To discuss or not to discuss


Grußwort an den „Freundeskreis Israel in Regensburg und Oberbayern e.V.“ anlässlich der Jahresversammlung, verlesen am 08.01.2013 in Regensburg von Prof. Dr. Roland Hornung
 

Liebe Damen und Herren, verehrte Hummus-Liebhaber und Israel-Urlauber,

um es gleich vorweg zu sagen: Ich habe noch nie ein Grußwort verfasst und bin mir auch nun, da ich diese Zeilen schreibe, nicht ganz im Klaren darüber, was „man“ an dieser Stelle so sagt. Erwarten Sie also bitte keine feierliche Rede, die mit jeder Menge Weisheit und Moralin daherkommt. Das wäre nicht mein Stil, und außerdem denke ich, dass Sie davon schon genug gehört haben werden. Bevor ich aber meine persönliche Grußwort-Premiere begehe, möchte ich noch kurz anmerken, dass ich mich angesichts dessen sehr geehrt fühle. 

Halten wir uns aber nicht lange mit Floskeln auf, sondern kommen gleich zum Thema. Denn zu Israel gibt es bekanntlich viel zu sagen. Auch und vor allem in Deutschland, wo bald jeder Haushalt über einen eigenen Israel-Referenten  verfügt. Wir leben diesbezüglich tatsächlich in verrückten Zeiten: Die Schuldenkrise nimmt kein Ende, die US-amerikanische Wirtschaft sieht turbulenten Zeiten entgegen, die arabischen Staaten durchleben ihren Frühling, Herbst, oder Winter - suchen Sie es sich aus -, und wir selbst wählen dieses Jahr unseren Bundeskanzler. 

Sobald aber Benjamin Netanyahu gedenkt, Siedlungen zu errichten oder sich gegen den andauernden Raketenbeschuss aus Gaza zu wehren, gerät all das in den Hintergrund. Schon ist von einer Blockade des Friedens die Rede, von einer Spirale der Gewalt und vielem mehr. Und schuld ist wer? Nein, natürlich nicht die Hamas oder der Iran, sondern einzig und allein Israel. Denn Israel ist, wie der Historiker Léon Poliakov vor Jahrzehnten schon anmerkte, der Jude unter den Staaten.

Sie alle kennen sicher Sätze wie „Das Existenzrecht Israels ist nicht verhandelbar“. Sie fallen oft dort, wo Außenpolitik gemacht wird. Dass aber Personen wie Guido Westerwelle oder Angela Merkel das extra betonen müssen, zeigt, dass genau diese Aussage eben nicht allerorts auf Zustimmung stößt. Kein Politiker würde sagen, dass er fest für das Existenzrecht Somalias, Usbekistans oder Kanadas einsteht. Das wäre überflüssig und verrückt oben drein. Nur bei Israel ist das anders. Da würde manch einer gerne nochmal eingehend über die Frage, ob die Juden ein Recht auf ihren eigenen Staat haben, diskutieren. Insofern ist es auch kein Wunder, dass sich Günter Grass, Jakob Augstein, Sigmar Gabriel und viele andere im vergangenen Jahr ein aufregendes Wettrennen um den Titel des „Tapfersten Israelkritikers“ – oder sagen wir lieber: Schmock des Jahres - liefern konnten. Wer das Rennen gewonnen hat, nun, das dürfen Sie gerne selbst entscheiden.

Worüber Sie aber auch entscheiden sollten, ist die Frage, wie man auf solche Tendenzen reagiert. Denn gerade die Causa Augstein zeigt, wie es um die Frage „Wie hälst du’s mit Israel?“ bestellt ist. Da sitzt also ein bekannter Journalist am Schreibtisch und überträgt die typischen Klischees über Juden, die angeblich den Frieden gefährden, im Geheimen die Strippen ziehen und selbst am Antisemitismus schuld sind, 1:1 auf Israel. Hätte er geschrieben „Die Juden sind eine Bedrohung für den Weltfrieden“, so hätte ihn kein Mensch ernst genommen und ihm zum Abschied einen Mitgliedsantrag für die NPD in den Briefkasten geworfen. Nachdem es aber um Israel geht, läuft das alles unter der Überschrift „Israelkritik“. Den Antisemitismus, den solche Aussagen beherbergen, will hingegen kaum jemand erkennen. Sicherlich auch, weil viele Teile der Bevölkerung ihn mit Jakob Augstein teilen. 

