Bitte beachten Sie mich nicht!

Achtung, verehrte Leserinnen und Leser: Dies ist nicht nur meine 81., sondern auch meine letzte Kolumne für The European. Und für diejenigen, die das erst jetzt erfahren, folglich in gerade diesem Moment erleichtert „Endlich!“ seufzen und umgehend die Korken knallen lassen werden, tut es mir fast schon leid, Sie an diesem Freitag ein weiteres Mal zu quälen. Aber da müssen Sie nun durch – bleiben Sie stark, bald ist es überstanden.

Um Ihnen das Finale allerdings so angenehm wie möglich zu gestalten, habe ich mir ein besonderes Thema ausgesucht. Eines, das Ihren Blutdruck sicherlich nicht überstrapazieren wird (hoffe ich zumindest). Nein, an dieser Stelle soll es um etwas Schönes gehen. Nämlich um Sie. Ja, genau, um Sie, die geschätzte Leserin und den werten Leser, besonders aber um die edle Riege der Leserbriefschreiber.

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Bekenntnisse einer Magistra Artium


Meine Stammleser werden sie schon kennen, neu Hinzugekommene sollten sie dagegen dringend kennen lernen. Die Rede ist von Christiane Schuricht aus Hannover, eine der lustigsten Figuren aus meinem sich an mir abarbeitenden Kuriositätenkabinett, in dem sich neben Rentnern, Fast-Rentnern, Hausfrauen und exilierten Bombenbastlern auch Pleitegeier und komplex-beladene twenty-somethings tummeln. Und sollte sie alle etwas verbinden, dann wäre es wohl am ehesten die Fähigkeit, im Leben nichts zustande zu bringen. Kurz: Menschen, für die ich prinzipiell ein Herz, aber eben nur sehr selten überschüssige Zeit und Lust parat habe.

Doch für Christiane Schuricht aus Hannover mache ich gerne mal eine Ausnahme. Zum einen, weil sie sich schon geraume Zeit und auch jüngst besonders darum bemüht hat. Zum anderen, weil ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren könnte, der Öffentlichkeit derlei Skurrilitäten vorzuenthalten.

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Es ist angerichtet

In München wird schon seit ein paar Jahrzehnten das „Leitmedium Nummer eins“ produziert. Es nennt sich „Süddeutsche Zeitung“, erreicht 1,48 Millionen Leser und ist dank einer täglich verkauften Auflage von 420.377 Exemplaren die größte überregionale Abonnement-Tageszeitung Deutschlands. Und wer schon mal den morgendlichen Berufsverkehr in Münchner S- und U-Bahnen erlebt hat, könnte glatt glauben, in der Landeshauptstadt würde nur diese eine Zeitung verkauft.

Jedenfalls besteht die Spezialität dieser einen Zeitung nicht nur in der Produktion eines umfangreichen Feuilletons. Auch mit der deutsch-jüdischen Symbiose kennt man sich dort bestens aus. Dass die „SZ“ diesbezüglich sogar führend sein könnte, steht spätestens seit Dienstag dieser Woche zu befürchten, als die Redaktion ihre rund anderthalb Millionen Leser mit einem besonderen Schmankerl verwöhnte. Denn in der Rubrik „Politisches Buch“ wurde diesmal von Heiko Flottau eine große Portion Sorge um den „liberalen Zionismus“ serviert, dessen „Niedergang“ in vollem Gange sei.

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Der gute Mensch von Kritikistan

Die moderne Welt steckt voller Herausforderungen und ungelöster Probleme. Das Klima will einfach das Wandeln nicht sein lassen, indes wird in Syrien weiter gemordet, und mit der sozialen Gerechtigkeit geht es hierzulande auch nur schleppend voran. Abseits dieser Ereignisse existiert jedoch gerade innerhalb der westlichen Welt ein weiteres Problem, das den Menschen ungeheuer zu schaffen macht. Und zwar: die Freiheit als solche.

Dazu zählt beispielsweise die Entscheidungsfreiheit, von der überaus ausgeschlafene Mitbürger wissen, dass sie es ist, die uns langsam aber sicher in den Wahnsinn treibt. So auch die slowenische Philosophin Renata Salecl. Man muss sie nicht kennen – es reicht schon, ihren jüngsten Ausführungen zur „Tyrannei der Wahl“ zu folgen, um sie näher kennenzulernen. Denn weil wir immer und überall wählen können, etwa in bzw. auf den Super-, Heirats- und Arbeitsmärkten dieser Welt, würden wir uns ihr zufolge ständig gestresst, überfordert und schuldig fühlen. „Kapitalismus ist die Neurose der Menschheit“, behauptet Frau Salecl, die übrigens „Orte wie Subway“ meidet, um sich bei der Wahl zwischen Cream-Cheese-Bagel und Panini con Pancetta nicht der Gefahr eines Burn-outs auszusetzen. Die Tücken des „modernen Kapitalismus“ machen eben auch vor aufgeweckten Philosophinnen nicht halt.

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Time to Say Goodbye

In eigener Sache



Gesendet: Samstag, 22. Juni 2013 um 18:01 Uhr
Von: "Jennifer Nathalie Pyka"
An: barfuss@theeuropean.de
Cc: "Florian Guckelsberger"
Betreff: Kündigung
Lieber Herr Guckelsberger, lieber Herr Barfuss,


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Im Zweifel antiamerikanisch

Es ist aber auch immer wieder das Gleiche mit diesen Amerikanern. Kaum lässt man sie unbeaufsichtigt, schon fressen sie hier irgendwas aus oder benehmen sich dort erneut unanständig. Nie hat man seine Ruhe. Vor allem nicht, wenn man als Deutscher den Posten des guten Gewissens des Planeten gepachtet hat und es daher natürlich oberste Pflicht ist, den Amis den Kopf zu waschen. Denn auch auf den zunächst als unamerikanisch empfundenen Präsidenten kann man sich nun nicht mehr verlassen. Nicht nur, dass er Guantanamo immer noch nicht zu gemacht hat, nein, jetzt stellt sich zudem heraus, dass er Millionen von Menschen „überwacht“. Prism wird man ihm hier wohl nie verzeihen.

Und wie das im Land der Moralhüter so üblich ist, ist auch bei dieser Aktion made in USA eines garantiert: nämlich das Nicht-Stattfinden einer halbwegs sachlichen Diskussion. Natürlich sind Kritik und Fragen berechtigt, wenn ein Geheimdienst theoretisch in der Lage ist, die Korrespondenzen zwischen Max Mustermann und seiner Geliebten mitzulesen. Nur ist das ja nicht Sinn der Sache. Zumal im Grunde, so hört man zumindest, Verbindungsdaten im Vordergrund stehen und über alles weitere ein Gericht wacht. Oder, um es mit Alan Dershowitz zu sagen: „There is an enormous difference between listening to the content of people’s phone calls and creating a database of telephone numbers.“

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Wie das Leistungsprinzip aus der Mode kam

Erst neulich habe ich mal wieder zur Kenntnis genommen, dass die soziale Kälte sich hierzulande zur sozialen Eiszeit auswächst. Auch um die Kluft zwischen Arm und Reich soll es nicht gut bestellt sein. Sie stünde kurz vor der Unüberwindbarkeit, so hört man, und sollte es nicht schleunigst mit der sozialen Gerechtigkeit losgehen, drohen Sodom- und Gomorra –ähnliche Zustände. Mindestens.

