Dicke Luft auf der Atlantikbrücke. Oder auch: Wie man eine gute Idee zersägt

Dass die Tiefen des Sommerlochs offenkundig doch noch nicht erreicht sind, erkennt man daran, dass neben Margot Käßmann, Helene Fischer und Aldi-Nackensteak auch noch Donald Trump sowie dessen Ansichten über Deutschland und die Nato im hiesigen Befindlichkeitskosmos Platz nehmen. Nun kann man sich natürlich lange und ausgiebig darüber streiten, welche Seite sich warum unpassender benimmt und weshalb das jeweils eigene Team so viel überlegener als das andere ist. (Meine Vermutung: Sowohl Trumps Verständnis von westlicher Partnerschaft als auch der sozialdemokratische Antiamerikanismus samt deutscher Knauserigkeit in puncto Verteidigung sind eher wenig erbaulich.)

Man kann sich aber auch die Frage stellen, wie diese Diskussion dort ankommt, wo man ihre Implikationen am ehesten spürt. Zum Beispiel in Polen, das tatsächlich ein deutscher Nachbar ist, während SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz lieber Russland zu "unserem Nachbarn" befördert (ob aus Ermangelung eines Diercke-Atlasses oder in latent eurasischer Euphorie, sei dahingestellt). Oder nordöstlich von Polen, wo die drei baltischen Staaten gut Gründe haben, nicht an den Mythos von den "guten Beziehungen zu Russland" zu glauben. Beruhigend ist, dass Nato-Truppen nach wie vor in allen vier Staaten präsent sind. Schön anzusehen ist zudem, dass Vize-Präsident Pence und Verteidigungsminister Mattis ihre Solidarität bekunden. Mindestens ungewöhnlich ist aber auch, dass der Commander-in-Chief selbst die Nato ausschließlich mit "Schulden" und Terrorismus assoziiert, während er gleichzeitig den Russen gegenüber Geheimdiensterkenntnisse herausposaunt und die russische Einflussnahme im Wahlkampf kaum benennen kann, geschweige denn etwas zur Prävention zu tun gedenkt. (Dass er damit Obama, dessen Isolationismus das russische Selbstbewusstsein wesentlich aufpäppelte, näher ist, als er denkt, ist daneben eine weitere Pointe.)

Was können diese vier Staaten also aus den transatlantischen Neurosen lernen? Was dürfen sie erwarten, nachdem ihr bedrohlichster Feind eben nicht in einer Hinterhof-Moschee, sondern hinter der eigenen Grenze lauert? Und auf wen oder was sollen sie sich verlassen? Auf Deutschland, das so gerne neutral wäre und wo vor allem die SPD lieber gestern als heute "mehr Russland" wagen würde? Auf Donald Trump, dessen offenkundig kompliziertes Verhältnis zu Artikel Fünf des Nato-Vertrags sie eben viel eher trifft als das vergleichsweise sicher eingebettete Deutschland? Im schlimmsten Fall auf sich selbst. Im besten Fall hingegen darauf, dass der Westen es gerade noch hinbekommt, eine seit rund sieben Jahrzehnten relativ gut funktionierende Friedensordnung, von der am Ende alle Beteiligten profitieren, nicht eigenhändig zu zersägen.

Mieses Wetter kommt vor. Auch über dem Pazifik. Dahinter irgendwo Sonne. (© J. N. Pyka)

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Der doppelte Donald

Viele Menschen glauben ja, es gäbe zwei Donald Trumps: einerseits den Krawallo-Trump aus dem Wahlkampf, andererseits den "präsidentiellen" Trump, der sich schon mäßigen und den Anforderungen des Amts mühelos gerecht werden wird. Mich überzeugt diese Theorie nur nicht sonderlich - weder damals noch heute und vermutlich auch nicht im Rahmen der nächsten einigermaßen normal anmutenden Rede.

Ich glaube eher, dass es nur einen Trump gibt: den aus dem Wahlkampf. Also den Trump, der in erster Linie deshalb angetreten ist, um Präsident zu werden und nicht, um es anschließend auch vier Jahre lang zu sein. Der sich tendenziell wenig für Politik interessiert und seinen neuen Arbeitsalltag mit Sicherheit furchtbar öde findet. Der Impulse anstelle von Strategien walten lässt. Der die USA mit einem Unternehmen verwechselt und daher zwangsläufig öfter mal vergisst, dass die Exekutive eben nur eine von drei Gewalten ist. Der Autokraten tatsächlich für deren "Stärke" bewundert und freie Medien sowie Geheimdienste und Institutionen, die ihren Job machen, eher lästig findet, solange sie ihren Eid auf die Verfassung und nicht auf ein Portrait seiner selbst schwören. Kurz: Der Trump, der nun den eben gefeuerten FBI-Chef zu erpressen versucht und im Rahmen dessen weder präsidentiellen noch amerikanischen Charme versprüht.


