Es gibt Momente, da reagiere ich ein wenig allergisch auf Floskeln,
die mit „Wir als“ beginnen. Wer einen Vortrag mit „Wir als Deutsche“
einleitet, steuert dabei regelmäßig in ein kleines Desaster. Genauso
bizarr wird es, wenn das Sprüchlein „Wir als Frauen“ im Diskurs
auftaucht. So geschehen vorige Woche, und zwar nicht nur anlässlich des Weltfrauentags, sondern auch in Gestalt der drohenden Frauenquote.
Sie könnte kommen – verbindlich, europaweit, in Führungspositionen. Und
damit wird sich das, was allein verbal schon so klassenkämpferisch,
militant und antiliberal daherkommt, in den Führungsetagen Europas
manifestieren.
Um es gleich klarzustellen: Ich bin selbstverständlich gegen die
Frauenquote. Und das nicht etwa, weil ich bestehende Gehaltsunterschiede
und weitere Statistiken ignorieren würde, sondern weil mich das der
Quote zugehörige „Wir-Gefühl“ stört. Wann immer eine post-moderne
Feministin irgendwo auftaucht und dazu auffordert, dass „wir Frauen“
dies und jenes tun, lassen oder „uns“ keinesfalls gefallen lassen
sollen, klingeln bei mir alle Alarmglocken.
Denn woher nimmt sich diese seltsame Spezies das Recht, für alle Frauen
– von Kaufbeuren bis Husum, oder gar von Peking bis nach Chicago – zu
sprechen? Und wie kommt man eigentlich auf die Idee, dass alle Frauen
per se eine homogene Gruppe mit gleichen Interessen bilden sollen?
Zumindest würden mir spontan nicht gerade wenige Frauen einfallen, mit
denen mich weder Sympathie noch Ansichten oder Ziele verbinden.
Darum leuchtet es mir auch nicht ein, weshalb „wir als Frauen“ in
gewissen Dingen „an einem Strang ziehen“ sollten. Denn in der Praxis
funktioniert Solidarität unter Frauen ohnehin nicht – es sei denn, sie
wurden vom gleichen Mann sitzen gelassen. Insofern sehe ich persönlich
auch keinen Grund, mich mit Claudia Roth, Christine Neubauer oder
Charlotte Roche zu solidarisieren, nur weil wir zufällig weiblich sind.
Ein „Wir“ kann nur durch Gemeinsamkeiten entstehen, zum Beispiel bei
„Frauen für den Frieden“, „Frauen gegen Atomkraft“ oder „Frauen für mehr
Grünflächen in Buxtehude“. Das allerdings hat dann recht wenig mit den
Forderungen der typischen „Wir als Frauen“-Schabracken zu tun, die zur
Solidarität von Individuen aufrufen, deren einziger gemeinsamer Nenner
ihr Geschlecht ist. Da aber Frauen im Großteil der westlichen Welt den
Männern gleichgestellt sind, führt sich diese Logik letztlich ad
absurdum. Frauen sind wie Männer vor dem Gesetz gleich, sie dürfen
wählen, Auto fahren, studieren, arbeiten und heiraten, so oft und wen
sie wollen. Errungenschaften also, die der Frauenbewegung von früher zu-
sowie hoch anzurechnen sind. Im Gegensatz dazu ringen ihre
Nachfolgerinnen heute exakt dort um Gleichheit, wo sich eigentlich
Individualismus entfalten sollte.
Auch die Quote folgt dem gleichen Prinzip, sie ist quasi das Pendant
zum „Wir Frauen“-Credo – nur schlimmer, da man sich nicht gegen sie
wehren kann, sobald sie erst mal da ist. Letztlich betrifft sie Frauen,
und zwar einzig in ihrer Eigenschaft als Frauen, die künftig in der
Führungsetage sitzen sollen. Die quotierte Gleichmacherei zielt auf ein
mutmaßliches Kollektiv ab, das aber in sich zu heterogen ist, um ein
Kollektiv zu sein. Insofern kann es auch die gruppenbezogene
Diskriminierung, die gerne von Freundinnen und Freunden der Quote
moniert wird, nicht geben. Was allerdings vorkommt, ist individuelle
Benachteiligung. Zum Beispiel, wenn eine Frau beruflich diskriminiert
wird, weil sie lesbisch oder Zeugin Jehovas ist. Das hat dann aber
nichts mit ihrem Geschlecht zu tun. Daher ist es auch unsinnig, Frauen
in Aufsichtsräte zu hieven, weil sie Frauen sind – zumal sicherlich die
wenigsten Damen überhaupt in solche Positionen wollen. Die Quote
hingegen unterstellt das Gegenteil. Sie tritt mit dem Anspruch auf, alle
Frauen zu vertreten und negiert damit individuelle Interessen und
Vorstellungen.
Insofern ist die Quote ein völlig überflüssiges Konstrukt. Sie stört
mich vor allem wegen des ihr inhärenten Kollektivismus, aber auch wegen
der Kollateralschäden, die sie zudem verursacht. Sie
beschneidet die Freiheit von Unternehmen, verzerrt den Wettbewerb,
diskriminiert Männer und nimmt qualifizierten Frauen die Chance, allein
durch ihre Fähigkeiten zu punkten. Daher nützt die Quote
größtenteils der „Wir Frauen“-Front – einer Gruppierung also, von der
ich mich ausdrücklich distanziere. Und das übrigens nicht den Männern
oder der Wirtschaft, sondern einzig der individuellen Freiheit zuliebe.
Zuerst erschienen im Rahmen der Kolumne "Neues aus Meschuggestan" auf "The European".
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen