Nicht ohne mein NS-Vokabular!

Jedes Volk hat so seine liebenswerten Eigenheiten. Die Amerikaner fragen erstmal jeden, wie es ihm geht. Franzosen und Italiener nehmen ihr Abendessen ungern vor 21 Uhr ein. Und die Deutschen wiederum lassen seit Jahrzehnten nichts über ihren NS-Vergleich kommen. Im antifaschistischen Gewerbe etwa trifft man öfter mal Menschen an, die sich für eine Reinkarnation Sophie Scholls halten, nachdem sie eine No-Pegida-Demo absolviert haben. Andernorts weiß man ganz genau, wann oder nach welcher Landtagswahl es wieder 1933 geschlagen hat. Dass die Israelis mit den Palästinensern das anstellen, was die Deutschen mit den Juden gemacht haben, zählt ebenfalls zu den allgemein anerkannten Urteilen über die Lage im Nahen Osten. Und gelegentlich finden sich auch unter gut integrierten Muslimen profilierte Experten für deutsche Geschichte, die sich als Vertreter der „neuen Juden“ vorstellen. All das ist übrigens keineswegs postfaktisch, sondern extrem naheliegend. Denn wer, wenn nicht die Deutschen als solche, könnte ein besseres Näschen für derlei Angelegenheiten haben? Schließlich hatten sie ja schon mal ein echtes 1933. Insofern müssen sie wissen, wann es wieder so weit ist. Dass Oma und Opa das Original damals verschlafen haben, tut dieser Gabe dabei keinen Abbruch, sondern bildet vielmehr deren Fundament.

Seit einiger Zeit wird der inoffizielle Wettbewerb um den schönsten NS-Vergleich allerdings um eine noch anspruchsvollere Disziplin erweitert. Deutschland sucht nicht nur den Super-NS-Vergleicher, sondern auch den Super-NS-Vokabular-Verbraucher. Gute Chancen im Casting versprechen derzeit folgende Deutungen der Wirklichkeit: Angela Merkel arbeitet tagein tagaus an der „Umvolkung“ der Deutschen. Die Medien (aka „Lügenpresse“) sind allesamt „gleichgeschaltet“. Und diejenigen, die sich mit dem schleichenden „Völkermord“ nicht abfinden wollen, wünschen sich „Nürnberger Prozesse“. Fürs Erste würde ihnen aber ein Graf von Stauffenberg reichen. Denn schließlich ist man ja gewissermaßen auch ein „neuer Jude“, bei dem man gar laut eigenen Angaben bisweilen „nichts kaufen“ dürfe. Ohnehin gibt es mittlerweile schon mehr „neue Juden“ als Juden und jüdische Freunde.

Angesichts dieser Umstände bleibt natürlich kaum Zeit für Fragen. Gerne wüsste man, ob das noch gescheiterte Reeducation oder schon Vergangenheitsbewältigung ist. Spannend wäre auch, zu erfahren, ob sich das Leben der Gleichschaltungs-Experten wie im Warschauer Ghetto anfühlt, oder ob das Warschauer Ghetto dementsprechend ein Spielplatz mit Wifi war. Aber das sind Kleinigkeiten, wo doch letztlich vielmehr Verständnis und Empathie gefragt sind. Der Nationalsozialismus hat den Deutschen damals schon genug abverlangt. Da will man sich heute nicht auch noch das dazugehörige Vokabular samt prickelnder Erotik, die schon beim Tippen des Wortes „Umvolkung“ einsetzt, nehmen lassen. Es kann schließlich nicht alles umsonst gewesen sein. Und was könnte nachhaltiger sein, als derlei Goldstücke der deutschen Sprache andächtig und pflichtbewusst zu recyclen? Eben.

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Von Eliten und Eliten-Kritikern, die gerne Elite wären

Was an der allgegenwärtig stattfindenden "Hurra, die linke Elite ist am Ende!"-Party ein wenig nervt: der Umstand, dass viele der geladenen Gäste nichts gegen Bevormundung haben, solange nur sie selbst es sind, die am Ende bevormunden dürfen. Die AfD beispielsweise hat schon länger der "Frühsexualisierung" an Schulen den Krieg erklärt. Anstatt sich aber gegen jegliche schulische Einmischung ins Private zu wenden, schlägt die Sektion Sachsen-Anhalt nun die Einführung eines "Familienkunde"-Unterrichts vor, in dem "alle sozialen, biologischen, medizinischen und politischen Fragen des Ehelebens" behandelt werden sollen. 

Parallel dazu ist die gleiche Klientel ganz aus dem Häuschen, nachdem "Breitbart" nun auch in Richtung Deutschland expandiert, um auf diese Weise die AfD zu unterstützten. Letzteres ist natürlich völlig legitim, Meinungsfreiheit gilt entweder für alle oder gar nicht. Komödiantisch wird es nur, wenn ein eindeutig parteiisches Organ wie Breitbart von genau denjenigen bejubelt wird, die sonst (teilweise nicht ganz zu Unrecht) die Vermischung von Nachricht und Kommentar bemängeln und so tun, als würden sie sich neutralen Journalismus wünschen. Tatsächlich wollen sie halt lieber nur das lesen, was sie selbst schon glauben. 

Bei alledem grenzt es sicherlich bloß an Zufall, dass das gemeinsame Idol - president-elect Donald Trump - sich erst im Wahlkampf gegen politische Korrektheit und für klare Worte ohne Grenzen aussprach, nur um sich wenige Tage nach der Wahl darüber zu beschweren, dass ein paar Anti-Trump-Demonstranten ebenso von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch machten. Letzteres fand der mächtigste Mann der Welt dann "very unfair".

Seine Fans haben vermutlich wenig gegen Eliten oder Dinge wie "kulturelle Hegemonie". Sie wollen einfach nur selbst Elite sein, Deutungshoheit beanspruchen, den Nanny-Staat okkupieren und anderen erklären, wie sie zu leben haben. Auch das ist völlig legitim, solange es eben die dazugehörigen Möglichkeiten und Plätzchen an der Sonne gibt, um die sich die safe-spacige Absolventin der Gender Studies und der Experte für traditionelle Ehe gerade streiten. Aber es wäre mindestens serviceorientiert, wenn man die Rollentausch-Party nicht immer als liberale Revolution verkaufen würde. Nicht, dass hinterher noch die falschen Gäste vorbeikommen und den Frieden stören, während diejenigen, die eigentlich eingeladen sind, daheim bleiben. Auch ein Kulturk(r)ampf muss ordentlich organisiert sein.
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Antiamerikanisten würden Trump wählen

Die Amerikaner sind ein großartiges Volk. Das erkennt man schon daran, dass sie die letzten Monate überstanden haben, ohne kollektiv ihre Fernsehgeräte aus dem Fenster zu werfen, die Heugabeln herauszuholen oder anderweitig aktiv zu werden. Umfragen zufolge empfinden zwar 52 Prozent der Amerikaner die diesjährigen Präsidentschaftswahlen als eine signifikante bis gravierende Stressursache. Dementsprechend haben also 48 Prozent der Amerikaner einen fähigen Yogatrainer – oder sie sind einfach so gelassen.

Angesichts der Umstände ist das jedenfalls überaus bewundernswert. Zumindest will man sich lieber nicht ausmalen, wozu die Deutschen fähig wären, wenn ARD und ZDF mitten im Wahlkampf in Dauerschleife gehackte Merkel-Emails vorlesen und zwischendurch noch weibliche Belästigungsopfer von Joachim Sauer und Sigmar Gabriel (respektive Martin Schulz) interviewen würden, die den Tränen nahe schildern, wann sie wo wie lange von ihren Peinigern angefasst wurden. Eine Spaltung zwischen Gestressten und Entspannten wäre dann wohl noch der best case. Oder eher der am wenigsten denkbare Aggregatzustand.

Die Amerikaner sind aber auch deshalb ein großartiges Volk, weil ihnen die mentale Enge abgeht, die in Teilen des europäischen Kontinents zur Grundausstattung gehört. Entwickelt jemand eine neue App oder ein neues Produkt, wird es gleich neugierig probiert, während die Deutschen lieber erstmal bei Stiftung Warentest nachschlagen. Wenn ein Künstler sich aufmacht, die Welt zu erobern, dann stößt er nicht auf Normen, sondern auf Freiheit, die es ihm überhaupt erst erlaubt, sich gänzlich zu entfalten. Darum hat Amerika Frank Sinatra, Elvis Presley und Michael Jackson hervorgebracht, während Deutschland auf Heino und Helene Fischer stolz ist.

Und darum gibt es in den USA auch Figuren wie Donald Trump, die etwas zustande bringen, obwohl – oder weil – sie polarisieren. Das mag befremdlich wirken, ist aber insofern von Vorteil, als die Freiheit der Freaks und der Außenseiter immer auch die eigene Freiheit ist. Ohne diese Freiheit wäre 1980 aus einem Schauspieler vermutlich niemals ein brillanter US-Präsident geworden.

Donald Trump ist kein Ronald Reagan, sondern dessen Gegenteil 

Dementsprechend wäre es wirklich schön, Ähnliches über den Schauspieler, Freak und Außenseiter Donald Trump zu behaupten und ihm die Daumen zu drücken. Aber Donald Trump ist eben kein Ronald Reagan, sondern dessen Gegenteil. Er ist eigentlich auch kein Republikaner, er sieht höchstens so aus. Dass er die durchaus sympathische republikanische Idee – small government at home, leadership abroad – einstweilen versenkt hat, ist nur eine von vielen Sünden. Dass er zudem der Traumkandidat aller Antiamerikanisten ist und sich wie ein verhinderter Feldmarschall auf Kaffeefahrt dem Autokraten Vladimir Putin anbiedert, macht ihn nicht gerade sympathischer, sondern zu einer weltpolitischen Katastrophe auf zwei Beinen.

Donald Trump – das muss man ihm lassen – hat allerdings nicht nur die GOP ramponiert, sondern auch den deutschen Weltanschauungskompass durcheinandergebracht. Oder eher zurechtgerückt - Ansichtssache. Denn wann immer in den USA gewählt wird, sind vor allem die Deutschen gefragt. Dabei waren die Rollen früher klar verteilt und die Fronten überschaubar. Alle vier Jahre wieder beklagte man zunächst ausgiebig die „Spaltung“ in den USA. Dann fragte man sich, ob die Amerikaner eigentlich wirklich wissen, was sie da tun und ankreuzen.

Auch die wohlig warme Furcht vor einem republikanisch verursachten Weltuntergang durch frei flottierende Waffenlobbyisten und Kriegstreiberei durfte niemals fehlen. Schließlich votierten die Deutschen dann mehrheitlich und zuverlässig für den Demokraten, weil der von Berlin aus betrachtet das „helle Amerika“ repräsentierte. Barack Obama wiederum, den 92 Prozent der Deutschen 2012 gewählt hätten, bekam noch mehr Zuneigung zuteil. Ihn hielt man nicht nur für den leuchtenden Messias, sondern für geradezu herrlich unamerikanisch, weil er das mit der Kriegstreiberei so brav unterließ und Guantanamo zumachen wollte.

