Jude. Und was jüdisch ist, bestimmt der Antisemit – ganz gleich, welche Differenzierungs-Modelle man in Deutschland etabliert.<br />
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<h2>
Irrungen und Wirrungen</h2>
Doch wenn es um den Nahen Osten geht, gelten in Deutschland nicht nur andere Spielregeln. Auch bei der Logik gibt es ab und an Ausfallerscheinungen. Niemand würde ernsthaft behaupten, die Politik Erdogans könnte dem Ansehen der Deutschtürken schaden. Kein Mensch äußert die Befürchtung, dass Russland-Deutsche in Berlin angesichts des Vorgehens Putins in Syrien und der Ukraine zur Zielscheibe von Gewalt werden könnten. Im jüdischen Kontext hingegen erscheint der gleiche Gedankengang völlig plausibel. Dabei kommt es hinsichtlich antisemitischer Regungen in keiner Weise darauf an, was die israelische Regierung tut oder unterlässt. Das „Selbst schuld“-Argument sagt wenig über die Realität, dafür aber viel über die Bereitschaft des „Israelkritikers“ aus, im Juden oder seinem Staat ganz automatisch die Ursache jeglichen Übels auszumachen.<br />
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Dass der Gehalt von Antisemitismus-Debatten häufig Glückssache ist, war auch anlässlich einer weiteren Intervention zu bemerken: Justizminister Heiko Maas meldete sich <a href="http://www.spiegel.de/politik/deutschland/heiko-maas-will-holocaust-in-integrationskursen-abfragen-lassen-a-1183363.html"><strong>zu Wort</strong></a>. Angesichts der jüngsten Vorkommnisse schlug er vor, den Holocaust zu einem „noch zentraleren Thema“ in Integrationskursen zu befördern. Darüber hinaus, so der Justizminister, müsse „jeder wissen, dass Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zwei Seiten derselben Medaille sind: Auf beiden Seiten steht das Wort Rassismus.“ Worte, die gut klingen und sicherlich noch besser gemeint sind. Unglücklicherweise mangelt es ihnen in diesem Fall jedoch an Bezug zur Praxis.<br />
<br />
Weder ist der Antisemitismus eine Spielart des Rassismus, noch ist er der eineiige Zwilling der Fremdenfeindlichkeit. Zwar teilen sich die Rassisten viele gesellschaftspolitische Vorstellungen mit den Antisemiten. Dennoch erweist sich der durchschnittliche Antisemit als wesentlich anspruchsvoller. Während Rassisten „die anderen“ als minderwertige Kreaturen ansehen, die möglichst dort bleiben sollen, wo sie her kommen, ist der Antisemit damit noch lange nicht zufrieden. Der Jude gilt ihm nicht als verachtenswertes Ärgernis, sondern als übermächtige Bedrohung, die aus seiner Sicht ständig am Strippen ziehen, zersetzen und Kriege führen ist und ohnehin hinter den Kulissen die Weltherrschaft an sich zu reißen gedenkt. Darum reicht es dem Antisemiten nicht, wenn der Jude „raus aus Deutschland“ oder „raus aus Palästina“ ist. Vielmehr muss er ganz von dieser Welt verschwinden. Konsequent zu Ende gedacht läuft der Antisemitismus mit der ihm eigenen Logik über kurz oder lang immer auf Vernichtung hinaus.<br />
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Von gut integrierten Antisemiten und Wettbewerbsvorteilen</h2>
Insofern ist es prinzipiell überflüssig, Antisemitismus nach Farben, Richtungen und Provenienz zu ordnen; die guten Antisemiten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen einzusortieren und so zu tun, als gäbe es gefährlicheren und weniger gefährlichen Judenhass. Tatsächlich gibt es nur <em>einen</em> Antisemitismus. Seit über 2000 Jahren bahnt er sich seinen Weg durch die Geschichte, nistet sich in ganz unterschiedliche Milieus ein und geht dabei stets mit der Zeit. Entscheidend ist letztlich vor allem, wie gut er unter Kontrolle ist. Dass seine Träger also nicht übermütig werden, in Regierungen landen oder Gewalt anwenden. Die Zähmung des Flaschengeists ist dabei keineswegs eine ausschließlich juristische Angelegenheit, sondern obliegt gleichermaßen der Zivilgesellschaft, den Medien und der Politik.<br />
<br />
Der durchschnittliche Neonazi etwa kann sich heute keineswegs überall, geschweige denn vor dem Brandenburger Tor, zu voller Pracht entfalten. Auch dank des „Kampfs gegen Rechts“ fristet er sein Dasein vornehmlich in ostdeutschen Safe Spaces. Das ist nach wie vor zu viel, aber immerhin noch überschaubar. Anders verhält es sich mit linken Society-Antisemiten, die im Vergleich wesentlich besser integriert sind. Man trifft sie in Parteien, NGOs und Medienhäusern. Von dort aus leisten sie stets gerne Schützenhilfe, wenn einer der ihren zur Tat schreitet. Damals, als deutsche Linksextremisten in Entebbe Juden selektierten, agitierten sie gegen Israel. Heute finden sie gute Gründe, warum BDS-Aktionen wenig mit „Kauft nicht beim Juden“ und viel mit „informierten Kaufentscheidungen“ zu tun haben sollen. Selbst machen sie sich die Finger jedoch nicht schmutzig. Das eint sie mit der AfD. Linke wie Rechte bedienen gemeinsam die diversen Bedürfnisse der Mitte, die zwischen „Israelkritik“ und Vergangenheitsentsorgung rangieren und oftmals ineinander übergehen, weil jeder „Gaza = Freiluft-KZ“-Vergleich praktischerweise auch gleich die Taten der Großeltern relativiert. Und während die AfD emsig an einer Renovierung der Erinnerungskultur arbeitet, hat sie nebenher stets ein <a href="http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-mitarbeiter-mit-zweifelhafter-vergangenheit-15076937.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0"><strong>Plätzchen</strong></a> für diverse<strong> </strong><a href="https://twitter.com/lsarechtsaussen/status/944219612954157057"><strong>Randexistenzen</strong></a> frei.<br />
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Der Antisemit mit Migrationshintergrund ist dagegen direkter. Nicht selten lebt er in einer Welt, in der Judenhass zum guten Ton gehört und kaum einer Autorität Kopfzerbrechen bereitet. Schiebt er dann im Schulunterricht 9/11 den Juden in die Schuhe, trifft er auf ratlose Lehrer. Tritt er auf einer „propalästinensischen“ Demonstration auf, begegnet ihm „die Mitte“ mit Indifferenz oder Verständnis. Aus seinem Judenhass macht er keinen Hehl. Schließlich hatte er auch nie Anlass dazu. Und weil er seinen Wahn so ungeschminkt und offensiv, mitunter auch tätlich auslebt, gehen Juden in vielen Ecken Deutschlands präventiv auf Nummer sicher und nehmen die Kippa lieber ab. Der muslimische Antisemit ist nicht per se besser oder schlimmer als seine Kollegen aus anderen Biotopen. Er hat allerdings einen gravierenden Vorsprung, was die praktische Umsetzung seines Hasses angeht.<br />
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Gute Freunde kann niemand trennen</h2>
Diesen Wettbewerbsvorteil genießt der „importierte Antisemitismus“ auch deshalb, weil er sich auf Rückhalt aus der Gesellschaft verlassen kann. Der Neonazi trifft auf ein breites, „buntes“ Bündnis, der muslimische Judenhass wächst und gedeiht indes weitestgehend ungestört. Aus gutem Grund – schließlich müsste eine Demo gegen den jüngsten Ausbruch israelbezogenen Judenhasses ohne Wenn und Aber pro-israelisch sein. Ein Bekenntnis, das der Mitte zweifelsfrei nicht zuzumuten ist. Immerhin hat dieselbe Mitte schon alle Hände voll zu tun, das Verhalten der israelischen Regierung (egal welche) zu geißeln. Diese urdeutsche Form der „Neutralität“ hilft ausschließlich dem Aggressor, nicht dem Opfer.<br />
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Laut einer<strong> </strong><a href="http://www.taz.de/!5404120/"><strong>Studie</strong></a> der Friedrich-Ebert-Stiftung liegt der Anteil derer, die „gut verstehen können, dass man bei der Politik, die Israel macht, etwas gegen Juden hat“, bei 40%. Der „Import-Antisemitismus“ ist also keineswegs eine exotische Rarität, sondern fester Teil eines Weltbilds, das sich vom Oberstudienrat über den Sigmar-Gabriel-Fan bis hin zum Augstein-Leser ausgebreitet hat. Würde die „Mitte“ dagegen demonstrieren, gliche das einer Selbstanklage. Da ist es klüger, für die Wahrung der „Israelkritik“ einzutreten und die Latte, die die feine Kritik vom hässlichen Judenhass trennt, möglichst so hoch zu hängen, dass man selbst noch bequem darunter hindurchpasst.<br />
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Während dem Springerstiefel-Träger eine Gesellschaft gegenübersteht, die ihm klare Grenzen aufzeigt, trifft der „Kindermörder Israel“-Demonstrant auf ein breites Bündnis an Medienschaffenden, Hobby-Nahostexperten und Politikern, die sich selbst mit der Benennung der israelischen Hauptstadt schwer tun. Kein Wunder, dass der migrantische Judenhass so viel von dem Platz einnimmt, den man dem Antisemitismus zumindest in Sonntagsreden doch „nie wieder“ einräumen wollte. Die Anhänger des brennenden Davidsterns und ihre biodeutschen Schützenhelfer verstehen sich einfach zu prächtig. Und gute Freunde kann bekanntlich niemand trennen.<br />
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<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://3.bp.blogspot.com/-gEE2CmgLmqk/V5ZXUwO7gUI/AAAAAAAAA1o/1Z-G7JnlyFswBTbzqMxEJmbEdJZOgxLAgCPcBGAYYCw/s1600/israel-muc.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="599" data-original-width="693" height="552" src="https://3.bp.blogspot.com/-gEE2CmgLmqk/V5ZXUwO7gUI/AAAAAAAAA1o/1Z-G7JnlyFswBTbzqMxEJmbEdJZOgxLAgCPcBGAYYCw/s640/israel-muc.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Ein klares Zeichen gegen israelbezogenen Antisemitismus (by J. N. Pyka.)</td></tr>
</tbody></table>
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-83480092938910096532017-12-22T17:03:00.002+01:002017-12-22T17:03:27.902+01:00Tage des Zorns auf tagesschau.de<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
