Immer
mehr Menschen haben immer weniger zu tun. Und damit ihnen beim
nichts-zu-haben bloß nicht die Füße einschlafen, investieren manche von
ihnen ihre überschüssige Energie in Platzhalter-Diskussionen auf Twitter und Facebook. Das ist in Ordnung. Auch dann, wenn die Diskussionen zu
nichts führen. Immer öfter sagen Unternehmungen dieser Art allerdings relativ
wenig über das Sujet der Diskussion und stattdessen viel über diejenigen aus, die
sie führen. Jüngstes Beispiel: die Empörung über Marek Lieberberg und dessen Ansprache vor Journalisten, nachdem "Rock am Ring" wegen
Terrorgefahr unterbrochen werden musste. Er wolle "nun endlich mal Demos sehen, die sich gegen diese Gewalttäter richten", sagte er unter Verweis darauf, in dieser Hinsicht noch keine Massen-Demos von Muslimen erlebt zu haben. Zudem sprach er noch weitere Aspekte an, etwa die Kooperation mit der Polizei und das Versagen im Fall Amri, für das Veranstalter wie er "den Preis zahlen" würden. Doch die gingen daneben völlig unter. "Marek Lieberberg sollte sich
entschuldigen", fordert etwa "bento", das Magazin für noch auszubildende
SPIEGEL-Leser. Denn nun, da das Festival ja weitergeht, bliebe nurmehr
seine "absurde Wutrede hängen".
Was bento und all die eifrigen Twitterer indes nicht völlig durchschaut haben: Marek Lieberberg ist kein AfD-Mann und kein Wutbürger-Buch-Autor, der solche Fälle bewusst für seine Ziele instrumentalisieren würde, sondern Unternehmer. Er hat nichts davon, wenn die AfD sein Statement gut findet. Er hat aktuell nur den Schaden. Als Unternehmer hat er natürlich auch eine politische Meinung, und man möge ihm verzeihen, dass er sie in einer solchen Situation nicht so differenziert und wohlklingend transportiert wie eine Katrin Göring-Eckardt (wobei es faktisch leider zutreffend ist, dass der Gaza-Krieg 2014 mehr Muslime auf die Straße brachte als die Köpfungs-Zeremonien des IS).
Es gibt allerdings tatsächlich etwas, das unbedingt "hängen bleiben" sollte. Das ist aber nicht Lieberbergs Statement in Bezug auf den angewandten Islam, sondern seine "Brille", nämlich die des Unternehmers, die in seiner sogenannten "Wutrede" durchaus durchklang. Man muss sie eben nur hören wollen.
Der durchschnittliche Terrorist des 21. Jahrhunderts plant nicht mehr das "große Ding". Er fliegt heute nicht aufwändig orchestriert in Hochhäuser, sondern besorgt sich eine Axt und steigt damit in einen Regionalzug. Er nimmt "weiche Ziele" ins Visier, zu denen dann eben auch Cafés und ein Halbmarathon zählen. Wenn ein Djihadist mit dem Auto in eine Menschenmenge rast, wird man zu recht fragen, ob man das nicht verhindern hätte können. Adressat ist aber nicht der Bürgersteig, auf dem das passiert, sondern die Polizei. Wenn eine U-Bahn-Station oder ein Flughafen-Terminal wegen eines verdächtigen Gegenstands geräumt werden, gibt es ebenfalls keinen solchen Adressaten. Der Betreiber ist am Ende der Staat, zu dessen Organen auch die Polizei zählt.
Anders ist es, wenn der Terror Events oder Ziele trifft, die von privater Hand betrieben werden. Zumindest bei Großveranstaltungen oder sensiblen Zusammenkünften ist die Polizei mit an Bord. Aber am Ende sind es eben auch Unternehmer wie der Besitzer des "Bataclan", der Konzerthallen-Betreiber in Manchester oder der Chef von "Rock am Ring", die an vorderster Front stehen, Risiken eingehen und im Ernstfall persönlich (mit)haften. Sie tragen eine immense Verantwortung nicht nur für sich selbst und ihre Angestellten, sondern ebenso für all die Besucher. Selbst mit der besten Versicherungs-Police bleibt ihnen ein Schaden, für den sie nichts können.
Unternehmer - das sind auch solche Menschen, die die Lebensfreude erst ermöglichen, die "wir uns von den Terroristen nicht nehmen lassen" sollen. Und selbst wenn es für Menschen, die ihre Wirtschafts-Kenntnisse von Hagen Rether und anderen Kapitalismus-Kritikern beziehen, zunächst unvorstellbar klingt: Ein Unternehmer kann genauso mit Leib und Seele bei der Sache sein wie ein jubelnder Konzert-Besucher.
Besonders clevere Zeitgenossen stellen nun fest, dass man bei Events wie "Rock am Ring" ja genauso Pech mit dem Wetter haben könne und bereits hatte. Sturm, Hagel, Terror, alles das Gleiche. Es gebe eben Risiken, mit denen man als Unternehmer leben müsse, betont die (vermutlich vornehmlich fest angestellte) Twitter-Gemeinde. Das stimmt natürlich gewissermaßen. Wiesn-Wirte müssen damit rechnen, dass ein verregnetes Oktoberfest den Umsatz verhagelt. Schaustellern auf dem Weihnachtsmarkt geht es ähnlich. Und jeder Unternehmer weiß, dass es immer Risiken gibt - sonst wäre er keiner. Aber will man Terrorismus ernsthaft in eine Reihe mit Unwettern stellen und somit als höhere Gewalt abhaken? Soll man als Unternehmer genauso mit einer Nagelbombe wie mit Hagel rechnen?