Im Zweifel antiamerikanisch 

Nun allerdings ist es ein wenig komplizierter. Die Deutschen im Allgemeinen, Linke im Besonderen sind nicht mehr ganz überwiegend für die Demokratin Hillary Clinton, sondern erwärmen sich mehr und mehr für ihren Konkurrenten. Der wiederum findet zwar sicher keine nordkoreanischen Mehrheiten wie Obama. Vielmehr sieht man in ihm den Prototyp des Amerikaners, auf den das Volk der Dichter und Denker herabschauen kann, ohne eine Leiter zu benutzen: von jeglichem Anstand befreit, pöbelnd, unzivilisiert, gewaltvernarrt.  Den Typ Ami also, dem man es ohnehin nur schwer verzeihen kann, Oma und Opa 1945 beim fröhlichen Völkermord gestört zu haben. Mit Donald Trump gibt es endlich einen Mann, der alles bestätigt, was man schon immer über „die Amis“ gewusst haben will.

Allerdings hat der Kostümrepublikaner genug Isolationismus im Gepäck, um die Herzen der Deutschen, allen gerümpften Nasen zum Trotz, höher schlagen zu lassen. Mag er auch noch so ungehobelt auftreten - die Rolle des Kriegstreibers wird dieses Jahr nicht ihm, sondern der Demokratin Clinton zuteil. Anstatt für sie Partei zu ergreifen, titulierte etwa Oskar Lafontaine sie als „Kandidatin der Wall Street und des militärisch-industriellen Komplexes“. Eine Adelung, die sonst nur Leuten zuteil kommt, die Bush heißen oder für niedrigere Steuern eintreten. Sind Ultralinke wie Lafontaine also heimlich den „Anonymen Republikanern“ beigetreten? Keineswegs. Sie müssen einfach nur sich selbst treu bleiben. Und das heißt: im Zweifel antiamerikanisch.

Nordkorea, Vladimir Putin, Ku-Klux-Klan und Jakob Augstein

Ohnehin hat sich Donald Trump im Zuge dieses Wahlkampfs einen äußerst bunten Fanclub zugelegt. Ihm gehören nicht nur die nordkoreanische Steinzeitdiktatur, Vladimir Putin und der Ku-Klux-Klan an, sondern auch Jakob Augstein von Spiegel Online und Offline. Noch im Februar verfrachtete der Salonlinke den GOP-Kandidaten in die Rubrik Ungeheuer und nackte Kanonen. Nun hat sich Augstein die Sache anders überlegt. Jetzt ist nicht mehr Putins bester Mann Trump das Ungeheuer, sondern Hillary Clinton. Denn die würde gerne etwas gegen das russisch-syrische Schlachten in Aleppo unternehmen und eine Flugverbotszone einrichten.

Und dazu kann jemand wie Jakob Augstein, der sich erst neulich weniger über tote Kinder in Syrien, sondern vielmehr über deren Bilder in westlichen Medien beschwerte und dabei von seinem Recht auf Wegsehen Gebrauch machte, natürlich nicht schweigen. Eine Flugverbotszone wäre „in Wahrheit ein Akt des Krieges“, meint der Hobby-Clausewitz. Denn dann steige „das Risiko eines militärischen Konflikts mit Russland“, und das heißt: Weltkrieg ante portas. Weltfrieden hingegen gäbe es dann schon eher mit einem Präsidenten Trump. „Was Krieg und Frieden angeht ist seine Weste sauber“ – so das Lob, das Jakob Augstein eigens für den verhinderten Friedensaktivisten Trump aus der Mottenkiste des Vulgärpazifismus gekramt hat.

Nun sind Anhänger der Augstein’schen Denkschule  freilich nicht dumm. Sie haben zweifellos ein Talent für wohlklingende Antworten – vor allem aber für Antworten auf Fragen, die niemand gestellt hat. Denn auch in Syrien stellt sich nicht die Frage, ob man für oder gegen einen Krieg ist, ob die USA einen solchen beginnen oder nicht. Die Frage ist vielmehr, was zu tun ist, wenn Kräfte wie Assad, Putin und die Mullahs bereits einen Krieg führen, der zudem Konsequenzen für den Westen hat. Will man den Despoten geben was sie wollen und warten, bis Syrien zum Friedhof geworden ist, der IS sich als Mitglied der Vereinten Nationen vorstellt und der russische Panzer auf dem eigenen Parkplatz steht? Oder will man ihnen Grenzen aufzeigen, ihnen etwas entgegensetzen, das sie ein wenig mehr beeindruckt als ein runder Tisch?

Die Querfront, wie sie singt und lacht

Doch all das muss einen Feelgood-Pazifisten wie Augstein, der eine Kolumne über den Syrien-Krieg ganz ohne das Wort „Assad“ zustande bringt, keineswegs weiter irritieren. Nicht nur in seiner Vorstellung „eskalieren“ Kriege ohnehin immer erst dann, wenn die Amerikaner eingreifen. Alles darunter – Taliban, ISIS, Saddam Hussein, Gaddafi  – läuft unter Schulhofschlägerei mit guter Friedensprognose.

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich nicht nur viel zitierte „weiße Wutbürger“ mit nationalistischer Ader hinter Trump scharen, sondern auch aufrechte Linke wie Augstein und Lafontaine wohl viel dafür tun würden, um Ehrenmitglied in der „Donald Trump Stiftung für Friedhofsfrieden“ zu werden. Zwar sind es nicht acht Jahre Interventionismus, sondern acht Jahre Obama’sches Heraushalten, das die Welt zwischen Kiew, Damaskus, Teheran, südchinesischem Meer und Nordkorea unfriedlicher machte. Aber für Antiamerikanisten zählt ohnehin nie das, was die USA tun oder unterlassen. Ehre gebührt bei ihnen nur dem Ressentiment gegen die USA an sich und dem, wofür das Land steht. Und wenn man dann noch das Wörtchen „Weltkrieg“ spazieren führen darf, macht das Ressentiment gleich noch viel mehr Spaß. Dann spielt es freilich auch keine Rolle mehr, dass nicht Jakob Augstein als Erster den drohenden Weltkrieg unter Clinton vorhersah, sondern dass es der Kreml ist, der sich schon länger darin übt, diese Botschaft im Rahmen seines Pro-Trump-Wahlkampfs unter die Leute zu bringen. Ein bisschen russische Propaganda kann schließlich nicht schaden, wenn es gegen den „großen Satan“ geht.

Insofern drängt sich ein furchtbarer Verdacht auf: Vielleicht sind die Anhänger Donald Trumps gar nicht so dunkelrechts, wie deutsche Leitartikel-Macher immer meinten. Womöglich sind sie auch ein bisschen bis sehr links. Auf alle Fälle bilden sie aber eine hübsch anzusehende Querfront gegen den freien Westen, die ganz nebenbei noch den Job Vladimir Putins pro bono erledigt. Und wenn ihr Idol Donald Trump es nicht ins Weiße Haus schafft und der Dritte Weltkrieg ebenfalls ausfällt? Dann werden sie sicher ein anderes Betätigungsfeld finden, das ebenso vielversprechend ist. Bald wird auch in Europa gewählt - und Jakob Augstein feilt sicher schon an seinem Empfehlungsschreiben: im Zweifel für Marine Le Pen.


Dieser Text erschien zuerst am 07.11.2016 auf der "Achse des Guten". Jakob Augstein hat seine Meinung nach den Wahlen wieder geändert. Meine lesen Sie hier.

Etwas mehr Respekt vor Seife und Minzbonbons wäre schön gewesen. (© J. N. Pyka)

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Der Feminismus hat sich erledigt - es lebe der Netzfeminismus!

Der moderne Feminismus hat es nicht leicht. Immerzu wird er missverstanden, zu wenige wollen sich um ihn und seine Sorgen kümmern. Das größte Missverständnis besteht allerdings in der Annahme, dass es in diesen Breitengraden überhaupt einen Feminismus gibt. In Wirklichkeit gibt es nämlich höchstens einen Club, der sich so nennt, aber nichts mit dem Original zu tun hat. Ab und zu tritt er auch als „Netzfeminismus“ in Erscheinung, denn Twittern ist schließlich bequemer. Und wenn dieser Feminismus mal ein wenig mickrig oder gar prekär anmutet, retweetet man sich solange gegenseitig, bis die Optik wieder stimmt.

Immerhin verfügen Netzfeministinnen über seherische Fähigkeiten, die ihnen so schnell keiner nachmacht. Wo andere einen Rüpel ohne Kinderstube ausmachen, identifizieren sie zielsicher Spuren des Patriarchats. Süße Mäuse verwandeln sie in mächtige Elefanten, nur um hinterher für mehr „Gleichberechtigung“ mobil zu machen, womit sie aber zuverlässig Privilegien meinen. Denn der Terminus „Gleichberechtigung“ kommt dem Glanz des historischen Vorbilds immerhin schon näher. Kaum eine Suffragette hätte für Quoten, „equal pay“ und staatlich fixierte Wettbewerbsvorteile gegenüber Männern appelliert. Dem historischen Feminismus der westlichen Hemisphäre genügte es, für gleiche Rechte einzutreten. Den Rest erledigte der Lauf der Zeit.

Dass das Original diese Mission erfolgreich zu Ende brachte, werden ihm die Frauenrechtlerinnen von heute allerdings nie verzeihen. Was soll eine Feministin im Jahr 2016 noch tun, wenn doch schon alles erreicht ist? Yoga? Töpfern? Ein Unternehmen gründen gar? Niemals. Das Label ist zu hübsch, um es einfach zu den Akten zu legen. Darum bleibt ihnen nichts anderes übrig, als jeden hinterher pfeifenden Bauarbeiter zum potentiellen Vergewaltiger, jeden Chauvinisten zum strukturellen Problem und jeden parteiinternen Ränkekampf zu einem Trauma zu befördern, das unter der Anschrift #sexismusinparteien und im Rahmen einer medialen Großoffensive verarbeitet werden muss. Und wenn sie damit fertig sind, geht es mit Sexismus im Bierzelt, Sexismus in der Medienwelt oder Sexismus in der Lüneburger Heide weiter. Denn schließlich, so die benachteiligte Bezirks-Verordnete aus Berlin-Mitte, die vor lauter Geschlechterapartheid auch nach einem langen Jahr Parteimitgliedschaft immer noch kein Bundestagsmandat in Aussicht hat, gilt folgendes:

„Politik ist zu wichtig, um sie hauptsächlich alten Männern zu überlassen. Es gibt sie, die tollen, großartigen Frauen in der Union: Angela Merkel, Ursula von der Leyen, Elisabeth Winkelmeier-Becker, Nadine Schön und viele andere. Lassen wir sie nicht alleine, liebe Frauen.“

Das klingt ganz ausgezeichnet, ließe sich aber noch ausbauen: Auch ein hohes Einkommen, Karriere, Führungspositionen, Ruhm und Glanz sind zu wichtig, um sie hauptsächlich alten weißen Männern zu überlassen. Frauen haben darauf ein Grundrecht. Warum? Weil sie eben Frauen sind, und nicht alte weiße Männer. Das muss reichen. Leistung ist zu anstrengend, um sie jungen weißen Frauen abzuverlangen. Männer sind alle gleich, Frauen sind aber gleicher.