In der Online-Ausgabe der Tagesschau ist gestern ein durchaus sachliches <a href="https://www.tagesschau.de/inland/antisemitismus-131.html"><strong>Stück über Antisemitismus</strong></a> und seine Erscheinungsformen erschienen. Wesentlich aufschlussreicher ist allerdings das, was in den <a href="https://meta.tagesschau.de/id/129944/antisemitismus-die-vermessung-des-hasses"><strong>Leserzuschriften</strong></a> so passiert. Während die einen sich um den Schutz der "Israelkritik" bemühen, erkennen andere wahlweise einen Antisemitismus gegenüber den Deutschen, den Palästinensern oder den Rohingya. Wieder andere tun ihr Verständnis für den gemeinen Flaggenverbrenner kund, während sich am Rande darüber empört wird, dass ein Antisemitismus-Beauftragter ja nur Ausweis der Vorzugsbehandlung der Juden sei. Zur Kenntlichkeit entstellt geben sich böswillige Unkenntnis, eiferndes Jammerlappentun, überzeugtes Raunen, routinemäßige JaAber-itis und die gute alte Täter-Opfer-Umkehr die Hand. Die Moderation betont indes, themenfremde Kommentare zu löschen. Täte sie das, wäre die Leserkommentar-Leiste allerdings leer. Allein schon, weil der Siedlungsbau nur dann etwas mit Antisemitismus zu tun hat, wenn man selbst ein Antisemit ist. Und so kann man das, was dort stehen bleibt, durchaus in Relation zur Überschrift des eigentlichen Artikels setzen, die da lautet: "Die Vermessung des Hasses". Hinsichtlich der Lokalisierung des Hasses dürften an dieser Stelle schon mal weniger Unklarheit herrschen. </div>
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In den letzten Tagen war oft von "importiertem Antisemitismus" die Rede, von Judenhass also, der in Migrantenmilieus blüht. Einer von vielen Gründen dafür, dass er derart floriert und sich gewaltsam auf der Straße Bahn bricht, ist die Indifferenz bis hin zur klammheimlichen Sympathie der biodeutschen Mitte, die bei "Kindermörder Israel"-Rufen anders als sonst leider keine "Zeichen setzen" will, sondern derartige Vorkommnisse vielmehr zum Anlass nimmt, um ins gleiche Horn zu blasen. </div>
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<strong>*</strong></div>
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<blockquote class="tr_bq" data-ft="{"tn":"K"}">
<em>"Antisemitismus muss wie Deutschenfeindlichkeit verurteilt werden. Täglich gibt es lokalen Presseerzeugnissen Schlagzeilen von antisemitischen Vorfällen über von Moslems gegenüber Juden und Deutschen."</em></blockquote>
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<blockquote class="tr_bq" data-ft="{"tn":"K"}">
<em>"Es würde weniger Antisemitismus geben wenn die rechts-außen Regierung Israels nicht permanent Öl in's Feuer des Nahost-Konflikts gießen würde. Jede neue - nach internationalem Recht zweifelsohne illegale - Siedlung, die von der Regierung mit Waffenlieferungen und im Zweifel sogar direkt zugeteilten Soldaten unterstützt wird, verschärft das Problem.<br />
Ist der Antisemitismus der arabischen Bevölkerung dadurch gerechtfertigt? Nein. Ist er nachvollziehbar? Leider ja. Es ist nur menschlich, dass das Vorgehen Israels auf die jüdische Bevölkerung in Deutschland projiziert wirkt - schlicht, weil das das einzige "Ventil" für den Frust ist, welches in Reichweite ist. Und der Frust ist leider sehr verständlich.<br />
Der Antisemitismus in Deutschland ist eine direkte Folge des Nahost-Konfliktes - und so lange Israel (und die USA) diesen Konflikt mit dem "Recht des Stärkeren" ausleben, so lange die Menschen im Gaza-Streifen einen der niedrigensten HDI der Welt haben, während Israel einen der höchsten hat, wird dieser Hass weiter gehen."</em></blockquote>
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<blockquote class="tr_bq" data-ft="{"tn":"K"}">
<em>"Wenn jemand aus Wut auf Israels Umgang mit den Palästinensern, aufgrund der Missachtung von UN-Resolutionen die Flagge von Israel verbrennt (was unabhängig von allem unter Strafe steht, egal, welche Staatsflagge man verbrennt), ist nicht von Antisemitismus zu reden. Das hat sich Netanjahu auf die Fahne zu schreiben und das demokratische Israel, was diese Politik gewählt hat. Es ist kein Antisemitismus.<br />
Wenn jemand aufgrund dessen wahllos Israeliten beschimpft, dann spielt sich das auf demselben Niveau ab, wie es manche Austauschschüler nach dem Nein von Schröder zur Beteiligung am Irakkrieg erleben mussten (der Stern berichtete ausführlich) - es ist sehr schlimm, aber kein Antisemitismus; in Deutschland hat man an dieser Stelle den üblichen Rechtsweg, den ich ebenfalls habe, wenn mich jemand beschimpft.<br />
Anders aber, wenn jemand (z. B. aus diesem Grund) jüdische Einrichtungen in Deutschland oder jüdische Personen angreift, weil sie Juden sind. Das ist Antisemitismus."</em></blockquote>
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<blockquote class="tr_bq" data-ft="{"tn":"K"}">
<em>"Der Staat Israel und vornehmlich Herr Netanjahu lassen keine Gelegenheit aus sich unbeliebt zu machen, sei es der rücksichtlose Siedlungsbau oder die Mißachtung für sie unbequemer UN-Resolutionen. Darin begründet sich ein großer Teil dessen, was verallgemeinernd als Antisemitsmus hingestellt wird."</em></blockquote>
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<blockquote class="tr_bq" data-ft="{"tn":"K"}">
<em>"Judenhass / Antisemitismus ist ein Problem, ist abzulehnen und aktiv zu bekämpfen. Kritik, auch scharfe, an der israelischen Politik - nicht an der Existenz des Staates an sich - ist dagegen legitim. Es ist eine versteckte Form von Antisemitusmus, wenn der Staat Israel ausgesondert wird und als einziger nicht kritisiert werden darf. Israel ist ein Staat wie jeder andere auch auf dem Globus. Daher soll er auch nicht anders behandelt werden, als alle anderen."</em></blockquote>
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<blockquote class="tr_bq" data-ft="{"tn":"K"}">
<em>"Von den seit Beginn der BRD 1000 von Nazis Ermordeten waren wahrscheinlich die wenigsten Semiten.<br />
Aber auch gegen deren Mörder ist fast nichts unternommen worden. Warum der Schwerpunkt immer auf Menschen jüdischen Glaubens liegt ist völlig Unverständlich, denn es werden und wurden seit über 70 Jahren weiterhin von Nazis Menschen ermordet, weil alle unsere Regierungen auf dem rechten Auge blind sind. Dabei sollte es völlig egal sein, welchen Glaubens oder welcher sonstigen Weltanschauung diese Opfer waren."</em></blockquote>
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<em></em><br /></div>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
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<blockquote class="tr_bq" data-ft="{"tn":"K"}">
<em> "Nun fordert also ein Bundesinnenminister einen Sonder-Beauftragten speziell für Antisemitismus.<br />
Was ist das? Das Gegenteil von Antisemitismus - eine klare Bevorteilung einer bestimmten Gruppe & damit fordert der Bundesinnenminister diese Gruppe über alle anderen in Deutschland zu stellen.<br />
-> was wiederum gegen das Grundgesetz verstößt."</em></blockquote>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
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<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
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<blockquote class="tr_bq" data-ft="{"tn":"K"}">
<em>"7 Jahrzehnte lang Palästinenser schlachten, und sich dann über Antisemitismus echauffieren, das ist in etwa so, als wenn ich einem Passanten ein Bein stelle, und mich dann über zunehmende Aggressivität aufrege, wenn er mir daraufhin eine reinhaut.<br />
Ich kann diese ganze Debatte einfach nicht begreifen."</em></blockquote>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
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<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
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<blockquote class="tr_bq" data-ft="{"tn":"K"}">
<em>"als antisemit wird man bereits gebrandmarkt, wenn man gegen das zins- und zinseszinssystem argumentiert oder gegen die privatwirtschaftliche fed, welche geld aus dem nichts generiert, hierfür jedoch "echte" zinsen an elitäre bankiers abführt. weiterhin wird man als antisemit gebrandmarkt, wenn zu jenen ngo's stellung bezieht, die für das chaos nach dem "arabischen frühling" oder nach dem maidan-putsch in kiew verantwortlich sind. begründung: gerorge soros, finanzmilliardär und lenker jener ngo's wird als anhänger "jüdischen" glaubens bezeichnet – er selnst bezeichnet sich übrigens als atheisten. weiterhin wird nicht zwischen juden differenziert und zionisten."</em></blockquote>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
<br /></div>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
</div>
<blockquote class="tr_bq" data-ft="{"tn":"K"}">
<em>"Ja, Antisemitismus ist ein Problem, aber es ist nicht das einzige und größte Problem das wir haben.<br />
Wenn es in Zukungt einen "Antisemitismusbeauftragten" gibt, hätte ich gern auch einen Beauftragten für jede andere Form von Hass und oder Diskriminierung. Ich als Deutscher fühle mich auch bedroht! Wenn ich das aber sage bin ich automatisch der böse Nazi und Xenophob, Islamophob, ungebildet und überhaupt nicht ernst zu nehmen."</em></blockquote>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
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<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
<br /></div>
<blockquote class="tr_bq" data-ft="{"tn":"K"}">
