Über die Evolution eines Gesetzesentwurfs

... oder auch: Warum Justizminister Heiko Maas nun sexistische Werbung bekämpfen möchte.

Immer mehr Menschen haben immer weniger zu tun. Das ist per se nicht schlimm, im Gegenteil. Tier- und Naturschutz etwa funktionieren nur in Gesellschaften, die sonst schon alles haben. Darüber hinaus eröffnet der Wohlstand noch weitere Optionen. Die einen suchen Erfüllung im Yogakurs, die anderen entspannen beim Widerstand gegen einen Bahnhof. Wieder andere entwickeln eine Mission. Sie fühlen sich geradezu dazu berufen, die Welt zu verändern – wenn es sein muss, auch auf Kosten Dritter.

Über viel Zeit verfügt auch die „Wutmutter“ Stevie Schmiedel aus Hamburg. 2012 erfuhr sie nationale Berühmtheit, nachdem sie einem sexistischen, da rosafarbenen Überraschungs-Ei nur für Mädchen den Kampf angesagt hatte und es letztlich erfolgreich in die Knie zwang.  Das Ei verschwand einstweilen aus den Supermärkten, Schmiedel trat indes in die Riege gefragter Gender-Experten ein. Eine durchaus günstige Symbiose, hatte die besorgte Mutti von der Elbe doch noch weitere Sorgen im Gepäck, deren Brisanz das Feuilleton bis dahin nur erahnen konnte. Dazu zählt beispielsweise die „Pinkifizierung“ der Kinderzimmer. Die Mädchenwelt sei immer rosa, die der Jungs hingegen blau. Für Mädchen sehe die Spielzeugmafia stets Puppen vor, für Jungs indes nur Autos und Bagger.

Unternehmerisch orientierte Mütter hätten diese unerträgliche Marktlücke möglicherweise genutzt und diverse Unisex-Kollektionen ins Leben gerufen. Stevie Schmiedel hingegen gründete "Pink Stinks", „eine junge Protestorganisation, die gegen Produkte, Werbe- und Medieninhalte agiert, die Kindern eine limitierende Geschlechterrolle zuweisen“. Denn Schmiedel ist schließlich keine Unternehmerin, sondern promovierte Dozentin für Genderforschung. Und als solche kann sie selbstverständlich erwarten, dass die freie Wirtschaft das tut, was man am Gender-Lehrstuhl gründlich erforscht hat und für richtig hält.

Wider die Pinkifizierung! Stoppt Heidi!


Genderforschung wiederum, das muss man wissen, ist die Fortsetzung des Feminismus mit akademischen Mitteln. Seit der Feminismus im Westen aber alles erreicht hat, was es zu erreichen gab – das allgemeine Wahlrecht für Frauen etwa, oder die Gleichstellung vor dem Gesetz -, herrscht bei seinen Protagonisten Flaute. Natürlich könnten sie sich auch für das Recht auf einen Führerschein für Frauen in Saudiarabien einsetzen, oder gegen die Steinigung bei „Ehebruch“ im Iran. Aber davon hätten die deutschen Feministinnen ja nichts. Darum kümmern sie sich lieber um Dinge, die außer ihnen niemand braucht: Frauenquoten, Unisex-Toiletten, Gendersternchen und Shitstorms gegen alte weiße Männer.

Die Genderforschung sorgt dabei für steten Nachschub an „Gender-Gaps“ und  wissenschaftlich klingender Pamphleten über die Bedeutung des Binnen-Is. Couragierte Aktivistinnen erledigen darauf basierend die Pressearbeit und den Straßenkampf. Das Geheimnis der Genderwissenschaft besteht darin, dass frau sich umso ungerechter behandelt fühlt, je länger sie sich mit derlei Forschung auseinandersetzt.