Bis das alte weiße Patriarchat tatsächlich überwunden ist, bleibt im Klassenk(r)ampf allerdings noch Einiges zu tun. Von all den rosa-farbigen Überraschungseiern und Bikini-Plakaten ganz zu schweigen. Während die einen dann Karriere in Parteien machen, beklagen die anderen lieber Sexismus in Parteien. Und wundern sich, wenn es mit der Karriere nicht so recht hinhaut, weil sich kein Kollege mehr zu ihnen in den Aufzug traut. Das nennt man dann Leistungsgerechtigkeit - im Übrigen auch so eine Sache, die ganz im Sinne der historischen Erfinderinnen war.

Und bevor ich’s vergesse, eines noch: There’s no such thing as „Wir Frauen“, liebe Netzfeministinnen. Ihr macht euer Ding, ich mache meines, und das mit dem Club lassen wir bitte. Einverstanden? Super, danke.
 
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Donald Trump: Der Siebener im Lotto für die Feinde des Westens

Donald John Trump aus Queens ist ein fleißiger Mann. Mit Immobilien, Hotels, Misswahlen und vielen anderen hübschen Dingen hat er sich nicht nur einen Namen, sondern auch aus seinem Namen ein Geschäft gemacht. Vor fast eineinhalb Jahren fühlt er sich allerdings zu Höherem berufen. Nur mit Casinos und Golfplätzen in die Geschichte einzugehen, wäre schließlich etwas langweilig. Da traf es sich gut, dass die USA ohnehin gerade damit begannen, einen neuen Präsidenten zu suchen. Trump kam, sah und siegte im Kreise der Republikaner. Nun gibt er alles, um seine Kontrahentin Clinton in die Flucht zu schlagen. Zwar ist Politik dieses Formats nicht immer so glamourös wie der Alltag zwischen Miss Universe und Las Vegas -  und ein wenig anstrengend oben drein. Aber die Aussicht auf ein Leben als mächtigster Mann der Welt ist auch nicht übel.

Schließlich muss ja irgendjemand dafür sorgen, dass Amerika „great again“ wird. Denn aktuell soll es, zumindest vom Trump Tower in Manhattan aus betrachtet, alles andere als großartig sein. Dementsprechend hat es nicht nur einige Makel und Probleme, so wie das in Staaten der westlichen Hemisphäre eben üblich ist. Vielmehr ist das Land Trump zufolge schon dem Untergang geweiht. Hier der Terror auf den Straßen, dort Drogen dealende und wild umher vergewaltigende Mexikaner, und zudem auch noch Chinesen, die das amerikanische Volk  im Rahmen der Globalisierung in die Armut treiben – kurz: ein Schicksal, das nur ein „strong leader“ wie er abzuwenden weiß. Um sein Verhältnis zur Realität kann er sich ja eventuell noch kümmern, nachdem das Oval Office entsprechend eingerichtet ist.

Ein Herz für Diktatoren und böse Jungs aus aller Welt

Aber natürlich ist Trump kein Demagoge, sondern ein viel beschäftigter Mann. Zur Lektüre von Büchern fehlt ihm die Zeit. Auch mit Höflichkeit, die er öfter mal mit "political correctness" verwechselt, hält er sich nicht auf. Denn schließlich will Trump nicht nur Amerika wieder in die Großartigkeit katapultieren. Mindestens ebenso liegen ihm die Diktatoren und Autokraten dieser Welt am Herzen. Mussten sie all die Jahre hinweg noch vor dem jeweiligen GOP-Kandidaten zittern, so treten sie heute in Scharen dessen Fanclub bei.

Dazu zählt beispielsweise der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un, dessen Propaganda-Organ schon die Werbetrommel für Trump rührt. Auch ein nuklear gerüstetes Steinzeitregime muss sich erkenntlich zeigen, wenn sich schon mal ein potentieller US-Präsident findet, der die eigenen Interessen so teilt, wie es der Kandidat der GOP mit seiner Agenda (Abzug der US-Truppen aus Südkorea und Japan) tut. Da ist es fast schon schade, dass Saddam Hussein sich nicht mehr post-hum für die Blumen bedanken kann, die Trump ihm neulich angedeihen ließ. Aber vielleicht kann Recep Tayyip Erdogan, für den der Immobilienexperte ebenfalls lobende Worte übrig hat, das ja übernehmen.

Ähnlich sieht es mit Vladimir Putin aus, der Trumps Herzchen regelmäßig höher schlagen lässt. Auf die Ukraine und Russland angesprochen, betonte der Präsidentschaftskandidat in einem Interview, Putin würde mit Sicherheit nicht die Ukraine überfallen. Dass das schon längst geschehen ist, muss den Immobilien-Magnaten dabei nicht weiter irritieren. Denn wann immer es um seinen Buddy im Kreml geht, tritt bei Trump der Bündnisfall in Kraft. Über Mexikaner und Chinesen lässt sich verhandeln, Putin steht allerdings unter Naturschutz.

Make Russia great again!

Es ist vor allem die „great again“-Machung Russlands, die auf der to-do-Liste des New Yorker Unternehmers ganz weit oben rangiert.  Und dabei stört insbesondere die transatlantische Partnerschaft. Die NATO hält Trump für „obsolet“ – unter anderem, weil sie im Kampf gegen den Terror versagt hätte. Dass sie zwischendurch zu genau diesem Zweck in Afghanistan aktiv wurde und seit Ende des 2. Weltkriegs für den Frieden in Europa ganz ordentliche Dienste leistete, hat sich offenkundig noch nicht bis in jedes Trump Resort herumgesprochen. Insofern ist es nur konsequent, wenn der Retter Amerikas das Bündnis wie eine illegale Putzfrau aus Acapulco behandelt.

Würde Russland im Baltikum einmarschieren und den Bündnisfall ausrufen, wäre das für einen Präsidenten Trump kein Grund, dem Partner automatisch zur Hilfe zu kommen. Erst würde er nachsehen, ob der Angegriffene überhaupt seine Rechnung bezahlt hat, bekannte er in einem Interview. Freiheit? Frieden? American exceptionalism? Der Gedanke, dass militärischer Beistand nicht einfach eine Dienstleistung für Dritte, sondern ebenso eine Investition in die eigene Sicherheit ist? Aber nein. „It’s the budget, stupid!"

Ein US-Präsident Trump wäre für das Baltikum also mindestens ein Abenteuer. Das Nicht-NATO-Mitglied Ukraine könnte dagegen gleich die weiße Flagge hissen. Der Vorschlag etwa, die Ukraine mit defensiven Waffensystemen zu beliefern, um der russischen Aggression etwas entgegenzusetzen, wurde aus Trumps Wahlprogramm gestrichen. All die Kreml-nahen Wahlkämpfer in seinem Team, darunter etwa zeitweise der ehemalige Berater von Viktor Janukowitsch, müssen schließlich zu etwas gut sein.

Mehr Obama wagen – jetzt auch mit Überzeugung statt aus Feigheit

Ohnehin hat Trump außenpolitisch ganz andere Prioritäten. Der „Islamische Staat“ etwa steht weit oben auf seiner Abschussliste, was prinzipiell eine gute Idee ist. Noch besser wäre sie allerdings, wenn Trump auch wüsste, wie es danach weitergeht. "Nation building" ist seine Sache nicht, die Absetzung des Massenmörders Assad ebenso wenig, russische Kooperation dafür umso mehr. Das eint ihn mit Barack Obama, der den Brandstifter ebenfalls für die Feuerwehr hält. Dass Putin, der Seit an Seit mit dem Iran nicht unbedingt den IS, sondern Zivilisten, Kinder, Krankenhäuser und vor allem die vergleichsweise gemäßigten Rebellen plattmacht, muss den potentiellen US-Präsidenten so wenig kümmern wie den amtierenden. „Ordnung“ ist schließlich auch auf einem Leichenberg möglich. Offerierte Obama bislang nur den Freifahrtschein für Assad, die Mullahs und ihn selbst, so dürfte ein Präsident Trump künftig noch einen Blumenstrauß hinterherschicken.

Doch Trump will natürlich kein Obama, sondern ein starker Anti-Obama sein. Mit Recht kritisiert er den Iran-Deal, den der amtierende Präsident für die größte Errungenschaft seit ObamaCare hält. Dass aber sein Kumpel Vladimir mit demselben Iran paktiert, ist für Mister Trump offenbar kein Problem. Vielmehr stört ihn all das Chaos, das in der Region so stattfindet und überhaupt erst durch die Zurückhaltung der USA entstanden ist. Beseitigen möchte er es aber dennoch nach Obama’scher Hausfrauen-Art - nämlich mit noch mehr Isolationismus und mehr Vertrauen in regionale Mörder.

Der Verdienst Barack Obamas und auch Hillary Clintons besteht vor allem darin, erfolgreich pro-westliche Partner im Stich gelassen zu haben, die an die USA glaubten. Die frühe syrische Opposition, die Ukrainer und die grüne Bewegung Irans waren es dem Friedensnobelpreisträger nicht wert, seine eigenen roten Linien ernst zu nehmen und womöglich einen Makel in späteren Geschichtsbüchern zu riskieren. Trump hingegen will sich damit offenbar nicht begnügen. Er macht das Maß stattdessen ganz voll und betätigt sich proaktiv als Interessenvertreter aller Diktatoren und Despoten, die den Westen bis aufs Blut zu bekämpfen gedenken.

Gute Nachrichten für Amerika-Feinde: Die Propaganda kommt nun direkt vom US-Präsidentschaftskandidaten

Seinem Freund im Kreml etwa stellt er daher keineswegs nur freies Geleit in Osteuropa in Aussicht. Auch in Sachen PR gibt er alles. Putin hält er wahlweise für einen "strong leader", „powerful leader“ oder auch einen "leader far more than our president [Obama] has been", der immerhin ordentlich Kontrolle über sein Land habe  – was vielleicht daran hängt, dass Kontrolle dieser Art eben in der Natur eines Autokraten liegt. Aber vielleicht hätte Barack Obama besser mal das mexikanische Tijuana überfallen oder Vancouver Island annektieren sollen, um Trumps hohen Qualitätsstandards gerecht zu werden.

Darauf angesprochen, dass Putin mit ungeklärten Morden an kritischen Journalisten in Verbindung gebracht wird, fiel ihm sogleich die passende Antwort ein. "Well, I think that our country does plenty of killing, too“, gab der New Yorker zu bedenken, was natürlich nicht völlig falsch ist. Der Terrorfürst Osama bin Laden und die Journalistin Anna Politkovskaya waren letzten Endes auch nur Menschen. Ohnehin hätten die USA bei all ihren Verfehlungen gemäß Trump nicht das Recht, andere Staaten hinsichtlich Freiheit und Demokratie zu belehren. Ein wichtiger Hinweis, den linke Diktatorenfreunde schon seit Jahrzehnten auf ihre Plakate pinseln. Vladimir Putin, dessen Herz vor allem für moralische Äquidistanz schlägt, gefällt das.