<em>"Darueber hinaus sage ich auch mal, dass dieses Verhalten der israelischen Regierung gegenueber den Palästinensern, das Verhalten der Regierung in Myanmar gegenueber den Rohingya und auch das Verhalten des Erdogan-Regimes gegenueber den Kurden alles Formen von Antisemitismus sind. Und dieser Antisemitismus ist natuerlich zu verurteilen."</em></blockquote>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
</div>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
</div>
<blockquote class="tr_bq" data-ft="{"tn":"K"}">
<em>"Ich verurteile die Judenvernichtung in Deutschland. Genau so verurteile ich die Iraelischen Verantwortlichen Seit 1967."</em></blockquote>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
</div>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
</div>
<blockquote class="tr_bq" data-ft="{"tn":"K"}">
<em> "Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat sich stets für islamische Einwanderung ausgesprochen.<br />
Irgendwie erinnert mich das an ein Drama von Max Frisch. Wie hieß das noch gleich? Irgendwas mit Biedermännern und ...?"</em></blockquote>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
<br /></div>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
<br /></div>
<blockquote class="tr_bq" data-ft="{"tn":"K"}">
<em>"es gibt mitunter linke stimmen, die erkennen, dass die usa und der is von gleichen organen "gesteuert" werden. ob jene kräfte etwas mit der gründung israels zu tun haben dürfen sie selbst herausfinden. eins ist klar: menschen jüdischen glaubens lehnen viele dieser entwicklungen zutiefst ab."</em></blockquote>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
<br /></div>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
<br /></div>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}" style="text-align: center;">
<strong>*</strong></div>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}" style="text-align: center;">
<strong></strong> </div>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
Schlusswort der Moderation: </div>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}">
</div>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}" style="text-align: center;">
<strong><em> "Sehr geehrte User, die Meldung wurde bereits sehr stark diskutiert. Alle wesentlichen Argumente sind genannt. Entscheidende neue Aspekte, die einer konstruktiven Diskussion förderlich wären, sind nicht mehr hinzugekommen. Deshalb haben wir beschlossen die Kommentarfunktion zu schließen."</em></strong></div>
<div class="_5pbx userContent _22jv _3576" data-ft="{"tn":"K"}" style="text-align: center;">
</div>
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-41059941364626696212017-12-12T01:43:00.002+01:002017-12-12T02:10:40.261+01:00Israelkritik on fireEs muss wohl an dem Stress liegen, den das Entzünden einer zweiten Adventskerze so mit sich bringt, dass sich führende Politiker erst am Montag und damit drei Tage später zum<strong> </strong><a href="https://www.welt.de/politik/deutschland/article171460765/Aufruf-zum-Mord-an-Juden-ist-keine-Meinungsfreiheit.html"><strong>fröhlichen Flaggen Verbrennen mitsamt antisemitischer Sprechchöre</strong></a> am Brandenburger Tor zu Wort melden. Von Sigmar Gabriel war dann <a href="https://twitter.com/sigmargabriel/status/940160894729883648"><strong>beispielsweise zu hören</strong></a>, dass es "bei aller verständlichen Kritik an der Jerusalem-Entscheidung der USA keinerlei Rechtfertigung [gibt], israelische Fahnen zu verbrennen". Außerdem hat sich der Außenminister überlegt, es künftig nicht zuzulassen, dass "die gewaltbereiten Konflikte aus anderen Ländern nach Deutschland transportiert und hier ausgetragen werden". Das klingt ungefähr so, als hätten sich entzürnte Juden und aufbrausende Araber übers Wochenende am Brandenburger Tor getroffen, um dort die Jerusalem-Frage mit Fäusten und Pflastersteinen zu klären. Aber vielleicht hat Sigmar Gabriel, dessen Job es ist, durch die Welt zu tingeln und überall "beide Seiten zur Deeskalation" aufzurufen, auch einfach den Überblick verloren. Oder zu viel Zeit mit <strong><a href="http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/28707">Freunden des Mullah-Regimes</a></strong> verbracht, die sich in Deutschland um den Al-Quds-Tag kümmern.<br />
<br />
Da ist es jedenfalls gut, dass Jakob Augstein vom deutschen Fachmagazin für nahöstliche Gewaltspiralen auf Twitter <strong><a href="https://twitter.com/Augstein/status/940162885313073152">korrigierend eingreift</a></strong>. "Bei aller Empörung – das Verbrennen ausländischer Fahnen ist nicht grundsätzlich verboten", weist Augstein den Außenminister zurecht. "Mal einen Blick ins StGB werfen, §104", lautet seine Empfehlung, so von Israelkritiker zu <a href="https://jennifernathalie.blogspot.de/2017/04/eine-deutsche-woche-sigmar-gabriel-und.html">Israelkritiker</a>. <br />
<br />
<blockquote class="twitter-tweet" data-lang="de">
<div dir="ltr" lang="de">
À propos Rechtsstaat: Bei aller Empörung – das Verbrennen ausländischer Fahnen ist nicht grundsätzlich verboten. Mal einen Blick ins StGB werfen, §104 <a href="https://t.co/YGynnd1Imf">https://t.co/YGynnd1Imf</a></div>
— Jakob Augstein (@Augstein) <a href="https://twitter.com/Augstein/status/940162885313073152?ref_src=twsrc%5Etfw">11. Dezember 2017</a></blockquote>
<script async="" charset="utf-8" src="https://platform.twitter.com/widgets.js"></script><br />
Wie es sich mit der Verbrennung von Israel-Flaggen im juristischen Sinne verhält, hat dabei glücklicherweise schon die Online-Ausgabe der <strong><a href="http://www.tagesschau.de/inland/brennende-flaggen-101.html">Tagesschau</a></strong> eruiert. "Anti-Israel-Proteste: Ist es strafbar, Flaggen zu verbrennen?" lautet die Überschrift, unter der die ARD-Rechtsredaktion diejenige Frage klärt, die die Deutschen dieser Tage wirklich bewegt. Und nein, so das Fazit, strafbar ist das alles nicht. Ein Glück. Nicht mal der Volksverhetzung macht sich der pyromanisch veranlagte Israelkritiker verdächtig, denn schließlich gilt: "Wer sich also durch das Verbrennen einer Flagge (nur) gegen den Staat Israel wendet, aber nicht gegen "die Juden" in Deutschland, der begeht keine Volksverhetzung." Kommando zurück, alles im grünen Bereich. Dass es sehr wohl möglich ist, das Verbrennen von Israel-Flaggen per Auflage zu untersagen, mehr noch, Verstöße dagegen zu ahnden, scheint dem ARD-Jura-Experten dabei irgendwie entgangen zu sein. Vermutlich, weil er schon an seinem nächsten Ratgeber arbeitet: "Khaybar, Khaybar, Ya Yahud! Jaish Muhammad Sawfa Ya'ud! - Ist es strafbar, auf das <strong><a href="http://www.mena-watch.com/der-kampf-um-jerusalem-hat-gerade-erst-begonnen/">Gefecht von Chaibar</a></strong> zu verweisen, in dessen Rahmen massenhaft Juden massakriert wurden?" <br />
<br />
Aber sei's drum. Auf die ARD können sich Freunde des brennenden Davidsterns wenigstens verlassen. Der rechte Text zur richtigen Zeit. Immerhin findet am morgigen Dienstag in Berlin schon die nächste "pro-palästinensische" Demonstration statt - praktischerweise <strong><a href="https://www.facebook.com/juedischesforum/posts/1946172198756084">genau an dem Tag</a></strong>, an dem auch am Brandenburger Tor später am Abend die erste Chanukka-Kerze angezündet werden soll. Doch das macht nichts. Denn bekanntlich geht es nur um eine amerikanische Botschaft, höchstens mal um "Konflikte aus dem Ausland", aber freilich nicht um Antisemitismus. <br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://3.bp.blogspot.com/-ew5tcFuL2q8/Wi8lGzpW_kI/AAAAAAAAA8M/BGuaqOguqrMEhvsUOsqQLLO0g7eeDuY8QCLcBGAs/s1600/muc14.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="762" data-original-width="832" height="586" src="https://3.bp.blogspot.com/-ew5tcFuL2q8/Wi8lGzpW_kI/AAAAAAAAA8M/BGuaqOguqrMEhvsUOsqQLLO0g7eeDuY8QCLcBGAs/s640/muc14.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">"Propalästinensische" Demonstranten bei der Arbeit (München, Juli 2014) - by J. N. Pyka</td></tr>
</tbody></table>
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-21669670151774875992017-11-24T23:18:00.000+01:002018-01-27T19:00:26.162+01:00Bundeswehr come home!<strong><em>Die AfD-Fraktion im Bundestag hat sich diese Woche unter
anderem damit beschäftigt, ihre Abneigung gegenüber Bundeswehreinsätzen
im Nahen Osten zu demonstrieren. Ein Einblick in außenpolitische
Irrungen und Wirrungen. </em> </strong><br />
<br />
Wer wissen möchte, wie man mit der „Alternative für
Deutschland“ im Bundestag umgehen soll, findet bei Google rasch eine
Antwort. Für die Stichwörter „Afd“ „Bundestag“ und „umgehen“ liefert die
Suchmaschine in 0.22 Sekunden immerhin rund 111.000 Suchergebnisse, die
von „Nicht ausgrenzen!“ bis hin zu „Entlarven!“ für jeden Geschmack
etwas bieten. Dass es allerdings auch ohne Google, dafür mit viel Pathos
und am Ende ziemlich daneben gehen kann, bewies jüngst die
Linken-Abgeordnete Christine Buchholz.<br />
<br />
Der <a href="https://www.bundestag.de/tagesordnung"><strong>dritte Sitzungstag des Deutschen Bundestags</strong></a>
war gerade angebrochen, zur Debatte stand der Antrag der
Bundesregierung, den Bundeswehreinsatz in Mali im Rahmen der
UN-Stabilisierungsmission (MINUSMA) um drei Monate zu verlängern. Der
AfD-Abgeordnete Rüdiger Lucassen hatte kurz zuvor in <a href="https://youtu.be/PoqWmnErnCo?t=935"><strong>seiner Rede</strong></a>
gleich zwei Haltungen zum Thema präsentiert. Das Agieren der Bundeswehr
in Mali lehnt er offenbar nicht per se ab, es ist ihm aber zu dürftig.
