Bitte beachten Sie mich nicht!

Achtung, verehrte Leserinnen und Leser: Dies ist nicht nur meine 81., sondern auch meine letzte Kolumne für The European. Und für diejenigen, die das erst jetzt erfahren, folglich in gerade diesem Moment erleichtert „Endlich!“ seufzen und umgehend die Korken knallen lassen werden, tut es mir fast schon leid, Sie an diesem Freitag ein weiteres Mal zu quälen. Aber da müssen Sie nun durch – bleiben Sie stark, bald ist es überstanden.

Um Ihnen das Finale allerdings so angenehm wie möglich zu gestalten, habe ich mir ein besonderes Thema ausgesucht. Eines, das Ihren Blutdruck sicherlich nicht überstrapazieren wird (hoffe ich zumindest). Nein, an dieser Stelle soll es um etwas Schönes gehen. Nämlich um Sie. Ja, genau, um Sie, die geschätzte Leserin und den werten Leser, besonders aber um die edle Riege der Leserbriefschreiber.

Denn gerade für Letztere habe ich im Grunde seit jeher eine Schwäche, verbunden mit großem Verständnis. Umso mehr freut es mich natürlich, dass Sie sich seit Anbeginn dieser Kolumne stets zuverlässig, regelmäßig, pünktlich und in großer Zahl an diesem Ort eingefunden haben. Leider habe ich irgendwann – vermutlich, seit die Anzahl der Leserbriefe um die 100 kreiste und somit mein Zeitpensum schon längst überschritten war – völlig den Überblick verloren, weshalb ich jetzt und hier nicht jeden namentlich würdigen kann. Insofern bleibt mir nur eines: Vielen Dank an „Ihr Name“ 1 bis 99 und alle anderen für Ihr reges Interesse; es war mir eine Ehre!

Doch halt – natürlich war es keineswegs Interesse an meinen Kolumnen, das Sie magisch anzog. Das haben Sie mir oft genug klargemacht. Vielmehr war es Ihnen ein Bedürfnis, mir mitzuteilen, wie überflüssig, mies, peinlich, erbärmlich, dümmlich, naiv, blödsinnig, nichtssagend, oberflächlich, schlecht recherchiert, nicht der Rede wert, langweilig, albern oder gar beängstigend Sie diese fänden. „Wieder mal“, wohl gemerkt. Und damit ich das auch bloß nicht vergesse, waren viele von Ihnen sogar so selbstlos, mich Woche für Woche daran zu erinnern und somit Freitag für Freitag, Samstag für Samstag „wertvolle Lebenszeit zu verschwenden“. Dabei rührten mich besonders die unzähligen Leserbriefe, die zum Beispiel so
„Verehrte Frau Pyka, ich (…) weise nur mal zart drauf hin, dass Sie schon öfter ziemlich unausgegorenen Schrott von sich gegeben haben. (…) Wie kann man nur einen solchen Unsinn von sich geben, der zudem in sich auch noch nicht einmal stimmig ist. Es macht aber keinen Sinn, das im Einzelnen auseinander zu klamysern, weil einfal Alles dumm und falsch ist. Auf zwei Dinge möchte ich aber schon noch hinweisen (dürfen):“ (sic!)
oder so
„Ich versuchte lange vergeblich, mir aus diesem semantischen Geröll ein geistiges Bild zu formen … inzwischen hab’ ich’s:“
begannen, und dann zuverlässig in detaillierte Analysen über die Oberflächlichkeit meiner Texte mündeten, die locker von der Alster bis an den Tiber reichen. Was in mir wiederum den Verdacht erweckt, größtenteils von Mitgliedern der „Anonymen Masochisten“ gelesen zu werden. Doch da dürfen Sie mich natürlich gerne eines Besseren belehren.

