Rückkehr der Flaschengeister: Von Antisemiten, Machos und ihren Advokaten

Es ist noch gar nicht lange her, da trafen sich mehrheitlich junge wie perfekt integrierte Migranten Tag für Tag auf Deutschlands Straßen, um für „Frieden in Palästina“ zu demonstrieren. Der im Sommer 2014 stattfindende Gazakrieg, so verlautbarte es der Medienwald, mache die Teilnehmer schlicht und ergreifend „wütend“, und Wut brauche schließlich ein Ventil. Schon bald hieß es nicht mehr nur „Kindermörder Israel“ oder „Allahu Akbar“, sondern auch „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!“.

Ein bedauerlicher Vorfall, der als genauso singulär galt wie mit Flaschen beworfene Pro-Israel-Demonstranten, ein missglückter Brandanschlag auf eine Synagoge in Wuppertal und eine Polizei-Aktion in Frankfurt, im Rahmen derer die zuständigen Beamten den Demonstranten gleich mal den eigenen Lautsprecher zur Verfügung stellten, um die Situation zu „beruhigen“.

Es war kein Bürgerkrieg, es sah einfach nur so aus


Auch nebenan in Frankreich war Einiges geboten. Hie und da wurde ein bisschen Feuer gemacht, was besonders gut mit Israelflaggen und Autos funktionierte. Parallel dazu stürmten nordafrikanische Friedensaktivisten das jüdische Viertel Sarcelles, um dort fröhlich zu randalieren. Natürlich handelte es sich dabei nicht um Szenen eines Bürgerkriegs. Es sah einfach nur so aus. Dass es in failed states wie Berlin nicht so weit kam, liegt vermutlich auch daran, dass es dort überhaupt kein jüdisches Viertel mehr gibt, dessen Fensterfassaden sich zertrümmern ließen.

Seitdem ist viel passiert. Deutschland verzeichnet mehr als eine Million neuer Mitbewohner aus Teilen Afrikas und dem Orient, die zunächst irrtümlicherweise für die Rettung der Rentenkasse gehalten wurden. Dafür allerdings tun uns die Flüchtlinge allerhand psychohygienische Gefallen. Kraft ihrer bloßen Anwesenheit auf deutschem Boden verhelfen sie uns zu moralischer Überlegenheit. Jede Turnhalle verwandelt sich in einen magischen Ort, an dem sich die private Altkleidersammlung gegen ein gutes Gewissen eintauschen lässt.

Nun stellt sich jedoch heraus, dass sich einige Neu-Flüchtlinge in Köln als polizeibekannte nordafrikanische Antänzer tarnten, um auf diese Weise an Silvester Frauen kollektiv sexuell zu belästigen und auszurauben. Die Tatsache, dass das nicht nur in Köln, sondern in nahezu jeder größeren deutschen Stadt so oder so ähnlich gehandhabt wurde, tut der arabisch-deutschen Symbiose allerdings keinen nennenswerten Abbruch. Bis es so soweit kommt, müsste sich erst ein Syrer der Steuerhinterziehung schuldig gemacht haben.

“Es werden lediglich die Grenzen zwischen verschiedenen Lebensstilen ausgelotet”


Stattdessen erfährt man etwa im Berliner „Tagesspiegel“, in Köln sei lediglich „eine „Freistil-Situation“ entstanden, in der die Grenzen zwischen [diesen] verschiedenen Lebensstilen ausgetestet worden seien“. Eine interessante Interpretation, die mit der Realität genau so viel zu tun hat wie die erste Pressemeldung der Kölner Polizei, wonach die Silvesternacht „weitgehend friedlich verlaufen“ sei. Andererseits sind derlei Theorien auch nicht ungewöhnlich für eine parallele Mediengesellschaft, in der die antisemitischen Groß-Veranstaltungen des Sommers 2014 wahlweise als Friedensbewegung oder „Zusammenrottung erlebnisorientierter Jugendlicher“ gehandelt wurden.

Die Flüchtlinge hingegen, so scheint es, verfügen offenkundig über eine wundersame Gabe. Sie verhelfen uns dazu, endlich selbstkritisch all jene deutschen Abgründe zu adressieren, die viel zu lange verschwiegen wurden.

“Sexuelle Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, vor allem ein bayerisches”

Unsere Schutzsuchenden importieren Antisemitismus? Aber nein, den haben wir ohnehin schon im eigenen Land. Die überwiegend männlichen Asylbewerber bringen möglicherweise ein bedenkliches Frauenbild mit? Wie infam! Sexuelle Gewalt ist schließlich ein gesamtgesellschaftliches Problem, vor allem ein bayerisches. Ganz gleich, um welches Gastgeschenk es sich handelt - wir haben es schon viel länger.

Das wiederum ist ja grundsätzlich nicht falsch. In Sachen Antisemitismus hat es seit 70 Jahren niemand geschafft, den Rekord der Deutschen zu brechen. Und Frauen, die ohne Zustimmung ihres Gatten keinen Job antreten dürfen, hat man auch schon mal in Deutschland angetroffen. Genauso übrigens wie in Polen, Frankreich oder den Vereinigten Staaten. Allerdings ist das nun schon etwas länger her.

Antisemitismus als Geisteskrankheit und Frauenfeindlichkeit aus Prinzip stehen einer freien Gesellschaft fundamental im Wege. Mit ihnen verhält es sich ein bisschen wie mit einem Flaschengeist: Ist er einmal freigelassen, wird es schwierig, ihn wieder einzufangen. Kaum ein westlich geprägtes Land, in dem es nicht unter der Oberfläche brodelt. Wichtig ist nur, dass die dazugehörigen Kräfte auch dort bleiben und nicht übermütig das Ruder übernehmen.

“Den Deutschen wurde 1945 erfolgreich abgewöhnt, Pogrome zu veranstalten”

Den Deutschen beispielsweise wurde es 1945 erfolgreich abgewöhnt, Pogrome zu veranstalten und an Massenmorden zu partizipieren. Das heißt nicht, dass es seitdem keine Antisemiten mehr gäbe. Sie haben eben nur ihr Tätigkeitsfeld gewechselt. Ihr Hobby ist nicht mehr unmittelbar tödlich. Heute schreiben sie wütende Briefe an die israelische Botschaft, haben relevante Funktionen in namhaften deutschen Verlagen oder Parteien inne und treiben sich ansonsten auf Facebook herum.

Daneben üben sie sich in Schönfärberei, sobald die „Kindermörder Israel“-Fraktion durch die Fußgängerzone marschiert. Die Fraktion also, der es nicht an Zimperlichkeit fehlt, wenn es darum geht, den eigenen Judenhass zur Schau zu stellen. Mit Blick auf das Aggressionspotential, das sich vor eineinhalb Jahren besichtigen ließ, wirkt jeder Ostermarsch wie ein Kindergeburtstag. Und das, obwohl es vor allem in Deutschland geborene Türken waren, die damals ein Herz für die Hamas zeigten. Menschen, die die gleichen Chancen auf dem Job- und Partnermarkt genießen und über familiäre Verbindungen verfügen. Mitbürger, die im schlimmsten Fall Gang-Strukturen in Berlin-Neukölln überstehen müssen.

“89 Prozent der Araber lehnen im Allgemeinen den IS ab, 85 Prozent Israel”

Das unterscheidet sie von den Asylsuchenden, von denen viele ohne Familie und ohne Aussicht auf eine Partnerin in Containern leben, die den Sprung in die Mittelschicht wohl eher nicht schaffen werden und die zudem mindestens den arabischen Frühling, oftmals aber einen Bürgerkrieg hinter sich haben. Dass sie sich in die Riege deutscher Israelkritiker integrieren werden und ihre Bedürfnisse dahingehend nur via Facebook befriedigen werden, erscheint nicht unbedingt wahrscheinlich. Laut einer Umfrage lehnen 89% der Araber den IS im Allgemeinen ab – nur knapp gefolgt von 85% der Befragten, die sich gegen eine Anerkennung Israels aussprechen.
Sehr gut möglich, dass der traditionelle Alltagsantisemitismus, das Hakenkreuz auf Opas Grabstein oder Jakob Augstein den ein oder anderen Juden dazu bewegen, nach Israel auszuwandern. Wenn jedoch Antisemitismus hinzukommt, der auch die körperliche Gesundheit nachhaltig gefährdet, dürfte dieser Entschluss doch etwas schneller und häufiger fallen.

Allerdings ging es 2014 nur gegen Juden - eine in Deutschland etwa 200.000 Mann starke Minderheit, die sich daran gewöhnt hat, dass niemand sie sonderlich mag. 2016 hingegen reden wir über Frauen, also über die Hälfte der Bevölkerung. Mag sein, dass Sexismus ein „gesamtgesellschaftliches Phänomen“ ist. Der Unterschied ist nur, dass sich der gesamtgesellschaftliche Sexist nach drei Bier in mäßigen Herrenwitzen ergeht. Er bezeichnet fremde Frauen gern mal als Schlampen - Migranten nach Kölner Vorbild dagegen behandeln sie auch so. „Es gibt in der muslimischen Kultur kein ‚girl friend‘“, gibt Gunnar Heinsohn in der „Welt“ zu bedenken. Woraus gewissermaßen folgt, dass dort nur zwei Sorten von Frauen existieren: Ehefrauen auf der einen, „Schlampen“ auf der anderen Seite.

Wer in Deutschland regelmäßig seine Frau verprügelt, macht sich nicht nur strafbar. Er wird damit auch nicht im Kreise der Kollegen angeben. Schätzungsweise, weil er die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung gegen sich hat. Wer dagegen in Algerien oder Saudiarabien zuschlägt, kann sich - je nach Übersetzung und Leseverständnis freilich - auf den Koran, auf alle Fälle aber auf die Ehre der Familie berufen.

“Der einzelne Wiesnzelt-Grapscher kann nicht mit so viel Unterstützung rechnen”


Und wer in Deutschland fremde Frauen auf offener Straße nach Kölner Vorbild entkleidet, zählt zu einer Minderheit im Promille-Bereich. Wer dagegen mit einem Migrationshintergrund ausgestattet ist, der viel mit Machokultur und wenig mit Alice Schwarzer zu tun hat, der greift nicht einfach nur zu - der findet auch mühelos hunderte Männer, die euphorisch mitmachen, mindestens aber tatenlos zusehen und so de facto rechtsfreie Räume schaffen. Im Gegensatz dazu tut sich der einzelne Wiesnzelt-Grapscher dann doch etwas schwer. Mit so viel Unterstützung kann er eher nicht rechnen.

Vielleicht ist dieser Unterschied nicht ganz nebensächlich, wenn es um die Frage geht, wie die Kölner Domplatte zum Tahrirplatz mutieren konnte. Wo sexuelle Gewalt innerhalb von Milieus und Communities auf Akzeptanz trifft, da tritt sie auch vermehrt auf. Sie lässt sich dann ebenso hervorragend in Gruppen anwenden. Schämen muss man sich ja nicht. Wenn sie zusätzlich auf lasche oder fehlende strafrechtliche Verfolgung trifft, gilt das freilich umso mehr. Eine unbegleitete Frau zu „begrapschen“ mutiert zu der Selbstverständlichkeit, mit der andere bei Grün über die Ampel fahren.

Man kann den Deutschen vieles vorwerfen. Aber verglichen mit den islamisch geprägten Gesellschaften, aus denen nahezu alle Flüchtlinge kommen, haben sie ihre Flaschengeister mittlerweile relativ gut im Griff. Das nennt man Zivilisation. Im Vergleich dazu befinden sich manche Migranten-Milieus in Sachen Antisemitismus dort, wo die Deutschen 1933 waren. Und in puncto Frauenrechte müsste man eigentlich vielerorts bei null anfangen. Was schwierig wird, da es in der islamischen Welt keinen Immanuel Kant, und dementsprechend auch keine Suffragetten gibt, die nicht umgehend inhaftiert würden. Dafür aber ein Patriarchat, das im Zuge seiner Beseitigung auf beträchtliche Privilegien verzichten müsste.

"Ein empathiefreier Resterampen-Feminismus"

Da hilft es den Vertretern der Machokultur freilich sehr, dass Deutschland lediglich über einen empathiefreien Resterampen-Feminismus verfügt, der nichts mehr riskieren will. Der sein Ziel im eigenen Land erreicht hat und nun erfolgreich für Unisex-Toiletten, Binnen-Is und Quoten kämpft, anstatt sich mit Frauenrechtlerinnen aus Teheran und Zwangsehefrauen in Berlin-Neukölln zu solidarisieren. Hinzu kommt eine Intelligentsia, die nicht zwischen Handkuss und Vergewaltigung unterscheiden kann.

Für die neu eingereisten Antisemiten hingegen haben wir Antisemitismusexperten, die tagein tagaus damit beschäftigt sind, die Muslime zu den „neuen Juden“ zu küren. Und falls all das nicht klappt, so bieten wir auch großartige Integrationskurse an, in denen wir uns gegenseitig das Grundgesetz in mehreren Sprachen vorlesen. Lauter tolle Dinge also, die dringend benötigt werden, wenn die Anhänger des Islams eines Tages damit beginnen sollten, kollektiv ihre Werte und Normen zu hinterfragen.

Solange müssen eben das das Oktoberfest und weitere gesamtgesellschaftliche Altlasten bewältigt werden. Das zumindest dürften wir schaffen.


Zuerst auf der "Achse des Guten" erschienen.

1 Kommentar:

  1. Auf den Punkt und wie immer brilliant analysiert. Sehr erfrischend, mal eine Analyse zu lesen, die nicht alles ausklammert, was politisch nicht korrekt zu sein scheint. Nur sehr schade, dass man sich in Deutschland im öffentlichen Diskurs so offen kaum mehr äußern darf, ohne gleich in die rechte Ecke gestellt zu werden. Ich dachte immer, die Demokratie lebt gerade vom Austausch von Meinungen und nicht von Ihrer Unterdrückung. Aber mit dieser Meinung stehe ich wohl ziemlich alleine...

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