Süddeutsche Wiederholungstaten

Warum die Süddeutsche Zeitung immer wieder mit als antisemitisch kritisierten Karikaturen von sich reden macht – ein Nachtrag aus aktuellem Anlass in der aktuellen Ausgabe (Print + online) der "Jüdischen Allgemeinen".

"Doch in dem Werk von Dieter Hanitzsch geht es weniger um Schattierungen als vielmehr um das große Ganze: die düsteren Machenschaften des Benjamin Netanjahu. Eines Mannes also, der sich hier nur als Regierungschef tarnt, in Wirklichkeit aber mit seinen schwulstigen Lippen und seiner überdimensionalen Nase »den Juden« an sich repräsentiert. Erst bearbeitet er den US-Präsidenten dahingehend, Jerusalem als Hauptstadt anzuerkennen, nebenbei bombardiert er die leidenden Palästinenser. Und als wäre das nicht schon genug, reißt er sich jetzt auch noch den ESC unter den Nagel. Der raffgierige Premier lässt nicht nur Netta wie eine Marionette zum ESC tanzen, er flüstert nicht nur dem US-Präsidenten sinistere Pläne ein, nein, er nimmt nun zusätzlich die Europäer in Geiselhaft, die nächstes Jahr in Jerusalem eine Hauptstadt zu »legitimieren« haben, die den Juden ja eigentlich gar nicht zusteht – zumindest aus Sicht vieler SZ-Leser.

Kurzum: Der skrupellose Bibi hat uns alle in der Hand, von Washington über Jerusalem bis nach Europa, und dabei macht er auch vor Lesern der SZ nicht halt. Insofern muss man Dieter Hanitzsch durchaus Anerkennung zollen: Nicht vielen Karikaturisten gelingt es, große Teile des Sündenregisters der Juden seit der Kreuzigung Jesu so kompakt in nur einer Karikatur unterzubringen."


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Iran-Deal? It’s identity politics, stupid!

Weder hat der Iran-Deal den Nahen Osten sicherer gemacht, noch den Iran von seinen nuklearen Ambitionen abgebracht. Mit den europäischen Befindlichkeiten korrespondiert er dafür umso besser. Der Abschied der USA aus dem Atomabkommen trifft die selbsternannten „Friedensdiplomaten“ daher auch nicht politisch, sondern im Kern ihrer Identität.

 
 
Der Nahe Osten ist das Lieblingsprojekt der Europäer. Kaum ein Erdteil bewegt sie mehr. Kein Ort und kein Elend, weder die humanitäre Krise Venezuelas noch der real existierende Gulag Nordkoreas, verleiten sie zu so ausgeprägten Mahnungen, Warnungen und Sorgenfalten, wie es die Region zwischen Israel und Afghanistan vermag. Dabei sympathisiert der Europäer als solcher, der Deutsche im Besonderen, ansonsten eher weniger mit unaufgeräumten Verhältnissen. Er hat es gern übersichtlich und ordentlich, was besondere Beziehungen in Richtung Morgenland zunächst etwas erschwert. Gleichzeitig gilt es, der selbst auferlegten Verpflichtung zur gründlichen Schiedsrichterei zuverlässig nachzukommen. Nahost ist einfach zu verlockend, um lediglich zu schweigen.

Um diesem Dilemma zu entkommen, haben europäische Beobachter, Politiker und Diplomaten im Laufe der Zeit ausgeklügelte Strategien entwickelt: Sie schauen gerne weg, wenn es zu chaotisch wird, etwa in Syrien oder in Jemen. Und sie werden gerne laut, wenn sich die Gelegenheit ergibt, auf der Weste der Amerikaner und der Israelis einen Fleck zu identifizieren. Jihadisten, Despoten und Terror-Banden trifft dagegen erstmal keine Schuld, handelt es sich bei ihnen doch bloß um Opfer zionistisch-imperialistischer Bestrebungen. So lässt sich entspannt Nahost-Politik betreiben, ohne dass es wehtut.

Die Ming-Vase unter den internationalen Verträgen

Dem Hang zur Ordnung und der Sehnsucht nach Geschichtsbuch-trächtigen Auftritten mit moralisch anmutendem Charme entsprang 2015 auch das Iran-Abkommen. Während internationale Abkommen gewöhnlich einem Zweck dienen, war der Iran-Deal (JCPOA) stets Zweck an sich. Das Abkommen stellt gewissermaßen die Ming-Vase unter den internationalen Verträgen dar. Ob es hält, was es verspricht, gilt als eher zweitrangig – Hauptsache, man hat es. Und weil man einst viel Mühe, Arbeit und Schweiß darin investierte, hat es gefälligst auch am Leben zu bleiben.

Entsprechend beleidigt reagiert man auf dem Kontinent, wenn Störenfriede wie der israelische Premierminister die kostbare Ming-Vase vehement als billige Mogelpackung bezeichnen. Und dementsprechend am Boden zerstört zeigen sich die Europäer nun, nachdem der amerikanische Präsident das kostbare Gut einfach gegen die Wand schmetterte und anschließend öffentlichkeitswirksam auf den Scherben herumtrampelte. Dass die USA sich unter Donald Trump nicht nur aus dem Abkommen zurückziehen, sondern auch noch verstärkte Sanktionen gegen den Iran zu verhängen gedenken, nehmen ihnen die Europäer mehr als nur übel.

