Der Kampf gegen Hass und Hetze im Internet zählt zu den größten
Herausforderungen des Jahrzehnts. Viel hat die Bundesregierung schon
getan, doch noch viel mehr muss sie unternehmen, um diese Mammutaufgabe
zu bewältigen. Das größte Problem besteht dabei darin, dass man immer
mehr Hass entdeckt, je mehr man in dessen Bekämpfung investiert. Lief es
einstmals noch unter verbaler Gewalt, einen Menschen zu bedrohen, so
reicht heute schon der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“, um sich eines
Hassverbrechens verdächtig zu machen. Zumindest, wenn es nach der
Antonio Amadeu Stiftung geht, die in der
„Task Force“
des Justizministers mitwirkt, in der über die Lösch-Politik von
Facebook, Twitter und Google philosophiert wird. Vorbei die Zeiten, als
sich noch Polizei und Justiz um die bösen Jungs kümmerten. Der Kampf
gegen hatespeech ist schließlich zu wichtig, um ihn nur am
Strafgesetzbuch zu messen.
Was genau eine Hassbotschaft ausmacht, ist dabei zwar keineswegs
ersichtlich. Aber es reicht ja auch, wenn die zuständigen Behörden und
ihre Dienstleister das wissen. Derlei Kleinigkeiten können immer noch
geklärt werden, sobald Heiko Maas bei Facebook endgültig für Ordnung
gesorgt hat.
Bis dahin bleibt allerdings noch viel zu tun. Darum sind nun nicht
nur die Antonio Amadeu Stiftung, das BKA und der Justizminister gefragt,
sondern „wir alle“. Schon länger setzt sich der Europarat dafür ein,
auch die Bevölkerung für die Gefahren des organisierten Hasses zu
sensibilisieren. In diesem Sinne hat er das
„no hate speech movement“
erschaffen: eine Kampagne, die europaweit auf nationaler Ebene
umgesetzt werden soll, um die Bekämpfung von Hetze in die Herzen, Hände
und Browser jedes Europäers zu tragen.
Digitale Pfadfinder auf edler Mission – sponsored by Manuela Schwesig
Insofern ist es beruhigend, dass ab sofort auch in Deutschland eine
„no hate speech“ Kampagne an den Start geht, um die Front zu verstärken.
Dabei begnügt sich die Kampagne nicht nur mit Herzchen, Slogans wie
„Hass ist keine Meinung“ und Videos, die direkt vom „Bundestrollamt für
gegen digitalen Hass“ [sic!]
ausgestrahlt
werden, damit sich auch schon Grundschüler angesprochen fühlen.
Vielmehr will man „Organisationen, Initiativen, öffentliche Stellen und
Aktivist*innen vereint gegen Hass im Netz“ zusammenbringen. Mitmachen
kann aber jeder,
der sich berufen fühlt:
„Jede*r kann dabei sein, jede*r kann was tun: Zum Beispiel schön
kontern mit Memes, Sprüchen, Videos, mit Infos zu allem, was man über
Hate Speech wissen muss und mit Ideen, wie wir alle Kante zeigen können.
Alles drin auf www.no-hate-speech.de.
Ab 22. Juli online. - Unterstützt diese Kampagne, gebt uns auf Facebook
die Daumen nach oben, postet, tweetet, teilt und liebt #NoHateSpeech.
Bis alle wissen: Wir sind laut, wir sind viele, wir sind gegen Hass im
Netz.“
Eine hübsche Idee, die ein bisschen so klingt, als ginge es um einen
digitalen Pfadfinder-Club. Jeden Tag eine gute Tat. Da hebt auch
Familienministerin Manuela Schwesig, die die Aktion in Deutschland
umsetzt und finanziert, umgehend ihr Däumchen.
