Zu den kuriosesten Figuren, die das politische Ensemble der Grünen
hervorgebracht hat, zählt zweifellos deren Bundesvorsitzende Claudia
Roth. Ihr dabei zuzusehen, wie sie sich mit der ihr eigenen
Empörungsgabe den Weg über das politische Parkett bahnt, entbehrt nicht eines gewissen Unterhaltungswerts. Ganz egal, ob es sich um Herrenwitze an der Bar,
Neonazis in Dresden oder Schweine in Großmastanlagen dreht – Claudia
schweigt nicht. Niemals. Erst recht nicht, wenn sie den Gegenstand der
Empörung noch nicht ganz durchschaut hat.
Auch die Zustände im Iran lassen die „Reformhausvariante von Cindy
aus Marzahn“ (Dirk Niebel) nicht kalt. Natürlich weiß sie, was die dort
lebenden Menschen am dringendsten benötigen: nämlich ein Goethe-Institut. Eine schöne Idee, die zeigt, dass Claudia Roth selbst im Umgang mit Diktatoren ihren Sinn für Prioritäten bewahrt.
Neben dem kulturellen Austausch liegt ihr allerdings auch das
Schicksal des iranischen Filmemachers und Oppositionellen Jafar Panahi
am Herzen, der in seiner Heimat unter Hausarrest steht und daher seinen
Film bei der Berlinale nicht persönlich vorstellen konnte. Um das zu
ändern, zog Claudia Roth alle Register und kämpfte unerschrocken mit den
Waffen einer Frau. Das freundschaftliche „High Five“ zwischen ihr und dem iranischen Botschafter Sheikh Attar, das sich am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz ereignete,
sei quasi auch diesem Ansinnen geschuldet gewesen. So zumindest tönte
es aus ihrem Büro, nachdem öffentlich über ihre Kumpelei mit dem von der
iranischen Opposition als Massenmörder bezeichneten Politiker
diskutiert wurde.
Während Claudia Roth ihr Patschmanöver vermutlich jederzeit
wiederholen würde, plagen ihren Spezi Sheikh Attar hingegen ganz andere
Sorgen. In Teheran nämlich ist man angesichts der Münchner Annäherung
nicht sonderlich begeistert. Denn gemäß islamischer Gesetze sind
weibliche Hände absolut nicht zu berühren, da dies „sexuelles Begehren
wecken und zu außerehelichen Beziehungen führen“ könnte. Nicht
auszudenken, was da noch alles in München hätte passieren können! Die
Mullahs verstehen dahingehend keinen Spaß. Und auch Claudia Roth, die
den Iran stets verschleiert bereist, hätte eigentlich wissen müssen,
dass man iranische Männer nicht einfach mal bedenkenlos in die
Venusfalle lockt.
Doch darum kann sich die Grünen-Vorsitzende aktuell nicht auch noch
kümmern. Erst neulich sagte sie etwa dem in Deutschland grassierenden
Sexismus den Kampf an. Ein Jahrhundertprojekt, das selbst einer
eingefleischten Feministin wie ihr die Zeit raubt, um sich über ein Land
Gedanken zu machen, in dem man Frauen steinigen, auspeitschen und mit Säure verätzen, nicht jedoch die Hand schütteln darf.
Ganz zu schweigen von den Neonazi-Aufmärschen und insbesondere den
„menschenfeindlichen Haltungen“, gegen die die ehemalige
Menschenrechtsbeauftragte tapfer aufsteht – zumindest immer dann, wenn
sie in Springerstiefeln statt mit „High Five“ daherkommen.
Und außerdem wäre da noch die Kirche, die nur darauf wartet, von der
Ex-Katholikin Claudia Roth umstrukturiert zu werden. „Die Kirche braucht
jetzt einen Reformpapst“, meint die Grüne, die schon früh aus der
Kirche austrat, weil sie „deren Haltung zur Rolle der Frau ablehnte“.
Wenn sie mit der Kirche fertig ist, könnte sie sich ja auch den Iran
vornehmen. Ein „Reform-Iran“ wäre beispielsweise eine gute Idee. Jafar
Panahi könnte endlich nach Berlin kommen, sie selbst dürfte in ihrer
„Rolle als Frau“ ganz ungehemmt mit dem iranischen Botschafter Händchen
halten, und die Welt hätte ein Problem weniger. Frau Roth müsste dazu
lediglich ihren moralischen Kompass restaurieren – was allerdings noch
ein Weilchen dauern dürfte.
Zuerst im Rahmen der Kolumne "Neues aus Meschuggestan" auf "The European" erschienen.
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