Manch einem mag deshalb schon ganz schlecht sein. Mir nicht. Denn vorerst habe ich schon genug damit zu tun, mich aufgrund dessen neu einzusortieren. Der nach sozialer Gerechtigkeit rufende Chor, die Ode an die Umfairteilung, die Arie der Wir-Seligkeit, kurz: der neue deutsche Soundtrack – seine Klänge sind es, die ich kaum zu dechiffrieren vermag. Dachte ich doch bislang, Leistung wäre etwas Gutes, und auch die Politik müsse an individueller Leistungsbereitschaft, zugleich dem Motor einer Volkswirtschaft, interessiert sein.

Ein fataler Irrtum, wie sich nun herausstellt. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass Leistung in diesen Breitengraden nicht nur verpönt, sondern sogar bedrohlich ist. Denn wer dem Ruf nach sozialer Gerechtigkeit folgt, stellt fest, dass sowohl der Leistungsträger an sich, als auch das System, das ihn belohnt, und zudem alles, was ihn umgibt, der schönen neuen gerechten Welt im Wege stehen.

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Wenn der Fundamentalist zweimal droht

Was der Staat für seine Bürger zu tun hat, ist eine Frage, auf die es bekanntlich recht unterschiedliche Antworten gibt. Die einen finden, er habe seinen Schäfchen eine Allroundversicherung für die Risiken und Nebenwirkungen des Lebens zu garantieren. Andere hingegen wünschen sich mehr Tatendrang in Sachen Naturschutz und Klimawandel. Übergreifenden Konsens erzeugt dagegen sicherlich die Ansicht, wonach Vater Staat auch und vor allem für eines sorgen soll: Sicherheit. Und zwar Sicherheit vor Gangstern und Ganoven ebenso wie vor Mördern und Terroristen.

Nun klappt das mit der Sicherheit bekanntlich mal mehr, mal weniger prächtig. So ist der Staat beispielsweise aktuell nicht in der Lage, einem deutschen Staatsbürger, der in Ägypten mit dem Tod bedroht wird, Sicherheit zu garantieren. Die Rede ist vom deutsch-ägyptischen Autor Hamed Abdel-Samad, der erst neulich in Kairo über „Religiösen Faschismus im Islam“ referierte, was zuerst den Mob, anschließend aber auch zwei hochrangige Fundamentalisten zu öffentlichen Mordaufrufen veranlasste.

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Wenn der Antisemitismusforscher den Anfängen wehrt

In Deutschland kommt es öfter mal zu sogenannten „Vorfällen“ antisemitischer Natur. Meistens laufen sie so ab, dass Juden allein durch ihre Existenz den Antisemiten so sehr provozieren, dass dieser quasi gar nicht anders kann, als dagegen aktiv zu werden. Mal verbal, mal tätlich, je nach Tagesform. Anschließend beginnt dann gerne und oft das große Orakeln: War der Jude selbst schuld? Ganz so, wie neulich in Berlin, wo ein Jude vor einer Disco verprügelt wurde, weil er Jude ist und ein israelisches T-Shirt trug, was wiederum die Täter „möglicherweise provoziert“ hätte? Und wenn der Jude gemäß offizieller Ansicht nicht schuld ist: Was tut man nur, um dem Antisemitismus Herr zu werden?

Fragen, die derzeit auch im beschaulichen Offenbach gestellt werden. Nachdem dort nämlich vergangenen Sonntag ein Rabbiner in einem Shoppingcenter von circa sechs bis acht „südländisch aussehenden Jugendlichen“ zunächst antisemitisch beschimpft, daraufhin geschubst, genötigt und umzingelt wurde, herrscht nicht nur berechtigtes Entsetzen, sondern auch Rätselstimmung. Man wolle derartige Angriffe nicht dulden, so die Ansage – wie das allerdings praktisch funktionieren soll, ist dagegen noch nicht bekannt.

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Kein Blut für 9,90-€-Tops!

Allmählich glaube ich ja, dass der immer komplexer werdende Alltag viele Menschen überfordert. Nachvollziehen kann ich das übrigens auch – gibt es doch so einige kleine und große Herausforderungen, die quasi allerorts auflauern. Eine davon hat früher mal Spaß gemacht und nennt sich Konsum. Denn seit die Menschen nicht mehr einfach nur Einkaufen oder Shoppen gehen, sondern zu „kritischen Verbrauchern“ avanciert sind, gleicht das einstmals simple Konsum-Prozedere (umsehen, zugreifen, zahlen, fertig) einem Marsch durch vermintes Terrain.

Sowohl die Obstabteilung als auch die Kleiderstange bilden längst schon ein Stück politische Weltbühne. Und wer ein Hemd kaufen möchte, kauft nicht einfach nur ein Hemd, sondern entscheidet damit auch wahlweise über das Schicksal unserer Gesellschaft, der Erde, gar der Menschheit – also eigentlich über das große Ganze.

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Von echten und unechten Steuersündern

Es sind schockierende und völlig überraschende Nachrichten, die uns diese Woche aus Berlin erreichten: Bushido, das rappende Sturmgeschütz der Integrationsgesellschaft, soll wider Erwarten doch nicht brav und ordentlich seine Steuern ans Finanzamt gezahlt haben. Zumindest besteht dieser Verdacht, nachdem ein mehrköpfiges Steuerfahnder-Einsatzkommando am Dienstag bei ihm, seinem Steuerberater und seinem Management zur flächendeckenden Hausdurchsuchung anrückte. Bereits davor habe es, so die verblüffende Auskunft der Staatsanwaltschaft, „monatelange Ermittlungen gegeben“, und weiter: „Die Auswertung des gesicherten Materials werde Monate dauern.“

Nun also nimmt alles seinen geregelten Lauf, und theoretisch wäre die Angelegenheit damit für den Moment erledigt. Praktisch ist sie das allerdings nicht. Denn irgendwas fehlt. So hat beispielsweise Angela Merkel bislang noch nicht erklärt, wie „enttäuscht“ sie von Bushido ist – Hans-Peter Friedrich übrigens ebenfalls nicht. Auch auf die üblichen Ermittlungen durch Talkshow-Gäste wartet man bislang vergeblich. Dass Sandra Maischberger sich am Dienstag dem Thema Alzheimer widmete, gut, das kann man aufgrund zeitlicher Gegebenheiten noch nachvollziehen. Aber dass auch Anne Will am Mittwoch lieber über Deutschlands Eliten talkte, anstatt ein Sondereinsatzkommando zum Thema „Ausgerechnet Bushido! Wer stoppt die Steuersünder?“ einzuberufen, geht eindeutig zu weit.

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Eingestellt!


Immer mehr Menschen haben immer weniger zu tun. Damit ihnen dabei trotzdem nicht langweilig wird, suchen sie sich oftmals keineswegs nur ein simples Hobby wie Stricken oder Nordic Walking, sondern eine Beschäftigung, von der sie sich Glanz und Ruhm erhoffen. Wer sich etwa für einen „gerechten Frieden im Nahen Osten“ engagiert, hat nicht nur jede Menge, nein, auch bei der Soja – Caffe Latte – Intelligentsia punktet er damit auf ganzer Linie.

Durchaus ähnlich verhält es sich mit denjenigen, die ihren Lebensmittelpunkt auf die Vorhaut der Anderen verlagert haben. Sie treten nicht einfach nur gegen die Beschneidung, sondern vielmehr für „Kinder- und Menschenrechte“ bzw. „genitale Selbstbestimmung“ ein – wohl auch, weil letzteres einfach schicker klingt. Wenn sie nicht gerade das Netz nach jüdischen und muslimischen Kronzeugen oder blutigen Videos durchforsten, initiieren sie Petitionen mit beschränktem Erfolg oder stellen spannende Events wie zum Beispiel den „Worldwide Day of Genital Autonomy auf die Beine, an dem hierzulande des Kölner Beschneidungsurteils gedacht wird.