Zwischen Staat, Hass und journalistischer Unabhängigkeit: Die „Neuen Deutschen Medienmacher“ packen an
Für die Koordination des Projekts sind indes die „Neuen Deutschen Medienmacher“ (NDM) zuständig: ein
exklusiver Club
von „Medienschaffenden mit unterschiedlichen kulturellen und
sprachlichen Kompetenzen und Wurzeln“, der für mehr Vielfalt in der
Medienwelt sorgen will. Im Rahmen dessen konzentrieren sie sich vor
allem auf Lobbyarbeit: „Unser Netzwerk versteht sich als
Interessenvertretung für Medienschaffende mit Migrationshintergrund und
tritt für eine ausgewogene Berichterstattung ein, die das
Einwanderungsland Deutschland adäquat wiedergibt.“
Nun könnte man durchaus skeptisch werden, wenn eine Lobby-Gruppe
solch hoheitliche Pflichten übernimmt. Schließlich würde man ja auch
nicht Greenpeace mit der Kontrolle von Abgasen betrauen. Daneben mag es
ein wenig irritieren, dass sich ausgerechnet Medienschaffende, die
eigentlich unabhängig sein sollten, im Auftrag des Staates in das
verminte Grenzgebiet begeben, das zwischen Hass und Meinung verläuft.
Letztlich kann man nie wissen, ob ein solcher Anti-Hatespeech-Warrior
nicht mal rollen- oder machttechnisch durcheinanderkommt und PR mit
Journalismus verwechselt.
Aber bei den NDM, in
deren Vorstand
unter anderem Daniel Bax von der „taz“ sitzt, sind solche Bedenken
freilich fehl am Platz. Denn bevor sie sich dazu bereiterklärten, als
„no hatespeech“-Koordinatoren
auch „junge Angehörige von Minderheiten (…) zu empowern“ und
„Medienschaffende (…) für diskriminierungsfreie Sprache zu
sensibilisieren“, verfolgten sie andere Missionen, die mindestens ebenso
edler Natur sind. Es bekam eben nur - mit Ausnahme ihrer Sponsoren, zu
denen auch das BAMF und die Bundeszentrale für politische Bildung zählen
- niemand wirklich mit.
Vielfalt nach Plan mit Gendersternchen
So sorgen sich die NDM seit geraumer Zeit um die dramatische
Abwesenheit von Journalisten mit Migrationshintergrund
in deutschen Redaktionsstuben. „Jede*r fünfte Einwohner*in in
Deutschland hat einen Migrationshintergrund, in den Redaktionsräumen
dagegen nur jeder fünfzigste“, erfährt man auf ihrer Website. Wie viele
Migrationshintergrund-Inhaber sich überhaupt bewerben, verraten die NDM
hingegen nicht. Fakt ist, dass es definitiv zu wenige sind, um die
„vielfältige Lebenswirklichkeit einer multiethnischen Gesellschaft in
den deutschen Medien als Normalität wieder[zu]spiegeln“.
Darum haben die NDM
viele Ideen entwickelt,
um eine „vorurteilsfreie und ausgewogene“ Berichterstattung zu
befördern. NDM-Geschäftsführerin Konstantina Vassiliou-Enz stellt sich
etwa vor, schon in der Ausbildung „auf die Vermittlung von
interkultureller Kompetenz als Professionalisierungsmerkmal“ zu achten.
Nachwuchsjournalisten mit Migrationshintergrund soll zudem der Zugang zu
Journalistenschulen, Universitäten und Volontariaten erleichtert
werden. Und nicht zuletzt möge auch die Politik „ihr Mandat in
den Rundfunkräten nutzen, um unmissverständlich klar zu machen,
dass interkulturelle Kompetenz und Vielfalt in den Redaktionen
entscheidend ist für die Integration von Menschen mit
Migrationshintergrund in die medial hergestellte Öffentlichkeit und auch
in die Mediensysteme“.
Zweifellos: Wenn es um Vielfalt nach Plan und Gendersternchen geht,
macht den NDM niemand etwas vor. Nur was Unannehmlichkeiten wie Freiheit
und Wettbewerb angeht, müssen sie wohl noch ein bisschen üben. Nichts
spricht gegen zwei, drei oder fünfzehn Redaktionsmitglieder mit
Migrationshintergrund. Aber welcher Bewerber benötigt wird, wissen die
verantwortlichen Verleger und Chefredakteure dann vielleicht doch etwas
besser als die „Neuen Deutschen Medienmacher“. Es ist durchaus von
Vorteil, dass private Arbeitgeber eben nicht auf Merkmale achten, für
die niemand etwas kann, sondern auf die Dinge, die ein Bewerber besser
als andere kann.