All das mag die Vorstellungskraft eines Empörten, dessen Erfahrungen mit dem freien Unternehmertum sich auf einen Garagen-Flohmarkt beschränken, womöglich etwas überschreiten. Weniger bräsige Kleingeistigkeit und mehr Problembewusstsein sowie Empathie hinsichtlich der Frage, wie Unternehmer mit der Bedrohung durch den Terror umgehen können, wäre dennoch ganz wünschenswert gewesen.
Dieser Text erschien ebenso bei den Salonkolumnisten.
Was bento und all die eifrigen Twitterer indes nicht völlig durchschaut haben: Marek Lieberberg ist kein AfD-Mann und kein Wutbürger-Buch-Autor, der solche Fälle bewusst für seine Ziele instrumentalisieren würde, sondern Unternehmer. Er hat nichts davon, wenn die AfD sein Statement gut findet. Er hat aktuell nur den Schaden. Als Unternehmer hat er natürlich auch eine politische Meinung, und man möge ihm verzeihen, dass er sie in einer solchen Situation nicht so differenziert und wohlklingend transportiert wie eine Katrin Göring-Eckardt (wobei es faktisch leider zutreffend ist, dass der Gaza-Krieg 2014 mehr Muslime auf die Straße brachte als die Köpfungs-Zeremonien des IS).
Es gibt allerdings tatsächlich etwas, das unbedingt "hängen bleiben" sollte. Das ist aber nicht Lieberbergs Statement in Bezug auf den angewandten Islam, sondern seine "Brille", nämlich die des Unternehmers, die in seiner sogenannten "Wutrede" durchaus durchklang. Man muss sie eben nur hören wollen.
Der durchschnittliche Terrorist des 21. Jahrhunderts plant nicht mehr das "große Ding". Er fliegt heute nicht aufwändig orchestriert in Hochhäuser, sondern besorgt sich eine Axt und steigt damit in einen Regionalzug. Er nimmt "weiche Ziele" ins Visier, zu denen dann eben auch Cafés und ein Halbmarathon zählen. Wenn ein Djihadist mit dem Auto in eine Menschenmenge rast, wird man zu recht fragen, ob man das nicht verhindern hätte können. Adressat ist aber nicht der Bürgersteig, auf dem das passiert, sondern die Polizei. Wenn eine U-Bahn-Station oder ein Flughafen-Terminal wegen eines verdächtigen Gegenstands geräumt werden, gibt es ebenfalls keinen solchen Adressaten. Der Betreiber ist am Ende der Staat, zu dessen Organen auch die Polizei zählt.
Anders ist es, wenn der Terror Events oder Ziele trifft, die von privater Hand betrieben werden. Zumindest bei Großveranstaltungen oder sensiblen Zusammenkünften ist die Polizei mit an Bord. Aber am Ende sind es eben auch Unternehmer wie der Besitzer des "Bataclan", der Konzerthallen-Betreiber in Manchester oder der Chef von "Rock am Ring", die an vorderster Front stehen, Risiken eingehen und im Ernstfall persönlich (mit)haften. Sie tragen eine immense Verantwortung nicht nur für sich selbst und ihre Angestellten, sondern ebenso für all die Besucher. Selbst mit der besten Versicherungs-Police bleibt ihnen ein Schaden, für den sie nichts können.
Unternehmer - das sind auch solche Menschen, die die Lebensfreude erst ermöglichen, die "wir uns von den Terroristen nicht nehmen lassen" sollen. Und selbst wenn es für Menschen, die ihre Wirtschafts-Kenntnisse von Hagen Rether und anderen Kapitalismus-Kritikern beziehen, zunächst unvorstellbar klingt: Ein Unternehmer kann genauso mit Leib und Seele bei der Sache sein wie ein jubelnder Konzert-Besucher.
Besonders clevere Zeitgenossen stellen nun fest, dass man bei Events wie "Rock am Ring" ja genauso Pech mit dem Wetter haben könne und bereits hatte. Sturm, Hagel, Terror, alles das Gleiche. Es gebe eben Risiken, mit denen man als Unternehmer leben müsse, betont die (vermutlich vornehmlich fest angestellte) Twitter-Gemeinde. Das stimmt natürlich gewissermaßen. Wiesn-Wirte müssen damit rechnen, dass ein verregnetes Oktoberfest den Umsatz verhagelt. Schaustellern auf dem Weihnachtsmarkt geht es ähnlich. Und jeder Unternehmer weiß, dass es immer Risiken gibt - sonst wäre er keiner. Aber will man Terrorismus ernsthaft in eine Reihe mit Unwettern stellen und somit als höhere Gewalt abhaken? Soll man als Unternehmer genauso mit einer Nagelbombe wie mit Hagel rechnen?
All das mag die Vorstellungskraft eines Empörten, dessen Erfahrungen mit dem freien Unternehmertum sich auf einen Garagen-Flohmarkt beschränken, womöglich etwas überschreiten. Weniger bräsige Kleingeistigkeit und mehr Problembewusstsein sowie Empathie hinsichtlich der Frage, wie Unternehmer mit der Bedrohung durch den Terror umgehen können, wäre dennoch ganz wünschenswert gewesen.
Dieser Text erschien ebenso bei den Salonkolumnisten.
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