Jede Menge Heldentum gab es letzten Freitag bei der
Verleihung des honorigen „Henri Nannen Preises“ in Hamburg zu bestaunen. Da sei
es nämlich zum „Eklat“ gekommen, wie dem Rauschen des Blätterwaldes dieser Tage
zu entnehmen ist. Eine Kategorie, zwei „Henris“ – der eine für zwei
BILD-Reporter, der andere für drei SZ-Redakteure – und ein völlig empörter Hans Leyendecker, der den Preis
selbstverständlich ablehnte, um ihn sich bloß nicht mit den Schmuddelkindern
von der Bild-Zeitung teilen zu müssen.
Gemein aber auch! Da erklimmen zwei Angehörige der
„Springer-Presse“ mal eben den journalistischen Olymp, wofür
Otto-Normal-Redakteur so lange leitartikeln muss, bis er sein eigenes
Geschwurbel nicht mehr durchschaut. Nun aber hat die TAZ
Tacheles gesprochen: „Drei Helden hatte der
Abend. Jene Redakteure der Süddeutschen Zeitung, die eine Auszeichnung in der Kategorie „Investigation“
ablehnten – aus Protest gegen die Bild. Sie haben bewiesen, was vielen Journalisten im Umgang
mit Deutschlands größtem Boulevardblatt fehlt: Courage.“
Jawohl, was für tapfere Menschen
das doch sind, diese SZ-Männer. Sich todesmutig gegen BILD zu stellen -
Respekt! Sowas hat’s in der Bundesrepublik noch nie gegeben. Also, mal
abgesehen vom SPIEGEL und der ZEIT, die der aufgebrachten Anti-Springer-Meute
’68 nicht nur journalistisch sondern auch finanziell tatkräftig sekundierten.
Abzüglich der Qualitätsschornalisten, die der Anblick des mit Grimme-Award
dekorierten Bildblogs regelmäßig in Ekstase versetzt. Nicht inbegriffen auch
das irre investigative Medienmagazin „Zapp“ aus dem Hause „Öffentlich
Rechtliche“, wo – surprise, surprise! – ebenfalls fast ausschließlich die BILD
kritisch beäugt wird. Und natürlich mit Ausnahme der großen und kleinen Hiebe,
die wahlweise in Form von Leitartikeln, Titelstories und Interviews mit
vermeintlichen BILD-Opfern daherkommen.
All das muss dem TAZ-Autor bei
der Produktion seiner Eloge irgendwie entgangen sein. Vielmehr gehört
rohrspatziges Schimpfen auf die Bild-Zeitung zu den Ritualen, die trotz ihres
Gemeinplatzcharakters über Generationen weitergegeben werden, weil sie auf
Heerscharen von Journalisten identitätsstiftend wirken. Selbst jedes
Kind weiß: BILD tötet, verblödet, schürt Ressentiments, lügt den ganzen Tag und
macht zu allem Übel auch noch Umsatz. Diese Plattitüden werden solange
perpetuiert, bis niemand mehr merkt, warum die Anti-BILD-Fraktion eigentlich
wirklich so beleidigt ist. Nämlich zum einen, weil SPIEGEL & Co. damals der
APO mitsamt Massenmörder Mao hinterher hechelten, während Springer zur gleichen
Zeit lieber gen Amiland und Israel blickte – was offenbar bis heute
unverzeihlich ist. Und zum anderen, weil das Ego eitler Edelfedern mächtig
darunter leidet, dass sich knapp 12 Millionen Deutsche täglich mehr für BILD
als fürs Feuilleton interessieren.
Da aber BILD-Kritik nicht nur der Journalisten, sondern auch
der Deutschen liebster Volkssport ist, stören derartige Kleinigkeiten und
Déjà-Vu-Erlebnisse freilich niemanden. Wie groß das Bedürfnis, der Bild-Zeitung
ans Bein zu pinkeln, wirklich ist, merkt man allein bei Betrachtung des
Zwergenaufstands, der anlässlich des BILD-Jubiläums im Juni durchs Netz tobt.
Da rüsten also tausende von Menschen gegen ein Gratis-Exemplar der BILD im
Briefkasten auf, als würde der nächste Weltkrieg unmittelbar vor dem eigenen
Gartenzaun stattfinden.
Insofern rannten Leyendecker and friends mit ihrer Aktion
beim „Henri“ vielmehr sperrangelweit offene Türen ein, während sie gleichzeitig
containerweise Eulen nach Athen trugen. BILD-Kritik ist nicht nur billig,
sondern ungefähr so riskant wie die Teilnahme am Laternenumzug des örtlichen
Kindergartens. Oder muss Bildblog-Gründer Niggemeier etwa um sein Leben, und
die SZ-Redaktion in München gar mit Pflastersteinen bewaffnete Studenten
fürchten? Und überhaupt: Wie groß mag wohl das Bedrohungspotential einer
Zeitung sein, deren Tun (inklusive der Fehler, die SPIEGEL, FAZ und STERN
ebenfalls machen) von jedem Kaninchenzüchter mit Straßenkampf-Vergangenheit
penibelst kontrolliert und überwacht wird?
Unermesslich, meint vermutlich nicht nur die dauerempörte
TAZ. Indes darf Hans aus München, der die BILD später noch ganz couragiert als
„Drecksblatt“ bezeichnete und übrigens nicht der erste Preisverweigerer der BRD
ist, weiterhin im eigenen Gratismut baden. Und statt „Henri“ hätte er ohnehin
das Bundesverdienstkreuz verdient – für besondere Verdienste um die
Seelenhygiene deutscher Qualitätsnörgler.
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