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Lasst die Barbie im Dorf!

Der Berliner an sich ist ein kurioses Wesen. Dass er beispielsweise voller Inbrunst in den Spätzlekrieg zieht, während in unmittelbarer Nähe ein steuersubventionierter Flughafen seiner erfolgreichen Nicht-Fertigstellung entgegensieht, mag den Nicht-Berliner durchaus verwirren. Genauso wundert man sich aber auch über die berlinerische Lust an der Demo. Egal ob es um die Legalisierung von Cannabis, das geltende Asylrecht, Gentrifizierung, Fluglärm (den aus Tegel, versteht sich) oder steigende Mieten geht – der Berliner ist stets auf Achse.

Und als hätte er nicht schon genug um die Ohren, gibt es nun einen neuen Anlass, der die Einwohner auf die Straße treibt. Dieser Anlass wiederum ist knallpink, erstreckt sich auf 2500m² und wirkt wie eine zuckerwattierte Wolke sieben für junge bis sehr junge Damen: das Barbie Dreamhouse am Alexanderplatz. Ein Ort, der Widerstand hervorruft. Denn dort können Mädchen nicht nur Barbiepuppen bestaunen, sondern auch allerhand weitere Risiken eingehen. Zum Beispiel „virtuelle Cupcakes kreieren“, den „begehbaren Kleiderschrank der Stilikone“ erkunden, den Barbie-Schönheitssalon aufsuchen und zu allem Übel auch noch auf dem Barbie-Catwalk die Hüften schwingen. Entsetzlich!

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Keine Fahrt für freie Bürger

Schon wieder ist es Sigmar Gabriel, der die Sozialdemokratie ideentechnisch auf Trab hält. Kaum hat er den „wahren Asozialen in diesem Land“ den Kampf angesagt, schon kommt er mit dem nächsten Knüller um die Ecke. Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen hätte er gern – was so gesehen wenig innovativ ist, nachdem man sich mittlerweile schon an wahlkampforientiere Verbote in allen Formen und Farben gewöhnt hat.

Obwohl es letztlich Peer Steinbrück war, der durch sein Veto das Seelenheil der rasenden SPD-Wähler umgehend wiederherstellte, muss man Gabriel doch eines zugutehalten: nämlich, dass er mit seinem verkehrspolitischen Einwand, der natürlich keineswegs neu war, durchaus den Zeitgeist bediente. Nicht etwa, weil die Frage nach Schienen, Transportmaßnahmen und Flugrouten den Wähler in Stimmung versetzt, sondern weil das Auto an sich nicht nur ein Fortbewegungsmittel, sondern auch ein hochpolitischer Gegenstand ist. Das beweist schon ein Ausflug in die Gedankenwelt der jungen und alten Grünen, von denen Gabriel durchaus noch lernen könnte.

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Mehr Reichtum wagen!

Seien wir mal ehrlich: So ganz fair ist das ja nicht, was große Teile der politischen Landschaft sich derzeit mit ihrer Klientel erlauben. Völlig unverhohlen stellen sie den tendenziell linken Wähler vor eine kaum zu bewältigende Herausforderung: Was tun, wenn’s heuer an die Wahlurne geht? Soll der Wähler sich für höhere Steuern im Ökogewand, höhere Steuern à la SED, oder doch eher für höhere Steuern mit Anti-Clown, Kavallerie-Chef und Weinexperte Steinbrück entscheiden? Ganz zu schweigen von den unzähligen Anti-Reichen-Maßnahmen, die so im Angebot sind. Darf’s die grüne Vermögensabgabe oder lieber die linke Enteignung ab 40.000 Euro monatlich sein? Schwierig, schwierig.

Ein Glück allerdings, dass die Lage bei genauerer Betrachtung nicht ganz so aussichtslos ist, wie sie zunächst erscheint. Denn letztlich verspricht doch jede Maßnahme, jede Option und jede Steuererhöhung das Gute und Schöne: soziale Gerechtigkeit. Ein Zustand, der noch nicht einmal genauer definiert werden muss, um als attraktiv und dringend wählbar empfunden zu werden. „Sozial“ klingt ohnehin immer gut, „Gerechtigkeit“ auch, weshalb beides in der Summe erst recht jede Menge Solidarität, Geborgenheit und Heimeligkeit ausstrahlt. Mehr Gehalt für die Schwachen, mehr Unterstützung für die Schwächsten, mehr Kindergärten, mehr Toleranz, mehr Sonnenschein – so ungefähr.

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Recht im Namen des Kostüms


Manch einer wird sie schon wieder vergessen haben, anderen hingegen haben sie auf ewig in ihr Herz geschlossen. Die Rede ist von Irena Wachendorff, die nicht nur rund um ihre Heimat Remagen, sondern auch überregional bis international als engagierte Kostümjüdin einigen Ruhm erlangte. Jahrelang tingelte sie als Jüdin durch Synagogen, Schulen und Gedenkstätten, kein jüdisch konnotiertes Event war vor ihr sicher. Dabei beeindruckte sie ihre Umwelt nicht nur durch ihre Vita (Mama in Auschwitz, Papa auf der Flucht in England, sie selbst als IDF-Soldatin im Libanon), sondern auch durch ihr beherztes Eintreten für einen gerechten Frieden im Nahen Osten, indem sie den Israelis vom Rhein aus diktierte, sich den Palästinensern gegenüber doch endlich mal anständig zu benehmen.

Seit jedoch bekannt ist, dass Irena Wachendorff zwar über viel Fantasie, dafür aber über keinerlei jüdische Wurzeln verfügt, wurde es still um sie. Hie und da trat sie auf Facebook im Gewand ihres toten Hunds auf, und zwischendurch versprach sie den Resterampen ihrer Fangemeinde, ihre Jüdischkeit zu beweisen, sobald die entsprechenden Dokumente aus dem fernen Polen endlich eingetroffen wären. Das jüdische Kostüm trug sie weiterhin privat, nicht jedoch in der Öffentlichkeit.

Nun allerdings traut sich die Kostümjüdin der Herzen wieder aus der Deckung. Zwar nicht in einer Synagoge, dafür aber vor Gericht, was ja auch schon mal ganz ordentlich ist. Genauer: Vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main, wo Irena Wachendorff gestern erschien, um in einem Strafprozess als Zeugin der Anklage ihr lang ersehntes jüdisches Comeback zu feiern. Achgut- und Blog-Leserin E.D. war live dabei und weiß Erstaunliches zu berichten:

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Der beleidigte Professor

Nun ist der passionierte Beschneidungsgegner Putzke nicht für das Verhalten der Behörden, sondern nur für seine eigene Strafanzeige verantwortlich. Natürlich steht es ihm frei, sich so gegen Beleidigungen zu wehren. Von Souveränität zeugt das allerdings nicht. Mag sein, dass er nicht wusste, welche Risiken sein selbst gewähltes Dasein als Person des öffentlichen Lebens, Talkshowgast und Kreuzritter im Namen der Kinderrechte bergen kann. Doch wer die Beschneidung laufend als Körperverletzung, gar als Akt »religiöser Gewalt« tituliert und damit jüdische ebenso wie muslimische Eltern zu Kinderschändern stempelt, sollte vielleicht auch dementsprechend einstecken können.
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Jahrmarkt der Selbstgerechtigkeiten

Sie könnte so einfach zu managen sein, die Affäre rund um den Uli, die Bayern und die Millionen. Ein Vorschlag zur nationalen Krisenbewältigung ginge beispielsweise so: Nun, da Hoeneß sich selbst angezeigt hat, nimmt alles seinen geregelten Lauf. Die Behörden ermitteln, er selbst schweigt, die Öffentlichkeit tut es ihm annährend gleich, der FC Bayern sucht einen Nachfolger, oder lässt es bleiben, und je nach Ermittlungsergebnis wird ganz unaufgeregt Recht im Namen des Volkes gesprochen.

