Donald John Trump aus Queens ist ein fleißiger Mann. Mit Immobilien,
Hotels, Misswahlen und vielen anderen hübschen Dingen hat er sich nicht
nur einen Namen, sondern auch aus seinem Namen ein Geschäft gemacht. Vor
fast eineinhalb Jahren fühlt er sich allerdings zu Höherem berufen. Nur
mit Casinos und Golfplätzen in die Geschichte einzugehen, wäre
schließlich etwas langweilig. Da traf es sich gut, dass die USA ohnehin
gerade damit begannen, einen neuen Präsidenten zu suchen. Trump kam, sah
und siegte im Kreise der Republikaner. Nun gibt er alles, um seine
Kontrahentin Clinton in die Flucht zu schlagen. Zwar ist Politik dieses
Formats nicht immer so glamourös wie der Alltag zwischen Miss Universe
und Las Vegas - und ein wenig anstrengend oben drein. Aber die Aussicht
auf ein Leben als mächtigster Mann der Welt ist auch nicht übel.
Schließlich muss ja irgendjemand dafür sorgen, dass Amerika „great
again“ wird. Denn aktuell soll es, zumindest vom Trump Tower in
Manhattan aus betrachtet, alles andere als großartig sein.
Dementsprechend hat es nicht nur einige Makel und Probleme, so wie das
in Staaten der westlichen Hemisphäre eben üblich ist. Vielmehr ist das
Land Trump zufolge schon dem
Untergang geweiht.
Hier der Terror auf den Straßen, dort Drogen dealende und wild umher
vergewaltigende Mexikaner, und zudem auch noch Chinesen, die das
amerikanische Volk im Rahmen der Globalisierung in die Armut treiben –
kurz: ein Schicksal, das nur ein „strong leader“ wie er abzuwenden weiß.
Um sein Verhältnis zur Realität kann er sich ja eventuell noch kümmern,
nachdem das Oval Office entsprechend eingerichtet ist.
Ein Herz für Diktatoren und böse Jungs aus aller Welt
Aber natürlich ist Trump kein Demagoge, sondern ein viel beschäftigter Mann.
Zur Lektüre von Büchern fehlt ihm die Zeit. Auch mit Höflichkeit, die er öfter mal mit "
political correctness"
verwechselt, hält er sich nicht auf. Denn schließlich will Trump nicht
nur Amerika wieder in die Großartigkeit katapultieren. Mindestens ebenso
liegen ihm die Diktatoren und Autokraten dieser Welt am Herzen. Mussten
sie all die Jahre hinweg noch vor dem jeweiligen GOP-Kandidaten
zittern, so treten sie heute in Scharen dessen Fanclub bei.
Dazu zählt beispielsweise der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un, dessen Propaganda-Organ schon die
Werbetrommel
für Trump rührt. Auch ein nuklear gerüstetes Steinzeitregime muss sich
erkenntlich zeigen, wenn sich schon mal ein potentieller US-Präsident
findet, der die eigenen Interessen so teilt, wie es der Kandidat der GOP
mit seiner Agenda (Abzug der US-Truppen aus Südkorea und Japan) tut. Da
ist es fast schon schade, dass Saddam Hussein sich nicht mehr post-hum
für die
Blumen
bedanken kann, die Trump ihm neulich angedeihen ließ. Aber vielleicht
kann Recep Tayyip Erdogan, für den der Immobilienexperte ebenfalls
lobende Worte übrig hat, das ja übernehmen.
Ähnlich sieht es mit Vladimir Putin aus, der Trumps Herzchen
regelmäßig höher schlagen lässt. Auf die Ukraine und Russland
angesprochen, betonte der Präsidentschaftskandidat in einem Interview,
Putin würde mit Sicherheit
nicht die Ukraine
überfallen. Dass das schon längst geschehen ist, muss den
Immobilien-Magnaten dabei nicht weiter irritieren. Denn wann immer es um
seinen Buddy im Kreml geht, tritt bei Trump der Bündnisfall in Kraft.