Stevie Schmiedel von der Organisation „Pink Stinks“ hingegen hat beides: die wissenschaftliche Aura und das organisatorische Talent. Sie hat nicht nur das „Barbie Dreamhouse“ in Berlin in die Flucht geschlagen, sondern auch gegen „Germany’s next Topmodel“ mobil gemacht. Daneben organisiert sie Shitstorms gegen feindliche T-Shirts mit dem Aufdruck „In Mathe bin ich Deko“. Dank einiger Spenden tingelt der Verein zudem mit Theaterstücken „gegen Gender-Marketing“ durch deutsche Schulen. Ein ordentlicher Zuschuss vom Bundesfamilienministerium hingegen ermöglicht ein vergleichsweise prominent besetztes „Demokonzert gegen Körperhass und Sexismus“ anlässlich des Starts der aktuellen Topmodel-Staffel.

Werbung gefährdet Ihre Gesundheit und Ihr Gehalt


Dabei lag den nicht-pinken Aktivistinnen von Beginn an (2012) vor allem ein Thema am Herzen: ein Verbot von Sexismus in der Werbung.  Dafür wurde nicht nur ein Hashtag, sondern auch eine Petition erschaffen – Unterstützung durch diverse Mitglieder*innen des Bundestags inklusive. Immerhin spiele „geschlechtsdiskriminierende Werbung“ eine „aktive Rolle im Rahmen der Konstruktion und Verfestigung von Geschlechtsrollenstereotypen“.

Was die Organisation damit eigentlich meint, ist wohl Folgendes: Mädchen und Frauen werden nicht nur schlagartig magersüchtig, sobald sie ein schlankes Bikini-Model sehen. Auch Männer laufen Gefahr, einer Frau ein niedrigeres Gehalt zu zahlen, sofern sie auf dem Weg zur Arbeit ständig an einem Miele-Plakat vorbeilaufen, auf dem ausgerechnet ein weibliches Model eine Spülmaschine bewirbt und damit das „Heimchen am Herd“-Bild zementiert.

Nun ist in Deutschland bekanntlich vieles möglich. Doch den Geschlechtern vollumfänglich die Vernunft und den freien Willen abzusprechen, sie kollektiv zu trotteligen Mündeln zu deklarieren, die ihr Weltbild einzig aus der Werbung beziehen – das wäre selbst in Zeiten des #Aufschreis zu gewagt.  Aber in diesem Fall schadet ein bisschen Sexismus wohl nicht. Schließlich geht es ja um die gute Sache. Und um noch viel mehr, wie die folgende Prognose nahelegt:

"Eine gigantische Waren- und Medienindustrie verdient an der Sorge um den perfekten Körper und der perfekten Geschlechterrolle, die so geschürt wird. (…) Es besteht begründeter Verdacht, dass eine Veränderung der Geschlechtsrollenstereotype zu verändertem Konsumverhalten führt. 80 Prozent des Konsums der Waren und Dienstleistungen der westlichen Welt wird von Frauen getätigt. Wenn diese mehr Möglichkeiten bekommen, sich in vielfältigen Rollen wohl zu fühlen, könnte sich das Kaufverhalten verändern, da keiner „perfekten“ Rolle mehr nachgeeifert wird. Diese Zusammenhänge verstehen insbesondere Werbestrateg*innen. Insofern ist davon auszugehen, dass ihnen das aktuelle Geschlechterrollenbild sehr entgegenkommt."

Wahrlich, was wäre das für ein Schlag gegen das Schweinesystem! Mit der Werbung verschwände nicht nur das Mannequin, das Frauen falsche Ideale einimpft. Gleichsam würde auch die Antifalten-Industrie oder das Bikini-Gewerbe untergehen, die Frauen daran hindern, sich für eine von 127 weiteren Geschlechterrollen zu entscheiden. Denn schließlich ist „Pink Stinks“ nicht irgendein Verein, sondern "der Verein gegen die Pinkifizierung im neoliberalen Spätkapitalismus“. Und als solcher trägt er offenkundig eine Verantwortung dafür, dass nicht nur Geschlechterrollen, sondern auch gleich „das System“ an sich modifiziert wird. Ein System, wohlgemerkt, das sich hinterlistig im Unterbewusstsein unbescholtener Menschen breitmacht, dort sein Unwesen treibt und damit auch skrupellos Geld scheffelt. Ein Ungetüm, vor dem die Menschheit geschützt werden muss.