Klar ist aber auch, dass ein Steuersünder-Skandal eben doch nicht so leicht zu den Akten gelegt werden kann. Allein schon, weil die Causa auch eine Offenbarung für alle ist, die – etwa wie Sigmar Gabriel – schon immer wussten, dass die Hoeneße die „wahren Asozialen in diesem Land“ sind. Der Bayern-Manager, der laut „SZ“-Recherchen bereits versteuertes Geld in die Schweiz gebracht, dabei jedoch die Kapitalertragssteuer und so ein paar, oder doch einige Millionen Euro – wer weiß das schon? – unterschlagen haben soll, gilt nicht nur als mutmaßlicher Straftäter. Nicht als Einzelfall, nicht mal als Individuum. Vielmehr wird er, völlig frei von Belegen oder den sonst so beliebten „Warum?“-Analysen, zum Vertreter einer vermeintlich von Gier zerfressenen Gesellschaftsschicht stilisiert, die es zu bekämpfen gilt.

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Neues vom Gute-Laune-Sozi

Sehr geehrter Herr Gabriel,

es kommt nicht gerade oft vor, dass mich eine Rede eines Sozialdemokraten nachhaltig beeindruckt. Nun ist allerdings genau das geschehen, und der Anlass dafür ist die Rede, die Sie vorigen Sonntag auf dem außerordentlichen SPD-Parteitag in Augsburg hielten. Die nämlich war tatsächlich großes Kino. Und das nicht etwa, weil Sie sozusagen mein Lieblings-Sozialdemokrat sind. Ja, das hätten Sie vielleicht nicht gedacht, aber ich mag Sie wirklich. Vor allem, weil Ihnen die eiskalte Überheblichkeit eines Peer Steinbrück und die Fähigkeit, immer so miesepetrig wie Andrea Nahles in die Kamera zu gucken, völlig fehlen. Sie dagegen sind mein persönlicher Gute-Laune-Sozi. Dass wir nur selten einer Meinung sind, tut dem keinen Abbruch.

Was mir nun aber bezüglich Ihrer Rede imponierte, war nicht Ihre Aura, sondern Ihre Wortwahl. Sie sprachen vieles an, etwa das „Zeitalter des neoliberalen Egoismus“, das endlich vorbei sein müsse (wobei ich glaube, dass wir gar nicht in einer solchen Ära leben), oder auch den „Kampf gegen diesen Kapitalismus“, den die Genossen nun aufnähmen. Besonders scheinen Sie allerdings „die wahren Asozialen in diesem Land“ mitzunehmen. Damit meinen Sie die Leute, die staatlich subventionierte Angebote und Einrichtungen nutzen, ihr eigenes Geld jedoch am Finanzamt vorbei ins Ausland bringen.

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Putzke und die Polizei - Besuch im Morgengrauen

"Jonathan S. staunt nicht schlecht, als die Staatsschützer ihm eröffnen, nun auf richterliche Anordnung die Räumlichkeiten seines Sohns, David S. (15), zu durchsuchen. Nur wenige Sekunden später stürmen sie das Zimmer des noch schlafenden Jugendlichen, konfiszieren seinen Laptop und fragen ihn, ob er Aussagen zur Sache machen möchte. „Ich war unglaublich geschockt, als plötzlich drei fremde Männer vor mir standen“, erinnert sich der 15-Jährige.

David S. hat weder jüdische Grabsteine mit Hakenkreuzen beschmiert noch den Holocaust geleugnet. Er ist auch nicht Mitglied einer autonomen Kameradschaft, sondern der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. „Beleidigung gemäß Paragraph 185 StGB“ ist es, derer die Staatsanwaltschaft München den Teenager verdächtigt. Eine Lappalie, könnte man meinen – zumindest kein Grund für eine Hausdurchsuchung. Nicht jedoch in den Augen der Münchner Justizbehörden, die in diesem Fall hochmotiviert ermitteln.

Denn David S. soll nicht irgendwen, sondern den Beschneidungsgegner und Passauer Strafrechtsprofessor Holm Putzke beleidigt haben. Den Mann also, der als „geistiger Vater“ des Kölner Beschneidungsurteils gilt und in der dazugehörigen Debatte den Ton angibt. Seit vielen Jahren fordert er ein Verbot der religiösen Beschneidung, die er als „archaisches Ritual“, Körperverletzung, gar als Akt „religiös motivierter Gewalt“, der zu Traumata führen könnte, einstuft."

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Ein bisschen Schweigen, ein bisschen Randale

Zu den spannendsten Phänomenen, die freie Gesellschaften bislang hervorbrachten, zählt auch und vor allem die Protestkultur. Egal was geschieht, ganz gleich was unterlassen wird – auf jede Entscheidung, jeden Trend und jeden Umstand folgt eine Gegenbewegung. „Ist mir egal“ gilt als fahrlässig, „Ich bin dafür“ klingt zu lasch. Wer etwas auf sich hält, muss mindestens dagegen sein.
Denn das hat nicht nur den Vorteil, sich über Alternativen keine Gedanken machen zu müssen, sondern klingt auch viel beherzter und engagierter. Gegen Gentechnik! Gegen Atomkraft! Gegen Beschneidung, Globalisierung, Kapitalismus, den Euro, wahlweise gleich ganz Europa.

Oder auch gegen Krieg, womit wir bei einer Gegenbewegung angelangt wären, die schon so einige Jahrzehnte überdauert hat, ohne ihren Reiz zu verlieren. Das liegt zum einen daran, dass immer noch Kriege geführt werden und die dazugehörigen Gegner daher immer noch eine Mission haben. Zum anderen aber auch an der Fähigkeit des Kriegsgegners, seine Umwelt nicht zu überfordern. Er ist prinzipiell immer gegen militärische Interventionen, weil Krieg tötet, Soldaten Mörder sind und kein Blut für Öl fließen soll. Das klingt nicht nur gut, sondern auch so simpel, dass sich im Grunde jeder Vorschüler zum Pazifisten rekrutieren ließe.

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Warum tötest du, Kim?

Auch ein Dasein als Diktator hat so seine Schattenseiten. Wer sich als Despot beispielsweise dauerhaft ein Plätzchen in den Schlagzeilen sichern möchte, muss dazu schon mehr als die schlichte Drangsalierung des eigenen Volks bieten. „Schillernd“ wie einst Gaddafi müsste man sein, oder wenigstens Vernichtungsfantasien à la Ahmadinedschad im Gepäck haben. Dagegen sieht der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un blass aus. Nachdem er außer einer grausamen Diktatur nichts aufzuweisen hat, muss er also hin und wieder einen Atomkrieg androhen, um das mediale Interesse zu erwecken.

Dieser Tage ist es mal wieder so weit, und das Dreigespann aus Medien, Politik und Expertentum steht vor einem Rätsel. „Was will Kim Jong Un?“, fragt etwa „Spiegel Online“, ohne darauf eine zufriedenstellende Antwort zu geben. Auch sonst gestaltet sich die aktuelle Informationslage einigermaßen wechselhaft: Mal ist Kim Jong Un verrückt, mal handelt er völlig rational. Einerseits will er ja nur den Dialog auf Augenhöhe, andererseits einen handfesten Krieg, wobei er sich den ja eigentlich gar nicht leisten könne – und falls doch, so trügen natürlich auch die Amerikaner eine Mitschuld.

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So romantisch ist der Nahostkonflikt!

Wer hierzulande etwas auf sich hält, sollte wenigstens einmal im Leben den Nahostkonflikt gelöst haben. Dass die Israelis sich bislang weder von den Friedenskonzepten rüstiger Rentner, noch von den Empfehlungen fürsorglicher Freizeit-Diplomanten überzeugen ließen, spielt dabei keine Rolle. Vielmehr gilt das olympische Motto: Dabei sein ist alles. Insofern gehört es auch für Vereinigungen aller Art – von der Freiwilligen Feuerwehr über den Lions Club bis hin zum Schrebergarten-Förderverein – zum guten Ton, die eigene Klientel hin und wieder mit einem Schuss Nahostkrisenmanagement zu versorgen.

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Es muss fast immer Holocaust sein

Oftmals liest und hört man ja, der Westen im Allgemeinen, die Deutschen im Besonderen, hätten nichts aus der Geschichte gelernt. Das stimmt aber gar nicht. „Nie wieder Krieg!“ wäre etwa eine von vielen Lehren, die nicht nur von Rentnern auf den Ostermärschen verkündet wird. Hinzu kommen „Nie wieder Rassismus!“, „Nie wieder Nazis!“ und, nicht zu vergessen, „Nie wieder Holocaust!“. All das wurde so gut verinnerlicht, dass vor allem die Deutschen mittlerweile spezielle Sensoren entwickelt haben, die bei jedem Anflug von potenziellem Holocaust umgehend Alarm schlagen.

Demnach lauert der nächste Holocaust an jeder Ecke. Dass er beispielsweise laufend am heimischen Esstisch stattfindet, haben vor ein paar Jahren die sogenannten Tierschützer von peta herausgefunden. Mithilfe der Initiative „Der Holocaust auf Ihrem Teller“ sollte daher Widerstand gegen die Fleischindustrie, also quasi die an Selleriephobie leidenden Nazis von heute, geleistet werden. Und wahrlich: Gibt es einen besseren Grund, um umgehend zum Veganismus zu konvertieren als den Gedanken an vierbeinige KZ-Häftlinge auf der Pizza? Auch und vor allem mit Blick auf die Pelzindustrie, die einen „Holocaust am Tier“ betreibt, wie man auf der ein oder anderen Anti-Pelz-Demo erfährt? Eben.

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Opferneid als Dreiteiler

"Jawohl, sie hatten es schon schwer, die Deutschen. »Waren deutsche Soldaten wirklich so grausam?«, fragte daher gleich die Bild-Zeitung. Und so ist die Trilogie eine Offenbarung für alle, die schon immer wussten, dass nicht nur die Juden, sondern auch und vor allem die Deutschen Hitler zum Opfer fielen."

Mehr in der aktuellen Ausgabe der "Jüdischen Allgemeinen" oder auch online.
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Nicht das Grüne vom Ei

Es ist durchaus nicht leicht, sich heutzutage zu einer Partei zu bekennen, ohne dabei auf dem Jahrmarkt der Tugendhaftigkeiten in Verruf zu geraten. Die CDU? Zu konservativ, verstaubt, hinterher noch rechts. Die FDP riecht dagegen nach Raubtierkapitalismus und Hoteliershintergrund, und wer SPD wählt, bekommt Steinbrück, also auch nicht den menschgewordenen Traum aller Genossen. Blieben nur noch die Grünen, die das haben, was allen anderen fehlt. Denn grün, das hat sich mittlerweile herumgesprochen, ist nicht nur ein Programm, sondern ein Lebensgefühl. Manchmal sogar ein Glaubensbekenntnis. Grün steht für Yogamatten, Bionade, Mülltrennung und das Bewusstsein, stets so zu handeln, wie es allgemein als „gut“ anerkannt ist.

Ohnehin ist vollumfängliches Gutsein das Stammkapital der Grünen. Hier werden alle „abgeholt“. Frauen werden nicht mit Herrenwitzen, sondern mit Quoten, Geringverdiener mit Mindestlöhnen und Zuvielverdiener mit höheren Steuern bedacht. Auch sonst wird niemand diskriminiert: weder Transsexuelle noch Bürger mit Migrationshintergrund, ja, nicht mal der iranische Botschafter.

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Sex and the Chuppa

"Um den Leser bis dahin weiterführend zu unterhalten, wartet der Roman mit einem zusätzlichen brandheißen Thema auf: Sex. Da wäre etwa die hochschwangere Trauzeugin (und zugleich Erzählerin des Romans), die den Leser nicht nur fortlaufend mit der überraschenden Erkenntnis konfrontiert, dass sie sich zum Platzen fühlt. Nebenbei hätte sie auch noch gerne Sex. Nur fehlt ihr eben der passende Mann. Ein ähnliches Schicksal erleidet Trauzeugin Nummer zwei, die zwar einen Mann, aber aufgrund von dessen Erektionsstörungen trotzdem keinen Sex hat. Ganz im Gegensatz zu den restlichen Hauptfiguren, die Sex wahlweise immer, nur manchmal oder mit dem Falschen haben. Womit sie sich wiederum dramatisch von den Nebendarstellern unterscheiden, die – man möchte es gar nicht ahnen – über nichts Geringeres als Sex reden."

Mehr in der aktuellen Ausgabe der "Jüdischen Allgemeinen" oder auch online.
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Gauck und die sieben Zwerginnen

Dass nun auch Bundespräsident Gauck unter die Sexisten gegangen ist, wäre vermutlich niemandem so rasch aufgefallen, wenn „Spiegel Online“ nicht eifrig mitgeholfen hätte. „Sexismusdebatte: #Aufschrei gegen Gauck“ hieß es da vorigen Mittwoch, unübersehbar als Top-Thema auf der Startseite platziert. Ach du Schreck, noch ein prominenter Sexist! Was mag da bloß geschehen sein? Hagelte es etwa Handküsse, oder, noch schlimmer, Tanzkarten?

Nicht doch. Der Bundespräsident hat viel mehr verbrochen, wie sich bei der Lektüre herauskristallisiert: „In einem offenen Brief kritisieren junge Frauen Bundespräsident Joachim Gauck für dessen Äußerungen zur Sexismusdebatte.“ Der Anlass dafür war ein Interview, in dem er die #aufschrei-Debatte rund um Brüderle als „Tugendfuror“ bezeichnete und zudem meinte, hierzulande keine „besonders gravierende, flächendeckende Fehlhaltung von Männern gegenüber Frauen“ ausmachen zu können.

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Deutschland macht die Mutprobe

Es gibt durchaus ein paar Disziplinen, die wir Deutsche wie kein anderes Volk beherrschen. Sicher, der Export lief schon mal besser, und über Dichter oder gar Denker ließe sich ebenfalls streiten. Dafür liegen unsere Stärken woanders: etwa im Erteilen guter Ratschläge an andere Länder, oder gerne auch in der Umsetzung von Großprojekten, die niemand bezahlen kann (Stichwort Energiewende). Das können wir richtig gut. Noch besser, wenn nicht gar unschlagbar, sind wird allerdings immer dann, wenn es darum geht, Mut zu beweisen.

Tatsächlich sind die Zeiten, da engagierte Mutbürger noch Mangelware waren, längst vorbei. Man muss auch keineswegs eine Mädchenschule am Hindukusch oder Oppositionelle auf Kuba besuchen, um zu erfahren, was „Mut“ bedeutet. Es reicht schon, sich in heimischen Gefilden umzusehen. Dort nämlich wimmelt es nur so von engagierten Mitbürgern, die keine Gelegenheit auslassen, um ihren Mut ohne Grenzen unter Beweis zu stellen.

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Quotenfrauen im Rausch der Endorphine

Was treiben eigentlich dynamische Journalistinnen, wenn sie Feierabend haben? Richtig, sie tun etwas Gutes. Und zwar ausnahmsweise für sich selbst, frau gönnt sich ja sonst nichts. Bestaunen kann man das auch und vor allem im Netzwerk „ProQuote“, wo Journalistinnen zueinander finden, um eine Frauenquote in der Medienbranche – 30% in Führungspositionen, und zwar auf allen Hierarchiestufen bis 2017 – zu etablieren. Denn, so die schockierende Nachricht der Matheprofis von ProQuote: „Nur zwei Prozent aller Chefredakteure der rund 360 deutschen Tages- und Wochenzeitungen sind Frauen, von den 12 Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind lediglich drei weiblich.“

Da die Noch-nicht-Quotenfrauen aber nicht nur gut im Rechnen, sondern noch besser im Kaffeesatzlesen sind, ist die Wurzel allen Übels schnell identifiziert. Schuld sind – wer hätte das geahnt – die Männer. Deren Lieblingsbeschäftigung besteht natürlich darin, all den hochqualifizierten Top-Journalistinnen da draußen den Zugang zu den Zirkeln der Macht zu versperren. So zumindest erklären sich die toughen Medienmacherinnen den akuten Frauenmangel in der Chefetage.

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Das Märchen vom bösen Online-Giganten

Es gibt Geschichten, die uns immer wieder begeistern. Enthüllungsberichte über Machenschaften von Politikern in dunklen Hinterzimmern, oder ebenso über Konzerne, die den kleinen Mann ordentlich ausbeuten und den Profit einstreichen. Also Konzerne wie Amazon. Der nämlich malträtiert seine Mitarbeiter, beutet sie aus, lässt sie von Neonazis bespitzeln und aus fernen Ländern wie Ware importieren. Das zumindest wollen knallharte und tapfere Reporter des HR unter Einsatz ihrer eigenen Sicherheit enthüllt haben, wobei das Gesamtkunstwerk unter dem Titel „Ausgeliefert!“ neulich in der ARD zu bestaunen war.

Ziemlich mies also, dieses Amazon. Gesammelte Wutbürger löschen deshalb dieser Tage reihenweise ihre Amazon-Konten, unterschreiben Petitionen und proben im Netz mutig den Widerstand gegen „Arbeitslager“ und „Sklavenarbeit“ innerhalb des US-Unternehmens. Fortgeschrittene hingegen, die es nicht beim Boykott belassen wollen, können mittlerweile auch bei „Zeit Online“ die „Zerschlagung“ des Unternehmens eruieren.

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Der verlorene Moralkompass der Claudia R.

Zu den kuriosesten Figuren, die das politische Ensemble der Grünen hervorgebracht hat, zählt zweifellos deren Bundesvorsitzende Claudia Roth. Ihr dabei zuzusehen, wie sie sich mit der ihr eigenen Empörungsgabe den Weg über das politische Parkett bahnt, entbehrt nicht eines gewissen Unterhaltungswerts. Ganz egal, ob es sich um Herrenwitze an der Bar, Neonazis in Dresden oder Schweine in Großmastanlagen dreht – Claudia schweigt nicht. Niemals. Erst recht nicht, wenn sie den Gegenstand der Empörung noch nicht ganz durchschaut hat.

Auch die Zustände im Iran lassen die „Reformhausvariante von Cindy aus Marzahn“ (Dirk Niebel) nicht kalt. Natürlich weiß sie, was die dort lebenden Menschen am dringendsten benötigen: nämlich ein Goethe-Institut. Eine schöne Idee, die zeigt, dass Claudia Roth selbst im Umgang mit Diktatoren ihren Sinn für Prioritäten bewahrt.

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Die Erbsenzähler vom Dienst

Was ist das doch aufregend! Die Sexismus-Debatte ist noch gar nicht richtig kalt, da steht schon wieder ein neues „Gate“ ins Haus. Annette Schavan löst Rainer Brüderle ab, das Plagiat ersetzt das Dirndl, nur die Empörung, die bleibt gleich. In diesem Fall sogar einigermaßen zu Recht. Denn natürlich gehört es sich nicht, fremde Ideen als die eigenen zu verkaufen und damit die Lorbeeren einzufahren. Nicht im Journalismus, nicht in der Kunst oder in der Literatur, und auch nicht in der akademischen Welt. Wobei es bei abgekupferten Doktorarbeiten noch ein bisschen anders ist. Sollte ein promovierter Politiker wirklich abgeschrieben haben, steht gleich die Wissenschaft, der Bildungsstandort Deutschland, das große Ganze auf dem Spiel. Heißt es.

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“suchmaschienen lassen sich nicht veraschen” - Der Kurator der Piraten auch nicht

Neuerdings gibt es in meinem Leben nicht nur ein Lieblings-MdB, sondern auch einen Lieblings-Redaktionsleiter. Zugeben:  In erster Linie macht er was mit Kunst, mittlerweile aber auch viel mit Medien. Denn als Kurator und „Künstlerischer Direktor“ einer Künstler-Gesellschaft liegt ihm viel daran, Kultur nicht nur zu fördern, sondern auch zu verbreiten. Dazu betreibt er als Redaktionsleiter ein „Kultur und Lifestyleportal“, das sich „als Dienst für die Anliegen der Kreativwirtschaft“ versteht.

Da mein Künstlerfreund allerdings viel beschäftigt ist, kommt er selbst weniger zum Schreiben und fördert stattdessen die Copy-Paste-Kultur. Sein Portal tapeziert er im Wesentlichen mit Agenturmeldungen, Bildern und Texten, die zuvor schon woanders erschienen sind. Auch einige meiner Texte, die oft zuerst auf Achgut online gingen, haben es ihm offenbar angetan. Und zwar so sehr, dass er vor lauter Begeisterung regelmäßig vergaß, meine Erlaubnis einzuholen, bevor er sie in voller Länge und meist ohne Quellenangabe in seinem Portal verwertete. Natürlich inklusive Fotos meiner selbst, die er zur Dekoration meiner Texte nutzte. Die wiederum beschaffte er sich aus meinen Facebook-Foto-Alben, die er wohl mit einem Selbstbedienungsladen verwechselt haben muss.

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Dirndl-Gate vs. Gruppenbild mit Diktator

 Wie wir als Deutsche und Anti-Sexisten vergaßen, den Bikini- und Juden-Verächter Mursi mit einem #aufschrei zu bedenken. 


Seit der FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle ein Downgrade zum „spitzen Kandidaten“ erfahren hat, müssen wir alle uns dringend fragen, ob Deutschland tatsächlich unter erhöhtem Sexismus leidet. Das Schöne an diesem Diskurs ist allerdings, dass nahezu jeder etwas dazu beitragen kann. Die Talkshow-Intelligentia debattiert über die Frage, ob frau sich traumatisierende Sprüche wie „Sie sind ja nicht nur hübsch, sondern auch noch intelligent“ gefallen lassen muss. Weitgehend unbekannte Bloggerinnen befördern sich indes zum Sprachrohr aller Frauen und wissen gar nicht mehr, wem sie zuerst ein Interview über das alltägliche Hinterhergepfeife auf deutschen Straßen geben sollen. Und auch Claudia Roth ist voll in Fahrt und findet: „Es reicht!“

Echte Vergewaltigungsopfer, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, müssen dabei leider draußen bleiben. Zum Schluss könnten sie noch denjenigen Hauptstadtjournalistinnen die Show stehlen, die zwar nicht zwischen Petitessen und Sexualverbrechen unterscheiden können, dafür aber umso eindrucksvoller ihr Tagebuch ins Feuilleton übertragen. So ein „Tabubruch“ kommt schließlich auch nicht alle Tage.

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Mein Leben als Opfer

Wie ich nun den Medien entnehme, bin ich ein Opfer. Oder nein, ich bin es nicht nur, ich war es schon immer und werde es womöglich immer bleiben: ein Opfer des alltäglichen und überall auflauernden Sexismus und der Männer, die ihn praktizieren. Handküsse, Komplimente, Avancen – alles schon erlebt, alles für unspektakulär und nicht sexistisch gehalten. Doch nun, da sich die Dirndl-Brüderle-Affäre zu einer Sexismus-Debatte auswächst, weiß ich es besser. Von gestern auf heute wurde ich zum Opfer befördert und muss mich erst mal in meiner neuen Rolle einrichten.

So erfordern nette Komplimente für das Aussehen gemäß „Spiegel“ unbedingt ein lautes „Stopp“, Alice Schwarzer rät indes vom Lächeln ab, und zwischendurch soll, nein, muss frau auch noch laut auf Twitter #aufschrei-en, um die Geschlechter-Revolution endlich zu vollziehen. Ziemlich stressig also. Und wie verrückt ist es eigentlich, das ganze Leben lang ein Opfer zu sein und genau das komplett verpennt zu haben? Warum hat mir niemand Bescheid gesagt?

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Wahldebakel im Medienwald

Es gibt bekanntlich viele Möglichkeiten, sich im Journalismus zu entfalten. Der eine findet sein Glück beim „Goldenen Blatt“, wo er Herzogin Camilla Brustkrebs andichten darf, der andere im ARD-Studio Washington, der Nächste auf den „Spuren der Drogenmafia“ im kolumbianischen Hinterland. Eine nicht zu vernachlässigende Anzahl an Schreiberlingen hingegen hat sich mittlerweile auf professionelles Kaffeesatzlesen spezialisiert. Viele von ihnen findet man im Politik-Ressort, wo sie immer dann zu Hochform auflaufen, sobald Wahlen ins Haus stehen, deren Ausgang sie Kraft des Wortes schon im Vorfeld bestimmen.

Dahingehend war gerade in letzter Zeit viel zu tun. Angefangen in Niedersachen, wobei Angehörige der Medienbranche natürlich schon länger wussten, dass es knapp werden dürfte, die Liberalen jedoch tendenziell keine allzu wichtige Rolle spielen würden. Logisch, denn die Umfragen schienen eindeutig, und wenn Infratest etwas sagt, dann ist es so. Aber ein bisschen Nachhilfe könne ja nicht schaden, dachte man, und beförderte die Partei schon mal vorsorglich in den Orkus. Und zwar über Monate hinweg. Der Reiz des FDP-Bashings liegt offenbar darin, dass es nie langweilig wird und genauso wenig aus der Mode kommt.

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Himmelreichs Beschwerden

Die aktuelle Ausgabe des „stern“ ist eine Offenbarung für alle, die schon immer wussten, dass es trotz Gleichberechtigung nach wie vor miserabel um die Lage deutscher Frauen bestellt ist. Unter dem Titel „Der Herrenwitz“ enthüllt die stern-Autorin Laura Himmelreich schier Unfassbares über den „spitzen Kandidaten“ Rainer Brüderle und dessen Testosteronhaushalt. Der Tatort: Eine Hotelbar, wo der FDP-Mann ihr vor rund einem Jahr angeblich auf die Pelle gerückt sein, dumme Sprüche gerissen und wohl ein bisschen zu lang in Richtung Dekolleté geguckt haben soll. Ein waschechtes „Gate“ also, das Himmelreich, die praktischerweise Zeugin der Anklage und Berichterstatterin in einem ist, damit geöffnet hat.

Der/die besorgte Leser_In stellt sich jetzt natürlich Fragen: Hat die Autorin wirklich so lange gebraucht, um dieses Trauma öffentlichkeitswirksam im „stern“ verarbeiten zu können? Oder war es doch die Nominierung Brüderles zum Spitzenkandidaten, die gewisse Erinnerungen weckte? So in etwa. „Eine Geschichte über das ‘neue Gesicht’ der FDP [hat] nun eine andere Relevanz“, vermeldete Himmelreich jüngst auf Twitter; was so klingt, als wäre Brüderle zum Tatzeitpunkt nicht als FDP-Fraktionschef, sondern als Protokoll-Führer des örtlichen Gärtnervereins tätig gewesen. Ob auch das geforderte „Mehr an Zivilisation“ und die Chauvi-Krise an sich heute relevanter als gestern sind, behält sie indes lieber für sich.

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Kleines Einmaleins der Doppelmoral

Nicht nur die Mode, auch die Moral unterliegt dem Wandel der Zeit. Je länger Krieg und Elend zurückliegen, desto intensiver widmet sich der moderne Europäer dem Ausbau seines guten Gewissens. Wobei er natürlich, ganz dem Zeitgeist entsprechend, Prioritäten setzt: Mit Ungerechtigkeiten vor der Haustür gibt er sich gar nicht erst ab. Es muss schon das Geschehen auf der Weltbühne, und hier wiederum eine ganz bestimmte Konstellation sein, um automatisch in den Empörungsmodus zu wechseln.

So starben allein vorige Woche in Pakistan über 100 Menschen bei Terroranschlägen, während auch in Syrien weiter gemordet, im Iran kontinuierlich gesteinigt und in Nordkorea nach wie vor gefoltert wurde. Trotzdem fühlten sich weder Jürgen Todenhöfer noch Margot Käßmann oder Günter Grass dazu berufen, das weltweite Sterben kritisch zu kommentieren. Logisch, denn schließlich waren hier keine Problem-Völker, also weder Juden noch Amerikaner, maßgeblich beteiligt. Es gibt aber noch einen weiteren Grund für das selektive Schweigen, der neulich in der „Frankfurter Rundschau“ eruiert wurde:

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Tweet ohne Israel

Boykott-Aktionen, Gaza-Flotten, Demos und Kolumnen: Die sogenannte »Israelkritik« kennt mittlerweile viele Werkzeuge. Der Rapper und Bambi-Preisträger Bushido hingegen hat nun die einfachste Methode gewählt. Wer wissen will, wie er es mit Israel hält, muss nur seinen Twitter-Account besuchen. Dort nämlich nutzt er eine Landkarte als Profilbild. Genauer: eine mit »Free Palestine« betitelte Nahostkarte, auf der man kein Israel, dafür aber einen Palästinenserstaat vom Jordan bis zum Mittelmeer ausmachen kann. Ganz so, wie es auch der Hamas genehm wäre.