Die staatlich kontrollierten Medien Russlands kommen derweil gar nicht mehr hinterher, ihr Programm mit Trump-Statements zu bereichern, die das antiamerikanische Ressentiment im Land prächtig gedeihen lassen. Dass Obama etwa den IS erschaffen hätte, zählt zu denjenigen Trump-Enthüllungen, die nicht nur bei radikalen Moslems, sondern auch zwischen St. Petersburg und Wladiwostok gut ankommen. Ohnehin spricht Trump zuverlässig all jene Dinge aus, die die Feinde des freien Westens schon immer gewusst haben wollen. Und das ist ja auch eine Leistung, von der Autokraten, Massenmörder und Islamisten bereits jetzt und ganz ohne Wahlergebnis profitieren.

„The Donald“ oder westliche Werte – beides geht nicht

Doch Trump, der Diplomatie für ein Monatstreffen der Cosa Nostra hält und die Lösung globaler Konflikte mit Immobiliendeals verwechselt, lässt sich von alledem nicht beirren. Auch die Maxime der Republikaner, wonach sich Außenpolitik am Ideal der Freiheit orientieren sollte, entspricht weniger seinen Vorstellungen. Nicht unterdrückte Bürger müssen befreit werden, sondern die Unterdrücker selbst. Und wenn vieles darauf hindeutet, dass es russische Hacker sind, die sich sowohl auf dem Server der Demokraten-Führungsriege als auch im Umfeld zweier Wahlcomputer umgesehen haben, dann schlägt das Herz des „great again“-Kandidaten keineswegs für amerikanische Interessen, sondern für seine eigenen. Dann fordert er Hacker im Auftrag Russlands lieber auf, Clintons Emails zu finden und zu veröffentlichen, anstatt sich über nationale Sicherheit Gedanken zu machen.

Aber auch der Retter Amerikas muss eben gelegentlich Prioritäten setzen. Westliche Werte hat er nicht im Angebot, dafür aber autoritär gewürzte Stärke. Es ist auch keineswegs Obama, sondern das Modell der Freiheit an sich, das Trump für dessen vermeintliche Schwäche verachtet. Dabei ist der Westen nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Freiheiten stark und dem autokratischen Modell weitaus überlegen. Nicht trotz, sondern wegen seiner attraktiven Werte – Marktwirtschaft, Wohlstand und Individualismus – wird er immer wieder von Islamisten, Kommunisten und weiteren Gruselfiguren angegriffen.  Ob die USA Mauern bauen oder einreißen, Diktaturen beenden oder befördern, ist ihren Gegnern völlig egal. Sie hassen die Vereinigten Staaten nicht für das, was sie tun, sondern für das, wofür sie stehen.

So klappt es mit dem Rubel: Darlehen gegen Weltordnung

Mag sein, dass Donald Trump nicht jedes seiner Worte selbst glaubt. Vielleicht ist es auch nur die Eitelkeit, die ihn dazu nötigt, jedes Kompliment aus dem Kreml mit XXL-Kreml-Lob zu beantworten. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass er westliche Werte und Interessen einfach nur aus eigenen finanziellen Erwägungen verkauft. Dass nicht Amerika, sondern vor allem er selbst „great again“ werden soll. Dass ihm gar nicht Russland als solches, sondern nur die russische Oligarchie und deren Geld am Herzen liegen. Denn letztlich ist es mehr und mehr russisches Kapital, von dem Trump abhängt, nachdem amerikanische Banken ihm schon länger kein Geld mehr leihen wollen. Alles gute Gründe, seine Steuererklärung doch lieber für sich zu behalten. In diesem Fall kämen immerhin Freunde des schwarzen Humors auf ihre Kosten: Nicht jeder besitzt die Chuzpe, die eigene Konkurrentin als „korrupt“ und „Kandidatin der Wall Street“ zu bezeichnen, gleichzeitig aber das Amt des US-Präsidenten als Business-Plattform zu betrachten, um von dort aus eine ganze Weltordnung gegen ein paar Darlehen und einen Trump Tower in Moskau zu tauschen.

Den Gegnern dieser Weltordnung kann derweil ziemlich egal sein, was den GOP-Kandidaten eigentlich antreibt und warum er ihre Interessen so vehement vertritt. So oder so wäre ein US-Präsident namens Trump ein Siebener im Lotto für alle Kontrahenten des Westens. Obama half seinen Feinden aus Naivität und Feigheit. Donald J. Trump tut es aus Überzeugung. Eine Präsidentin Clinton wäre kein Segen. Ein Präsident namens Donald Trump hätte allerdings das Zeug zum Super-GAU. Und das hat immerhin auch noch kein US-Präsidentschaftskandidat vor ihm geschafft. Die Chancen auf ein Plätzchen im Geschichtsbuch stehen also gut. Die Geschichte wiederum hatte bekanntlich schon öfter eine Portion Ironie im Gepäck.


Zuerst auf der Achse des Guten erschienen.


Freiheitskämpfer beim Musizieren
(Marine 1st Division Old Breed Band - © J. N. Pyka)
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Die SPD, die AfD und das Kapital - der Beginn einer wunderbaren Freundschaft

Kaum sind die Wahlen in Meck-Pomm durch, schon rollt das Kümmerkommando durch die Lande. Der eine will mehr zuhören und besser erklären, der andere möchte den Bürger lieber abholen, und alle gemeinsam wollen sie Sorgen ernstnehmen. Offen gestanden macht mir das alles ein wenig Angst. Ich befürchte ernsthaft, dass Sigmar Gabriel demnächst im Rahmen eines „Solidarpakts“ einen Geldsack über "strukturschwachen Gegenden" zwischen Rügen und Rostock ausleeren wird, Ralf Stegner mit einem Best-of seiner "Soziale Kälte"-Tweets auf dem Schweriner Marktplatz auftritt und Manuela Schwesig noch einen mobilen Spielplatz hinterherschickt.

Nun allerdings ist alles viel schlimmer gekommen. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) betritt die Bühne und nimmt eine von vielen Sorgen nicht nur ernst, sondern teilt sie. "Wer über Rechtspopulismus redet, darf über Marktradikalismus nicht schweigen. Die Unsicherheit durch die ungeregelte Globalisierung ist eine der Ursachen für den Erfolg der AfD. Wir reden darüber zu wenig.", diagnostiziert er im Interview mit der "ZEIT". Leider erklärt er nicht, wo genau man diesen Marktradikalismus eigentlich findet. In Deutschland? Womöglich in der Meck-Pomm'schen "Ami go home!"-AfD? Zwischen staatlich verordneter Milchquote und subventioniertem Windrad? In kargen Ortschaften, die vor allem deshalb so traurig aussehen, weil ihnen der Unternehmergeist fehlt?

Man weiß es nicht. Aber vielleicht ist es mit dem Markt so wie mit den Asylbewerbern und den Atomkraftwerken, die Frau Merkel nach einem Erdbeben in Japan abschaltete: Er muss gar nicht erst wie ein Raubtier durch die Mecklenburgische Seenplatte wildern. Es reicht schon, wenn er irgendwo anders sein Unwesen treibt. Zum Beispiel im Reich des Bösen, das zwischen Monsanto, Nestlé und TTIP verläuft. Letzteres, so Herr Schäfer-Gümbel, ist übrigens wichtig, denn sonst könnten "die Märkte weiter unreguliert vor sich hin wurschteln". Und das wäre nicht nur eine ziemlich arge Katastrophe, sondern dürfte zugleich auch der Grund sein, weshalb Sigmar Gabriel und die dem Wurschteln noch vergleichsweise zugeneigten Amerikaner sich nicht einig werden.

Aber das nur am Rande. Denn eines steht fest: "Der Markt" ist radikal und böse, die SPD dagegen dein Freund und Helfer. Das berührt mitunter Menschen mit Kapitalophobie, die der Ansicht sind, ein in Freiwilligkeit operierendes Unternehmen könne ihnen mehr schaden als staatlicher Zwang. Und es freut Thorsten Schäfer-Gümbel, weil mehr Markt auch weniger Staat bedeuten würde - und dann wäre er selbst ja ein wenig überflüssig, was freilich niemand wollen kann. Am wenigsten er selbst. Darum ist es unerlässlich, den Markt noch mit einem chicen Schlagwort - Rechtspopulismus - zu assoziieren. Dass diejenigen, die gemeinhin unter diesem Label laufen, seine Ansichten teilen - Marine Le Pens Wirtschaftsprogramm sieht beispielsweise nach nationalem Sozialismus aus - tut dem keinen Abbruch. Davon lässt sich ein Thorsten Schäfer-Gümbel nicht beirren.

Vielmehr hilft die "Markt = rächts"-Milchmädchenrechnung doch dabei, gleich zwei weltanschauliche Gegner in die Flucht zu schlagen: die Rechtspopulisten zum einen, die Liberalen zum anderen. Das weiß auch Dietmar Bartsch von der Linkspartei, der seine verloren gegangen Schäfchen nun wieder einzufangen gedenkt, indem er die AfD nach einer ausführlichen Unterredung mit seinem Kaffeesatz als "zutiefst neoliberale Partei" einstufte. Und Neoliberalismus ist ja wie Markt, nur schlimmer.

Klasse wäre, wenn auch mal eine andere Devise salonfähig würde. Zum Beispiel diese hier: Wer über "Marktradikalismus" redet, sollte vorher den Begriff "Markt" googlen - und dann eine Schweigeminute einlegen. Aber das ist freilich keine Option, sobald es darum geht, gegen "den Markt" und dessen grauenvolle Risiken und Nebenwirkungen wie Wohlstand und Innovation zu Felde zu ziehen. Die SPD, die AfD, die Globalisierung, das Kapital und die verängstigten Bürger - ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
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Zuckerbergs Werk und Heikos Beitrag

Die Löschpolitik des US-Unternehmens Facebook war schon bizarr, bevor deutsche Politiker ins „no hate speech!"- Fieber verfielen. Doch seit Bundesjustizminister Heiko Maas den Kampf gegen Hassbotschaften im Netz intensiviert hat, wird die Lage immer unübersichtlicher und die Grauzone größer. Willkürliche Sperrungen bieten einen Boden für Hysterie, mancherorts üben deutsche Opfer mithilfe russischer Propaganda schon die Dissidentenrolle. Die Meinungsfreiheit muss offenbar alleine sehen, wie sie weiterkommt. Mehr davon in der heutigen (4.9.16) Print-Ausgabe des Berliner "Tagesspiegel" - beziehungsweise auch hier (Online-Version).