In den Hauptausschuss will er den Antrag zwecks weiterer Beratung jedoch
auch nicht überweisen. Von derlei Dissonanzen unbeeindruckt ergriff
sodann <a href="https://youtu.be/PoqWmnErnCo?t=1657"><strong>Christine Buchholz das Wort</strong></a>,
um ihrer Souveränität im Umgang mit der AfD Ausdruck zu verleihen. „Die
AfD ist nicht nur rassistisch und nationalistisch, nein, sie ist auch
militaristisch!“, so die Diagnose der verteidigungspolitischen
Sprecherin der Links-Fraktion.<br />
<br />
Nun kann man der AfD tatsächlich vieles vorwerfen. Ihr ein Faible für
militärische Einsätze aller Art nachzusagen, wäre allerdings recht
gewagt. Erst am Vortag hatte die AfD ihre Stimme gegen den
Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan und gegen das militärische Engagement
im Kampf gegen den IS erhoben. Auch der Einsatz im Nordirak sollte bei
der AfD später keine Sympathie erfahren. Insgesamt sieben
Einsatz-Verlängerungen, vom Mittelmeer bis nach Darfur, standen an
diesen beiden Sitzungstagen zur Diskussion. Nur drei davon konnte die
AfD gerade so mit sich vereinbaren. Aber eventuell sind das auch schon
drei zu viel. Oder Frau Buchholtz hat die vergangenen 24 Stunden in
einem anderen Parlament verbracht. Man weiß es nicht.<br />
<br />
<h2>
Die Käßmannisierung der AfD schreitet voran</h2>
Jedenfalls scheinen schon allein die Ansichten Alexander Gaulands <a href="https://www.youtube.com/watch?v=BcbWiodMffI"><strong>zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr</strong></a>
ein wenig an ihr vorbeigegangen zu sein. Schon am Tag zuvor meldete er
sich diesbezüglich zu Wort. Immerhin kennt sich Gauland mit Soldaten
aus, mit denen der Wehrmacht insbesondere. Eine wichtige Voraussetzung,
um das Geschehen in Afghanistan beurteilen zu können. „Korruption,
Drogen, Terroranschläge, Chaos und Flucht – das ist die Bilanz in
Afghanistan“, so die Einschätzung des Fraktionsvorsitzenden, der dafür
plädiert, „das offensichtliche Scheitern des Westens am Hindukusch
einzugestehen“. Wobei Gauland freilich nicht in die Verlegenheit gerät,
seine Diagnose zu konkretisieren. Nichts ist gut in Afghanistan, und das
schon seit gut 17 Jahren. Basta. Die Käßmannisierung der AfD scheint
zumindest an dieser Stelle kaum noch zu stoppen zu sein. Den Antrag
lehnt er im Namen der Fraktion daher auch ab. Nicht jedoch, ohne zuvor
noch dem wutbürgerlichen Blutdruck etwas Gutes zu tun:<br />
<br />
<blockquote>
<em>„Noch immer fliehen hunderttausende Afghanen
innerhalb der Landesgrenzen und auch nach Deutschland. Im Jahre 2000
stellten rund 5400 Afghanen einen Asylantrag in Deutschland. Im
vergangen Jahr waren es 227.000 Asylanträge. Das ist 42 Mal mehr als
auf dem Höhepunkt der Herrschaft der Taliban. Und jetzt wollen Sie
erneut deutsche Soldaten zur Staatenrettung nach Afghanistan schicken,
während afghanische Flüchtlinge auf dem Ku‘damm Kaffee trinken, anstatt
beim Wiederaufbau zu helfen.“</em></blockquote>
<br />
Nun könnte man sich freilich fragen, wieso Menschen aus einem Land
fliehen, das bis vor kurzem noch mit Wahlen und die Schule besuchenden
Mädchen von sich reden machte; warum und seit wann es in Afghanistan
eigentlich scheitert, und ob die Flüchtlinge sich tatsächlich „noch
immer“, oder nicht doch eher <em>schon wieder</em> auf den Weg begeben.
Aber mit derlei Kleinigkeiten muss sich ein „Mut zur
Wahrheit!“-Politiker nicht abgeben. Er muss auch nicht die <a href="https://www.brookings.edu/testimonies/afghanistans-terrorism-resurgence-al-qaida-isis-and-beyond/"><strong>strategische Bedeutung Afghanistans</strong></a> erwähnen, das immer wieder zur Brutstätte des internationalen Terrors geriet, der sich schlussendlich zwischen <a href="http://www.ndr.de/kultur/geschichte/Wo-die-Todespiloten-zu-Hause-waren,elfterseptember163.html"><strong>Hamburg-Harburg</strong></a>
und New York City entfaltete. Es hat einen AfD-Abgeordneten auch nicht
weiter zu interessieren, dass Al Qaida und die sie beherbergenden
Taliban schnell in die Annalen der Geschichte befördert wurden, nachdem
die Internationale Gemeinschaft 2001 am Hindukusch intervenierte – und
dass vor allem die Taliban erst dann wieder ihr Comeback feierten, als
der Westen unter Führung der USA größtenteils abgezogen war. Auch die
Ausbreitung des IS und die Verwicklung des atomar bewaffneten Nachbarn
Pakistan sind daneben Peanuts. Und sollten die nunmehr <a href="https://www.theguardian.com/world/2017/oct/22/russia-supplying-taliban-afghanistan"><strong>von Russland unterstützen</strong></a>
Taliban im Angesicht des Islamischen Staates zum „kleineren Übel“
befördert werden, wie es zuletzt auch schon mit Baschar al-Assad in
Syrien der Fall war, dann wäre es schließlich etwas ungünstig, wenn die
Bundeswehr sich Seit an Seit mit den westlichen Partnern gegen die
Interessen des Kremls stellen müsste – zumindest aus gauländischer
Perspektive, von wo aus den Beziehungen zu Russland <a href="https://www.welt.de/politik/deutschland/article119895035/Die-AfD-will-zurueck-zu-Bismarcks-Aussenpolitik.html"><strong>seit je her</strong></a> besondere Signifikanz zukommt.<br />
<br />
<h2>
Despotistan first!</h2>
Ganz ähnlich hält es auch sein brandenburgischer Kollege Norbert Kleinwächter, der sich zuvor um den Einsatz der <a href="https://www.youtube.com/watch?v=9Ve6Jnm2UTY"><strong>Bundeswehr im Kampf gegen den IS</strong></a>
(COUNTER DAESH) kümmerte und dabei eine „Dehnung des Rechts bis zur
Unkenntlichkeit“ ermittelte. Nun hätte man gerade von der AfD etwas mehr
Einsatz erwartet, wenn es um die Rettung des Abendlandes vor mordenden
Terrorbanden geht. Kleinwächter jedoch, der seine ersten politischen
Schritte in <a href="http://www.basis-demokratie.de/download/offener-brief-kooperationsabkommen-3.pdf"><strong>Oskar Lafontaines WASG</strong></a>
machte, kann damit leider nicht dienen. Die Verlängerung des Einsatzes
lehnt der studierte Romanist und Theaterwissenschaftler im Namen seiner
Fraktion aus einer Reihe von Gründen (der Antrag enthalte etwa „zu viele
Falschaussagen“) ab. Vor allem ist es jedoch die Verletzung der
Souveränität Syriens, die ihn umtreibt und zu seinem Veto bewegt. Lieber
wäre ihm „Politik mit Anstand“, so seine abschließenden Worte – womit
er beweist, dass sich ein Studium der Theaterwissenschaften auch in
parlamentarischen Gefilden auszahlen kann.<br />
<br />
Ähnlich besorgt wirkt <a href="https://www.salonkolumnisten.com/polizei-erwache/"><strong>Kollege Ulrich Oehme</strong></a>
aus Sachsen. Seinen Wahlkampf bestritt er unter anderem noch mithilfe
der SS-Losung „Alles für Deutschland!“. Nun jedoch, da die <a href="https://www.youtube.com/watch?v=s6q4SeFoxYE"><strong>Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes in der Region Kurdistan-Irak ins Haus steht</strong></a>,
muss offenbar auch viel für Despotistan getan werden. Freilich habe die
AfD „grundsätzlich eine Sympathie für Völker, die nach Souveränität und
Selbstbestimmung streben“ – selbst dann, wenn es sich dabei um Kurden
handelt. Noch mehr Sympathie scheint der sächsische PR-Profi jedoch für
die Türkei Erdogans, immerhin ein Bündnispartner, zu hegen. Denn in
dessen Vorgarten hat die Bundeswehr laut Oehme daher nichts zu suchen.
Von Assad, dessen Lust auf „Kooperation“ durch die Präsenz deutscher
Bundeswehrsoldaten womöglich schwinden könnte, ganz zu schweigen. Und so
gilt auch hier: Bundeswehr come home, aber presto!<br />
<br />
<h2>
„Über westliche Arroganz“ – von und mit Alexander Gauland</h2>
Letztlich musste man ebenso in Alexander Gaulands <a href="https://youtu.be/5FxFtzlQKa8?t=802"><strong>Rede-Beitrag</strong></a>
aus der „Aktuellen Stunde“ zum Thema Nahost reichlich lange nach
militaristischen Geschmackstoffen fahnden. Die „wirklich
machtpolitischen Spieler“ in dieser Region seien heute vor allem die USA
und Russland, Saudi-Arabien, der Iran und die Türkei. Deutschland habe
nicht den geringsten Einfluss – und „darüber bin ich nicht einmal
traurig“, bekennt Gauland. Ohnehin seien es vor allem die
„fehlgeleiteten Interventionen westlicher Mächte“, die die Stabilität
der Region immer weiter geschwächt hätten – wobei ihm zu diesem Thema
vor allem die Balfour-Deklaration sowie der UN-Teilungsplan für
Palästina einfallen. Arrogante Verfehlungen des Westens, die zu all den
Krisen führten, von denen Alexander Gauland heute möglichst wenig wissen
will. An erster Stelle sei da der „Konflikt zwischen Israel und seinen
arabischen Nachbarn“ zu nennen, gefolgt immerhin von den
Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten, während das
Vormachtstreben des Irans in Gaulands kleinem 1×1 des Nahen Ostens keine
Erwähnung findet. Sei’s drum. Schon <a href="http://www.b-republik.de/archiv/der-moslem-mag-es-anders-sehen"><strong>wenige Tage nach 9/11</strong></a>
machte Gauland im „Fremdkörper Israel“ eine der Ursachen „verletzten
Stolzes“ unter Arabern aus, der schließlich zu Hass führe und Terror
gebäre. Und was 2001 schon richtig erschien, kann heute ja nicht ganz
falsch sein. Nicht mörderischer Hass auf Juden, nicht blutdürstige
Despoten, nicht Fundamentalisten sind schuld an all den Dramen im Nahen
Osten, sondern der Westen. Womit Alexander Gauland en passant
demonstriert, wie harmonisch es zwischen deutschnational parfümierten
Rechten und antiimperialistischen Linken zugehen könnte, wenn sie sich
nur endlich trauen würden.<br />
<br />
Sein Herzensthema spart sich Gauland jedoch für das Finale auf: das
Existenzrecht Israels als Teil deutscher Staatsräson, was ihn schon am
Tag nach der Wahl deutlich umtrieb. Das Bekenntnis an sich wiederum
befindet er als „moralisch richtig“ – bloß nicht als richtig genug, um
ihm nicht doch noch ein großes „aber“ folgen zu lassen. Immerhin
enthalte es die Verpflichtung, im „Ernstfall einer existentiellen
Bedrohung Israels an dessen Seite zu kämpfen und unter Umständen zu
sterben.“ Und weiter: „Ich bin mir nicht sicher, ob alle in Deutschland
wissen, was diese Verpflichtung bedeutet.“ Was Gauland selbst davon
hält, ob er gar „traurig“ wäre, wenn Deutschland endlich einen
Schlussstrich unter derlei Bekenntnisse ziehen würde, verschweigt er
indes elegant. Stabiles Engagement für die Sicherheit Israels klingt
zumindest etwas anders.<br />
<br />
<h2>
Alternative für Diktatoren</h2>
Ohnehin wäre es nicht fair, den Abbau der deutsch-israelischen
Beziehungen und die Demontage der Westbindung ausschließlich der
Linkspartei zuzugestehen. Wettbewerb belebt schließlich das Geschäft.
