Dinge, die Sie der Friedrich-Ebert-Stiftung lieber nicht anvertrauen sollten

Das Leben ist nicht fair. Vor allem nicht gegenüber Mitarbeitern der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Je 19,5-prozentiger die SPD, desto tiefer sinkt auch das Stimmungsbarometer in der Stiftung. Was also tun? Wer sind wir, und wenn ja, wie lange noch? Die Mitarbeiter der FES gerieten ins Grübeln. Eine knackige Idee musste her, schließlich ist ja bald Wahlkampf. Soziale Frage? So 19. Jahrhundert. Mal wieder das Kostüm der klassischen Arbeiterpartei aus dem Speicher holen? Nein, es müffelt zu sehr. Was mit sozialer Gerechtigkeit vielleicht, Schere, Kluft und Graben? Jawohl, grandiose Idee, läuft immer! „Lass uns gleich eine Umfrage in Auftrag geben!“, schlug der eine FES-Mitarbeiter vor. Und der andere bemerkte, es sei vielleicht nicht schlecht, Fragen zu stellen, die schon in jeder Talkshow auftauchen. Man müsse den Bürger schließlich dort abholen, wo er gerade steht. Zwar gibt es dieser Tage keine „einfachen Lösungen“. Aber die einfachen Fragen von infratest, die sind zum Glück noch im Angebot.
 
Schon bald glühten die Drähte. 2000 Menschen wurden eingehend befragt, ob die soziale Ungleichheit zu groß sei und was sich dagegen unternehmen ließe.
 
Nun weiß ich ja nicht, wie es Ihnen geht. Aber wenn man mich mit derlei Fragen belästigen würde, dann gäbe es nur eine vertretbare Antwort: Alles super und total gerecht. Das wäre zwar komplett gelogen. Tatsächlich empfinde ich es beispielsweise als zutiefst ungerecht, dass Wolfgang Schäuble sich derzeit mit 42 Milliarden Überschuss vergnügt, ohne auf die Idee zu kommen, mir wenigstens einen Bruchteil meines Geldes wieder zurückzugeben. Und den Umstand, dass junge Erwachsene dank Mindestlohngesetz erfolgreich um ihre Praktika und damit um ihre Chancen gegenüber der globalen Konkurrenz gebracht werden, erachte ich auch nicht gerade als Inbegriff von Fairness. Aber wie gesagt, nichts davon würde ich der Telefonistin von infratest anvertrauen. Viel zu groß wäre meine Angst, dass nur der erste Teil meiner Antwort – ja, es gibt Ungerechtigkeit – in Richtung FES gekabelt würde und man sich dort ermutigt fühlen könnte, weitere Gesetze und Maßnahmen zwecks neuer Ungerechtigkeiten zu ersinnen.
 
Darum halte ich mich sicherheitshalber bedeckt. Anders als die 82% der Befragten, die die soziale Ungleichheit zu groß finden, und anders als die 76%, die angesichts dessen eine sehr originelle Lösung – Vermögen stärker besteuern – in den Mund gelegt bekamen.
 
Bei der FES hingegen knallen derweil die Prosecco-Korken. Hurra, die kleinen Männer fühlen sich ungerecht behandelt! Endlich haben wir wieder was zu tun. Das Gehalt ist sicher. Nicht auszudenken, wo wir hinkämen, wenn eine Mehrheit nicht mal mehr Spuren von Ungerechtigkeit verspürte. Denn der Sinn von Politik ist ja nicht zwingend, Probleme zu lösen. Ab und an muss man Probleme auch hegen und pflegen, um nicht selbst überflüssig und folglich arbeitslos zu werden. „Most of the energy of political work is devoted to correcting the effects of mismanagement of government”, hat Milton Friedman mal angemerkt. Aber rund um die FES würde man lieber Mindestlohn beziehen, anstatt ketzerische Schriften wie “Kapitalismus und Freiheit” zu lesen.

Und so erfreut man sich an der hohen Nachfrage nach sozialer Gerechtigkeit und der gefühlten eigenen Relevanz. Denn die befragte Mehrheit findet Deutschland ja nicht nur ungerecht. Sie findet folglich auch, dass Politiker, Stiftungsmitarbeiter, Armutsforscher und Social Justice Beauftragte noch viel mehr zu tun haben sollten. Die Rechnung für derlei Aktivitäten begleicht ja der Vermögende - oder zumindest fühlt es sich so an. Und spätestens dieser Stelle lacht das Sozen-Herz dann wieder. Braves Volk. Gut gemacht und noch besser geantwortet, kleiner Mann. Weiter so!
 
 
Soziale Ungerechtigkeit: https://www.youtube.com/watch?v=2TxYNYpicXM
 

1 Kommentar:

  1. Wir haben nur die Wahl zwischen Gleichheit in Unfreiheit oder Ungleichheit in Freiheit. (Alexis de Tocqueville).

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