Nun gehe ich davon aus, dass viele von Ihnen bestimmt nicht nur einmal versucht haben werden, mit überzeugten „Israelkritikern“ zu diskutieren und sie zur Einsicht zu bringen. Sei es mit Fakten oder Fragen. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle sagen: Lassen Sie es bleiben. Es bringt nichts. Gehen Sie lieber mit Ihrem Hund spazieren oder Ihrer Ehefrau Pizza essen. Wer Israel mit dem Dritten Reich oder Gaza mit dem Warschauer Ghetto vergleicht, wird seine Meinung trotz Engelszungen und dagegen sprechenden Fakten nicht ändern. Das heißt aber nicht, dass es der richtige Weg wäre, gar nichts dagegen zu tun. Wichtig ist nur, die Zielgruppe zu definieren. 

Wenn ich beispielsweise über Israel und seine selbst ernannten Freunde schreibe, dann gibt es in der Regel drei Gruppen von Lesern:  Erstens diejenigen, die sich aufregen, zum sogenannten Gegenbeweis die Neturei Karta oder Evelyn Hecht-Galinski zitieren und sich dann noch über mein Alter beschweren (kurz: man wird persönlich). Das sind die Unbelehrbaren, die können Sie getrost ignorieren. Zweitens sind da Leser, die meine Ansichten teilen und sich bestenfalls unterhalten fühlen. Und drittens gibt es auch noch Menschen, die keine wirkliche Meinung zu Israel haben. Diese Gruppe ist vergleichsweise still und will sich ihr eigenes Bild machen. An dieser Stelle gilt es, der Flut an Anti-Israel-Propaganda etwas entgegenzusetzen und so zur Meinungsbildung beizutragen. Das sollten aber bitte nicht nur Zahlen und kilometerlange Abhandlungen, sondern auch Humor sein. Ein Latma-Video zur richtigen Zeit kann manchmal schon Wunder bewirken und ist zudem wesentlich sympathischer als der missionarische Eifer der sogenannten Israelkritiker. Auch Anlässe wie etwa der Israel-Tag sind gute Gelegenheiten, um die Politik hinter sich zu lassen und die Vorzüge des Landes – darunter High-Tech, Strände und Kultur – zu kommunizieren. 

Und was machen wir mit den Unbelehrbaren, werden Sie sich vielleicht fragen. Offen gestanden: Ich weiß es nicht. Sie werden das hierzulande vorherrschende negative Israel-Bild ohnehin nicht heute, morgen oder übermorgen in ein farbenfrohes Gemälde verwandeln können. Genauso wenig, wie Sie das Problem des als Israelkritik getarnten Antisemitismus umgehend beseitigen werden. Vielleicht hilft es aber, Israelkritiker dieser Art als das zu enttarnen, was sie sind. Holocaustleugnung und Hakenkreuze sind heute nicht mehr salonfähig. Bei „Israelkritikern“ wie Jakob Augstein ist das hingegen anders. Die haben sogar das Potential, Persilscheine von Salomon Korn, dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, zu erhalten. Auch hier helfen nur Fakten und Kommunikation. Sobald die Schwelle zwischen legitimer Kritik und Antisemitismus überschritten ist, sollte das mit klaren Worten ausgesprochen werden.  

Nun will ich Sie aber nicht länger aufhalten und stattdessen zum Abschluss Benjamin Netanyahu zitieren, der neulich der Tageszeitung „Die Welt“ gegenüber sagte:

 „In unserer Geschichte, die europäische eingeschlossen, gab es ein wiederkehrendes Muster. Zuerst wurde das jüdische Volk schlecht gemacht, dann wurde es angegriffen. Und das Schlechtmachen, die Hetze diente dazu, die nachfolgenden Angriffe zu legitimieren. Und in vielerlei Hinsicht ist das auch das, was dem Staat Israel widerfährt.“

Dem ist soweit nichts hinzuzufügen. Außer, dass ich Ihnen empfehlen würde, trotz der grassierenden Israel-Obsession stets den Humor zu behalten.  

Insofern wünsche ich Ihnen für heute noch frohes Schaffen und verbleibe mit ganz lieben Grüßen nach Regenburg.

Ihr Ehrenmitglied Jennifer Nathalie Pyka.

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