“suchmaschienen lassen sich nicht veraschen” - Der Kurator der Piraten auch nicht

Neuerdings gibt es in meinem Leben nicht nur ein Lieblings-MdB, sondern auch einen Lieblings-Redaktionsleiter. Zugeben:  In erster Linie macht er was mit Kunst, mittlerweile aber auch viel mit Medien. Denn als Kurator und „Künstlerischer Direktor“ einer Künstler-Gesellschaft liegt ihm viel daran, Kultur nicht nur zu fördern, sondern auch zu verbreiten. Dazu betreibt er als Redaktionsleiter ein „Kultur und Lifestyleportal“, das sich „als Dienst für die Anliegen der Kreativwirtschaft“ versteht.

Da mein Künstlerfreund allerdings viel beschäftigt ist, kommt er selbst weniger zum Schreiben und fördert stattdessen die Copy-Paste-Kultur. Sein Portal tapeziert er im Wesentlichen mit Agenturmeldungen, Bildern und Texten, die zuvor schon woanders erschienen sind. Auch einige meiner Texte, die oft zuerst auf Achgut online gingen, haben es ihm offenbar angetan. Und zwar so sehr, dass er vor lauter Begeisterung regelmäßig vergaß, meine Erlaubnis einzuholen, bevor er sie in voller Länge und meist ohne Quellenangabe in seinem Portal verwertete. Natürlich inklusive Fotos meiner selbst, die er zur Dekoration meiner Texte nutzte. Die wiederum beschaffte er sich aus meinen Facebook-Foto-Alben, die er wohl mit einem Selbstbedienungsladen verwechselt haben muss.

Da auch meine Liebe zur Kunst Grenzen hat, bat ich mehrfach um Entfernung meiner Bilder, was der Herr Redaktionsleiter nach einigen Anläufen sogar z.T. bewerkstelligte. Und nachdem ich ein guter Mensch bin, wollte ich bzgl. der nicht explizit erlaubten oder gar vergüteten Zweitverwertungen mal nicht so sein.

Danach hörte ich einige Monate nichts mehr von ihm. Fast wäre er bei mir in Vergessenheit geraten, hätte er sich nicht neulich wieder auf die ihm eigene und äußert charmante Art bemerkbar gemacht. Auf Facebook verteilte er nämlich überaus eifrig einen meiner Achgut-Kommentare zur Sexismus-Debatte – natürlich nicht das Original, sondern seine Version: Mein Text, seine Website, alles fein säuberlich kopiert und ohne diese störende Quellenangabe.

Überflüssig zu erwähnen, dass er sich auch hier das lästige Anfragen ersparte. Als Redaktionsleiter muss man eben Prioritäten setzen. Jedoch: Eine Kleinigkeit war anders als früher. Mein Künstlerfreund avancierte nämlich zwischenzeitlich zum Geschäftsführer seiner „HBS Media Group GmbH“, weshalb auch meine Texte nun mit einem freundlichen Hinweis dekoriert sind: „© HBS Media Group GmbH 2013 Alle Rechte vorbehalten“.

Sachen gibt’s, dachte ich mir, und überlegte, wann genau ich ihm das hier suggerierte alleinige Nutzungsrecht an meinen Texten eingeräumt haben könnte. Entweder muss ich besoffen gewesen sein, oder dieser Vorgang hat nie stattgefunden. Ich einigte mich auf die zweite Option, die gleichzeitig das Ende meiner Geduld bedeutete, und bat höflich um sofortige Löschung aller meiner Fotos und Texte. Ein normaler Vorgang, der allerdings richtig lustig wurde, als ich dieses nette Schreiben erhielt:

„hallo jennifer, hier sind alle zu müde, war ein lander redaktiostag, um sich noch um dein anliegen zu kümmern. wir werden morgen die lage besprechen,
1 es ist sehr aufwendig und auch kosten intensiv einen artikel so zu publizieren das er auch gelesen wird, dazu ist viel aufwand nötig, den wir gerne aufwenden um junge talente zu publizieren.
2 wenn wir artikel löschen bekommen wir ein problem mit google, da die links ins leehre führen würden, in deinem fall währen das ja einige, wir würden von google, also unser portal abgewertet, und das würde zu einem erheblichen schaden führen. die suchmaschienen lassen sich nicht veraschen und strafen einen gnadenlos ab. das unsere publikationen, wie in deinem fall, erhebich mehr aufmerksamkeit und bewertungen bringen als andere seiten wo auch dein artikel erscheint, liegt an der guten arbeit der redaktion, sollt es da neider geben?, dafür hätten wir kein verständniss.“
(Rechtschreibung per copy und paste übernommen)

Als „junges Talent“ mit der Diagnose „blond und blöd“ stand ich nun vor einer schwierigen Entscheidung: Worüber sollte ich zuerst lachen? Über die implizite Forderung, bis ans Ende meiner Tage dankbar für den partiellen Diebstahl meiner Texte zu sein? Oder doch eher über den Künstlerfreund, der offenbar nicht bemerkt hat, dass meine Texte überhaupt erst die zwingende Voraussetzung für die „gute Arbeit der Redaktion“ bilden?

Nichtdestotrotz wählte ich die diplomatische Variante, bat erneut um Löschung und kündigte ihm andernfalls Post von meinem Rechtsanwalt an. All das in der festen Überzeugung, er als Redaktionsleiter und Kurator hätte schon mal was von Urheber- und Persönlichkeitsrechten gehört. Ein schwerer Fehler, wie sich mittlerweile herausstellte. Denn nun hat sich mein Künstlerfreund eine neue Überraschung ausgedacht. Nein nein, keine Sorge, gelöscht hat er gar nix. Die meisten Texte blieben unberührt, ein paar andere hingegen hat er nun gekürzt mit diesem hübschen Zusatz versehen: „Selbstzensur auf Druck des Veröffentlichungspartners!“ Auch mein neues Portrait-Bild verdient besondere Beachtung: Wo ich einstmals dem Leser entgegenlächelte, prangt nun ein „ZENSIERT“-Logo mit der äußerst einfallsreichen Bildunterschrift „Hier war einmal ein Foto von Jennifer Nathalie Pyka"

Eine durchaus unterhaltsame Variante, die sicher mehr Arbeit als das Klicken der „Delete“-Taste erforderte. Aber was tut man nicht alles für Google, den Umsatz und die Künste. Übergangsweise richtig wäre es gewesen, von fehlenden Nutzungsrechten zu sprechen. Aber das hat ein Künstlerfreund wie meiner, der junge sowie alte Kreative nachhaltig fördert, indem er ihre Rechte missachtet und ihnen das als Erfolg verkauft, natürlich nicht nötig. Er nimmt sich lieber, was ihm gefällt, und wird sauer, wenn ihm jemand auf die Finger klopft.

Sollten die Piraten also noch einen fähigen Kuratoren suchen, wissen sie ja nun, an wen sie sich wenden können. Auf seiner FB-Seite fühlt er sich jener Partei ohnehin schon verbunden.



Zuerst auf der "Achse des Guten" erschienen.

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