Über globalisierte Angst – wie ein AKW den Terror überstrahlte.


Nun ist es ja bekanntlich so, dass das Land der Dichter und Denker mittlerweile zum Auffangbecken für schreckhafte Angsthasen und panische Vollzeithysteriker mutiert ist. Fürchtete man früher noch örtliche Autoknackerbanden oder gar die skrupellose Ostblockmafia, so reicht heute schon ein Erdbeben im fernen Japan, um unverzüglich den nationalen Notstand auszurufen und ganze Jodtabletten-Depots zu stürmen. Globalisierung bedeutet offenbar nicht nur Erasmus-bedingten Urlaub in Harvard oder chinesische Gucci-Täschchen für die Hausfrau aus Buxtehude vom freundlichen UPS-Mann. Viel mehr lautet die Konsequenz, dass ein Erdbeben in neuntausend Kilometer Entfernung nicht nur die Japaner betrifft, sondern dass vor allem das Deutsche Volk stellvertretend den Strahlentod zu fürchten hat. Die Devise lautet also: Je irrationaler die Gefahr, desto größer die Gefährdung für uns. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der „Vorfall Arid U.“ vom 3. März möglicherweise schon längst als Karteileiche im LKA vor sich hin staubt.


Arid was? Zur Erinnerung: Es handelt sich dabei um den jungen Herren, der an jenem schönen Tag mit einer Waffe und reichlich Munition über den Frankfurter Flughafen spazierte und bei der Gelegenheit zwei amerikanische Soldaten niederschoss sowie zwei weitere schwer verletzte. Dass dies der erste gelungene, islamistische Anschlag in Deutschland war, ist in all dem Trubel rund um die Friedrich’schen Islam-Äußerungen, die haargenau zur gleichen Zeit statt fanden, wohl ein bisschen in Vergessenheit geraten. Schließlich hatten die deutschen Hauptstadtjournalisten auch viel zu tun: Knut, Fußnoten, Bio-Plörre, Kernschmelze, Landtagswahlen, Gaddafi und die FDP-Talfahrt. Zweifellos, alles sehr bedeutend, doch als U-Bahn-fahrende Staatsbürgerin, Innenstadtbesucherin und gelegentliche Lufthansa-Passagierin hätte ich dennoch Interesse am etwaigen Fortgang der Ermittlungen rund um den Frankfurter Todesschützen. Herrscht nun wieder Terrorgefahr, werden Sicherheitsvorkehrungen getroffen, Kontrollen auf Bahnhöfen und Flughäfen verschärft und Präventivmaßnahmen getroffen? Doch nichts. Schweigen im Walde der Qualitätsmedien. Einzig WELT online speist mich mit einem kleinen Info-Häppchen ab. Da heißt es, dass Al Qaida in seinem hauseigenen Käseblättchen „Inspire“ den „heldenhaften kosovarischen Gotteskrieger“ in den höchsten Tönen lobt, was nicht unbedingt zu meiner Beruhigung beiträgt. 

Einzig Bundesanwalt Griesbaum glättet die Wogen und erklärt das Moratorium der Berichterstattung. Seine heilbringende Botschaft: Hinter dem Attentat stünden keine terroristischen Strukturen. „Die Sicherheitslage ist deshalb unverändert.“ In der Welt der Bundesanwaltschaft gilt also die Devise: Ein Täter allein macht noch keinen Terror, auch wenn Arid U. allein mehr Menschen auf dem Gewissen hat, als bspw. die vierköpfige Sauerlandgruppe. So gesehen lässt sich auch jeder Amoklauf zur Petitesse degradieren, da Amokläufer ihre Schießereien für gewöhnliche alleine, und nicht in organisierten Gruppen veranstalten.

So ist es wohl Griesbaums Einzeltäter-Logik zu verdanken, dass er all jene Nachwuchs-Osamas, die sich so im World Wide Web tummeln, geflissentlich übergeht. Um Jung-Dschihadisten in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten, bedarf es nämlich keinerlei Erkundungstouren in dunkle Hinterzimmer der örtlichen Moschee – nein nein, es reicht schon ein Klick, z.B. auf den „Islambrüderschaft Blog“ oder ähnliche Websites, um Einblick in die faszinierende Welt der Gotteskrieger zu erhalten. Dort erfährt der interessierte Besucher nicht nur, dass der furchtlose Held lautstark „Allahu akbar“ (Allah ist groß!) plärrte, während er zwei „amerikanische Kreuzfahrersoldaten“ niedermetzelte, sondern auch, dass er sich selbst hinter schwedischen Gardinen der Loyalität seiner Fangemeinde sicher sein kann:

„Möge Allāh seine Freilassung beschleunigen, ihm Standhaftigkeit geben und ihn in die höchste Stufe des Paradieses eintreten lassen, Amin!“

Außerdem findet der ambitionierte Jung-Märtyrer dort wertvolle Optimierungspläne (Rat an die Waffenhändler: „Würde die Waffe nur 500€ kosten könnte er zwei kaufen und noch mehr Schweine niedermetzeln“), während ein gewisser Mustafa al-Farsi anmerkt: „Er wollte mehr von diesen Schweinesöhnen abschlachten, aber die Handfeuerwaffe hat geklemmt.“ Dumm gelaufen, Mustafa. Einzig der Diskutant Al-Mulla Salman al-Farisi spendet Hoffnung: „Wir unterscheiden auch natürlich zwischen diesen Soldaten und eurer Otto-Normal-Bevölkerung, die uns wirklich nicht Wert ist getötet zu werden.“ (sic!) Puh, Glück gehabt, Entwarnung an alle Otto-Normal-U-Bahnfahrer, zumindest an diejenigen, die keinen amerikanischen Pass bei sich tragen.

Dass derartige Websites im übrigen immer noch frei zugänglich sind und nicht etwa gnadenlos zensiert werden, ist entweder der Meinungsfreiheit oder der Griebaum’schen Einzeltäterlogik geschuldet. Offenbar müssen erst die Jungs von Al Qaida aktiv werden, damit BND, Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft aus ihrem „Deutschland-ist-kein-Terror-Ziel“-Nickerchen erwachen. Bis dahin muss sich der neu ernannte Innenminister vom Zentralrat der Muslime vorschreiben lassen, dass Präventivmaßnahmen in Kooperation mit in Deutschland lebenden Muslimen selbstverständlich diskriminierend, diffamierend und daher absolut ausgeschlossen sind.

Indes verweilt der Rest Deutschlands weiter in einer Super-GAU-bedingten Angststarre, die durch heute-Journal, Greenpeace und Co. weiter eifrig angefacht wird. Ich persönlich habe zwar mehr Angst vor einem Sprengstoffanschlag am Münchner Stachus, als vor Schilddrüsenkrebs wegen japanischer Strahlung oder gar Restrisiko-bedingten Unfällen in topsicheren deutschen AKWS – aber das ist möglicherweise mein eigenes, ganz subjektives Gefühl. Schließlich ist es ja mittlerweile out, im lokalen Rahmen zu hyperventilieren, wenn die eigentliche Gefahr rund neuntausend Kilometer entfernt lauert.

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