Kämpferisch treten sie nun an, ihr Lieblingsprojekt doch noch am Leben zu erhalten. Umgehend warf die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini die rhetorischen Beatmungsgeräte an, immerhin sei JCPOA doch „entscheidend für die Sicherheit Europas, der Region und der ganzen Welt“. Schade nur, dass sich derlei Erkenntnisse noch nicht bis in die nahöstlichen Gefilde herumgesprochen haben, wo der Iran mitsamt seiner Handlanger grenzübergreifender und blutiger als zuvor unterwegs ist. Seltsamerweise ist es um die Sicherheit unzähliger Iraner, Syrer, Iraker und Jemeniten nach wie vor nicht so gut bestellt, wie man in Brüssel meint.

Im antiimperialistischen Bällebad

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vergesellschaftet seine persönliche Kränkung gekonnt. Seinerzeit als Außenminister selbst an den Verhandlungen beteiligt, beklagt er nun einen „schweren Rückschlag für die Friedensdiplomatie“ sowie eine „Tragödie für den Iran“. Und Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, wirft Donald Trump vor, seine Wahlkampfversprechen sogar „zum Nachteil des Weltfriedens“ umzusetzen. Dabei ist es erst ein paar Wochen her, da der US-Präsident aus europäischer Perspektive zuletzt den Weltfrieden gefährdete – nämlich, als er gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien leerstehende Chemiewaffen-Lager des Assad-Regimes bombardierte.

Wenn es um den viel zitierten Weltfrieden geht, macht Donald Trump offenkundig niemandem etwas vor. Kein Wunder, dass ihm die Gefährdung des „Friedens in Nahost“ da umso leichter von der Hand geht. „Donald Trump bringt die USA, Israel und die gesamte Region zurück an den Rand eines großen Krieges“, so die Diagnose auf „Spiegel Online“, wo man den Nahen Osten offenkundig für eine friedliche Oase hält, die erst dank des Mannes im Weißen Haus außer Balance geraten ist. Schließlich wird Amerika ja nun von „moralisch Verwahrlosten“ regiert, während Hassan Rohani durch „geistig moralische Überlegenheit“ glänzt, wie ein Mitarbeiter von „Panorama“ (ARD) feststellt. Eine Einschätzung, die eventuell auch Georg Restle, besorgter Redaktionsleiter beim ARD-Magazin „Monitor“, teilen würde. „Und das am 8. Mai: Oberster Kriegstreiber sitzt im Weißen Haus“, twitterte er anlässlich der amerikanischen Atomentscheidung. Es sind wertvolle Einordnungen wie diese, für die man gerne den GEZ-Beitrag entrichtet: Der Ami ist der neue Adolf.

Zu gerne würde man die Europäer für einen Moment aus dem antiimperialistischen Bällebad abholen und sich mit ihnen so über den Nahen Osten unterhalten, wie es unter Erwachsenen üblich sein sollte. Spätestens dann würden sie vielleicht sogar feststellen, dass es durchaus einige Wege gibt, den Atom-Deal zu analysieren, zu kritisieren und zu bewerten. Die einen verdammen ihn von Grund auf, die anderen halten ihn für gut gemeint, jedoch schlecht gemacht, und wieder andere plädierten bislang für eine der Bedrohung angemessene Korrektur anstelle einer Annullierung. Tatsächlich ist es sogar möglich, einen (und damit nicht zwingend diesen) Deal zu befürworten, ohne dabei die Bedrohung durch das iranische Regime zu negieren. Und es ist ebenso machbar, Trumps Entscheidung und die Implikationen für die transatlantische Partnerschaft zu diskutieren, ohne dabei die Gesprächsatmosphäre mit antiamerikanistischen Reflexen zu verunreinigen.

Knick in der Optik

All das ist im Rahmen des Möglichen, potentiell sogar unter Beteiligung der Europäer – vorausgesetzt, sie bringen auch ein wenig Realitätsbezug mit. Entscheidend ist nämlich in erster Linie nicht, wie man das Agreement bewertet, sondern wie man die Teheraner Realität überhaupt wahrnimmt. Hält man jedoch Hassan Rohani für einen „moderaten Reformer“ und das Mullah-Regime an sich für einen etwas übermütigen, aber eben doch durch viel Kultursensibilität und Geld zähmbaren Rowdy, erübrigt sich die Diskussion. Man kann nur dann über den Umgang mit der iranischen Führung sprechen, solange alle Beteiligten sich einig sind, mit wem sie es in Teheran zu tun haben.

Viele Europäer beeindrucken ihre Umwelt dahingehend allerdings mit einem vergleichsweise sonnigen Gemüt. Ist von einem Abkommen die Rede, denken sie nur an ihren Deal, an dem sie kein Komma geändert sehen wollen. Wo Israel eine existentielle Bedrohung ausmacht, erkennen die Europäer vielmehr „hysterische“ Israelis, die sich lediglich bedroht „fühlen“. Und wenn eine aufgestachelte Menge durch Teheran marschiert und „Death to USA, death to Israel!“ skandiert, nimmt man das zwischen Brüssel und Berlin erst einmal nicht zur Kenntnis, verbucht es auf Nachfrage höchstens als nahöstliche Verbal-Folklore. Denn die Europäer im Allgemeinen, die Deutschen im Besonderen, haben sich schon länger angewöhnt, ausschließlich das Gute im iranischen Regime zu sehen: geheimnisvolle Ayatollahs, die brav die Hände schütteln sowie Staatsunternehmen, die eifrig Baukräne und Turbinen ordern. Eine Disziplin, in der weder die Israelis noch die amerikanischen Mullah-Gegner mithalten können.

Es ist dieser Knick in der Optik, der jedes europäische Gespräch über das Nuklear-Abkommen in ein Feuerwerk der Logik verwandelt. Seit die Vereinbarung 2015 in Kraft trat, hat der Iran alles unternommen, um sein Gegenüber am Verhandlungstisch ausgesucht idiotisch aussehen zu lassen. Sein Streben nach Vorherrschaft von Teheran über Bagdad bis nach Beirut und Damaskus hat das Regime seither beständig intensiviert. Es lässt seine Handlanger nicht nur im syrischen Bürgerkrieg mitmorden, sondern auch den heißen Krieg mit Israel proben. Und wenn die Mullahs eine neue atomar bestückbare Mittelstreckenrate ins Sortiment nehmen, zögern sie keine Sekunde, dies ihrer Umwelt auch unübersehbar mitzuteilen. Wo die Mullahs atomar zumindest oberflächlich einen Gang runterschalten, geben sie seit Bestehen des Deals auf konventionellem Wege umso mehr Gas. Europäisches Geld macht es möglich.

Identitätspolitik, getarnt als Diplomatie

Gleichwohl spielen Hauptsächlichkeiten wie diese insbesondere in der deutschen Diskussion eine erstaunlich marginale Rolle. „Der Iran hält sich an die Regeln“, betonen Federica Mogherini und ihre Freunde stets – was wenig über den Iran und viel über die Natur des Abkommens aussagt, an dem die Europäer so hängen. Dass der Iran bei Vertragsschluss log und dies weiterhin tut, wertet man vielmehr als grünes Licht für ein kraftvolles „Weiter so!“. Mehr als die Natur der Atom-Inspektionen interessiert sie die Aufhebung der Sanktionen. Denn europäischer Logik folgend wird sich ein auf Vorherrschaft und Gewalt fixiertes Regime schon mäßigen, solange man nur genügend Handel mit ihm treibt.

Insbesondere den Deutschen wird dabei oft vorgeworfen, es ginge in puncto Iran ausschließlich ums Geschäft. Mehr als halbgare Diplomatie sei von ihnen, deren Streitkräfte es wohl nur gerade so von Berlin bis nach Potsdam schaffen würden, ohnehin nicht zu erwarten. Beides mag stimmen, wird den Deutschen und ihren europäischen Mitstreitern aber keinesfalls in Gänze gerecht. Denn in der Hauptsache dient das Abkommen den Befindlichkeiten derer, die es einst abschlossen und anschließend stolz vor die Kameras traten. Mag das Agreement auch noch so untauglich sein, den Nahen Osten zu befrieden, der iranischen Bevölkerung zu mehr Lebensqualität zu verhelfen und die Mullahs von ihren nuklearen Ambitionen abzubringen – für die Pflege des europäischen Selbstbilds eignet es sich dafür aber prima.

Wenn die Europäer über den Iran, den Deal und das nun naheliegende Scheitern sprechen, blicken sie weder nach Teheran, noch auf die blutige Realität, sondern vor allem auf sich selbst. Auf ihre „Friedensdiplomatie“, ihre „historische Errungenschaft“ und ihren Gefühlshaushalt, dem „ein bisschen Frieden“ seit je her besser bekommt als Realismus und Tatkraft. Und wenn es schief geht, sind nicht die Schurken schuld, sondern die USA und Israel, die nichts Geringeres als den Weltfrieden bedrohen. Jahrzehnte lang eingeübte Israelkritik und ausgeprägte Amerika-Skepsis zahlen sich aus. Am wohlsten fühlt man sich nicht innerhalb der westlichen Allianz, sondern als neutraler Vermittler, der kultursensibel Verständnis auch für die brutalsten Despoten aufbringt.

Nur logisch also, dass das einzig verbleibende Argument für den Erhalt des Atom-Deals vor allem darin besteht, dass man ihn höchstpersönlich und eigenhändig geschlossen hat. Wenn Sicherheitspolitik jedoch mit Identitätsstiftung verwechselt wird, sollte man das Heft des Handelns möglicherweise doch lieber anderen überlassen. Dem Frieden zuliebe.

Zuerst bei den Salonkolumnisten erschienen.
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