Ach, wie lange mussten wir doch warten - unzählige Stunden unter freiem Himmel in Schwimmbädern und auf Grillparties totschlagen, monotone Radtouren mit der Familie ertragen und literweise Alkohol im örtlichen Biergarten vernichten. Doch endlich hat der Sommer ein Ende, die Tage werden kürzer, Deutschland stellt sich (natürlich dank der globalen Erwärmung) auf einen 8-monatigen Winter ein und freut sich auf die schönste Zeit des Jahres, denn:
Die Castingsaison hat begonnen! Der Messias ist zurück, es ist wieder soweit - endlich kann der gemeine Bundesbürger und Trash-TV-Konsument sein Lieblingshobby in vollen Zügen ausleben. Pünktlich zu Beginn der kalten Jahreszeit versammelt sich die gesamte Nation vor dem Fernsehgerät und läutet damit die bundesweite Suche nach verkappten Chorknaben, Flopmodels, Dschungelkönigen, präpubertären Teeniebands sowie weiteren eher talentfreien Elementen unserer Gesellschaft ein, welche nicht nur zur nationalen Unterhaltung dienen, sondern mittlerweile auch vorwiegend zur Stimulierung unserer latenten, sadistischen Ader.
Doch zeitgleich weht auch ein Hauch von besorgniserregender Politikverdrossenheit durch’s Land der Bohlens und Heidis. Alarmiert beobachten Politologen die Stimmung: Vereinsamte Wahllokale, leere Wahlurnen, bedrohliche Unwissenheit in der Bevölkerung, summa summarum – ein Armutszeugnis für das politische Berlin. Doch eigentlich mag dies nur wenig verwundern, angesichts der Trantütigkeit einer Frau Merkel, der Wurschtigkeit eines Herrn Wulffs, der Scheinheiligkeit einer Frau Roth oder auch der neu erworbenen Lautlosigkeit eines Herrn Westerwelles. Ach, welch ein Jammer.
Jedoch – es naht die Rettung, liebes Volk, und sie liegt so nah! Rastlos zappen wir uns durch die Tristesse der TV-Landschaft, immer auf der Suche nach neuen Eintagsfliegen – warum, werte Herrschaften, suchen wir stattdessen nicht eine(n) neue(n) Kanzler(in)? Jawohl, neue Politiker braucht das Land! Nachdem die Einschaltquoten einer unterirrdischen Castingshow die durchschnittliche Wahlbeteiligung in der Bundesrepublik sicherlich bei weitem übersteigen, wäre ein solches Format doch durchaus erfolgversprechend. Unter dem Titel
„Deutschland sucht den Superkanzler“ (DSDSK) könnten wir uns endlich den Regierungschef unserer Träume zusammen schustern - ganz demokratisch per Televoting, ganz bequem von zuhause aus und ganz ohne den lästigen Sonntags-Marsch zum nächsten Wahllokal!
Nun stellt sich allerdings die Frage, was so ein potentieller Bundeskanzler eigentlich mitbringen muss, und vor allem, wie man dabei die Streu vom Weizen trennt? Zu diesem Zwecke brauchen wir natürlich eine hoch qualifizierte Jury vom Fach, welche die ambitionierten Kandidaten auf Herz und Nieren prüft. Als Experte für die Kategorie
„mediale Präsenz“ haben wir deshalb extra unseren Lieblings-Medien-Altkanzler Gerhard Schröder einfliegen lassen – eine schwere Geburt, mussten die Produzenten ihm doch eine Gage bieten, die sein jetziges Gehalt bei Gas-Prom bei weitem übersteigt. (Wir bitten die Zuschauer, uns aus diesem Anlass die Erhöhung der GEZ-Gebühren um 50% - denn natürlich wird dieses Format exklusiv für die öffentlich-rechtlichen Anstalten produziert – gütigerweise zu verzeihen!) Doch wer sonst, wenn nicht er, könnte unseren künftigen Kanzler so profund und adäquat auf seine Zukunft bei Will, Maischberger, Plasberg und Kollegen vorbereiten?! Eben. In Zeiten, in denen 90% der Bevölkerung der festen Überzeugung ist, dass Politik nicht im Bundestag, sondern in einer der unzähligen Polit-Talkshows gemacht wird, sind mediale Kompetenzen für einen Staatschef definitiv unabdingbar. Doch natürlich reicht es nicht, sich vollbepackt mit Stil, Charme und Souveränität auf einem der Sofas, die die Welt bedeuten, niederzulassen, und belanglos aus dem Nähkästchen zu plaudern. Aus diesem Grund braucht die Jury dringend ein prominentes Mitglied, welches die potentiellen Amtsanwärter einer intensiven Gehirnwäsche in Sachen
„Unwahrheiten erzählen“ unterzieht – wäre ja blöd, nahezu unausdenkbar, wenn Angi Junior im Eifer des Gefechts plötzlich die geplanten Steuererhöhungen ausplaudern würde. Darum wurde eigens für unser neues Format Baron von Münchhausen aus seinem wohlverdienten Totenschlaf entrissen, denn bekanntlich beherrscht keiner die hohe Kunst des Lügens so gut wie er. Rechts von ihm werden wir voraussichtlich Frau Ulla Schmidt platzieren – eine wahre Koryphäe ihres Fachs, quasi die unantastbare Expertin, wenn es darum geht, stets über den Verhältnissen zu leben und dafür horrende Summen an Steuergeldern zu verheizen! Natürlich bleibt sie sich selbst stets treu und wird extra aus Spanien im steuersubventionierten Dienstwagen mit Chauffeur und Securities herangekutscht – das stärkt schließlich ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie die Kandidaten in die komplexe
Wissenschaft der Dekadenz einweisen wird. Unterstützt wird die Ulla übrigens von führenden Managern deutscher Kreditinstitute, die sich damit schon mal ihre Altersvorsorge in Form von bescheidenen Bonuszahlungen sichern. Nun ist unsere Jury schon fast komplett – wir brauchen nur noch jemanden,
der unserem künftigen Kanzler beratend zur Seite steht, wenn der Karren irgendwann mal ganz schön tief im Dreck steckt (was, angesichts der geballten Kompetenz der Juroren, natürlich sehr, sehr unwahrscheinlich ist, aber man weiß ja nie ...). Wir haben uns an dieser Stelle für ein bekanntes Gesicht entschieden, die meisten Zuschauer werden ihn sicher schon aus so manchen niveauvollen TV-Formaten und Reality-Soaps kennen: Es handelt sich bei unserem letzten Jury-Mitglied um Peter Zwegat, der selbst spielsüchtige und alkoholkranke Hartz-IV-Empfänger bei RTL stets zuverlässig
„Raus aus den Schulden“ zerrt. Sollten wir also künftig auch noch Portugiesen, Spanier und Italiener durchfüttern, Flutopfern in Nigeria und Haiti mit Millionen von Euros zur Hilfe eilen und es ganz nebenbei mit den Dienstwagen-Exzessen zu weit treiben, wird Peter das schon richten.