Auszug:
"Facebook hingegen gibt sich bedeckt und lässt mitteilen, dass jede Meldung von eigens etablierten Löschteams überprüft wird und es nicht auf die Masse ankäme. Das klingt allerdings auch besser als das Eingeständnis, dass die sogenannten „Community Standards“ den Webspace nicht wert sind, in dem sie erscheinen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wäre es nur logisch, diejenigen Inhalte zu löschen und folglich pauschal solche Nutzer zu sperren, die eben vermeintlich besonders vielen anderen Nutzern auf die Nerven gehen. Doch wenn es nicht mehr um Inhalte, sondern nur um Quantität geht, bestimmt bei Facebook nicht das Hausrecht, sondern das Recht des Stärkeren.
Im Lichte dessen hat die Vorstellung eines Facebook-Mitarbeiters, der jeden gemeldeten Beitrag gewissenhaft auf Herz und Hatespeech prüft, natürlich einen Reiz. Kaum tippt jemand „Merkel muss weg!!!!!" und wird dafür gemeldet, schon ergreift ein Mitarbeiter aus dem deutschen Lösch-Team die Initiative. Erst kontaktiert er einen Juristen, dann bittet er noch bei der Amadeu Antonio Stiftung um Rat, nur um drei Stunden später und nach sorgfältiger Lektüre der Tageszeitung zu dem Entschluss zu kommen, den Kommentar nicht zu löschen. Das wäre natürlich verantwortungsvoll, aber auch ein wenig utopisch. Vielmehr bietet es sich an, künstliche Intelligenz ans Werk zu lassen – so, wie es auch schon bei graphischen Grusel-Inhalten (etwa Köpfungsvideos des IS) der Fall ist, um Mitarbeiter-Kapazitäten zu schonen.

Mag sein, dass Facebook eine besondere gesellschaftliche Verantwortung hat. Am Ende des Tages bleibt das soziale Netzwerk allerdings ein profitorientiertes Unternehmen, das sich mehr um Effizienz als um Moral kümmert, solange Nutzer und Werbekunden dies nicht übermäßig monieren und es sonst keine bessere Lösung gibt. Wenn ein deutscher Justizminister meint, dass immer noch zu langsam zu wenig entfernt würde, dann löscht Facebook eben vielleicht im Schleppnetz-Verfahren lieber zu viel als zu wenig, um weiterem Ärger zu entgehen. Dann bringt es seinen Algorithmen eventuell bei, auf Schlagworte wie „Wirtschaftsflüchtling“ anzuspringen, ohne dabei genauer zu überprüfen, inwiefern es sich um Hetze, sachliche Kritik oder Kritik der Hetze handelt. Wer auf Hass-Postings von Islamisten oder AKP-Fans aufmerksam machen möchte, indem er sie im Original oder per Screenshot teilt, wird dann genauso gesperrt wie jemand, der sich diesen Hass tatsächlich zu Eigen macht. So ließe sich zumindest erklären, warum eine Videodokumentation des „Jüdischen Forums für Demokratie“, die eine rechtsextreme Demo zeigt, auf Facebook entfernt wurde."
 
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Randnotiz: So schön ist das Leben nach dem Kapitalismus

In Berlin machen momentan Aktivisten des "Blockupy" Bündnisses gegen "soziale Spaltung, Spardiktat und rassistische Abschottung" mobil. Das Schöne daran ist, dass sie dabei aus ihren Plakaten keine Mördergrube machen. Ein besonders reizendes Exemplar sieht etwa so aus:

source: https://twitter.com/ndaktuell/status/771589608123404289

Nun ist gegen Weisheiten dieser Art freilich nichts einzuwenden. Denn natürlich gibt es ein "gutes Leben nach dem Kapitalismus", liebe Blockupy-Aktivisten. In Venezuela soll es derzeit beispielsweise sehr angenehm sein. Gut, Klopapier hat man dort schon überwunden. Oder man bringt es eben selbst mit. Zum Einkaufen begibt man sich nicht nach Caracas, sondern nach Kolumbien. Da muss man halt ein bisschen Zeit und Geduld parat haben, aber Schlangestehen ist ja auch romantisch. Genauso wie die Vorstellung, zum Essen nicht ins Restaurant, sondern in den örtlichen Zoo zu gehen, um dort eigenhändig ein abgemagertes Pferd zu erlegen. Alles friedlicher und gerechter als ein Land, in dem Frau Nahles mit mickrigen 130 Milliarden das "Ministerium für Ausbeutung" kaputtspart. Wenn ihr also den Sozialabbau samt Raubtierneoliberalismus in die Flucht geschlagen habt, solltet ihr unbedingt in aller internationaler Solidarität eine Mahnwache vor der Botschaft Venezuelas in Berlin abhalten. Und dabei bitte das "Kapitalismus tötet!"-Plakat nicht vergessen.
 
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Nicht ohne meinen Jammerlappen!

Uli Hoeneß hat seine Strafe abgesessen und zwischenzeitlich 30 Millionen Euro an das Finanzamt Miesbach überwiesen. Nun möchte er gern wieder bei Bayern München weitermachen, wo nicht Quoten und staatliche Besserwisserei, sondern Freiwilligkeit und Abstimmungen über Posten entscheiden. Und das ist natürlich ein ausgemachter Skandal - zumindest, wenn es nach deutschen Maßstäben geht. Dass er "den Staat bestohlen hat" und damit keine Kindergärten, Schulen und Straßen gebaut werden konnten, wie damals eine ARD-Volkswirtin mit Kommentar-Diplom erklärte, werden ihm die Deutschen wohl nie verzeihen. Dass Schulen, Kindergärten und Straßen immer erst dann eine Rolle spielen, sobald Gelder in der Schweiz oder in Panama liegen, nie aber bei Steuerüberschüssen zur Sprache kommen, tut dem keinen Abbruch.

Höchste Zeit, dass Steuerhinterziehung zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit befördert wird. Ohnehin sollte man sie mit Haft nicht unter "lebenslänglich in Sibirien" ahnden. Denn schließlich zählen nicht Strafe und Sühne. Schlimmer ist der Schaden, den Verräter wie Hoeneß der Volksseele zufügen, indem sie ihr Leben erfolgreich in die Hand nehmen, anstatt auf "die Gesellschaft" zu warten oder nach "der Politik" zu rufen. Damit ist eine rote Linie überschritten.

Auch in diesem Fall gilt übrigens die gute alte Bauernregel: Am Jammerlappen sollt ihr sie erkennen. Diejenigen, die den Weg in die Knechtschaft nicht durch Zwang, sondern freiwillig und hoch motiviert beschreiten. "Occupy Wallstreet"-Linke, die "den Kapitalismus" für Burnout-Syndrom, Ellbogen und sonstige Albträume verantwortlich machen, wenn sie nicht gerade gegen Chlorhühner und Monsanto kämpfen. Rechte, die auf Erlösung durch Putin warten und sich bitterlich über "die Amis" beklagen, die Wohlstand und ähnlichen Seuchen vorbeibrachten, nachdem sie Opa einst vom fröhlichen Weitermorden abhielten. Islamisten, die auf die Barrikaden gehen, sobald jemand einen lustigen Mohammed malt. Linke, Rechte und Islamisten, denen nichts mehr als die Befreiung Palästinas am Herzen liegt, da der Judenstaat ihnen tagtäglich demonstriert, wie weit man ohne Jammerlappen kommt. Und eben besorgte Bürger aus allen Lagern, die eher für gleich verteilte Armut als für ungleich verteilten Reichtum sind, weil das besser für die eigene Seelenhygiene ist.

Lustige Zeitgenossen also, die sich eifrig in der Rolle des Opfers der Geschichte einrichten. Solange ihnen nur jemand staatlich organisierte "Gerechtigkeit" verspricht, geben sie gerne ihre Eigenverantwortung an der Garderobe ab. Geeint sägen sie munter am nunmehr dünnen Ästchen namens Freiheit, das ihnen Wohlstand garantiert - und ihnen die freie Ausübung ihres Jammerlappen-Amts überhaupt erst ermöglicht. Aber der Lauf der Dinge hatte eben schon immer eine Portion Ironie im Gepäck.


Nicht ohne mein Jammer-Plakat
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Das "SpOn" Karriereportal erklärt: So macht Geschlechterapartheid Spaß


An dieser Stelle eine gesellschaftlich relevante Preisfrage: Wie nennt man das eigentlich, wenn ein Moslem einer Frau nicht die Hand gibt, weil sie eine Frau ist? Antifeministisch? Chauvinistisch? Sexistisch? Ausdruck von gelebter Geschlechterapartheid? Alles falsch. Die richtige Antwort lautet: „zum Teil Geschmackssache“. Zumindest lautet sie so, wenn man in demjenigen Paralleluniversum unterwegs ist, das auch dem „Karriere SPIEGEL“ von Spiegel Online Unterschlupf bietet. Dort widmet man sich nämlich heute exakt dieser Frage, die jedoch einer „differenzierte Auseinandersetzung“ bedarf.
Darum wurde extra ein Islamwissenschaftler befragt, demzufolge „Muslime in der Regel keine frauenfeindlichen Absichten haben, wenn sie bei der Begrüßung Körperkontakt vermeiden“. Vielmehr „möchte man Angehörigen des anderen Geschlechts keine Berührung aufdrängen, die er oder sie als unangenehm empfinden könnte“, erklärt er. Klingt sogar einleuchtend. Und weil man Angehörigen des weiblichen Geschlechts keine Blicke aufdrängen will, die sie als unangenehm empfinden könnten, steckt man sie einfach in eine Burka. So sieht gelebte Rücksichtnahme aus.

Es kommt allerdings noch besser: Frauen werden durch den verweigerten Händedruck keineswegs benachteiligt, sondern sind sogar „im Vorteil“. Schließlich bleiben ihnen auf diese Weise diverse Krankheitserreger erspart. Ziemlich klasse also, diese „nicht frauenfeindliche“ Herangehensweise. Da können alte weiße Männer, die allen und jedem ihre bakteriell belasteten Pfoten aufdrängen wollen, wirklich noch was dazulernen. Wahre Gentlemen lassen sowas künftig sein.

Darüber hinaus, so erläutert das Karriereportal, sei ein verweigerter Händedruck noch lange kein Kündigungsgrund. Sollte diese neue Form des Gentlemanismus allerdings doch mal die ein oder andere Kundin irritieren, so hilft es, sie darüber zu informieren, „dass das multikulturelle Beraterteam zwar verschiedene Begrüßungsformen praktiziert, aber dass alle Kunden dennoch gleichermaßen respektvoll behandelt werden“. Schließlich sei etwa in Japan auch die Verbeugung üblich, in Frankreich wiederum dreifache bisous. Schade ist nur, dass SpOn nicht erklärt, inwiefern die japanische Kultur und das französische „savoir vivre“ so sauber zwischen Frauen (verstanden als Sünde, daher ungleichberechtigt) und Männern (verstanden als triebgesteuerte Wesen) trennen, wie der konservative Islam es für gewöhnlich tut. Woran liegt es, dass  beispielsweise Iranerinnen noch wesentlich gravierendere Probleme als den Händedruck haben, Französinnen aber nicht? Egal. Auf derlei Kleinigkeiten kommt es nicht an, wenn der Händedruck mit Apartheid-Hintergrund in die heiligen Sphären der kulturellen Vielfalt befördert wird.
Das einzige Manko dieses in der Tat sehr informativen Artikels besteht darin, dass die Redaktion vergessen hat, zusätzlich noch das Team „Feminismus Fuck Yeah“ (auch bekannt aus dem Grimme-prämierten Twitterstreifen „#aufschrei“) zu befragen. Das sind diejenigen Feministinnen, die es ihren Vorgängerinnen übelnehmen, das Wesentliche (nämlich Gleichstellung vor dem Gesetz) erreicht zu haben. Darum kümmern sie sich heute nicht um gleiche Rechte in anderen Teilen der Erde, sondern um Sonderrechte und quotierte Ergebnisgleichheit in und um Berlin. Und wenn sie damit fertig sind, verarbeiten sie auf Twitter ihr Trauma, das sie sich im Umkreis einer Baustelle oder beim „mansplaining“ an der Bar zugezogen haben. Frau muss schließlich Prioritäten setzen.