Es sei denn freilich, man ist der Ansicht, die Aufgabe einer
Redaktion läge vornehmlich darin, auch personell „vielfältige
Lebenswirklichkeiten zu spiegeln“. Dann müsste ebenso jeder zweite
Journalist eine Frau sein. Aber vielleicht kann sich das Ministerium für
Quoten ja einmal dieser Überlegung annehmen.
Was unterscheidet ein Kopftuch von einem Hijab? Die NDM helfen aus
Solange jedenfalls noch nicht jeder fünfte Journalist einen
Migrationshintergrund hat, sorgen die NDM dafür, dass wenigstens die
biodeutsche Garde an ihrem Vokabular schraubt. Erst letzten November
feierten sie einen großen Erfolg, als sie ihrer Umwelt liebevoll
erstellte
„Formulierungshilfen für die Berichterstattung im Einwanderungsland“
präsentierten. Wer als Medienschaffender zum Beispiel nicht weiß, was
ein Kopftuch von einem Hijab (das eine kann locker sitzen, das andere
dagegen eher streng) unterscheidet, kann sich im „Glossar“ der NDM
schlau machen, das auch mit Mitteln der bpb gefördert wurde.
Dort erfährt man auch, dass statt von „illegalen“ lieber von
„illegalisierten Flüchtlingen“ die Rede sein sollte und dass das Wort
„Aufnahmegesellschaft“ eher suboptimal ist (empfohlen: multikulturelle
Aufnahmegesellschaft). Weiterhin sollte man besser nur von Kriminalität
sprechen, wenn man eigentlich gerade „Ausländerkriminalität“ tippen
wollte. Gerade in Zeiten, in denen man nur drei Tage warten muss, bis
große Medien über Ereignisse wie Silvester auf der Kölner Domplatte
berichten, sind derlei Hilfestellungen unverzichtbare Instrumente.
Diese Realitätswahrnehmung scheint jedenfalls auch Frau Schwesig so
sehr überzeugt zu haben, dass sie keine andere Wahl sah, als die
Installation organisierter Liebe im Netz vertrauensvoll an die NDM zu
delegieren. Wenn sprachliche Sensibilität auf ideologische Grobmotorik
trifft, kann das Familienministerium eben nur schwer widerstehen.
Woher die NDM ihre Islambilder beziehen
Immerhin wissen die Fachkräfte für diskriminierungsfreie Sprache
nicht nur haargenau zwischen Islamfeindlichkeit, Islamophobie und
antimuslimischem Rassismus zu differenzieren. Auch mit dem „Islambild in
deutschen Medien“ kennen sie sich aus. Darüber
diskutierten sie 2015 im Friedrich-Ebert-Haus
mit hassfreien Experten wie etwa Mustafa Yoldas von der „Islamischen
Gemeinschaft Milli Görüs“, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz
beobachtet wird. Bevor er sich zum Experten für Islambilder beförderte,
war er zudem im Dienste der „IHH“ in Deutschland unterwegs, die sich
auch um die
Millionen schwere Finanzierung der Hamas
kümmerte. Als die IHH dann 2010 verboten wurde, fand Yoldas dafür
angemessene Worte: Deutschland mache sich zum „willfährigen
Vollstrecker“ Israels. Aber wenn es um Islambilder geht, müssen die
Juden eben Rücksicht nehmen. Die NDM können sich auch nicht um alle
Hetzer kümmern.
Oberste Priorität haben ohnehin nicht organisierte Antisemiten,
sondern die genauso gefährlichen Islamophobiker. Als Thilo Sarrazin mit
„Deutschland schafft sich ab“ an den Start ging, überschritt er damit
auch die rote Linie der 1. Vorsitzenden der NDM, Sheila Mysorekar. Die
SPD möge dieses „rassistische Arschloch“ um ihrer Wählbarkeit willen
umgehend suspendieren, forderte sie in der
„taz“. Und sollte Sarrazin nicht selbst ihrem Wunsch folgen, so könne er „von mir aus gerne Harakiri begehen“.
Brunnenvergiftung und Wucher – die NDM beherrschen auch Israelkritik
Seitdem scheint auf der NDM-Führungsebene ein Wettbewerb um die
liebevollsten Gedanken ausgebrochen zu sein. Denn auch der 2.
Vorsitzende Chadi Bahouth hat so seine Sorgen - und die kreisen öfter
mal um Juden. In seiner
One-Man-Podcastshow
nimmt er sich bereitwillig der Apartheid und weiterer Verbrechen in
Israel an. Daneben trifft man ihn auch als Diskutant bei der
Rosa-Luxemburg-Stiftung an. Und sobald in Deutschland der „Kindermörder Israel“-Mob durch die Straßen marschiert,
stört ihn vor allem, dass kaum jemand die „rassistischen Parolen von Israelis gegen Araber und Palästinenser“ kritisiert.
Aber Bahouth ist kein gewöhnlicher „Israelkritiker“, sondern Experte
auf seinem Gebiet. Zumindest können vermutlich nur wenige neue deutsche
Medienmacher von sich behaupten, über das Thema „Der Konflikt um Wasser
in Israel und Palästina: Konfliktstoff trotz Friedensquells“
eine 273-seitige Doktorarbeit
geschrieben zu haben. Als promovierter Israelkritiker weiß er etwa zu
berichten, dass die Israelis den Palästinensern zuweilen das Wasser erst
klauen, um es ihnen anschließend zu überhöhten Preisen zu verkaufen.
Und wenn die gewöhnlichen Israelis mit dem Wuchern fertig sind, sorgen
die „extremistischen Siedler“ für eine
„gezielte Vergiftung palästinensischer Quellen“.
Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis Bahouth herausfinden
wird, was die Israelis mit kleinen Kindern aus Gaza so anstellen.
Selektiver Hass und jede Menge Kompetenz
Aber so sind sie eben, die neuen deutschen Medienmacher. Mangelnde
Erfahrung und fehlende Praxis im Umgang mit Hass kann man ihnen sicher
nicht vorwerfen. Wer dabei eine etwas freizügigere und selektive
Definition von „Hetze“ wittert, begeht allerdings vielleicht schon ein
geistiges Hassverbrechen.
Und sollten die NDM doch mal zwischen Hass und Meinung durcheinander
kommen, dann gibt es ja noch das „Nationale Kampagnen Komitee“ der no
hate speech Kampagne. Dort sitzen bereits Aktivistinnen wie Anne Wizorek
und Kübra
Gümüşay – erfolgreiche Erfinderinnen von Hashtags wie #aufschrei, #ausnahmslos und #schauhin -
in den Startlöchern.
Vor allem deren Expertise in Sachen Sexismus, den man ihnen zufolge vor
allem bei Rainer Brüderle und auf dem Münchner Oktoberfest, jedoch
vergleichsweise selten auf der Kölner Domplatte oder in Saudiarabien
antrifft, ist bei der Sensibilisierung der Zivilgesellschaft von
unschätzbarem Wert.
Angesichts so viel geballter Kompetenz kann beim Kampf gegen den
digitalen Hass eigentlich nichts mehr schief gehen. Schließlich gilt:
Hass ist keine Meinung. Und über die Frage, wo Hass beginnt, bilden sich
wiederum vorwiegend die Fachkräfte von #nohatespeech eine Meinung. Mit
freundlicher Unterstützung des Steuerzahlers.
Zuerst am 22.07.2016 auf der
"Achse des Guten" erschienen.
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Die "no hate speech" Kampagne empfiehlt, mit lustigen Memes zu kontern.
Diesem Wunsch wird hiermit entsprochen.
(Zitat: Charles Bradlaugh) |