Über Mexikaner und Chinesen lässt sich verhandeln, Putin steht
allerdings unter Naturschutz.
Make Russia great again!
Es ist vor allem die „great again“-Machung Russlands, die auf der
to-do-Liste des New Yorker Unternehmers ganz weit oben rangiert. Und
dabei stört insbesondere die transatlantische Partnerschaft. Die
NATO
hält Trump für „obsolet“ – unter anderem, weil sie im Kampf gegen den
Terror versagt hätte. Dass sie zwischendurch zu genau diesem Zweck in
Afghanistan aktiv wurde und seit Ende des 2. Weltkriegs für den Frieden
in Europa ganz ordentliche Dienste leistete, hat sich offenkundig noch
nicht bis in jedes Trump Resort herumgesprochen. Insofern ist es nur
konsequent, wenn der Retter Amerikas das Bündnis wie eine illegale
Putzfrau aus Acapulco behandelt.
Würde Russland im
Baltikum einmarschieren und den Bündnisfall ausrufen, wäre das für einen Präsidenten Trump kein Grund, dem Partner
automatisch
zur Hilfe zu kommen. Erst würde er nachsehen, ob der Angegriffene
überhaupt seine Rechnung bezahlt hat, bekannte er in einem Interview.
Freiheit? Frieden? American exceptionalism? Der Gedanke, dass
militärischer Beistand nicht einfach eine Dienstleistung für Dritte,
sondern ebenso eine Investition in die eigene Sicherheit ist? Aber nein.
„It’s the budget, stupid!"
Ein US-Präsident Trump wäre für das Baltikum also mindestens ein
Abenteuer. Das Nicht-NATO-Mitglied Ukraine könnte dagegen gleich die
weiße Flagge hissen. Der
Vorschlag
etwa, die Ukraine mit defensiven Waffensystemen zu beliefern, um der
russischen Aggression etwas entgegenzusetzen, wurde aus Trumps
Wahlprogramm gestrichen. All die
Kreml-nahen Wahlkämpfer in seinem Team, darunter etwa zeitweise der ehemalige
Berater von Viktor Janukowitsch, müssen schließlich zu etwas gut sein.
Mehr Obama wagen – jetzt auch mit Überzeugung statt aus Feigheit
Ohnehin hat Trump außenpolitisch ganz andere Prioritäten. Der
„Islamische Staat“ etwa steht weit oben auf seiner Abschussliste, was
prinzipiell eine gute Idee ist. Noch besser wäre sie allerdings, wenn
Trump auch wüsste, wie es danach weitergeht. "
Nation building" ist seine Sache nicht, die Absetzung des Massenmörders Assad ebenso wenig,
russische Kooperation
dafür umso mehr. Das eint ihn mit Barack Obama, der den Brandstifter
ebenfalls für die Feuerwehr hält. Dass Putin, der Seit an Seit mit dem
Iran
nicht unbedingt den IS,
sondern Zivilisten, Kinder, Krankenhäuser und vor allem die
vergleichsweise gemäßigten Rebellen plattmacht, muss den potentiellen
US-Präsidenten so wenig kümmern wie den amtierenden. „Ordnung“ ist
schließlich auch auf einem Leichenberg möglich. Offerierte Obama bislang
nur den
Freifahrtschein für Assad, die Mullahs und ihn selbst, so dürfte ein Präsident Trump künftig noch einen Blumenstrauß hinterherschicken.
Doch Trump will natürlich kein Obama, sondern ein starker Anti-Obama
sein. Mit Recht kritisiert er den Iran-Deal, den der amtierende
Präsident für die größte Errungenschaft seit ObamaCare hält. Dass aber
sein Kumpel Vladimir mit demselben Iran paktiert, ist für Mister Trump
offenbar kein Problem. Vielmehr stört ihn all das Chaos, das in der
Region so stattfindet und überhaupt erst durch die Zurückhaltung der USA
entstanden ist. Beseitigen möchte er es aber dennoch nach Obama’scher
Hausfrauen-Art - nämlich mit noch mehr Isolationismus und mehr Vertrauen
in regionale Mörder.
