Der Feminismus hat sich erledigt - es lebe der Netzfeminismus!

Der moderne Feminismus hat es nicht leicht. Immerzu wird er missverstanden, zu wenige wollen sich um ihn und seine Sorgen kümmern. Das größte Missverständnis besteht allerdings in der Annahme, dass es in diesen Breitengraden überhaupt einen Feminismus gibt. In Wirklichkeit gibt es nämlich höchstens einen Club, der sich so nennt, aber nichts mit dem Original zu tun hat. Ab und zu tritt er auch als „Netzfeminismus“ in Erscheinung, denn Twittern ist schließlich bequemer. Und wenn dieser Feminismus mal ein wenig mickrig oder gar prekär anmutet, retweetet man sich solange gegenseitig, bis die Optik wieder stimmt.

Immerhin verfügen Netzfeministinnen über seherische Fähigkeiten, die ihnen so schnell keiner nachmacht. Wo andere einen Rüpel ohne Kinderstube ausmachen, identifizieren sie zielsicher Spuren des Patriarchats. Süße Mäuse verwandeln sie in mächtige Elefanten, nur um hinterher für mehr „Gleichberechtigung“ mobil zu machen, womit sie aber zuverlässig Privilegien meinen. Denn der Terminus „Gleichberechtigung“ kommt dem Glanz des historischen Vorbilds immerhin schon näher. Kaum eine Suffragette hätte für Quoten, „equal pay“ und staatlich fixierte Wettbewerbsvorteile gegenüber Männern appelliert. Dem historischen Feminismus der westlichen Hemisphäre genügte es, für gleiche Rechte einzutreten. Den Rest erledigte der Lauf der Zeit.

Dass das Original diese Mission erfolgreich zu Ende brachte, werden ihm die Frauenrechtlerinnen von heute allerdings nie verzeihen. Was soll eine Feministin im Jahr 2016 noch tun, wenn doch schon alles erreicht ist? Yoga? Töpfern? Ein Unternehmen gründen gar? Niemals. Das Label ist zu hübsch, um es einfach zu den Akten zu legen. Darum bleibt ihnen nichts anderes übrig, als jeden hinterher pfeifenden Bauarbeiter zum potentiellen Vergewaltiger, jeden Chauvinisten zum strukturellen Problem und jeden parteiinternen Ränkekampf zu einem Trauma zu befördern, das unter der Anschrift #sexismusinparteien und im Rahmen einer medialen Großoffensive verarbeitet werden muss. Und wenn sie damit fertig sind, geht es mit Sexismus im Bierzelt, Sexismus in der Medienwelt oder Sexismus in der Lüneburger Heide weiter. Denn schließlich, so die benachteiligte Bezirks-Verordnete aus Berlin-Mitte, die vor lauter Geschlechterapartheid auch nach einem langen Jahr Parteimitgliedschaft immer noch kein Bundestagsmandat in Aussicht hat, gilt folgendes:

„Politik ist zu wichtig, um sie hauptsächlich alten Männern zu überlassen. Es gibt sie, die tollen, großartigen Frauen in der Union: Angela Merkel, Ursula von der Leyen, Elisabeth Winkelmeier-Becker, Nadine Schön und viele andere. Lassen wir sie nicht alleine, liebe Frauen.“

Das klingt ganz ausgezeichnet, ließe sich aber noch ausbauen: Auch ein hohes Einkommen, Karriere, Führungspositionen, Ruhm und Glanz sind zu wichtig, um sie hauptsächlich alten weißen Männern zu überlassen. Frauen haben darauf ein Grundrecht. Warum? Weil sie eben Frauen sind, und nicht alte weiße Männer. Das muss reichen. Leistung ist zu anstrengend, um sie jungen weißen Frauen abzuverlangen. Männer sind alle gleich, Frauen sind aber gleicher.

Bis das alte weiße Patriarchat tatsächlich überwunden ist, bleibt im Klassenk(r)ampf allerdings noch Einiges zu tun. Von all den rosa-farbigen Überraschungseiern und Bikini-Plakaten ganz zu schweigen. Während die einen dann Karriere in Parteien machen, beklagen die anderen lieber Sexismus in Parteien. Und wundern sich, wenn es mit der Karriere nicht so recht hinhaut, weil sich kein Kollege mehr zu ihnen in den Aufzug traut. Das nennt man dann Leistungsgerechtigkeit - im Übrigen auch so eine Sache, die ganz im Sinne der historischen Erfinderinnen war.

Und bevor ich’s vergesse, eines noch: There’s no such thing as „Wir Frauen“, liebe Netzfeministinnen. Ihr macht euer Ding, ich mache meines, und das mit dem Club lassen wir bitte. Einverstanden? Super, danke.
 
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