Darüber hinaus wissen Expertinnen wie Anne Wizorek und ihre Freundinnen aus der #ausnahmslos-Liga auch ganz genau, wo man angewandten Sexismus antrifft: häufig mit Rainer Brüderle an der Bar sowie auf dem Oktoberfest, jedoch vergleichsweise selten auf der Kölner Domplatte, in Saudiarabien und im Iran. Daher könnten die Femininjas von heute dem geneigten Karriere-Interessenten sicherlich ganz genau erklären, warum so ein verweigerter Händedruck nicht etwa sexistisch, sondern vielmehr eine Errungenschaft des „Islamischen Feminismus“ ist. Mein Bauch gehört mir, meine Hand auch.

Aber vielleicht wird das Karriereportal diese O-Ton-Lücke ja beim nächsten Ratgeber über interkulturelle Kompetenzen schließen. Bei der Gelegenheit könnte auch eine andere Frage geklärt werden: Wie nennt man das, wenn ein weißer Mann mit „White Supremacy“-Hintergrund einem Moslem nicht die Hand gibt, nur weil dieser ein Moslem ist? Rassistisch? Aber nein. „Zum Teil Geschmackssache“ natürlich, wenn nicht gar islamophil, weil Muslime dadurch gesundheitliche Vorteile haben. Zumindest, wenn man der Logik von Spiegel Online folgt.

 
Das feministische Original. Nicht mit dem Feminismus von heute zu verwechseln.
 
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Auf in den totalen Frieden

Die Bestürzung war groß, als im Januar 2015 mehrere Terroristen erst ein Blutbad in der Pariser „Charlie Hebdo“ Redaktion veranstalteten, nur um anschließend noch vier Menschen in einem jüdischen Supermarkt zu ermorden. Große Krokodiltränen kullerten aber auch, als der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu einige Tage später Frankreichs Juden anbot, nach Israel auszuwandern. Dass französische Juden nicht zum ersten Mal blutdürstigen Islamisten zum Opfer fielen, ist zwar nicht schön. Aber wenn ein israelischer Staatschef eine effektive Alternative zum mitunter tödlichen Antisemitismus bietet, ist die rote Linie definitiv überschritten. Besonders von Deutschland aus betrachtet, wo man bräsiges Nichtstun öfter mal mit Besonnenheit verwechselt, kann so viel Pragmatismus nur irritieren. Ein Land, dessen Justizminister nach einem islamistisch motivierten Blutbad eiligst eine Moschee besucht, versteht da keinen Spaß.

Seither hat sich viel getan. Die Bundesrepublik nahm über eine Million Flüchtlinge und Migranten aus aller Welt auf. Der „Islamische Staat“ erweiterte derweil sein Einsatzgebiet bis nach Europa. Nun waren nicht nur Juden und islamskeptische Karikaturisten – Minderheiten also, die eh niemand lieb hat – an der Reihe. Auch Konzertbesucher, Betrachter eines Feuerwerks in Nizza, Flugreisende in Brüssel und Zugfahrer in Würzburg fielen dem Terror zum Opfer. Diejenigen, die vor über eineinhalb Jahren noch „Charlie“ waren, sind heute gegen „hatespeech“. Und statt über die Maut wird aktuell über die Gefahren im Straßenverkehr und im Fischrestaurant philosophiert. Zwar ist bislang nicht bekannt, dass sich Fischgräten organisieren würden, um gezielt Menschen im Namen eines großen Gottes umzubringen. Aber vielleicht weiß der „Allgemeine Deutsche Geisterfahrer Club“ dahingehend mehr.

Der Terror erreicht Deutschland, die Schönfärber bleiben standhaft

Dass der islamistische Terror binnen eineinhalb Jahren ebenso in die deutsche Komfortzone eingedrungen ist, dürfte jedenfalls schwer zu bestreiten sein. Doch an der Fähigkeit, ihn schön zu reden, hat sich auch nach den ersten Erfolgen des IS auf deutschem Boden nichts geändert. Die deutsche Intelligentsia bewegt sich diesbezüglich konstant auf hohem Niveau – Terrorwarnung hin, Pilzgerichte her. Der Rat zu mehr „mürrischer Indifferenz“ beispielsweise steht nach wie vor hoch im Kurs. Denn das Schöne an derlei Lösungen ist, dass sie elegant klingen und nichts kosten. Problematisch werden sie hingegen dann, sobald auch Innenminister Thomas de Maizière sie adaptiert. „Wachsam“ müsse man sein, riet er nach dem Bombenattentat in Ansbach. Ansonsten solle man jedoch keinesfalls damit aufhören, so weiterzuleben wie gehabt.

Daneben ist landauf landab zu hören, das Verbreiten von Angst sowie ein erhöhtes Misstrauen gegenüber Muslimen sei das Ziel der Islamisten. Vor allem um die Spaltung gehe es ihnen. Darum dürfe man ihnen nicht den Gefallen tun, nun angstbeladen das Auto statt die U-Bahn zu nehmen und angesichts arabisch aussehender Rucksackträger in Panik zu verfallen. Falls doch, so würde man dem IS in die Hände spielen. Und das wäre fast so schlimm wie Wasser auf die Mühlen von AfD und PEGIDA.

So gänzlich überzeugend klingt diese Logik allerdings nicht. Denn in erster Linie spielen dem IS sicherlich nicht biodeutsche Angsthasen in die Hände, sondern Fanatiker, die sich mit ihm solidarisieren und in seinem Namen wahllos durch die Gegend morden. Mag sein, dass dem IS ein allgemeines Misstrauen bis hin zum Bürgerkrieg zwischen Muslimen und „Ungläubigen“ zupass käme. Aber man muss schon einen Aluhut der Größe XXL tragen, um zu glauben, der IS sei nur deshalb angetreten, um Alexander Gauland (AfD) ins Kanzleramt zu hieven.

Immer schön den dritten Schritt vor dem ersten gehen

Überhaupt stellt sich die Frage, inwiefern es wirklich der drohende Generalverdacht gegenüber Flüchtlingen und Muslimen ist, der deutschen Politikern mitsamt der talkenden Klasse den Schlaf raubt. Vielleicht treibt sie auch vielmehr ein wachsender Generalverdacht gegenüber einer Politik um, der man pauschal unterstellt, nicht wachsam genug zwischen Terrorist und Flüchtling unterscheiden zu können. So gänzlich undenkbar wäre das ja nicht. Vor allem nicht in Anbetracht der Tatsache, dass man nun in München über ein Rucksackverbot zur Wiesn und in Berlin über ein Neun-Punkte-Programm nachdenkt, während der Attentäter von Ansbach über ausreichend Privatsphäre verfügte, um sein Einzelzimmer in einer staatlich finanzierten Unterkunft zu einer Bombenbastel-Werkstatt umzufunktionieren. Aber das ist freilich nur ein Verdacht, der noch sorgfältig geprüft werden muss, bevor man ihn zur Tatsache befördert.

Denn wenn man den Verantwortlichen vom Bodensee bis zur Nordsee eines nicht unterstellen kann, dann ist es Untätigkeit. Wann immer es irgendwo knallt, gehen sie einen Schritt vorwärts. Nur handelt es sich dabei eher selten um den ersten, sondern um den dritten, fünften oder zwölften Schritt. Inbrünstig warnen sie vor „Scharfmachern“ vom rechten Rand, denen nur am Schüren von Ängsten gelegen sei. Terroristen selbst haben mit Angst und Schrecken bekanntlich weniger zu schaffen. Parallel warnen sie mit Leidenschaft vor grassierender Islamophobie, sobald sich ein Jüngling im Namen Allahs in die Luft sprengt. Eine neuerliche Kampagne gegen Rassismus verrät hingegen alles, was man über den Umgang mit gewaltbereiten Islamisten wissen muss.

Statt mit einer soliden Antiterror-Strategie dafür zu sorgen, dass jegliches Misstrauen gegenüber syrischen Rucksackbesitzern automatisch überflüssig wird, raten sie zu mehr Gelassenheit und Mut, wenn in der U-Bahn Koranverse rezitiert werden. Und statt dem rechten Rand auf diese Weise das Thema und damit die Erfolge wegzunehmen, betätigt man sich erfolgreich als dessen bester Wahlkämpfer.

Deutschland bekämpft nicht die Ursachen, sondern lieber die Symptome

Wenn also die Kanzlerin angesichts der Anschläge von Würzburg und Ansbach unter anderem feststellt, die Attentäter hätten das Land, die Helfer und alle anderen Flüchtlinge „verhöhnt“, dann verursacht sie damit keineswegs einen rhetorischen Unfall. Vielmehr folgt sie dem Prinzip, wonach nicht Tote, Verletzte, das Risiko einer Wiederholung und somit das eigentliche Problem, sondern die urdeutschen Kettenreaktionen in den Mittelpunkt gehören. Dass der IS die Willkommenskultur verhöhnt hat, werden wir ihm wohl nie verzeihen. Schwer Verletzte mutieren daneben zu einem bedauerlichen Kollateralschaden, den wir ihm vergleichsweise weniger übelnehmen.

Insofern ist es freilich nachvollziehbar, dass der ein oder andere Amtsinhaber ein wenig sensibel reagiert, sobald ein Regierungschef wie Netanyahu die  Bühne betritt. Denn der hat nicht nur mehr Ahnung hinsichtlich des Problems, sondern auch eine vergleichsweise effiziente Lösung im Gepäck. Dinge also, die in Deutschland gänzlich fehlen. Dort kennt man sich dafür aber glänzend mit den Schachzügen aus, die dem IS vermeintlich nutzen. Und das sind gemäß deutscher Betrachtung ungefähr alle Optionen, die im Kampf gegen den Terror denkbar wären. Racial Profiling wie in Israel? Das treibt dem IS garantiert „alle Muslime“ in die Hände. Eine bessere Kooperation der Geheimdienste? Bloß nicht, der IS ist doch nur deshalb angetreten, damit der Westen seine Freiheiten einschränkt. Eine militärische Intervention? Grundgütiger! Nichts könnte ihm mehr schaden als eine Ausweitung seines Gebiets und munteres Weiterköpfen im Namen Allahs.

„Boots on the ground“ helfen nicht nur gegen Terror, sondern auch gegen Fluchtursachen

Dabei gibt es aber auch etwas, das dem IS wesentlich mehr in die Hände spielt: nämlich ein Gegner, der gar nichts unternimmt und besonnen auf den nächsten Anschlag wartet. Im englischsprachigen Raum kursiert etwa die Ansicht, dass der IS sich zwar durchaus eine militärische Intervention wünscht. Aber nur, weil er daran glaubt, dass sich in den letzten Zügen des Gefechts die globale Apokalypse ereignen würde, auf die er seit seinem Bestehen hinarbeitet. Folglich wird er das Bomben und Morden im Westen solange nicht sein lassen, bis sich ein militärisches Bündnis endlich seiner erbarmt und mal in Syrien und im Irak vorbeischaut.

Nun muss man die IS-Satzung ja nicht wörtlich nehmen. Dass es aber mit Anschlägen recht schnell vorbei wäre, sobald ein breites NATO-Bündnis den „Islamischen Staat“ in einen Parkplatz verwandeln würde, ist nicht völlig undenkbar. Die Bereitschaft, sich nur noch für ein islamisches Zehn-Seelen-Dorf in die Luft zu sprengen, dürfte jedenfalls vergleichsweise gering sein. Und wenn die Truppen schon mal da sind, könnten sie sich auch gleich um die Beseitigung der Fluchtursachen kümmern. Die sind zwar weniger im „Islamischen Staat“ angesiedelt, sondern tragen vielmehr den Namen Bashar al-Assad. Aber eine grundsätzlich schlechte Idee wäre das jedenfalls nicht.

Allerdings würde das auch bedeuten, von der liebgewonnenen Gewohnheit Abschied zu nehmen, die Drecksarbeit anderen zu überlassen. Der Westen müsste den Spielplatz für sich einnehmen, den aktuell der Iran, Vladimir Putin und das Assad-Regime unter sich aufteilen – also über eine langfristige Lösung nachdenken. Bei der Gelegenheit würde ihm vielleicht sogar auffallen, dass Putin nicht der „mäßigende“ Faktor ist, für den man ihn im deutschen Außenministerium für gewöhnlich hält. Dass er keinesfalls den IS, sondern die verbliebene, halbwegs moderate Opposition schwächt, um damit seinem Buddy Assad unter die Arme zu greifen. Und dass beide somit mit einigem Erfolg daran arbeiten, sowohl die Fluchtursachen zu zementieren, als auch das Business des IS florieren zu lassen.

Auf in den totalen Frieden – gerne auch mit autoritären Lösungen, vor denen heute noch gewarnt wird

Aber so weit wird es freilich nicht kommen. Denn nicht nur in den Reihen der Linkspartei hat sich mittlerweile herum gesprochen, dass Waffenexporte und kriegslüsterne Amerikaner die wahren Fluchtursachen darstellen. Daneben besteht die Hoffnung, die Jungs aus Raqqa würden schon Ruhe geben, wenn man sie nicht unnötig mit Tornados oder gar Bodentruppen provoziert. Ohnehin soll von deutschem Boden nie wieder Krieg, sondern nur noch totaler Frieden ausgehen. Niemand hat die Absicht, die Ursachen von Terror und Flucht zu beheben.

Lieber wartet man mutig und tiefentspannt ab, bis zwei Leichenberge später auch in Deutschland das geschieht, wovor jetzt noch vollmundig gewarnt wird: nämlich die vollständige Polarisierung, in deren Folge vollends autoritäre Gruselgestalten die Bevölkerung auf den Weg in die Knechtschaft verweisen. Dort verlässt man sich dann auf Trump’sche Einreiseverbote für Muslime, einen nationalen Sozialismus nach Art von Marine Le Pen, Kreml-Treue im Allgemeinen, Isolationismus im Besonderen. Lauter hübsche Dinge also, die langfristig ebenso wenig gegen den Terror helfen, dafür allerdings mit wesentlich mehr Freiheit bezahlt werden. Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.

Mag sein, dass selbst in diesem Fall ein sonniges Gemüt weiterhilft. Ein großzügiger Sicherheitsabstand zum Spielfeld wäre dann aber sicherlich auch nicht übel.


Zuerst auf der Achse des Guten erschienen.

Besser als Besonnenheit: USS America LHA-6
(Foto: J. N. Pyka)

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Deutschland übt sich in Trotzigkeit. Dem IS gefällt das

Ob der Axttäter von Würzburg einen gültigen Fahrschein hatte, ist nicht bekannt. Dass aber der Bombenbastler von Ansbach nur deshalb kein größeres Blutbad anrichten konnte, weil er kein Festival-Ticket besaß, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Nun möchte Münchens OB Dieter Reiter dahingehend durchgreifen und für die nahende Wiesn ein Rucksack-Verbot prüfen. Eine großartige Idee, die nur noch durch ein allgemeines Axt-Verbot in Bierzelten getoppt werden kann. Vielleicht sollte man auch darüber nachdenken, den Zugang zur Festwiese denjenigen zu untersagen, die am Fuße der Bavaria zu auffällig mit einem IS-Mitgliedsausweis um sich zu wedeln.

Was ich dahingehend übrigens wirklich nicht schlecht fände: ein Terror-Equipment-Verbot in Bahnhöfen, Shopping Malls und bei Großveranstaltungen. Denn spätestens seit Ansbach wissen wir auch, dass Prävention nicht unbedingt zu den deutschen Kernkompetenzen zählt. Ein Terrorist in Belgien muss wenigstens noch clever sein und im Verborgenen operieren. In Deutschland hingegen ist es offenbar mühelos machbar, in einer staatlich finanzierten Flüchtlingsunterkunft eine Bombenbastel-Werkstatt zu unterhalten.

Wenn man also schon  allem Anschein nach wenig bis nichts gegen potentielle Mörder unternehmen kann oder will, dann sollte man es ihnen wenigstens nicht zu leicht machen, ihre Pläne umzusetzen. In Israel, wo derlei Eingänge mit Taschenkontrolleuren und Metalldetektoren ausgestattet sind, funktioniert sowas vergleichsweise gut.

Mag sein, dass das nicht so sehr mit unserem Konzept der kollektiven "Trotzigkeit" harmonisiert oder gar "dem IS in die Hände spielt". Aber womöglich gibt es es etwas, das dem IS noch viel mehr in die Hände spielt: nämlich die fantastische Aussicht auf ungeschützte Tatorte mit unzähligen potentiellen "Ungläubigen", an denen selbst der unerfahrenste IS-Praktikant die Fahrt ins Paradies antreten kann.

Aber das ist natürlich nur ein Verdacht, den man tatsächlich sehr sorgfältig prüfen sollte, bevor man ihn zur Tatsache befördert.


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Das Kommando "No Hate Speech" tritt zum Dienst an. Finanziert vom Familienministerium

Der Kampf gegen Hass und Hetze im Internet zählt zu den größten Herausforderungen des Jahrzehnts. Viel hat die Bundesregierung schon getan, doch noch viel mehr muss sie unternehmen, um diese Mammutaufgabe zu bewältigen. Das größte Problem besteht dabei darin, dass man immer mehr Hass entdeckt, je mehr man in dessen Bekämpfung investiert. Lief es einstmals noch unter verbaler Gewalt, einen Menschen zu bedrohen, so reicht heute schon der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“, um sich eines Hassverbrechens verdächtig zu machen. Zumindest, wenn es nach der Antonio Amadeu Stiftung geht, die in der „Task Force“ des Justizministers mitwirkt, in der über die Lösch-Politik von Facebook, Twitter und Google philosophiert wird.  Vorbei die Zeiten, als sich noch Polizei und Justiz um die bösen Jungs kümmerten. Der Kampf gegen hatespeech ist schließlich zu wichtig, um ihn nur am Strafgesetzbuch zu messen.

Was genau eine Hassbotschaft ausmacht, ist dabei zwar keineswegs ersichtlich. Aber es reicht ja auch, wenn die zuständigen Behörden und ihre Dienstleister das wissen. Derlei Kleinigkeiten können immer noch geklärt werden, sobald Heiko Maas bei Facebook endgültig für Ordnung gesorgt hat.

Bis dahin bleibt allerdings noch viel zu tun. Darum sind nun nicht nur die Antonio Amadeu Stiftung, das BKA und der Justizminister gefragt, sondern „wir alle“. Schon länger setzt sich der Europarat dafür ein, auch die Bevölkerung für die Gefahren des organisierten Hasses zu sensibilisieren. In diesem Sinne hat er das „no hate speech movement“ erschaffen: eine Kampagne, die europaweit auf nationaler Ebene umgesetzt werden soll, um die Bekämpfung von Hetze in die Herzen, Hände und Browser jedes Europäers zu tragen.

Digitale Pfadfinder auf edler Mission – sponsored by Manuela Schwesig

Insofern ist es beruhigend, dass ab sofort auch in Deutschland eine „no hate speech“ Kampagne an den Start geht, um die Front zu verstärken. Dabei begnügt sich die Kampagne nicht nur mit Herzchen, Slogans wie „Hass ist keine Meinung“ und Videos, die direkt vom „Bundestrollamt für gegen digitalen Hass“ [sic!] ausgestrahlt werden, damit sich auch schon Grundschüler angesprochen fühlen. Vielmehr will man „Organisationen, Initiativen, öffentliche Stellen und Aktivist*innen vereint gegen Hass im Netz“ zusammenbringen. Mitmachen kann aber jeder, der sich berufen fühlt:

„Jede*r kann dabei sein, jede*r kann was tun: Zum Beispiel schön kontern mit Memes, Sprüchen, Videos, mit Infos zu allem, was man über Hate Speech wissen muss und mit Ideen, wie wir alle Kante zeigen können. Alles drin auf www.no-hate-speech.de. Ab 22. Juli online. - Unterstützt diese Kampagne, gebt uns auf Facebook die Daumen nach oben, postet, tweetet, teilt und liebt #NoHateSpeech. Bis alle wissen: Wir sind laut, wir sind viele, wir sind gegen Hass im Netz.“

Eine hübsche Idee, die ein bisschen so klingt, als ginge es um einen digitalen Pfadfinder-Club. Jeden Tag eine gute Tat. Da hebt auch Familienministerin Manuela Schwesig, die die Aktion in Deutschland umsetzt und finanziert, umgehend ihr Däumchen.