Dieser Trump ist natürlich kein Autokrat, denn Autokraten denken und agieren in der Regel strategisch und über das eigene Ego hinaus - etwas, was man Trump nun nicht unbedingt vorwerfen kann. Schon die Verfassung erlaubt es ihm nicht, in der Praxis ein Autokrat zu sein. Er klingt eben nur vor lauter Selbstbezogenheit und Kritikunfähigkeit wie einer. Donald Trump kann durchaus mal das Richtige tun, beispielsweise einen Flughafen des Assad-Regimes bombardieren. Trump demonstriert schließlich äußerst gerne Stärke. Aber mit der mittelfristigen Verknüpfung von Stärke und Werten, für die die USA bislang standen, hat er es eben leider nicht so sehr. Er kann auch "gemäßigte" Reden vom Teleprompter ablesen. Aber der Person Trump in derlei Ausnahme-Fällen eine konsistente Strategie, eine "Lernkurve" oder gar ein tiefgreifendes Verständnis des amerikanischen Exzeptionalismus zu unterstellen, halte ich nach bisherigem Stand dann doch für etwas waghalsig.

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Anscheins-Antifaschisten, globale Nationalisten und andere Pariser Karnevalisten

Bislang schienen die Positionen im allgemeinen französischen Wahlkampftrubel klar verteilt. Den schwarzen Gürtel in moralischer und intellektueller Erbärmlichkeit errangen sich diejenigen Linken, die eine Wahlempfehlung verweigerten: Anscheins-Antifaschisten, die stattdessen lieber über die furchtbare Wahl zwischen einer Rechtsradikalen und einer "Marionette des Finanzkapitals" jammerten. Wobei man der Vollständigkeit zuliebe erwähnen muss, dass linke und rechte Randlandschaften mittlerweile ohnehin kaum mehr zu unterscheiden sind; auch wenn Promi-Linke wie Katja Kipping das natürlich ganz anders sehen. Ihr zufolge würden die Rechten schließlich nach unten treten - gegen Ausländer, Homosexuelle, usw. -, während ihr eigener Club es ja ausschließlich mit "den Mächtigen" - Wallstreet, Konzerne, Banken - aufnähme.

Ein wenig blöd ist nur, dass der Kampf gegen "die da oben" schon längst nicht mehr ihr unique selling point ist. Marine Le Pen und ihre Freunde pflegen ebenso fürsorglich ihre Allergie gegen alles, was nach mehr Geld als üblich (und dementsprechend nach vermeintlich großen Gefahren für das geknechtete Volk) klingt. Generell gilt in ökonomischen Belangen: 100 von 100 Übereinstimmungspunkten für beide Lager. Und ebenso wie bei den Linken läuft auch bei den antikapitalistischen Darbietungen des rechten Rands stets zuverlässig antisemitische Hintergrundmusik. Soros hier, Rothschild dort, das Volk ganz unten und dringend auf Erlösung wartend. Womöglich sind Le-Pen-Rechte und Mélenchon-Linke aber auch Zwillinge, die bei der Geburt getrennt wurden und dabei bloß der Vielfalt wegen zwei Clubs anbieten, wo es ebenso ein einziger tun würde.


Nun allerdings, da mit Fakemeldungen angereicherte Korrespondenzen des Macron-Teams auf wundersame Weise bei den Transparenz-Freunden von Wikileaks landeten, könnte sich im Karneval der politischen Grenzgänger noch Einiges tun. Die einen berichten schon vom internationalen Waffenhandel Macrons, die anderen retten derweil noch die Ehre des russischen Militär-Geheimdienstes. Kann ja schließlich auch ein 400-Pfund-Typ auf seinem Bett gewesen sein, wie Donald Trump damals unter nahezu ähnlichen Bedinungen vermutete. Noch amüsanter ist eigentlich nur noch, dass diejenigen, die sich für "vollständige nationale Souveränität" stark machen, nichts dagegen haben, wenn amerikanische Alt-Right-Trolle, russische Hacker und ein Australier mit Wohnsitz in der Botschaft Ecuadors in London sich in ihren nationalen Wahlkampf einmischen. Aber vielleicht kann Marine Le Pen diesen Widerspruch beizeiten einmal auflösen. Am besten dann, wenn sie von der Oppositions-Bank aus ihren Kreml-Kredit abbezahlt.



 
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