Schon wieder ist es so weit: Der Jude hat etwas verbrochen. Genauer gesagt: ein
Berliner Rabbiner, der vorige Woche mit seiner kleinen Tochter in
Berlin unterwegs war und dabei von vier Arabern erst gefragt wurde, ob
er Jude sei, und dann beleidigt sowie krankenhausreif geprügelt wurde.
Sein Verbrechen bestand darin, ein lebendiger Jude zu sein, noch dazu
aufgrund seiner Kippa deutlich als solcher erkennbar. Das geht freilich
zu weit, wo kommen wir denn hin, wenn die Juden hier nicht nur ihre
Kinder beschneiden lassen wollen, sondern auch noch eine traditionelle
Kopfbedeckung tragen?
Während nun der Regierende Bürgermeister und weitere Amtsträger
garantieren, Intoleranz und Hass nicht zu dulden, melden sich schon die
ersten Kaffeesatzanalysten zu Wort. Darunter auch Ali Maarous, Chef des
Deutsch-Arabischen Zentrums, der den „Vorfall“ zunächst verurteilte,
dann jedoch gleich ein passendes Erklärungsmodell anbot:
„Das Deutsch-Arabische Zentrum sieht den Ursprung des Antisemitismus in
den arabischen Ländern, aus denen die Mitglieder der arabischen Gemeinde
kommen. Die Eltern verfolgen tagtäglich den Konflikt in ihrer Heimat,
auch wenn sie hier in Deutschland leben“, sagte Zentrumschef Ali
Maarous. Sie seien wütend über das, was in ihrer Heimat geschehe. „Diese
Wut und der Hass überträgt sich dann auf die Kinder“, sagte Maarous.“
Nun hat Herr Maarous selbstverständlich recht. Zum einen, weil
islamistischer Antisemitismus nachweislich aus arabischen Ländern
importiert wird. Zum anderen, weil es ja bekannt ist, dass die Juden an
allem schuld sind. Vor allem aber am Antisemitismus, der in dem Fall
eben durch die „Konflikte“ in der „arabischen Heimat“ entstehe.
Natürlich könnte man sich fragen, was Judenhass mit arabischen
Konflikten zu tun haben soll. Sind es etwa die Juden, die in Ägypten die
Scharia einführen wollen, in Saudia-Arabien Frauen erniedrigen oder in
Syrien die Zivilbevölkerung abschlachten?
Oder, und das ist etwas wahrscheinlicher, liegt es etwa an Israel,
dessen schiere Existenz auf Araber – egal ob aus Ramallah oder Berlin –
ungeheuer provozierend wirkt? Denn schließlich hielt auch Mohammed Merah
den kaltblütigen Mord an vier in Toulouse lebenden Juden (darunter drei
Kinder) für ein probates Mittel, um den Tod palästinensischer Kinder zu
rächen. Sowohl der Berliner Rabbiner als auch die vier
französisch-jüdischen Opfer haben zwar mit Israel nix am Hut. Aber das
spielt keine Rolle, wenn Deutschland gerade der Frage nachgeht, warum
(!) Juden gehasst werden – und damit über kurz oder lang die Schuld beim
Juden bzw. in seinem Verhalten auszumachen meint, sowie Motive für
Antisemiten nachliefert. In dem Fall waren es eben die arabischen
Konflikte, morgen ist es das schlechte Wetter, und beides liegt im
Verschulden des Weltjudentums. Das wussten übrigens schon die Nazis.
Indes rät Rabbiner Walter Homolka Juden zum Kippa-Verzicht,
schlicht, weil nur unsichtbare Juden sicher wären. Fast so sicher
zumindest wie tote Juden. Die sind wenigstens vor dem „latenten
Antisemitismus“ geschützt, der sich laut Lala Süsskind
ausbreite – manifest wäre er vermutlich erst, wenn der Rabbiner den
„Vorfall“ nicht überlebt hätte. Und selbst dann wäre er, in seiner
Eigenschaft als Jude, selbst daran schuld gewesen. Denn: Wer sonst? Der
Antisemit sicher nicht!
Zuerst im Rahmen der Kolumne "Neues aus Meschuggestan" auf "The European" erschienen.
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