Kristina Schröder und die Hoppenstedts

Die gute Nachricht gleich vorweg: Deutschland geht es prächtig. Zumindest sieht es ein bisschen so aus, nachdem das halbe Land eine Zeit lang angeregt über Familienministerin Kristina Schröder, deren Praktiken beim Vorlesen von Märchen und die Frage nach dem, der oder das lieben Gott diskutierte. Da also die klinisch sterile Begradigung von Gesellschaft und Kultur oberste Priorität erlangt hat, scheint sonst alles in Ordnung zu sein.

Nun allerdings weihnachtete es vorrangig; das Land kam zur Ruhe und fokussierte seine Aufmerksamkeit auf Baum, Gans, Spiel und Spaß. Und natürlich auf Loriot, genauer: „Weihnachten bei Hoppenstedts“ – ein Format, das übrigens auch unterhaltsam finden kann, wer keinen Bezug zum Fest findet. Es sei denn, und nun folgt die schlechte wie auch eigentliche Nachricht, man betrachtet die Idylle bei Hoppenstedts aus der Schröder’schen Perspektive.


Dann nämlich erkennt man: Nichts ist gut bei Hoppenstedts. Das fängt schon bei Frau Hoppenstedt an, die besonders, aber eben auch einzig als Hausfrau, Mutter und Ehefrau brilliert. Sicher, auch sie wäre gern „ein selbstständiges Glied in der Gesellschaft“, zumindest nach ein paar Gläsern „Pallhuber und Söhne“-Qualitätswein. Aber letztlich bleibt sie doch der Albtraum moderner Feministinnen, quasi die mit „Saugblaser Heinzelmann“ garnierte Anti-Emma. Wie sexistisch! Pädagogisch wertvoller – denn schließen gucken auch die Kleinen mit – wäre es natürlich gewesen, Frau Hoppenstedt als Teil einer Patchwork-Familie und Powerfrau zu präsentieren, die weder den Saugblaser noch Herrn Hoppenstedt benötigt, dafür aber beruflich etwas „Nachhaltiges“ macht, sofern sie nicht gerade zwischen Yoga-Kurs, Judith-Butler-Vortrag und Kita pendelt.

Aber das allein reichte vermutlich nicht, um die Geschichte vollständig zu entschärfen. Denn da wäre noch Opa Hoppenstedt, der sich ungefähr genauso vorbildlich wie einstmals Amy Winehouse verhält. Zugegeben, sich „gender-sensibel“ ausdrücken, das kann er. Beispielsweise, wenn er sein Enkelkind im Spielzeuggeschäft weder als Mädchen noch als Jungen, sondern gänzlich geschlechtsneutral als „Hoppenstedt“ betitelt. Das jedoch gleicht Opas schädlichen Hang zum Militarismus keinesfalls aus. Seine Familie beschallt er nämlich nicht etwa mit „Give Peace A Chance“ von John Lennon, sondern ausgerechnet mit dem preußischen Helenenmarsch. Dass sich hier schon wieder das Klischee (Männer stehen grundsätzlich auf Krieg und ähnliche Dinge) einschleicht, ist nicht weiter schlimm. Denn Klischees sind bekanntlich nur zu beseitigen, solange Frauen darunter leiden. Nein, das wahre Problem ist Opa selbst, der offenbar nicht mitbekommen hat, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen soll.

Und als wäre dadurch nicht schon genug Schaden entstanden, folgt kurz darauf Herr Hoppenstedt, der voller Hingabe ein Miniatur-AKW aufbaut. Ausgerechnet eines, das „viel Spaß“ und schlimmstenfalls sogar „Puff“ macht. Wie will man nun einem Kind die Anwesenheit von Kühen und Häusern rund um ein AKW erklären, wo doch bislang nur tapfere Atomkraft-Gegner anzutreffen waren? Oder ihm gar das gesamtdeutsche Abschalten plausibel machen, wenn Mutter Hoppenstedt all das „entzückend“ findet? Klar ist: Wo statt Windrädern Neutronenbeschleuniger verherrlicht werden, kann man sich den „naturgrünen“ Baum mit weniger Lametta auch gleich sparen.

Aber wer weiß, vielleicht wird sich Kristina Schröder auch der Hoppenstedts annehmen, sobald sie mit Pippi Langstrumpf und den Gebrüdern Grimm fertig ist. Denn in einem Land, das der Befreiung von Ecken und Kanten entgegensieht, hat selbst die dargestellte Verherrlichung von Atomkraft, Krieg und Hausfrauen keinen Platz mehr. Humor übrigens auch nicht.



Zuerst im Rahmen der Kolumne "Neues aus Meschuggestan" auf "The European" erschienen. 

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