Der Verdienst Barack Obamas und auch Hillary Clintons besteht vor
allem darin, erfolgreich pro-westliche Partner im Stich gelassen zu
haben, die an die USA glaubten. Die frühe syrische Opposition, die
Ukrainer und die grüne Bewegung Irans waren es dem
Friedensnobelpreisträger nicht wert, seine eigenen roten Linien ernst zu
nehmen und womöglich einen Makel in späteren Geschichtsbüchern zu
riskieren. Trump hingegen will sich damit offenbar nicht begnügen. Er
macht das Maß stattdessen ganz voll und betätigt sich proaktiv als
Interessenvertreter aller Diktatoren und Despoten, die den Westen bis
aufs Blut zu bekämpfen gedenken.
Gute Nachrichten für Amerika-Feinde: Die Propaganda kommt nun direkt vom US-Präsidentschaftskandidaten
Seinem Freund im Kreml etwa stellt er daher keineswegs nur freies
Geleit in Osteuropa in Aussicht. Auch in Sachen PR gibt er alles. Putin
hält er wahlweise für einen "
strong leader", „powerful leader“ oder auch einen "
leader far more than our president [Obama] has been",
der immerhin ordentlich Kontrolle über sein Land habe – was vielleicht
daran hängt, dass Kontrolle dieser Art eben in der Natur eines
Autokraten liegt. Aber vielleicht hätte Barack Obama besser mal das
mexikanische Tijuana überfallen oder Vancouver Island annektieren
sollen, um Trumps hohen Qualitätsstandards gerecht zu werden.
Darauf angesprochen, dass Putin mit ungeklärten Morden an kritischen
Journalisten in Verbindung gebracht wird, fiel ihm sogleich die passende
Antwort ein.
"Well, I think that our country does plenty of killing, too“, gab der New Yorker zu
bedenken,
was natürlich nicht völlig falsch ist. Der Terrorfürst Osama bin Laden
und die Journalistin Anna Politkovskaya waren letzten Endes auch nur
Menschen. Ohnehin hätten die USA bei all ihren Verfehlungen gemäß Trump
nicht das Recht, andere Staaten hinsichtlich Freiheit und Demokratie zu
belehren.
Ein wichtiger Hinweis, den linke Diktatorenfreunde schon seit
Jahrzehnten auf ihre Plakate pinseln. Vladimir Putin, dessen Herz vor
allem für moralische Äquidistanz schlägt, gefällt das.
Die staatlich kontrollierten Medien Russlands kommen derweil gar
nicht mehr hinterher, ihr Programm mit Trump-Statements zu bereichern,
die das antiamerikanische Ressentiment im Land prächtig gedeihen lassen.
Dass Obama etwa den
IS erschaffen hätte,
zählt zu denjenigen Trump-Enthüllungen, die nicht nur bei radikalen
Moslems, sondern auch zwischen St. Petersburg und Wladiwostok gut
ankommen. Ohnehin spricht Trump zuverlässig all jene Dinge aus, die die
Feinde des freien Westens schon immer gewusst haben wollen. Und das ist
ja auch eine Leistung, von der Autokraten, Massenmörder und Islamisten
bereits jetzt und ganz ohne Wahlergebnis profitieren.
„The Donald“ oder westliche Werte – beides geht nicht
Doch Trump, der Diplomatie für ein Monatstreffen der Cosa Nostra hält
und die Lösung globaler Konflikte mit Immobiliendeals verwechselt,
lässt sich von alledem nicht beirren. Auch die Maxime der Republikaner,
wonach sich Außenpolitik am Ideal der Freiheit orientieren sollte,
entspricht weniger seinen Vorstellungen. Nicht unterdrückte Bürger
müssen befreit werden, sondern die Unterdrücker selbst. Und wenn vieles
darauf hindeutet, dass es
russische Hacker sind, die sich sowohl auf dem
Server der Demokraten-Führungsriege als auch im Umfeld zweier
Wahlcomputer
umgesehen haben, dann schlägt das Herz des „great again“-Kandidaten
keineswegs für amerikanische Interessen, sondern für seine eigenen. Dann
fordert er Hacker im Auftrag Russlands lieber auf,
Clintons Emails zu finden und zu veröffentlichen, anstatt sich über nationale Sicherheit Gedanken zu machen.
Aber auch der Retter Amerikas muss eben gelegentlich Prioritäten
setzen. Westliche Werte hat er nicht im Angebot, dafür aber autoritär
gewürzte Stärke. Es ist auch keineswegs Obama, sondern das Modell der
Freiheit an sich, das Trump für dessen vermeintliche Schwäche verachtet.
Dabei ist der Westen nicht trotz, sondern gerade wegen seiner
Freiheiten stark und dem autokratischen Modell weitaus überlegen. Nicht
trotz, sondern wegen seiner attraktiven Werte – Marktwirtschaft,
Wohlstand und Individualismus – wird er immer wieder von Islamisten,
Kommunisten und weiteren Gruselfiguren angegriffen. Ob die USA Mauern
bauen oder einreißen, Diktaturen beenden oder befördern, ist ihren
Gegnern völlig egal. Sie hassen die Vereinigten Staaten nicht für das,
was sie tun, sondern für das, wofür sie stehen.
So klappt es mit dem Rubel: Darlehen gegen Weltordnung
Mag sein, dass Donald Trump nicht jedes seiner Worte selbst glaubt.
Vielleicht ist es auch nur die Eitelkeit, die ihn dazu nötigt, jedes
Kompliment aus dem Kreml mit XXL-Kreml-Lob zu beantworten.
Wahrscheinlicher ist allerdings, dass er westliche Werte und Interessen
einfach nur aus eigenen finanziellen Erwägungen verkauft. Dass nicht
Amerika, sondern vor allem er selbst „great again“ werden soll. Dass ihm
gar nicht Russland als solches, sondern nur die
russische Oligarchie und deren Geld am Herzen liegen. Denn letztlich ist es mehr und mehr russisches Kapital, von dem Trump
abhängt, nachdem amerikanische
Banken ihm schon länger kein Geld mehr leihen wollen. Alles gute Gründe, seine Steuererklärung
doch lieber für sich zu behalten. In diesem Fall kämen immerhin Freunde
des schwarzen Humors auf ihre Kosten: Nicht jeder besitzt die Chuzpe,
die eigene Konkurrentin als „korrupt“ und „Kandidatin der Wall Street“
zu bezeichnen, gleichzeitig aber das Amt des US-Präsidenten als
Business-Plattform zu betrachten, um von dort aus eine ganze Weltordnung
gegen ein paar Darlehen und einen Trump Tower in Moskau zu tauschen.
Den Gegnern dieser Weltordnung kann derweil ziemlich egal sein, was
den GOP-Kandidaten eigentlich antreibt und warum er ihre Interessen so
vehement vertritt. So oder so wäre ein US-Präsident namens Trump ein
Siebener im Lotto für alle Kontrahenten des Westens. Obama half seinen
Feinden aus Naivität und Feigheit. Donald J. Trump tut es aus
Überzeugung. Eine Präsidentin Clinton wäre kein Segen. Ein Präsident
namens Donald Trump hätte allerdings das Zeug zum Super-GAU. Und das hat
immerhin auch noch kein US-Präsidentschaftskandidat vor ihm geschafft.
Die Chancen auf ein Plätzchen im Geschichtsbuch stehen also gut. Die
Geschichte wiederum hatte bekanntlich schon öfter eine Portion Ironie im
Gepäck.
Zuerst auf der Achse des Guten erschienen.
|
Freiheitskämpfer beim Musizieren
(Marine 1st Division Old Breed Band - © J. N. Pyka) |