Die Leiden der alten Tante SPD

Mit einem Lied auf den Lippen und überwältigenden 56% Basis-Zustimmung im Rücken macht sich die SPD nun also auf in Richtung GroKo-Verhandlung. Damit erspart sich die deutsche Sozialdemokratie vorerst immerhin die Blöße, mit dem Slogan „Für eine starke Opposition!“ in einen Neuwahlkampf ziehen zu müssen. Und vermutlich ist das angesichts all der weiteren Peinlichkeiten, die das Unternehmen Schulz so nach sich gezogen hat, schon ein ordentliches Ergebnis. Überhaupt gleicht die SPD dieser Tage eher einer Baustelle, deren Mitarbeiter sich nicht einigen können, ob sie das Ganze einfach abreißen und neu aufbauen sollen, oder aber, ob sich der ein oder andere Part noch renovieren lässt. Sie agiert mit dem Habitus einer Volkspartei und den Umfragewerten einer Klientelpartei. Anspruch und Wirklichkeit haben ungefähr so viel miteinander zu tun wie Andrea Nahles und Audrey Hepburn. Zu gerne würden die Sozis wie eine einflussreiche Volkspartei (mit)regieren. Nur fehlen ihr seit geraumer Zeit die realen Machtoptionen, die Slogans wie „Gottkanzler Schulz“ oder „Ich will Bundeskanzler von Deutschland werden“ nicht wie Satire wirken lassen würden. Rot-Rot-Grün ist tot, Rot-Grün mausetot. Und letzteres nicht nur zahlenmäßig, sondern auch inhaltlich. Wer wissen will, was Rote und Grüne unter anderem trennt, muss nur die außenpolitischen Ansichten von Cem Özdemir mit denen von Sigmar Gabriel vergleichen. Kein Wunder, dass die Grünen sich da teilweise bei Angela Merkel wohler fühlen. Die kann immerhin auch Energiewende.

Ähnlich miserabel sieht es bei den Wählern aus, bei der Kernklientel insbesondere. Böse Zungen behaupten, dass der klassische Arbeiter im Ruhrpott eher weniger mit Familiennachzug und „Nein“ zur Obergrenze anfangen kann. Aufreizende Werbung sieht er lieber in seinem Spint statt, wie Heiko Maas in jüngster Vergangenheit vorschlug, auf dem Index. Überhaupt wird er sich in den Armen Guido Reils (AfD), dessen Partei gerade schwer auf Gewerkschafter-Tour ist, vielleicht irgendwann wohler fühlen als in denen von Manuela Schwesig, die ihm nur eine Frauenquote bietet. Auch die SPD hat es eindrucksvoll verschlafen, auf die Fragenstellungen, die die AfD okkupiert, mit besseren Lösungen zu reagieren.

Das alles hält die SPD aber freilich nicht davon ab, weiterhin dieselben Spitzen ins Rennen zu schicken, die den Dampfer vorher schon versenkt haben. Egal, wie wenig man mit der Sozialdemokratie am Hut hat: Es gibt ehrenwerte Gegner einerseits, Gegner, die zum Fremdschämen einladen, andererseits. Man muss Mindestlohn und Bürgerversicherung nicht gut finden, um trotzdem einen gewissen Respekt vor dem Andersdenkenden, etwa vor Sozialdemokraten wie Olaf Scholz zu haben. Bei Andrea „Bätschi, Fresse, bis es quietscht!“ Nahles, Stimmungskanone Ralf Stegner und Martin Schulz, der sich von einem Mahmoud Abbas die Brunnenvergifter-Lüge verkaufen lässt und nebenan auf Twitter die transatlantische Partnerschaft mitdemoliert, fällt das allerdings zunehmend schwer. Die „stolzen Sozialdemokraten“, von denen so oft die Rede ist, müssen sich irgendwo anders versteckt haben.


Die Operation Kühnert offenbart derweil einen Generationenkonflikt zwischen Sozis, die heute ein Amt haben wollen, und Sozis, die auch in drei bis vier Jahren noch eine Chance haben möchten. Wie genau diese Chancen aussehen, steht auf einem anderen Blatt. Dass die SPD nun wieder in Verhandlungen um die gar nicht mal allzu große Koalition eintritt, ändert daran jedenfalls wenig. Die Abrissbirne bleibt trotzdem auf der Tagesordnung. Andernorts sind linke Parteien dahingehend schon weiter, und das in einigermaßen gruseliger Weise. In den USA fand der "demokratische Sozialismus" nach Art von Bernie Sanders durchaus großen Anklang, in Großbritannien ist mit Jeremy Corbyn ein wahr gewordener Albtraum am Start und auch in Frankreich ließen die Wähler den Linksaußen-Kandidaten keineswegs im Regen stehen. Mittel- bis langfristig ist nicht bloß interessant, wo die SPD heute steht, sondern auch, wo sie in fünf Jahren ihre Runden drehen wird - und vor allem, wer die Lücken füllen wird, die sich bis dahin zwangsläufig auftun werden.

1 Kommentar:

  1. Liebe Frau Pyka,
    vielen Dank für diesen Kommentar.
    Ihre Bewertung der politischen Situation der SPD findet meine Zustimmung.

    Herzlich, Der Neue

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