„Pink Stinks“ weiß viel besser, was Männlein und Weiblein gut tut


Natürlich könnte man einwenden, dass der Kapitalismus ein recht cleverer und sogar genderneutraler Mechanismus ist. Zwingen kann er niemanden, Freiwilligkeit ist seine Basis. Er produziert nur das, was nachgefragt wird. Er würde folglich auch davon absehen, eine weitere Antifalten-Creme anzubieten, sobald die Kundschaft beschließen würde, sich in der Geschlechterrolle der Queen von England wohlzufühlen. Aber der Kapitalismus hat eben nicht mit dem Verein „Pink Stinks“ gerechnet, der offenkundig besser weiß, was Männlein und Weiblein gut tut. Dabei wollen die Gender-Expertinnen freilich keinen „neuen Menschen“ mitsamt dazugehöriger Gesellschaft schaffen, in der nur das produziert wird, was eine Elite für notwendig hält – es sieht eben bloß ein wenig so aus.

So grenzt es sicherlich nur an Zufall, dass „Pink Stinks“ sich mit dem eigentlichen Anliegen vertrauensvoll an Vater Staat wendet:

„Geschlechtsdiskriminierende Werbung ist geeignet, Bestrebungen entgegenzuwirken, die in anderen Bereichen geleistet werden, um auf die tatsächliche Gleichberechtigung der Geschlechter hinzuwirken. Sie gefährdet verfassungsrechtliche Ziele und ruft daher die Schutzpflicht des Staates aus Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG sowie seiner völkerrechtlichen Verpflichtung (CEDAW) auf den Plan.“

Und damit der Staat sich im Rahmen seiner Schutzpflicht nicht überstrapazieren muss, hat der Verein schon vorgesorgt. Seit 2014 ist auf der Website ein Gesetzestext hinterlegt (§ 7a UWG Diskriminierende Werbung), der sich mühelos in das „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ einfügen ließe. Damit könnten sich Unternehmen bei Verdacht auf zu viel nackte Haut gegenseitig abmahnen. Gerichte wären mithilfe einstweiliger Verfügungen imstande, sexistische Werbung zu untersagen, so wie es bereits bei „Unzumutbaren Belästigungen“ (§ 7 UWG) der Fall ist.

Ein Justizminister mit Herz für alle Geschlechterrollen


Nur an einem Justizminister, dem die „Entfaltungsfreiheit von Menschen jeden Geschlechts“ gleichermaßen am Herzen liegt, hat es eben noch gefehlt. Bis jetzt. Dem aktuellen „Spiegel“ ist zu entnehmen, dass „Heiko Maas (SPD) mit einer Gesetzesänderung geschlechterdiskriminierende Werbung verbieten“ will. Und weiter: „Laut Spiegel soll der Entwurf zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb bald in die Ressortabstimmung geschickt werden.“ Sinn der Sache sei auch, „ein modernes Geschlechterbild in der Gesellschaft zu formen“.

Denn mit dem „Formen“ kennen sich Heiko Maas und Stevie Schmiedel schließlich aus. So ein Gesetz formt bisweilen mehr, als Heidi Klum es je könnte. Und all den Zuschauern auf den billigen Plätzen, die das ganze Experiment bezahlen, sei gesagt: Selbst schuld, wenn ihr euch nicht modern genug benehmt!



Sexistisches Accessoire, das verfassungsrechtliche Ziele gefährdet (© J. N. Pyka)



Zuerst auf der "Achse des Guten" erschienen.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen