Das soziale und gesellschaftliche Miteinander funktioniert nur mit
ein paar Grundregeln. Wer beispielsweise falsch parkt und dabei erwischt
wird, hat sein Bußgeld zu zahlen. Wer versehentlich Rotwein über den
Perserteppich des Nachbarn kippt, muss für den Schaden aufkommen
(zumindest jedoch dessen Haftpflichtversicherung). Und wenn ein Kapitän
den eigenen Dampfer zu Schrott fährt, sollte auch er die Konsequenzen
ziehen. Das nennt man Verantwortung für das eigene Tun inklusive der
eigenen verursachten Fehler.
Allerdings gehört zu jeder Regel auch eine Ausnahme. So gilt in Bezug
auf Verantwortung die Devise, dass das dazugehörige Bewusstsein in dem
Maße abnimmt, wie der Abstand zum Volk zunimmt. Während Verantwortung
für „den kleinen Mann“ verpflichtend ist, stellt sie für gewählte Volksvertreter
oftmals lediglich ein Nice-to-have dar. Kann man an den Tag legen, muss
man aber nicht, wie aktuell in Rheinland-Pfalz zu beobachten ist.
Dort nämlich regiert Kurt Beck, wobei „regieren“ hier durchaus
synonym für „auf dem Stuhl kleben bleiben“ genutzt werden kann. Über der
Nürburgring-Pleite
schweben derzeit dreistellige Millionenbeträge, die natürlich nicht an
Kurt Beck, sondern am Steuerzahler hängen bleiben. Beck wiederum sagt
zwar, die „gesamtpolitische Verantwortung“ für das Debakel zu
übernehmen, allerdings meint er es nicht so. Denn ein Rücktritt kommt
ihm selbstverständlich nicht in den Sinn, womit Worte eben nicht zu
Taten werden, sondern ausgeleierte Hülsen bleiben. Stattdessen heißt es:
„Es sei aber nun einmal nicht zu verhindern, dass ,man‘ auch mal Fehler
mache.“ Was richtig, allerdings nur die halbe Wahrheit ist, da der gute
Mann es durchaus selbst verhindern könnte, seinem Politiker-Dasein eine
noch stärker von Verantwortungslosigkeit geprägte Aura zu verpassen.
Nun sollte man allerdings nicht vergessen, dass Beck keineswegs eine
Ausnahme, sondern vielmehr ein weiteres Mitglied in einem Ensemble
darstellt, das sich primär durch Arroganz und Respektlosigkeit
auszeichnet. Christian Wulff beispielsweise
hielt das Amt des Bundespräsidenten sowie vergünstigte Kredite und
zweifelhafte Übernachtungen aller Kritik zum Trotz solange für
vereinbar, bis ihm die Staatsanwaltschaft Hannover endgültig einen
Strich durch die Rechnung machte. Seine Einsicht, also die zwingende
Voraussetzung für Verantwortung, scheint er irgendwo zwischen Sylt und
Mallorca verloren zu haben.
Ganz ähnlich verhält es sich auch mit den großen und kleinen Dingen
des Politikerdaseins: von der Energiewende über die Euro-Rettung bis hin
zu Bundestagsabgeordneten, die in ihrer Freizeit mit Terroristen gen
Gaza schippern oder antidemokratische Ideen als „Systemkritik“
deklarieren. Ob Einsicht nun existiert oder fehlt, ob es sich lediglich
um eine vom Steuerzahler subventionierte Schande oder um eine immense
Belastung für den Bürger dreht – all das spielt hinsichtlich der
Verantwortung keine Rolle, da diese so oder so nicht stattfindet.
So gesehen könnte man ein Amt durchaus als Freifahrtschein für
politische Zechprellerei, folgenloses Wüten, gelebten Autismus und
selbstherrliche Arroganz bezeichnen. Am Ende des Tages mag man sich
fragen, ob ein solcher „Politikstil“ als Degeneration der Demokratie zu
werten ist, und wie viele Aufschneider, die aus Macht automatisch
Freiheit von Verantwortung ableiten, dieses Land eigentlich noch tragen
kann. Indes werden irgendwo die nächsten Amtsinhaber gewählt, die sich
floskelhaft beim Wähler für „das Vertrauen“ bedanken, um es ein Jahr
später zu missbrauchen und die Grundregeln zu missachten, an die sie
sich als „kleiner Mann“ noch hielten. Was dagegen hilft? Nichts, außer
vielleicht ein endgültiger Abschied von der Illusion des
verantwortungsvollen Politikers.
Zuerst im Rahmen der Kolumne "Neues aus Meschuggestan" auf "The European" erschienen.
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