Das könnte theoretisch auch Christine Buchholz bekannt sein. Insoweit
hatte der CSU-Abgeordnete Florian Hahn auch nicht ganz unrecht, als er
der Linken-Abgeordneten auf <a href="https://youtu.be/PoqWmnErnCo?t=2367"><strong>den Kopf hin zu sagte</strong></a>,
sie habe mit ihrer Intervention „ein Handtuch über die große
Übereinstimmung dieser beiden Fraktionen in der Frage MINUSMA legen“
wollen. „Beide Fraktionen haben nur gesagt, was alles nicht geht und was
alles falsch ist. Aber sie haben nicht gesagt, wie sie eigentlich mit
Mali umgehen wollen.“<br />
<br />
Darüber hinaus haben beide Fraktionen nicht verraten, was sie im
Nahen Osten zu tun gedenken, um Terrorismus, Krieg, Elend und den damit
verbundenen Implikationen für Deutschland vorzubeugen. Aber vielleicht
sind sie sowieso ganz glücklich damit, gar nichts zu tun und den Putins,
Rohanis und Assads das Spielfeld zu überlassen. Immerhin verdienen auch
Diktatoren und Despoten eine echte „Alternative“, die in ihrem Sinne
agiert.<br />
<br />
<em><a href="https://www.salonkolumnisten.com/bundeswehr-come-home/">Dieser Text erschien ebenso bei den "<strong>Salonkolumnisten</strong>".</a></em><br />
<em></em><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://4.bp.blogspot.com/-haKWQAMV8og/WhiZuevDueI/AAAAAAAAA78/YTZaSpwPiiIFBD_7mp8Ed1UGmDQvfubSgCLcBGAs/s1600/DSC02675-1.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="732" data-original-width="1000" height="468" src="https://4.bp.blogspot.com/-haKWQAMV8og/WhiZuevDueI/AAAAAAAAA78/YTZaSpwPiiIFBD_7mp8Ed1UGmDQvfubSgCLcBGAs/s640/DSC02675-1.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Sollen sich gemäß der AfD lieber nicht im Nahen Osten einmischen: Soldaten aller Art, am allerwenigsten die der Bundeswehr (by J. N. Pyka.)</td></tr>
</tbody></table>
<span id="goog_602274351"></span><span id="goog_602274352"></span><br />Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-70983221473399275622017-10-31T08:12:00.001+01:002018-01-27T18:57:44.598+01:00Mit der Deutschen Bahn ins erinnerungspolitische NiemandslandDie Deutsche Bahn freut sich dieser Tage über Zuwachs. Der <strong><a href="https://inside.bahn.de/ice4-zugtaufe/">ICE 400</a></strong>, der in Bälde durch Deutschland rollen wird, bietet "umweltfreundliches und entspanntes Reisen gepaart mit hohem Kundenkomfort". Und weil der ICE 400 nicht irgendein Zug, sondern das neue Flaggschiff ist, werden die Züge auch nicht irgendwelche Namen, sondern Namen "deutscher historischer Persönlichkeiten aus den Bereichen Kultur, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Sport" tragen: Marlene Dietrich, Konrad Adenauer, Karl Marx, Hannah Arendt und Albert Einstein wären da zu nennen. Doch auch Anne Frank, die 1944 im Alter von fünfzehn Jahren von den Nazis nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde, soll ein Zug gewidmet werden, wie die Presseabteilung der Deutschen Bahn vorab verrät. <br />
<br />
Nun ist es im Prinzip ohnehin schon mindestens gewagt, einen Zug der
Rechtsnachfolgerin der Reichsbahn nach Anne Frank zu benennen. Bei der
Deutschen Bahn wollte man sich aber offenbar selbst übertreffen und
legte sicherheitshalber noch eine Begründung oben drauf, die nicht
minder beachtlich anmutet: „Sie [Anne Frank] steht für Toleranz und für
ein friedliches Miteinander verschiedener Kulturen, in Zeiten wie
diesen, wichtiger denn je.“ Das kann man freilich so sehen. Man muss<span class="text_exposed_show">
eben nur die Augen ganz fest davor verschließen, dass es nicht
„Multikulti“, sondern „der Jude“ war, der den nationalsozialistischen
Wahn zuvorderst und bis zuletzt dominierte und in dem die Nazis nicht
nur „minderwertiges Ungeziefer“, sondern gleichzeitig auch eine vitale,
allumfassende Bedrohung für die deutsche „Volksgemeinschaft“ sahen. Das
unterschied das „Weltjudentum“ vom „slawischen Untermenschen“, von
Sinti und Roma und Behinderten, und es war dieser Wahn, den Saul
Friedländer treffend als „Erlösungsantisemitismus“ bezeichnet, der die
Deutschen schließlich dazu antrieb, sich qua Völkermord des
„Weltjudentums“ zu entledigen. </span><br />
<span class="text_exposed_show"></span><br />
<div class="text_exposed_show">
Lässt man all das jedoch locker beiseite, dann kann man in Anne Frank
tatsächlich eine handelsübliche Vorkämpferin der „Toleranz“ mit „Wir
sind bunt“-Plakat sehen, in den Nazis wiederum leicht unsympathische
Miesepeter, die halt einfach was gegen ein „friedliches Miteinander“
hatten, in der Shoa eine etwas aus dem Ruder gelaufene
Auseinandersetzung zwischen "bunt" und "braun", und in der
nationalsozialistischen Herrenmenschenideologie eine bloße Abneigung
gegenüber „unterschiedlichen Kulturen“, die gar nicht erst genauer
benannt werden müssen.<br />
<br />
Aber vielleicht hat die Deutsche Bahn auch
recht: Eine solche Erinnerungskultur ist in „Zeiten wie diesen“
womöglich wirklich „wichtiger denn je“. Denn ohne ein derart kreatives
Geschichtsverständnis wäre der ICE Anne Frank schließlich nur halb so
wohltuend für diejenigen, die ihn gerade stolz wie eine Monstranz vor
sich her tragen.</div>
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-55580402526533841002017-09-24T14:34:00.000+02:002018-01-27T19:12:11.488+01:00Der doppelte Wahlkampf: Quo vadis, Westen?<strong><em>Zu den hartnäckigsten Gerüchten des Jahres gehört die Annahme, es hätte lediglich einen Wahlkampf gegeben. In Wirklichkeit gab es zwei davon, und einer davon hatte die Systemfrage im Gepäck: Wie hältst du’s mit dem Westen?</em></strong><br />
<br />
Der deutsche Bundestagswahlkampf an sich hat seit jeher ein Problem: Nur selten kann er es allen recht machen. Das gilt umso mehr 2017, da die einen mehr über Flüchtlinge und Terrorismus gehört hätten, in den Augen der anderen die Themen Digitalisierung und Zukunft im Allgemeinen zu kurz kamen. Einzig Angela Merkel stufte den Wahlkampf zumindest als „interessant“ ein. Alle anderen sind sich indes einig, den langweiligsten Wahlkampf aller Zeiten überstanden zu haben. Ein durchaus plausibles Urteil, zumindest im historischen Vergleich. Eine aus Talkshows flüchtende AfD-Politikerin allein macht schließlich noch keinen Franz-Josef Strauß, ein Martin Schulz keinen Willy Brandt. Was dem Wahlkampf von heute fehlt, ist die weltanschauliche Prägung von damals, als man Debatten noch gerne mit dem Rat „Geh‘ doch nach drüben!“ zu beenden pflegte.<br />
<br />
Im Vergleich dazu wirkt die von Konsens beherrschte Auseinandersetzung von heute tatsächlich so aufregend wie ein Scrabble-Turnier in Buxtehude. Das liegt allerdings unter anderem daran, dass niemand mehr – abgesehen von den Freizeit-Kommunisten der Linkspartei – die Systemfrage stellt. Die etablierten Parteien leben, was Francis Fukuyama nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ fälschlicherweise prognostizierte: das Ende der Geschichte. Richtig hitzig wurde es lange Zeit höchstens dann, wenn darüber gestritten wurde, wie viel Geld von wem zu wem umverteilt werden soll; ob man lieber der berufstätigen Mutter ohne Kitaplatz, dem Studienrat mit Solarzellen-Dach oder doch gleich beiden unter die Arme greifen soll. Ansonsten waren und sind sich tendenziell alle einig, dass europäische Zusammenarbeit, Westbindung, soziale Marktwirtschaft, Globalisierung, und die repräsentative Demokratie im Prinzip gute Ideen sind. Gestritten wird nicht über das Fundament, sondern darüber, was man darauf anbauen soll.<br />
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<strong>Der vernachlässigte Wahlkampf</strong></h2>
Zumindest pro forma. Denn zu den hartnäckigsten Gerüchten des Jahres zählt die Annahme, es hätte lediglich <em>einen</em> Wahlkampf gegeben. Tatsächlich existierten aber zwei. Mindestens. Den einen dominierte Angela Merkel mit dem inoffiziellen Wahlslogan „Sie kennen mich“. In der Nebenrolle sorgte Martin Schulz nicht nur für „mehr Gerechtigkeit“, sondern auch für <a href="https://www.youtube.com/watch?v=N2enpYTjKH4"><strong>mehr</strong></a> <a href="http://www.faz.net/aktuell/politik/bundestagswahl/martin-schulz-bietet-angela-merkel-vizekanzlerschaft-an-15193209.html"><strong>Unterhaltung</strong></a>. Abseits davon taten sich Linke und Grüne als begabte Statisten hervor, die zumindest in puncto Themaverfehlung durchaus reüssierten. Für eine Prise Salz war derweil Christian Lindner zuständig. Gleich nebenan kümmerte sich wiederum Entsorgungsexperte Alexander Gauland um die Ehre der Wehrmacht. Zwischen Diesel, Fipronil und <a href="http://www.zeit.de/news/2017-08/23/leute-angela-merkel-enthuellt-ihr-kartoffelsuppe-geheimnis-23091802"><strong>Kartoffelsuppe</strong></a> waren es auch viele seiner Anhänger, die dem Wahlkampf jammernd bis trillernd pubertären Charme und antidemokratisches Charisma verliehen.<br />
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Der andere Wahlkampf hielt sich lieber bedeckt. Er fand nicht bei Anne Will, sondern auf der Metaebene statt. Vollständig bemerkt wurde er selten, er kam und ging. Mal blieb er länger, etwa bei der FDP, mal tauchte er nur kurz in einem Tweet von Martin Schulz auf und verdünnisierte sich danach wieder in Richtung Linken-Parteitag. Das ist schade. Denn der vernachlässigte Wahlkampf hatte immerhin die Systemfrage im Gepäck, die da lautet: Wie hälst du’s mit dem Westen? Mit dem Westen, verstanden als Sphäre des Individualismus, des Rechts (national wie international), der Marktwirtschaft und der parlamentarischen Demokratie? Und wie hälst du’s weiterhin mit jenen, die all das in Frage stellen? Mit radikalen Islamisten und international operierenden Terroristen etwa? Vor allem aber mit Russland, dessen Staatschef seine Nachbarn überfällt, den Westen zu destabilisieren versucht, bewährte Regeln zu ändern gedenkt und den Zerfall der Sowjetunion für die „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ hält?<br />
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<strong>Wie hälst du’s mit dem Westen? </strong></h2>
Blickt man etwa zur SPD, hat der Westen eher schlechte Chancen auf ein Mitspracherecht. <a href="http://www.stern.de/politik/deutschland/gerhard-schroeder-haelt-bundeswehr-im-baltikum-fuer--ein-vollkommen-falsches-signal--7627386.html"><strong>Gerhard Schröder</strong></a>, Bundeskanzler a.D. und Wahlkampf-Maskottchen der Sozialdemokraten, kennt da keine Gnade. Seit seinem neuerlichen Aufstieg beim Öl- und Gasriesen Rosneft lässt sich ohnehin nur noch schwer erkennen, wo genau die <a href="http://www.zeit.de/news/2017-06/03/international-gabriel-trifft-schroeder-beim-abendessen-mit-putin-03212804"><strong>SPD aufhört und der russische Staatskonzern beginnt</strong></a>. Im Vergleich dazu ist Kanzlerkandidat Martin Schulz bescheidener unterwegs. Er will lediglich amerikanische Atomwaffen aus Deutschland entsorgen, ein gutes Auskommen mit „unserem Nachbarn Russland“ erzielen, ohne vorher die Polen zu fragen und um jeden Preis das „Säbelrasseln“ verhindern, das aus seiner Perspektive nicht etwa bei<strong> </strong><a href="https://www.welt.de/politik/ausland/article168633221/Tausende-russische-Soldaten-starten-Grossmanoever-an-Nato-Grenze.html"><strong>russischen Militärübungen im großen Stil</strong></a> zu vernehmen ist, sondern erst bei Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels der Nato entstünde. Zu gerne wäre Schulz ein Willy Brandt, nur ohne Atomwaffen im Rücken und mit viel „Neutralität“ im Herzen. Solange es dazu nicht kommt, hilft aber auch Kollege Sigmar Gabriel gerne aus – beispielsweise, indem er dem russischen Propagandakanal „RT Deutsch“ <a href="https://www.youtube.com/watch?v=sBtNQaaahX4"><strong>zu mehr Anerkennung verhilft</strong></a>. Bei den Sozialdemokraten tut eben jeder, was er kann, von Nordstream II bis Informationskrieg.<br />
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Eine Strategie, die offenkundig auch in der FDP einige Bewunderer gefunden hat. Dort sind Liebesgrüße nach Moskau zwar nicht Teil des Wahlprogramms, dafür aber Chefsache. Christian Lindner würde den Krim-Konflikt lieber „einfrieren“ und Zug um Zug Sanktionen lockern, damit die „umzingelte“ Unschuld im Kreml auch ihr Gesicht wahren kann. Eine gute Idee, die nur daran scheitern dürfte, dass Putins Problem ja gar nicht darin besteht, aus der kriegerischen Situation irgendwie wieder herauszukommen. Zu diesem Zweck müsste er lediglich seine Truppen abziehen – was er nur gar nicht vorhat. Unangenehm ist ihm unter anderem vielmehr das Ausmaß, in dem die Sanktionen seine Finanzen beeinträchtigen. Aber vielleicht lässt sich darüber ja mit Christian Lindner reden, der auf jeden Fall „im Gespräch“ bleiben will und dabei so auftritt, als hätte er gerade eine bemannte Mars-Mission gefordert. Letztendlich ist und bleibt Deutschland eben dort, wo sich ständig ein Politiker nach Moskau aufmacht, nur um sich hinterher wie der „last Dialogführer standing“ zu benehmen.<br />
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<strong>Wettstreit der Ränder: Wer schafft den Westen schneller ab?</strong></h2>
Sahra Wagenknecht gefällt das jedenfalls. Ohnehin ist dezente Zurückhaltung in ihrer Partei diesbezüglich nicht unbedingt verbreitet. Hat der Westen bei SPD und FDP noch schlechte Chancen auf Asyl, trifft er bei den Linken knallhart auf Viktor Orbán. Nato? Braucht man nicht. Lieber wäre den SED-Nachfolgern ein „<a href="http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-01/nato-sahra-wagenknecht-donald-trump-russland-sicherheitspolitik"><strong>Verteidigungsbündnis mit Russland</strong></a>“. Eine <a href="https://www.welt.de/politik/deutschland/article165420040/Oezdemir-attestiert-der-Linkspartei-Totalausfall.html"><strong>Verurteilung</strong></a> der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim? Schnickschnack, mit dem sich eine Partei wie „Die Linke“ gar nicht erst abgibt. Auf diese Weise bleibt auch mehr Zeit für den Kampf gegen den US-Imperialismus und andere Zumutungen. Schließlich droht der Linkspartei mit dem Einzug der AfD in den Bundestag nun auch <a href="https://www.afd.de/tag/russland/"><strong>harte Konkurrenz</strong></a>. Alexander Gauland jedenfalls tat sich schon 2013 mit der <a href="http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-vize-alexander-gauland-will-kein-geld-von-russland-a-1067703.html"><strong>Forderung nach mehr Nachsicht gegenüber Russland</strong></a> hervor – zu einem Zeitpunkt, da die Krim und die Ostukraine noch friedliche Gebiete des ukrainischen Staatsterritoriums waren. Eine beachtliche Leistung, die ihm so schnell keiner nachmacht. Indes betätigen sich seine Kollegen wahlweise als „<a href="https://www.tagesschau.de/inland/afd-russland-101.html"><strong>Wahlbeobachter</strong></a>“ auf der Krim, als Reisende zwischen <a href="http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/frauke-petry-besucht-nationalisten-in-moskau-14889021.html"><strong>Moskau</strong></a> und <a href="http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/oligarch-malofejew-sehnt-nach-neurussischen-reich-14118520.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2"><strong>St. Petersburg</strong></a>, als Veranstalter eines „<a href="http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-verteidigt-putin-auf-ihrem-russlandkongress-15149657.html"><strong>Russlandkongresses</strong></a>“, wo über die deutsche Souveränität gerätselt und Eurasien geschwärmt wurde, oder auch mutmaßlich als Drähte zum <a href="http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-08/alternative-fuer-deutschland-russland-regierung"><strong>russischen Geheimdienst</strong></a>. Dass die Sanktionen aus alternativer Sicht abgeschafft gehören, versteht sich da von selbst.<br />
<br />
Kalkuliert man nun noch Horst Seehofer mit ein, der sich ebenso an den Sanktionen stört, steht es im nächsten Deutschen Bundestag 5 zu 2 für Russland und 2 zu 5 für den Westen. Keine rosigen Aussichten für ein Konzept, mit dem die Deutschen rund sieben Jahrzehnte gut bedient waren. Aber warum nicht mal etwas Neues probieren? Während die einen in Putin den Heiland gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ zu erkennen meinen, würden die anderen lieber das wenig bewährte aber nach wie vor beliebte Konzept der deutschen Neutralität erproben. Wo sich sowohl AfD als auch Linke vor „Marionetten der Siegermächte“ gruseln, träumt man in sozialdemokratischen Gefilden wahrscheinlich eher von einem friedlichen Lebensabend im Dienste der russischen Mineralölwirtschaft. „Was interessiert mich die Ukraine?“, fragen die einen, „Alles Propaganda der Lügenpresse!“, plärren die anderen.<br />
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<strong>Selektive Wahrnehmung, kollektive Kremltreue</strong></h2>
Nun hat Deutschland in der Vergangenheit schon öfter seine Fähigkeiten im Bereich der selektiven Wahrnehmung bewiesen. In Sachen Russland übertrifft es sich jedoch in dieser Disziplin. Dass viele Deutsche weder Interesse für einen heißen Krieg in nur zwei bis drei Flugstunden Entfernung, noch für das Bedürfnis eines Landes, sich von russischer Vorherrschaft freizumachen, aufbringen, ist zwar etwas unangenehm, aber nicht sonderlich erstaunlich. Dass sie es aber <em>gleichzeitig</em> schaffen, sich wahlweise über „Nazis im Bundestag“ oder über eine „Überschwemmung“ von Flüchtlingen und Migranten aufregen, grenzt dann doch allmählich an chronische Realitätsverweigerung. Beides, der Aufstieg der AfD wie die Flüchtlingskrise, treibt die Deutschen um. Und beides trägt zumindest in Abstufungen die Handschrift des Kremls.<br />
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Von <a href="https://www.nytimes.com/2014/12/02/world/europe/french-far-right-gets-helping-hand-with-russian-loan-.html?_r=0"><strong>Marine Le Pen</strong></a>, <a href="http://www.telegraph.co.uk/news/2016/09/07/kremlin-backed-broadcaster-rt-offers-nigel-farage-his-own-show/"><strong>Nigel Farage</strong></a> und der <a href="http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/5136136/FPOe-schliesst-FuenfJahresVertrag-mit-KremlPartei"><strong>FPÖ</strong></a> bis hin zu <a href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/wladimir-putin-besucht-viktor-orban-in-budapest-treffen-sich-zwei-eu-feinde-a-1164837.html"><strong>Viktor Orbán</strong></a> – auf dem Kontinent existiert kaum ein Akteur nationalistischer Prägung, der nicht auf die ein oder andere Weise mit dem Kreml zu schaffen hätte. Moskau bietet Kredite, Auftritte bei „Russia Today“, Einladungen und Wahlempfehlungen, im Gegenzug erhält es Schützenhilfe aus Europa – und erntet ganz nebenbei einen Kontinent, der sich erfolgreich selbst zerlegt. Wenn Sigmar Gabriel sich ausgerechnet beim russischen Auslandskanal „RT Deutsch“ über die AfD beschwert, ist das ähnlich effektiv wie ein Gespräch mit einem Brandstifter über die Folgen des soeben gelegten Hausbrands.<br />
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<strong>Wenn der Abendlandverteidiger sich nebenher als Brandstifter betätigt</strong></h2>
Nicht minder schlüssig ist die Weltsicht der jammerdeutschen Abendlandverteidiger. Morgens und mittags echauffieren sie sich über die Flüchtlingskrise und warnen vor islamistischen Terrorattentaten, nur um von abends bis spät in die Nacht alles auf ihr Pferd im Kreml zu setzen. Dumm nur, dass derselbe Terrorismus eher weniger mit Putin, dafür aber ausschließlich an der Seite der Vereinigten Staaten bekämpft werden kann – zumindest, solange man Geheimdiensthinweise und ähnliche Annehmlichkeiten, die das „Abendland“ allein kaum auf die Reihe bringt, nicht für völlig obsolet hält.<br />
<br />
Noch dümmer ist, dass der Retter des Abendlands durchaus seinen Anteil an eben jener Flüchtlingskrise geleistet hat. Zumindest, wenn man berücksichtigt, dass die Mehrheit der Syrer nicht vor dem IS, sondern vor Assad flieht, der ohne Rückendeckung des Kremls und der Mullahs seinen staatlichen Giftgas- und Folterbetrieb schon längst hätte einstellen müssen. Assad ist eine Fluchtursache auf zwei Beinen. Aufrecht gehen kann er nur mithilfe des Kremls, dem eine Destabilisierung Europas qua Flüchtlingsstrom als Kollateralnutzen sehr genehm ist. Dass die allermeisten Syrer in Folge dessen nicht zurückkehren können werden, solange Assad an der Macht ist, und dass das nunmehr stabilisierte Assad-Regime darauf <a href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-krieg-top-general-issam-zahreddine-droht-fluechtlingen-a-1167093.html"><strong>auch gar keinen Wert legt</strong></a>, wäre eine weitere Pointe. Besonderes Gespür für Humor bewies allerdings Alexander Gauland, der nur knapp einen Monat nach der „Grenzöffnung“ der Kanzlerin das russische Engagement in Syrien, das weniger den IS und mehr die Opposition zu Assad treffen sollte, mit <a href="https://www.afd-brandenburg.de/gauland-russland-bekaempft-den-is-jetzt-ist-der-westen-am-zug/"><strong>warmen Worte begrüßte</strong></a>. Aber auch seine Kollegen geben sich stets größte Mühe, das Ansehen des „säkularen“ Diktators zu retten. Als Donald Trump einen Giftgasangriff des syrischen Regimes militärisch beantwortete, brach auch in den Reihen der AfD großes Entsetzen aus. „<a href="https://patriotische-plattform.de/blog/2017/04/05/solidaritaet-mit-bashar-al-assad/"><strong>Solidarität mit Bashar al-Assad</strong></a>“ lautete die Devise. Inzwischen haben sich die Prioritäten allerdings ohnehin verschoben. Gebannt blicken die Patrioten auf das Mittelmeer, vor allem aber auf Libyen. Da trifft es sich gut, dass Putin auch dort <a href="http://foreignpolicy.com/2017/09/14/inside-putins-libyan-power-play/"><strong>bereits in syrisch anmutender Manier zur Stelle ist</strong></a>.<br />
<br />
<h2>
<strong>Idee sucht fähige Anwälte</strong></h2>
Es gehört mittlerweile zum guten Ton, nicht mehr vom Westen, sondern vom „sogenannten Westen“ und „sogenannten westlichen Werten“ zu sprechen. Tatsächlich dürfte der Westen mitunter Bauchschmerzen haben, wenn er auf seine Stellvertreter, einige davon wider Willen, blickt. Viele davon bereiten ihm wahrlich keine Ehre. Die einen haben das Konzept nie verstanden, die anderen halten es für überflüssig. Das ändert jedoch nichts an der Idee an sich, der Idee einer Sphäre des Rechts, der Freiheit und der Demokratie. In einer Welt ohne westliche Werte herrscht weder Entspannung nach Schulz’scher Hausmannsart noch „christliches Abendland“ nach Pegid’esquen Vorstellungen, dafür aber das Recht des Stärkeren und angewandte Äquidistanz zwischen Freiheit und Unterdrückung. In einer solchen Welt tun Autokraten, was sie wollen, ob Giftgas oder Grenzübertritt, ohne dafür belangt zu werden. Denn schließlich sind manche eben gleicher als gleich. Ein Votum für Russland gleicht einer Stimme gegen Freiheit und Menschenrechte und für mehr autokratische Willkür. Das kann man gutheißen. Man sollte hinterher aber wenigstens darauf verzichten, sich im eigenen Land wie der beste Anwalt der Bürgerrechte und des Liberalismus im Allgemeinen zu benehmen. Sonst wird es etwas unglaubwürdig.<br />
<br />
Was den Wahlkampf der Systemfrage von seinem offiziellen Kollegen unterscheidet, ist der Umstand, dass er schon entschieden ist. Der Westen hat bis auf weiteres verloren. Ob er in den kommenden vier Jahren fähige Anwälte finden wird, bleibt offen. Adorno wusste, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt. Deutschland dagegen beweist, dass es durchaus einen falschen Wahlkampf im richtigen gibt. Und das ist immerhin auch eine Leistung.<br />
<br />
<em>Dieser Text erschien ebenso bei den "<strong><a href="https://www.salonkolumnisten.com/hatputingewonnen/">Salonkolumnisten</a></strong>".</em><br />
<em></em><br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<iframe allowfullscreen="" class="YOUTUBE-iframe-video" data-thumbnail-src="https://i.ytimg.com/vi/M0NXs_uWPgg/0.jpg" frameborder="0" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/M0NXs_uWPgg?feature=player_embedded" width="560"></iframe></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<em>"But if history teaches anything, it teaches that simple-minded
appeasement or wishful thinking about our adversaries is folly. It means
the betrayal of our past, the squandering of our freedom."</em></div>
<em><span id="goog_269992304"></span></em><span id="goog_269992305"></span><br />Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-41534783558614371692017-08-24T01:50:00.000+02:002017-08-24T01:50:02.269+02:00"Auschwitz am Strand" und weitere Entspannungsübungen<div class="_5pbx userContent" data-ft="{"tn":"K"}" id="js_1ex">
Bei
der "documenta" in Kassel hielten sie es neulich für eine besonders brillante Idee, eine sogenannte Kunstaktion mit dem Titel "<a href="http://www.hessenschau.de/kultur/performance-auschwitz-am-strand-sorgt-fuer-kritik,auschwitz-am-strand-sorgt-fuer-kritik-100.html"><b>Auschwitz on the beach</b></a>" ins Programm zu nehmen. Bereits im dazugehörigen Begleit-Text
erfuhr man Näheres über die Sphären, in denen die Künstler sich so
bewegen: "Auf ihren eigenen Territorien errichten die Europäer
Konzentrationslager und bezahlen ihre Gauleiter in der Türkei, Libyen
und Ägypten dafür, die Drecksarbeit entlang der Küsten des Mittelmeeres
zu erledigen, wo Salzwasser mittlerweile das Zyklon B ersetzt hat". Auf derlei Verharmlosungen folgte jede Menge Kritik, so dass die mutigen
Tabubrecher inzwischen auf die <b><a href="http://www.hessenschau.de/kultur/documenta/documenta-performance-auschwitz-on-the-beach-abgesagt,auschwitz-beach-entschaerft-100.html">Bremse treten</a></b> mussten. Ihre Show nennen
sie nun "shame on us!", abgehalten wird sie lediglich in Form einer
Lesung samt "partizipativer <a href="http://www.documenta14.de/de/calendar/24356/shame-on-us-a-reading-and-discussion"><b>Diskussion</b></a> über die neuen Gesichter des Faschismus und der aktuellen Politiken der Migration in Europa".<br />
<br />
Die documenta-Leitung wiederum ist
damit wohl weniger glücklich, denn Kritik wollte sie zunächst nicht so
recht gelten lassen. Immerhin, so der zuständige Kurator, nutze der
Künstler "das unberührbare Wort Auschwitz, um unser Gewissen zu wecken".
Das setzt zunächst einmal voraus, dass alle Beteiligten überhaupt über
ein Gewissen verfügen. Gleichzeitig spielt das objektive Gewissen
ohnehin keine große Rolle, wenn es um die Verspannungen geht, deren
Lösung sich die Freunde eben jener Kunst sehnsüchtig erhoffen. Denn wenn
Auschwitz am Mittelmeer stattfindet, der Holocaust sich gemäß "peta"
auch "auf Ihrem Teller" ereignet und die Autoindustrie jedes Jahr
"<a href="http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/masslose-wortwahl-auf-twitter-von-energieexperte-juergen-doeschner-15130491.html"><b>zehntausende Unschuldige vergast</b></a>", dann ist die Shoa überall. Und wenn
Sie erstmal überall ist, dann ist sie quasi nirgends - am
allerwenigsten in der deutschen Geschichte. Cleverness, die man nicht
nur aus Kassel kennt.<br />
<br />
Ein paar hundert Kilometer nördlich von
Kassel, in der Redaktion des "stern", geht es derweil ebenfalls ans
Eingemachte. Auf dem <a href="http://meedia.de/2017/08/23/cover-der-woche-stern-macht-trump-zum-hitler-der-spiegel-zum-ku-klux-klan-anhaenger-und-die-taz-zum-rambo/"><b>neuen Titelbild</b></a> hitlergrüßt kein Geringerer als
ein in stars and stripes gehüllter Donald Trump. Der "stern" hat
offenkundig alles über "seinen Kampf" herausgefunden, was man in
Deutschland darüber wissen muss. Selbstverständlich kann man alles mit
allem vergleichen: Cindy aus Marzahn mit Angela Merkel, Dieter Bohlen
mit Giuseppe Verdi, den "stern" mit einem ernstzunehmenden politischen
Magazin. Es kommt nur darauf an, wie redlich man beim Vergleichen
vorgeht, ob man sich also auf Fakten oder auf Ressentiments beruft. In
Hamburg scheint man dahingehend ein wenig durcheinandergekommen zu sein
und die eigenen Reflexe mit seriösem Journalismus, traditionellen
Antiamerikanismus mit fundierter Kritik verwechselt zu haben. Immerhin
ist Donald Trump der schönste Antiamerikanismus-Vorwand, seit es den
Antiamerikanismus gibt. Ein zu verlockendes Angebot, um es abzulehnen.<br />
<br />
Was das Cover aber noch besser macht, ist die seelenhygienische
Wirkung, die es gleichzeitig entfaltet. Denn je öfter man den Führer
auslagert - in dem Fall zielgerichtet ins Weiße Haus -, desto weniger
fällt das Original ins Gewicht. Erneut ein schöner Erfolg auf dem Gebiet
der praktischen Vergangenheitsbewältigung, worin den Deutschen bekanntlich
niemand etwas vormacht. Gut möglich, dass die Amerikaner sich das alles
etwas anders vorgestellt haben, als sie sich damals der Reeducation
widmeten. Aber nun haben sie ja selbst ihren eigenen, vom "stern" zertifizierten
Führer. Wie praktisch.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-Z2uBYP0ow5M/WZ4OsYbBMhI/AAAAAAAAA7o/_t6PFHG1cXgw0Ed-ggtRi7s9TpwzDtQPQCLcBGAs/s1600/DSC01594-1.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="908" data-original-width="1200" height="484" src="https://1.bp.blogspot.com/-Z2uBYP0ow5M/WZ4OsYbBMhI/AAAAAAAAA7o/_t6PFHG1cXgw0Ed-ggtRi7s9TpwzDtQPQCLcBGAs/s640/DSC01594-1.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Das Mittelmeer. Nicht im Bild: germanische Reflexe. (by J. N. Pyka)</td></tr>
</tbody></table>
</div>
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-36076798386062964202017-08-19T00:19:00.000+02:002017-08-19T13:34:03.590+02:00"Sonst haben die Terroristen gewonnen!" - vom Sinn und Unsinn einer ParoleZu den beliebtesten After-Terror-Parolen zählt mittlerweile die
Ankündigung, die Terroristen "nicht gewinnen" zu lassen. Beliebt ist
sie vor allem deshalb, weil sie kämpferisch klingt und sich von jedem beliebig
aufladen lässt. Sie sagt dementsprechend viel über die Zielscheibe des Terrors
und wenig über die Terroristen selbst aus. Denn die am Gewinnen zu hindernden
Terroristen haben mitunter ganz andere Vorstellungen hinsichtlich der Frage,
wann sie gewonnen haben und wann nicht. Es gibt auch keine repräsentative
Forsa-Umfrage über die Vorstellungen, die Terroristen zwischen Raqqa und
Brüssel zum Thema Gewinn und Verlust haben. Naheliegend ist allerdings, dass
die jeweiligen Terroristen in Spanien am vergangenen Donnerstag schon mal gewonnen haben. Wer
sich zum Morden aufmacht und das auch schafft, der hat sein persönliches
Etappenziel erreicht. Hindert man einen Terroristen daran, etwa indem man ein
Fußballspiel aufgrund ernstzunehmender Hinweise absagt, dann hat der
betreffende Mörder in spe erstmal verloren. Diejenigen, die das Fußballspiel
sehen wollten, haben somit gewonnen, aber gleichzeitig auch ein Stück
Lebensqualität verloren. Jene, die am nächsten Tag eigentlich auf ein Festival
gehen wollten, es sich aufgrund solcher Vorkommnisse jedoch überlegen, auch. <o:p></o:p><br />
<br />
Andere wiederum folgen der "jetzt erst recht"-Devise und leben
weiter wie gehabt - "denn sonst hätten die Terroristen ja gewonnen".