Ein wenig Sorge bereitete mir dagegen ein anderer Typ Leser. Genauer: die „Liebe Redaktion, verschonen Sie uns bitte von Pyka-Beiträgen!“ -Leser, welche um „Erholung“ und „Regeneration“ flehten. Gerne hätte ich all jenen geschundenen Seelen geholfen, ihnen vielleicht zur Schmerzlinderung ein „SZ“-Abo oder eine Packung Baldrian spendiert – jedoch, sie bevorzugten zumeist die Anonymität. Und klangen übrigens unter anderem so:
„Liebe ,Münchnerin‘ J. N. Pyka (man muss sich als Münchner wirklich für Sie schämen!),
dieser Artikel war kein Ausrutscher von Ihnen, denn alle Ihre Beiträge sind gleichermaßen schlecht recherchiert, unausgegoren, von grenzenloser Naivität und letztlich auch einfach nur dämlich! Einige Vorschreiber haben das ihre schon dazu erwähnt, es muss von mir hier nicht wiederholt werden. Was ist nur los mit dem THE EUROPEAN? Es geht nicht darum, dass hier jemand schreibt, der eine andere Meinung hat wie Andere, sondern dass von Frau Pyka oftmals bewusst oder unbewusst Unwahrheiten (von der Themenauswahl ganz abgesehen) verbreitet werden, die dann auch noch mit unausgegorenen Schlussfolgerungen dieser offenbar noch nicht ganz erwachsenen Selbstdarstellerin verbrämt werden. Es tut das Lesen an manchen Stellen richtig weh! Ich halte solche Beiträge für eine Zumutung und bitte um ernsthafte Überprüfung durch die Redaktion und den Chefredakteur (Alexander Görlach) des The European, ob ,uns‘ Beiträge von Frau Pyka weiterhin zugemutet werden sollen.“


Doch es sind nicht nur solche Briefe, die mich bewegten. Auch Ihre freundlichen Tipps in Bezug auf Bildungswege, therapeutische Behandlungsmöglichkeiten und das Leben generell beeindruckten mich stets zutiefst. Was haben Sie mir nicht alles geraten! Älter werden zum Beispiel. Denn schließlich sei es ja sinnlos, „einem noch lebensunerfahrenen kleinen, hinter den Ohren noch grünen Mädel, das einfach nur schwätzt, ohne die Inhalte zu begreifen“ die Welt zu erklären. Daneben rieten Sie mir wahlweise, meine „Berufswahl zu überdenken“, bitte nur noch über Mode zu schreiben und mich mal „ab ins Politikwissenschaftsseminar“, dann doch „zurück zur ,Bild‘-Zeitung“ oder alternativ „zur Therapie wegen der Zeit bei ,Bild‘“ zu begeben. Ratschläge also, die – gemessen an ihrem Debattenwert – nur noch vom sehnlichen Wunsch eines Kolumnisten, die Redaktion möge mich doch vor mir selbst schützen, übertroffen wurden:
„Denn Frau Pyka will eben das: Sie möchte über unfassbar miese, Hetz-Artikel auserwählt sein, was sie per Geburt nicht ist. Und sie weiß um dieses elende Gutmenschentum in Deutschland, das sich garantiert wieder über Gebühr über diese beknackten Artikel aufregt und ihr so Aufmerksamkeit generiert. So ähnlich wie Robbie Williams, wenn er auf der Bühne seinen Arsch zeigt, nur hässlicher. Ich persönlich finde es grotte-peinlich. Zumal die Jungs hier scheinbar nicht Willens oder nicht in der Lage sind, die Kollegin vor sich selbst zu schützen. Gruselig.“
Allein – es half alles nichts. Und das ist irgendwie auch gut so. Ich habe jede Woche aufgeschrieben, was mir erwähnenswert erschien, Sie wiederum hatten jede Woche etwas „Irrelevantes“ zum aufgeregten „eigentlich Nicht-Beachten“. Eine perfekte Symbiose, die durch all die konstruktiven und tatsächlich reizenden Zuschriften, die ich freilich in gleichem Maße erhielt, abschließend gekürt wurde. Insofern bleibt nur zu sagen: Schön, dass es Sie gibt, machen Sie weiter so, und sollten Sie mich vermissen, wissen Sie ja, wo Sie mich finden.

Herzlichst
Ihr „F.-J.-Wagner-Abklatsch“, „Dieter Bohlen der Bloggerszene“, „Broder-Häschen“ und „Krawallgirlie“ vom Dienst
Jennifer Nathalie Pyka



Zuerst im Rahmen der Kolumne "Neues aus Meschuggestan" auf "The European" erschienen.

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