Weiter geht's in der "Jüdischen Allgemeinen".
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Ruprecht und das selektive Differenzieren

Ein unscheinbares Berliner Café ist der Ort, an dem sich erst neulich Freitag-Verleger Jakob Augstein und Ruprecht Polenz (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, zu einer außerordentlichen Krisensitzung verabredeten:

Jakob Augstein: „Herr Polenz, mir wird das alles zu viel. Eigentlich wollte ich ja nur Israel kritisieren, aber irgendwie ist da was schief gegangen, und jetzt halten mich alle für einen Antisemiten.“

Ruprecht Polenz: „Das kann doch jedem mal passieren. Künftig müssen Sie eben etwas geschickter vorgehen.“

JA: „Natürlich, aber wissen Sie, ich bin ja wirklich kein Antisemit. Und da dachte ich, eventuell könnten Sie als enger Freund Israels mal ein gutes Wort für mich einlegen …?“

RP: „Dieser Bitte komme ich gerne nach. Außerdem müssen doch gerade wir als Freunde Israels -“
JA: „… Israel kritisieren?“ (RP nickt mehrmals) „Sehe ich genauso. Und zusammenhalten müssen wir auch, also, sofern es Ihre Zeit nicht allzu sehr beansprucht.“

RP: „1. Machen Sie sich da mal keine Sorgen. 2. Der Auswärtige Ausschuss kommt gelegentlich auch ganz gut ohne mich aus. 3. Ich habe über 5000 Freunde bei Facebook, die ganz ähnlich wie Sie denken, für deren Beiträge ich aber NICHT verantwortlich bin. 4. Ich gehe sowieso bald in Rente.“

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Das Dschungelcamp der Anderen

Nun ist es endlich so weit: Alle Jahre wieder versorgt RTL sein verwöhntes Publikum mit bewegenden Momenten aus dem australischen Dschungel. Dass statt Promis nur Promi-Darsteller mit von der Partie sind, die in der Hoffnung auf den Aufstieg von der Z- in die C-Liga Dinge tun, die nicht zur Nachahmung empfohlen sind, ist dabei ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts. Schmährufe aus dem Feuilleton und Tierschützer in Aufruhr gehören genauso zum Dschungelcamp wie „Doctor Bob“ und Känguru-Hoden.

Dabei wäre es doch so einfach, das als kulturlos verschriene Dschungelcamp in ein etwas niveauvolleres Format zu verwandeln. Man müsste nur den ein oder anderen Ex-DSDS-Kandidaten und womöglich sogar die erfolgsfreie „Bachelor“-Anwärterin durch Personen des öffentlichen Lebens ersetzen, um der grünen Resterampe einen Touch von Relevanz zu verleihen. Warum entsenden wir also nicht zur Abwechslung eine illustre Delegation, bestehend aus Kandidaten wie Peer Steinbrück, Bettina Wulff, Lothar Matthäus, Klaus Wowereit und Alice Schwarzer, nach Australien?

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To discuss or not to discuss


Grußwort an den „Freundeskreis Israel in Regensburg und Oberbayern e.V.“ anlässlich der Jahresversammlung, verlesen am 08.01.2013 in Regensburg von Prof. Dr. Roland Hornung
 

Liebe Damen und Herren, verehrte Hummus-Liebhaber und Israel-Urlauber,

um es gleich vorweg zu sagen: Ich habe noch nie ein Grußwort verfasst und bin mir auch nun, da ich diese Zeilen schreibe, nicht ganz im Klaren darüber, was „man“ an dieser Stelle so sagt. Erwarten Sie also bitte keine feierliche Rede, die mit jeder Menge Weisheit und Moralin daherkommt. Das wäre nicht mein Stil, und außerdem denke ich, dass Sie davon schon genug gehört haben werden. Bevor ich aber meine persönliche Grußwort-Premiere begehe, möchte ich noch kurz anmerken, dass ich mich angesichts dessen sehr geehrt fühle. 

Halten wir uns aber nicht lange mit Floskeln auf, sondern kommen gleich zum Thema. Denn zu Israel gibt es bekanntlich viel zu sagen. Auch und vor allem in Deutschland, wo bald jeder Haushalt über einen eigenen Israel-Referenten  verfügt. Wir leben diesbezüglich tatsächlich in verrückten Zeiten: Die Schuldenkrise nimmt kein Ende, die US-amerikanische Wirtschaft sieht turbulenten Zeiten entgegen, die arabischen Staaten durchleben ihren Frühling, Herbst, oder Winter - suchen Sie es sich aus -, und wir selbst wählen dieses Jahr unseren Bundeskanzler. 

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Von Flughäfen, Hochstaplern und Hauptstadtmedien

Ein schöner goldener Herbsttag im Münchener Hofbräuhaus. Jennifer Nathalie Pyka hat sich nur eine Cola bestellt, der Interviewer übernimmt sich mit zwei Maß und muss seit Beginn seines Aufenthalts anerkennen, dass die bayerische Landeshauptstadt seiner Berliner Heimat einiges voraus hat.

Daniel Fallenstein: Was macht eigentlich München so schön?  

Jennifer Nathalie Pyka: München ist übersichtlich, gemütlich und noch nicht völlig verarmt. Gut, das, was heute unter Schicki-Micki firmiert, muss man schon ertragen können. Die Arroganz auch, aber München kann sie sich wenigstens erlauben. Aber abgesehen davon erhöht es die Lebensqualität schon wesentlich, wenn man sich im Grunde darauf verlassen kann, dass die Polizei vergleichsweise schnell und nicht erst dann kommt, wenn man schon erfolgreich verprügelt und halbtot am Boden liegt.

DF: Was kennst Du denn eigentlich von Berlin?

JNP: Die schmutzigen Seiten…

DF: … die Mauer?

JNP: Ich habe mal eine Rundreise unternommen, klassisch mit dem Touristen-Bus, einmal vorbei am Brandenburger Tor, quer durch die Stadt, inklusive Gendarmenmarkt, Holocaustmahnmal, Checkpoint Charlie und so weiter, bis hin zum Regierungsviertel und wieder zurück. Soweit ganz nett, aber dennoch hat Berlin schlichtweg kein Flair. Das merkt man schon bei der Ankunft in Tegel, einem Flughafen, der zwar immerhin existiert, aber eben auch unglaublich hässlich ist. Gleichzeitig hält Berlin wahnsinnig viel auf sich selbst, obwohl eigentlich auf nichts Verlass ist und bestimmte Ecken offenbar systematisch verwahrlosen. Sexy ist Berlin daher übrigens auch nicht. Eher arm und unsexy. (Mit einem betont unschuldigen Blick auf den gequält wirkenden Interviewer) Tut mir leid, ich kann ja auch nichts dafür.  (lacht)  Wie gesagt: nur gegen Schmerzensgeld.


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Jakob und seine Jünger

Kaum hat die Beschneidungsdebatte etwas an Lautstärke verloren, da steht schon wieder eine neue Diskussion über Juden ins Haus. Denn dass „Spiegel“-Kolumnist und „Der Freitag“-Verleger Jakob Augstein vorige Woche vom Simon Wiesenthal Center in die Hall of Shame der Antisemiten befördert wurde, kann natürlich niemand, Ahnung hin oder her, unkommentiert lassen. Ungerechtfertigt soll er sein, Augsteins neunter Platz, lächerlich und gar von rufmörderischer Qualität, um nur einige Urteile zu nennen, die derzeit so im Netz gefällt werden. Und der Geehrte selbst findet es „betrüblich“, wenn der „Kampf (gegen Antisemitismus) geschwächt wird“, was „zwangsläufig der Fall“ wäre, sobald „kritischer Journalismus“ (also seiner) als „antisemitisch diffamiert“ würde.

Nun sind Gefühlswallungen dieser Art zunächst sehr nachvollziehbar und verständlich. Schließlich weiß der aufrichtige Deutsche ganz genau, woran man den gemeinen Antisemiten erkennt: an Thor-Steinar-Klamotten, Glatze und NPD-Mitgliedsausweis. Und an Gaskammern, zweifellos. Doch damit hat ein Jakob Augstein, dieser gebildete und gut gekleidete Mann, geradezu das Aushängeschild der links-intellektuellen Elite, nichts am Hut. Seine Spezialität besteht dagegen in Kolumnen, die gemeinhin das Label „Israelkritik“ tragen und laut landläufiger Meinung einen wichtigen Beitrag zur deutsch-israelischen Freundschaft leisten.

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