Germanische Prioritäten

Die Damen und Herren bei "arte" weigern sich schon seit fünf Monaten, eine Reportage über modernen, Israel-bezogenen Antisemitismus auszustrahlen, weil sie allem Anschein nach nicht in ihr Weltbild passt. Zu "proisraelisch", könnte "Öl ins Feuer gießen" - so die Diagose der Verantwortlichen, die offenbar mehr Glatze und weniger Israel erwartet hatten und nun plötzlich etwas ganz anderes bestellt haben wollen. Was man sich schon nicht selbst zumuten will, kann man unmöglich dem Zuschauer vorsetzen. Solange bleibt nur, sich auf die Berichte derjenigen zu verlassen, die den Film sehen konnten (etwa hier).

Derweil ist auch beim NDR einiges los. Auf Platz 9 der hauseigenen "Sachbuch des Monats"-Liste gelangte jüngst ein Büchlein namens "Finis Gemania", dessen Autor sich ganz offenkundig irgendwo zwischen Angela Merkels Flüchtlingspolitik, einer Art "Umvolkung" und Auschwitz verlaufen hat. Die Opfer der Shoa tituliert er liebevoll als die „ominösen sechs Millionen“. Auschwitz selbst sei ein "Mythos, der der Diskussion entzogen werden soll“. Die Juden wiederum bauen ihm zufolge "heute ihren ermordeten Volksgenossen in aller Welt Gedenkstätten, in denen nicht nur den Opfern die Kraft der moralischen Überlegenheit, sondern auch den Tätern und ihren Symbolen die Kraft ewiger Verworfenheit zugeschrieben wird".

Empfohlen wurde die Abhandlung im Übrigen von einem SPIEGEL-Redakteur, in dessen gewohntem Umfeld man ja ohnehin schon neulich ein Ende der "Sonderbehandlung" Israels anregte. Die NDR-Hitlisten-Jury hat er aber mittlerweile verlassen. Nicht allerdings, ohne darauf hinzuweisen, er habe "bewusst ein sehr provokantes Buch der Geschichts- und Gegenwartsdeutung zur Diskussion bringen“ wollen. Es sei immerhin "gewollt riskant formuliert", außerdem würde man gern "über jeden Satz mit dem Autor diskutieren".

Was natürlich ein legitimes Anliegen ist. Warum nicht mal wieder über den "Mythos Auschwitz" diskutieren, gerne mit ein bisschen mehr Risiko? Auch wenn Deutschland im Allgemeinen nicht unbedingt zum hitzigen Debattieren neigt, so bieten die Juden doch stets angenehmen Gesprächsstoff. Seien es die toten oder die lebenden; diejenigen, die den Palästinensern so zu schaffen machen, oder aber solche, denen die vom "Schuldkult" geplagten Deutschen gemeinhin zum Opfer fallen.

Nur bei Diskussionen und Berichten rund um Antisemiten wird es seltsamerweise stets ein wenig ruhig. Aber sei's drum. Man muss eben auch mal Ausnahmen machen.

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