Der Tränensack und der Busfahrer - und was wir daraus lernen

Ein Weltbild bricht zusammen. Deutschlands berühmtester Busfahrer, der erst neulich Claus Kleber zu Tränen rührte, hat die Facebook-Seite der AfD mit einem “Like” versehen. Zudem hat er noch andere Schweinereien verlinkt. Etwa eine leicht unterkomplexe Grafik mit der Frage, warum es für in Deutschland hungernde Kinder an Geld fehle, für andere Länder aber Milliarden übrig seien. Das wiederum hat eine Redakteurin von „Puls“,  dem Jugendkanal des Bayerischen Rundfunks, herausgefunden – natürlich nicht ohne Folgen. „Alles nur Fake?“, fragt sie zunächst besorgt.

Denn eines steht fest: Alles, wirklich alles, hätte man dem Busfahrer verziehen. Sahra Wagenknecht, Che Guevara, Anonymous - aber AfD, das geht zu weit. Was sind seine Worte dagegen noch wert? Nichts, rein gar nichts.

Was also tun? Claus Kleber raten, sich von seinen Tränen zu distanzieren? Schwer umsetzbar. Aussitzen? Wäre eine Variante. Aber nicht die beste. Die mutige Redakteurin vom Bayerischen Rundfunk entscheidet sich schließlich, nicht zu schweigen. Sie geht in die Offensive und ruft den Busfahrer an. Knallhart. Schließlich muss ja geklärt werden, ob der Mann “am Ende doch kein Held ist”. Und siehe da, sie findet Erstaunliches heraus:

“Ich rufe nochmal bei ihm an, weil ich wissen will, warum er das geteilt hat. Er erklärt mir, dass es ein Fehler war, die AfD zu liken. Aber er sagt auch, dass er von der Bundesregierung enttäuscht ist, dass er Menschen kennt, deren Rente nicht reicht oder die kaum genug verdienen für Miete und Essen. Und trotzdem sagt er, er kann das trennen von den Asylbewerbern.”


Sollte die Welt da draußen doch mehr als bloß Wille und Vorstellung sein? Die Puls-Redakteurin kommt ins Grübeln, ihr fehlt vielleicht gerade ein wenig die passende Schublade. Schlussendlich entscheidet sie sich aber, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Der Busfahrer bekommt Bewährung.  Immerhin hat er ja gestanden und bereut seine Tat. „Vielen in Deutschland geht es so wie dem Busfahrer aus Erlangen“, stellt sie fest. Aber weil womöglich in gerade diesem Moment weitere Busfahrer in Deutschland Gefahr laufen, die Seite der AfD mit „Gefällt mir“ zu markieren, fügt sie pflichtbewusst hinzu:

“Die viel gescholtenen “besorgten Bürger” können zwei Richtungen einschlagen: Die in die Fremdenfeindlichkeit oder die in Solidarität. Welche Richtung sie nehmen – diese Weiche stellen sehr häufig die Politiker. (…) Deshalb ist es so gefährlich, wenn Politiker zündeln, anstatt Ängste zu nehmen. Wenn sie jahrelang nicht in die Flüchtlingshilfe investieren, um am Ende zu behaupten, Flüchtlinge nur noch in Zelten unterbringen zu können.“


Was lernen wir daraus? Ganz klar: Lieber erst um drölfzig Faccebook-Ecken recherchieren, bevor man weint oder hypt. In Zeiten, in denen man auch eruiert, ob die Großtante der Putzfrau eines Autors, mit dessen Texten man nicht einverstanden ist, Dreck am Stecken hat, müsste das eigentlich Standard sein. Denn was jemand sagt oder schreibt, selbst wenn er es fundiert begründen kann, wird ohnehin überbewertet. 

Und sollte demnächst ein anderer Busfahrer die Umsetzung des Asylrechts kritisieren, so sollte auch Claus Kleber sein Investigativ-Team ins Rennen schicken, bevor er überhaupt erwägt, Tränen der Wut zu verdrücken. Denn wer weiß - hinterher hat der Busfahrer ja doch noch „Kein Mensch ist illegal“ bei Facebook geliket.


Zuerst auf der "Achse des Guten" erschienen.

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