Das ist sicherlich keine falsche, vielmehr eine menschlich betrachtet
sympathische Herangehensweise. Vor allem ist es aber eine individuelle Entscheidung,
die nicht zur Maxime für alle erhoben werden sollte. Wer lieber nicht auf das
Oktoberfest, auf ein Konzert oder eine Fanmeile gehen will, der sollte das auch
so halten dürfen, ohne sich sagen lassen zu müssen, er hätte den Terroristen
gerade einen Punktsieg verschafft. Andersrum wäre es schön, wenn die Fraktion
der Warnenden nicht zuverlässig Häme über jenen auskippen würde, die sich ihre
Lebensfreude eben nicht nehmen lassen wollen. Die einen halten's so, die
anderen lieber so, leben und leben lassen - auch das wäre Ausdruck jener
Toleranz, von der man so häufig hört. <o:p></o:p><br />
<br />
Zweifellos klingt „Wir lassen uns nicht unterkriegen“ besser als „Wir werden
alle untergehen!“. Fatalismus gepaart mit Vorschlägen, die in die Sümpfe
außerhalb des Rechtsstaats führen, ist keine sonderlich clevere Option - es sei
denn, man glaubt ohnehin schon mehr an gestern als an morgen. Worte zählen,
positive genauso wie negative. Es kommt bloß auch darauf an, <em>wo</em> sie
fallen. Der Appell, die Terroristen nicht gewinnen zu lassen, kann auf
gesellschaftlicher Ebene durchaus Sinn ergeben – vor allem jedoch an Orten wie
Israel, wo der Terror so omnipräsent wie die Lebensfreude ist. Die Parole
funktioniert deshalb, weil sie nicht im luftleeren Raum daher kommt, sondern mit
der Gewissheit der Bürger verknüpft ist, dass die Behörden konsequent alles daran setzen, Terror
zu verhindern. Aber Europa ist nicht Israel. Es könnte und sollte in dieser
Beziehung höchstens mehr Israel wagen. Solange es jedoch Anis Amris gibt,
solange nahezu jeder erfolgreiche Attentäter den Behörden bekannt war, solange
es also noch nicht soweit ist wie in Israel, wo das „weiter so“ auf einem
stabilen Fundament aus vielfältigen Sicherheitsmaßnahmen fußt - solange haftet
dem Vorsatz, die Terroristen nicht gewinnen zu lassen, in Teilen auch der
Nachgeschmack eines abgelaufenen Beruhigungsmittels an.<o:p></o:p><br />
<br />
Haben Terroristen also gewonnen, wenn sich Europäer daheim verbarrikadieren?
Manches spricht dafür, manches dagegen. Schäumen sie daheim im Kalifat vor Wut,
wenn sie sehen, wie sich Touristen schon morgen wieder in Barcelona des Lebens
erfreuen? Mag sein, eine hübsche Vorstellung wäre es definitiv. Vielleicht ist
es ihnen aber auch egal, weil sie schon den nächsten Anschlagsplan aushecken. <o:p></o:p><br />
<br />
Letztendlich ist es momentan ohnehin völlig irrelevant, welche Seite
inwiefern und mit welchem Punktabstand gewinnt oder verliert. Denn da
"Gewinnen" im Auge des Betrachters liegt, ist es schlicht kein
Maßstab und keine sonderlich sinnstiftende Kategorie. Ziel sollte deshalb nicht
bloß sein, die Terroristen "nicht gewinnen" zu lassen". Das
sollte man vorerst am besten ganz vergessen. Das Ziel sollte und muss viel eher sein,
die Terroristen davon abzuhalten, das tägliche Leben im Westen objektiv zu
beeinträchtigen und Menschen umzubringen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Erst danach kann man sich in diesen Breitengraden wieder über das Gewinnen
unterhalten. Aus der Siegerperspektive nämlich.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://2.bp.blogspot.com/-cyy-KpWT0d0/WZdkmEnaS-I/AAAAAAAAA7Y/Msx2K17VOQEJIkOga9njp1isUeQ50CxSACLcBGAs/s1600/noeasyday.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="816" data-original-width="717" height="640" src="https://2.bp.blogspot.com/-cyy-KpWT0d0/WZdkmEnaS-I/AAAAAAAAA7Y/Msx2K17VOQEJIkOga9njp1isUeQ50CxSACLcBGAs/s640/noeasyday.jpg" width="562" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Haben tatsächlich gegen Terroristen gewonnen: Team 6 der Navy Seals</td></tr>
</tbody></table>
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-3315906021369864203.post-69937421071530082152017-08-15T00:52:00.001+02:002017-08-15T00:52:46.417+02:00Alternative Selbstverständlichkeiten<div class="_5pbx userContent" data-ft="{"tn":"K"}" id="js_chk">
Es
gehört sicherlich nicht zu den Kernaufgaben eines amerikanischen
Präsidenten, sich jedes Mal zu Wort zu melden, wenn ein paar
Rand-Angehörige um die Ecke laufen oder mehrere Ränder gegenseitig
aufeinander losgehen. Ein bisschen anders ist es möglicherweise, wenn
Freunde der Hakenkreuz-Flagge eine Stadt regelrecht okkupieren und in
bester Fackellaune ihre antisemitischen und rassistischen "Blut und
Boden"-Fantasien kommunizieren, wie es nun in Charlottesville der Fall
war. Und definitiv anders verhält es sich, wenn dieselben Zeitgenossen
zusätzlich „Heil Trump!“ rufen, einer der ihren anschließend dem
palästinensischen Car-Intifada-Trend folgend in eine Menschenmenge rast
und dabei eine junge Frau tödlich verletzt. In diesem Fall könnte man
von einem amerikanischen Präsidenten durchaus erwarten, dass er die
verantwortlichen Extremisten klar beim Namen nennt, ohne dafür zwei Tage
Zeit und jede Menge öffentlichen Druck zu benötigen. Naheliegend wäre
auch, sich als Präsident insoweit von den Ereignissen zu distanzieren,
als er den KKK-Liebhabern klar macht, dass er schlicht nicht ihr Mann
ist und ihren Support weder möchte noch benötigt. Der amtierende
Präsident brachte allerdings weder das eine noch das andere auf die
Reihe.<br />
<br />
Inzwischen hat es sich zwar herumgesprochen, dass Donald
Trump kein „normaler Präsident“ ist. Aber die Maßstäbe, die man an den
Führer der freien Welt anlegt, sind immer noch dieselben. Die
neonazistische Weltanschauung zu verurteilen ist ungefähr der Inbegriff
des Selbstverständlichen. Von Washington D.C. aus betrachtet verliert
man dabei nichts. Es kostet wenig. Und es gibt praktisch keinen rational
nachvollziehbaren Grund, es zu unterlassen. Viele Vertreter der GOP
haben es auch geschafft. Nur Donald Trump selbst erweist sich als
überfordert, wenn es darum geht, das Selbstverständliche zu tun. <br />
<br />
Besonders raffinierte Anhänger des Trumpismus betonen nun zu seiner
Verteidigung, dass es sich bei Neonazis schließlich nur um eine kleine
und damit politisch unbedeutende Minderheit handelt. Das stimmt
natürlich. Allerdings ist die Einflussarmut von Rassisten kein
Naturgesetz. Vielmehr sind Neonazis auch genau deshalb eine Minderheit,
weil die Mehrheit ihnen regelmäßig und unmissverständlich vermittelt,
was sie von völkischen Ideen hält. Die Frage nach einer Welt ohne
Rassisten stellt sich nicht. Entscheidend ist nur – wie bei allen
anderen Extremisten übrigens auch -, dass sie eine möglichst gewaltfreie
Minderheit bleiben, darum wissen und demzufolge nicht übermütig werden.
Klare Worte eines Präsidenten wären dahingehend durchaus hilfreich.
Wenn der Mann im Weißen Haus aber lieber Gewalt von „allen Seiten“
anprangert und damit sämtliche Rekorde der angewandten Äquidistanz
bricht, vermittelt er den Fackelfreunden und denen, die (noch) heimlich
mit ihnen sympathisieren, vor allem eines: jede Menge Morgenluft,
getaucht in hellgrünes Licht. <br />
<br />
Angesprochen auf einige seiner
frauenfeindlichen Kommentare erwiderte Donald Trump während des
Wahlkampfs, er hätte eben keine Zeit für „political correctness“.
Wahrscheinlicher ist allerdings, dass ihm schon die Zeit für Höflichkeit
fehlt. Ob er irgendwann vielleicht wenigstens Normen des bürgerlichen
Anstands und Fragen der Moral in seinen engen Terminplan integrieren
können wird, bleibt derweil offen.</div>
Jennifer Nathalie Pykahttp://www.blogger.com/profile/14841755432482579598noreply@blogger.com0