Zwischen Staat, Hass und journalistischer Unabhängigkeit: Die „Neuen Deutschen Medienmacher“ packen an

Für die Koordination des Projekts sind indes die „Neuen Deutschen Medienmacher“ (NDM) zuständig: ein exklusiver Club von „Medienschaffenden mit unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Kompetenzen und Wurzeln“, der für mehr Vielfalt in der Medienwelt sorgen will. Im Rahmen dessen konzentrieren sie sich vor allem auf Lobbyarbeit: „Unser Netzwerk versteht sich als Interessenvertretung für Medienschaffende mit Migrationshintergrund und tritt für eine ausgewogene Berichterstattung ein, die das Einwanderungsland Deutschland adäquat wiedergibt.“

Nun könnte man durchaus skeptisch werden, wenn eine Lobby-Gruppe solch hoheitliche Pflichten übernimmt. Schließlich würde man ja auch nicht Greenpeace mit der Kontrolle von Abgasen betrauen. Daneben mag es ein wenig irritieren, dass sich ausgerechnet Medienschaffende, die eigentlich unabhängig sein sollten, im Auftrag des Staates in das verminte Grenzgebiet begeben, das zwischen Hass und Meinung verläuft. Letztlich kann man nie wissen, ob ein solcher Anti-Hatespeech-Warrior nicht mal rollen- oder machttechnisch durcheinanderkommt und PR mit Journalismus verwechselt.

Aber bei den NDM, in deren Vorstand unter anderem Daniel Bax von der „taz“ sitzt, sind solche Bedenken freilich fehl am Platz. Denn bevor sie sich dazu bereiterklärten, als „no hatespeech“-Koordinatoren auch „junge Angehörige von Minderheiten (…) zu empowern“ und „Medienschaffende (…) für diskriminierungsfreie Sprache zu sensibilisieren“, verfolgten sie andere Missionen, die mindestens ebenso edler Natur sind. Es bekam eben nur - mit Ausnahme ihrer Sponsoren, zu denen auch das BAMF und die Bundeszentrale für politische Bildung zählen - niemand wirklich mit.

Vielfalt nach Plan mit Gendersternchen

So sorgen sich die NDM seit geraumer Zeit um die dramatische Abwesenheit von Journalisten mit Migrationshintergrund in deutschen Redaktionsstuben. „Jede*r fünfte Einwohner*in in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, in den Redaktionsräumen dagegen nur jeder fünfzigste“, erfährt man auf ihrer Website. Wie viele Migrationshintergrund-Inhaber sich überhaupt bewerben, verraten die NDM hingegen nicht. Fakt ist, dass es definitiv zu wenige sind, um die „vielfältige Lebenswirklichkeit einer multiethnischen Gesellschaft in den deutschen Medien als Normalität wieder[zu]spiegeln“.

Darum haben die NDM viele Ideen entwickelt, um eine „vorurteilsfreie und ausgewogene“  Berichterstattung zu befördern. NDM-Geschäftsführerin Konstantina Vassiliou-Enz stellt sich etwa vor, schon in der Ausbildung „auf die Vermittlung von interkultureller Kompetenz als Professionalisierungsmerkmal“ zu achten. Nachwuchsjournalisten mit Migrationshintergrund soll zudem der Zugang zu Journalistenschulen, Universitäten und Volontariaten erleichtert werden. Und nicht zuletzt möge auch die Politik „ihr Mandat in den Rundfunkräten nutzen, um unmissverständlich klar zu machen, dass interkulturelle Kompetenz und Vielfalt in den Redaktionen entscheidend ist für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in die medial hergestellte Öffentlichkeit und auch in die Mediensysteme“.

Zweifellos: Wenn es um Vielfalt nach Plan und Gendersternchen geht, macht den NDM niemand etwas vor. Nur was Unannehmlichkeiten wie Freiheit und Wettbewerb angeht, müssen sie wohl noch ein bisschen üben. Nichts spricht gegen zwei, drei oder fünfzehn Redaktionsmitglieder mit Migrationshintergrund. Aber welcher Bewerber benötigt wird, wissen die verantwortlichen Verleger und Chefredakteure dann vielleicht doch etwas besser als die „Neuen Deutschen Medienmacher“. Es ist durchaus von Vorteil, dass private Arbeitgeber eben nicht auf Merkmale achten, für die niemand etwas kann, sondern auf die Dinge, die ein Bewerber besser als andere kann.

Es sei denn freilich, man ist der Ansicht, die Aufgabe einer Redaktion läge vornehmlich darin, auch personell „vielfältige Lebenswirklichkeiten zu spiegeln“. Dann müsste ebenso jeder zweite Journalist eine Frau sein. Aber vielleicht kann sich das Ministerium für Quoten ja einmal dieser Überlegung annehmen.

Was unterscheidet ein Kopftuch von einem Hijab? Die NDM helfen aus

Solange jedenfalls noch nicht jeder fünfte Journalist einen Migrationshintergrund hat, sorgen die NDM dafür, dass wenigstens die biodeutsche Garde an ihrem Vokabular schraubt. Erst letzten November feierten sie einen großen Erfolg, als sie ihrer Umwelt liebevoll erstellte „Formulierungshilfen für die Berichterstattung im Einwanderungsland“ präsentierten. Wer als Medienschaffender zum Beispiel nicht weiß, was ein Kopftuch von einem Hijab (das eine kann locker sitzen, das andere dagegen eher streng) unterscheidet, kann sich im „Glossar“ der NDM schlau machen, das auch mit Mitteln der bpb gefördert wurde.

Dort erfährt man auch, dass statt von „illegalen“ lieber von „illegalisierten Flüchtlingen“ die Rede sein sollte und dass das Wort „Aufnahmegesellschaft“ eher suboptimal ist (empfohlen: multikulturelle Aufnahmegesellschaft). Weiterhin sollte man besser nur von Kriminalität sprechen, wenn man eigentlich gerade „Ausländerkriminalität“ tippen wollte. Gerade in Zeiten, in denen man nur drei Tage warten muss, bis große Medien über Ereignisse wie Silvester auf der Kölner Domplatte berichten, sind derlei Hilfestellungen unverzichtbare Instrumente.

Diese Realitätswahrnehmung scheint jedenfalls auch Frau Schwesig so sehr überzeugt zu haben, dass sie keine andere Wahl sah, als die Installation organisierter Liebe im Netz vertrauensvoll an die NDM zu delegieren. Wenn sprachliche Sensibilität auf ideologische Grobmotorik trifft, kann das Familienministerium eben nur schwer widerstehen.

Woher die NDM ihre Islambilder beziehen

Immerhin wissen die Fachkräfte für diskriminierungsfreie Sprache nicht nur haargenau zwischen Islamfeindlichkeit, Islamophobie und antimuslimischem Rassismus zu differenzieren. Auch mit dem „Islambild in deutschen Medien“ kennen sie sich aus. Darüber diskutierten sie 2015  im Friedrich-Ebert-Haus mit hassfreien Experten wie etwa Mustafa Yoldas von der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs“, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird. Bevor er sich zum Experten für Islambilder beförderte, war er zudem im Dienste der „IHH“ in Deutschland unterwegs, die sich auch um die Millionen schwere Finanzierung der Hamas kümmerte. Als die IHH dann 2010 verboten wurde, fand Yoldas dafür angemessene Worte: Deutschland mache sich zum „willfährigen Vollstrecker“ Israels. Aber wenn es um Islambilder geht, müssen die Juden eben Rücksicht nehmen. Die NDM können sich auch nicht um alle Hetzer kümmern.

Oberste Priorität haben ohnehin nicht organisierte Antisemiten, sondern die genauso gefährlichen Islamophobiker. Als Thilo Sarrazin mit „Deutschland schafft sich ab“ an den Start ging, überschritt er damit auch die rote Linie der 1. Vorsitzenden der NDM, Sheila Mysorekar. Die SPD möge dieses „rassistische Arschloch“ um ihrer Wählbarkeit willen umgehend suspendieren, forderte sie in der „taz“. Und sollte Sarrazin nicht selbst ihrem Wunsch folgen, so könne er „von mir aus gerne Harakiri begehen“.

Brunnenvergiftung und Wucher – die NDM beherrschen auch Israelkritik

Seitdem scheint auf der NDM-Führungsebene ein Wettbewerb um die liebevollsten Gedanken ausgebrochen zu sein. Denn auch der 2. Vorsitzende Chadi Bahouth hat so seine Sorgen - und die kreisen öfter mal um Juden. In seiner One-Man-Podcastshow nimmt er sich bereitwillig der Apartheid und weiterer Verbrechen in Israel an. Daneben trifft man ihn auch als Diskutant bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung an. Und sobald in Deutschland der „Kindermörder Israel“-Mob durch die Straßen marschiert, stört ihn vor allem, dass kaum jemand die „rassistischen Parolen von Israelis gegen Araber und Palästinenser“ kritisiert.

Aber Bahouth ist kein gewöhnlicher „Israelkritiker“, sondern Experte auf seinem Gebiet. Zumindest können vermutlich nur wenige neue deutsche Medienmacher von sich behaupten, über das Thema „Der Konflikt um Wasser in Israel und Palästina: Konfliktstoff trotz Friedensquells“ eine 273-seitige Doktorarbeit geschrieben zu haben. Als promovierter Israelkritiker weiß er etwa zu berichten, dass die Israelis den Palästinensern zuweilen das Wasser erst klauen, um es ihnen anschließend zu überhöhten Preisen zu verkaufen. Und wenn die gewöhnlichen Israelis mit dem Wuchern fertig sind, sorgen die „extremistischen Siedler“ für eine „gezielte Vergiftung palästinensischer Quellen“. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis Bahouth herausfinden wird, was die Israelis mit kleinen Kindern aus Gaza so anstellen.

Selektiver Hass und jede Menge Kompetenz

Aber so sind sie eben, die neuen deutschen Medienmacher. Mangelnde Erfahrung und fehlende Praxis im Umgang mit Hass kann man ihnen sicher nicht vorwerfen. Wer dabei eine etwas freizügigere und selektive Definition von „Hetze“ wittert, begeht allerdings vielleicht schon ein geistiges Hassverbrechen.

Und sollten die NDM doch mal zwischen Hass und Meinung durcheinander kommen, dann gibt es ja noch das „Nationale Kampagnen Komitee“ der no hate speech Kampagne. Dort sitzen bereits Aktivistinnen wie Anne Wizorek und Kübra Gümüşay – erfolgreiche Erfinderinnen von Hashtags wie #aufschrei, #ausnahmslos und #schauhin - in den Startlöchern. Vor allem deren Expertise in Sachen Sexismus, den man ihnen zufolge vor allem bei Rainer Brüderle und auf dem Münchner Oktoberfest, jedoch vergleichsweise selten auf der Kölner Domplatte oder in Saudiarabien antrifft, ist bei der Sensibilisierung der Zivilgesellschaft von unschätzbarem Wert.

Angesichts so viel geballter Kompetenz kann beim Kampf gegen den digitalen Hass eigentlich nichts mehr schief gehen. Schließlich gilt: Hass ist keine Meinung. Und über die Frage, wo Hass beginnt, bilden sich wiederum vorwiegend die Fachkräfte von #nohatespeech eine Meinung. Mit freundlicher Unterstützung des Steuerzahlers.


Zuerst am 22.07.2016 auf der "Achse des Guten" erschienen.

Die "no hate speech" Kampagne empfiehlt, mit lustigen Memes zu kontern.
Diesem Wunsch wird hiermit entsprochen.
(Zitat: Charles Bradlaugh)
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