Doch nicht nur das harte Wort der fachkundigen Jury soll über Deutschlands Zukunft entscheiden, viel mehr liegt das Urteil doch in den vertrauenswürdigen Händen eines sensationslüsternen Millionenpublikums, welches voller Eifer am Televoting partizipieren darf. Denn es gilt: Die Kandidaten müssen sich für IHRE Stimme natürlich ordentlich ins Zeug legen. Woche für Woche wird sich die Jury knifflige Aufgaben für die angehenden Diktatoren im Schafspelz überlegen, einzig und allein mit dem Ziel, einen geeigneten Kanzler für unser abgeschafftes Land zu finden, der die o.g. Fähigkeiten in Perfektion beherrscht. Wer es erstmal in den Recall geschafft hat, muss zunächst sein rhetorisches Talent beweisen. Zu diesem Zweck werden die Kandidaten angewiesen, eine politische Rede zu verfassen, in der das Volk gekonnt von der geplanten Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 70% abgelenkt wird. Natürlich werden die Kandidaten dabei von Baron Münchhausen persönlich gecoacht, zumal sie für diese äußerst komplizierte Aufgabe auch 14 Tage Zeit haben – schließlich müssen wir ja wohl Rücksicht auf die Legastheniker unter den Kandidaten nehmen! Nicht minder unterhaltsam gestaltet sich auch die nächste Runde. Hier sollen die Teilnehmer nämlich nicht nur ihre mediale Kompetenz, sondern auch ihre politische Korrektheit demonstrieren! Eigens für die Show wird eine Polit-Talk-Runde mit prominenten Gästen nachgestellt, wobei die Kandidaten zum Thema „Integration“ heftig ins Kreuzverhör genommen werden. Die Kunst besteht dabei darin, möglichst kompetent um den heißen Brei zu reden (denn natürlich hat kein Mensch in der Regierung die ultimative Lösung für das Einwanderungs-Problem) und gleichzeitig die Regeln der political correctness einzuhalten. Wer also „Ausländer“ statt „Person mit Migrationshintergrund“ sagt, fliegt sofort raus. Die prominenten Gäste der Runde – darunter u.a. der Vorsitzende des Arbeitslosenverband Deutschland e.V., der Chef des Zentralrats der Muslime und weitere Gutmenschen – fungieren dabei nicht nur als Statisten, sondern werden den Juroren im Anschluss beratend zur Seite stehen. Thilo Sarrazin, der sich im Zuge der Castingshow ebenfalls um das hohe Amt beworben hatte, musste an dieser Stelle unsere Sendung übrigens bedauerlicherweise verlassen. Schade, er hätte sicherlich seine Freude an der sich daran anschließenden Bildungsreise quer durch Europa, Asien und Amerika gehabt, welche einzig den besten fünf des Castings vergönnt ist. Dabei sollen die Kandidaten lernen, wie man auf dem roten Teppich richtig Hände schüttelt, gute Miene zum Bösen Spiel macht, oder aber auch, wie man sich „gekonnt ein Bild von der Lage deutscher Soldaten am Hindukusch“ macht. Bei der Gelegenheit kann man auch gleich die Fotogenität der Mitstreiter testen – schließlich sollte der Kanzler in Spe ja auch im auflagenstärksten Volksmedium, welches eher auf visuelle Reize statt auf fundierte Informationen setzt, eine gute Figur machen.
Sie fragen sich nun, woher das ganze Geld für solch ein exorbitantes Projekt stammt? Tja, am besten werfen Sie zur Lösung des Rätsels mal einen Blick auf Ihren letzten Gehaltszettel – die erneut angewachsene Differenz zwischen Brutto und Netto wurde natürlich wohlwollend in unsere Super-Kanzler-Show investiert, ebenso wie die horrenden Telefongebühren, die Ihnen für Ihren Anruf bei DSDSK in Rechnung gestellt werden. Aber grämen Sie sich nicht - immerhin haben wir am Ende der Staffel endlich einen Kanzler, der Deutschland zwar (ebenso wie seine Vorgänger) auch nicht retten, dafür aber alles daran setzen wird, Ihnen in den nächsten vier Jahren kontinuierlich und voller Elan ein X für ein U vorzumachen! Also, worauf warten Sie noch? Rufen Sie JETZT für Ihren Liebling an!