Kaum sind die Wahlen in Meck-Pomm durch, schon rollt das
Kümmerkommando durch die Lande. Der eine will mehr zuhören und besser
erklären, der andere möchte den Bürger lieber abholen, und alle
gemeinsam wollen sie Sorgen ernstnehmen. Offen gestanden macht mir das
alles ein wenig Angst. Ich befürchte ernsthaft, dass Sigmar Gabriel
demnächst im Rahmen eines „Solidarpakts“ einen Geldsack über
"strukturschwachen Gegenden" zwischen Rügen und Rostock ausleeren wird,
Ralf Stegner mit einem Best-of seiner "Soziale Kälte"-Tweets auf dem
Schweriner Marktplatz auftritt und Manuela Schwesig noch einen mobilen Spielplatz hinterherschickt.
Nun allerdings ist alles viel
schlimmer gekommen. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) betritt die Bühne und
nimmt eine von vielen Sorgen nicht nur ernst, sondern teilt sie. "Wer
über Rechtspopulismus redet, darf über Marktradikalismus nicht
schweigen. Die Unsicherheit durch die ungeregelte Globalisierung ist
eine der Ursachen für den Erfolg der AfD. Wir reden darüber zu wenig.",
diagnostiziert er im Interview mit der "ZEIT". Leider erklärt er nicht, wo
genau man diesen Marktradikalismus eigentlich findet. In Deutschland?
Womöglich in der Meck-Pomm'schen "Ami go home!"-AfD? Zwischen staatlich
verordneter Milchquote und subventioniertem Windrad? In kargen
Ortschaften, die vor allem deshalb so traurig aussehen, weil ihnen der
Unternehmergeist fehlt?
Man weiß es nicht. Aber vielleicht ist es mit
dem Markt so wie mit den Asylbewerbern und den Atomkraftwerken, die Frau
Merkel nach einem Erdbeben in Japan abschaltete: Er muss gar nicht erst
wie ein Raubtier durch die Mecklenburgische Seenplatte wildern. Es
reicht schon, wenn er irgendwo anders sein Unwesen treibt. Zum Beispiel
im Reich des Bösen, das zwischen Monsanto, Nestlé und TTIP verläuft.
Letzteres, so Herr Schäfer-Gümbel, ist übrigens wichtig, denn sonst
könnten "die Märkte weiter unreguliert vor sich hin wurschteln". Und das
wäre nicht nur eine ziemlich arge Katastrophe, sondern dürfte zugleich
auch der Grund sein, weshalb Sigmar Gabriel und die dem Wurschteln noch
vergleichsweise zugeneigten Amerikaner sich nicht einig werden.
Aber das nur am Rande. Denn eines steht fest: "Der Markt" ist radikal
und böse, die SPD dagegen dein Freund und Helfer. Das berührt mitunter
Menschen mit Kapitalophobie, die der Ansicht sind, ein in Freiwilligkeit
operierendes Unternehmen könne ihnen mehr schaden als staatlicher
Zwang. Und es freut Thorsten Schäfer-Gümbel, weil mehr Markt auch
weniger Staat bedeuten würde - und dann wäre er selbst ja ein wenig
überflüssig, was freilich niemand wollen kann. Am wenigsten er selbst.
Darum ist es unerlässlich, den Markt noch mit einem chicen Schlagwort -
Rechtspopulismus - zu assoziieren. Dass diejenigen, die gemeinhin unter
diesem Label laufen, seine Ansichten teilen - Marine Le Pens
Wirtschaftsprogramm sieht beispielsweise nach nationalem Sozialismus aus
- tut dem keinen Abbruch. Davon lässt sich ein Thorsten Schäfer-Gümbel
nicht beirren.
Vielmehr hilft die "Markt = rächts"-Milchmädchenrechnung
doch dabei, gleich zwei weltanschauliche Gegner in die Flucht zu
schlagen: die Rechtspopulisten zum einen, die Liberalen zum anderen. Das
weiß auch Dietmar Bartsch von der Linkspartei, der seine verloren
gegangen Schäfchen nun wieder einzufangen gedenkt, indem er die AfD nach
einer ausführlichen Unterredung mit seinem Kaffeesatz als
"zutiefst neoliberale Partei" einstufte. Und Neoliberalismus ist ja wie
Markt, nur schlimmer.
Klasse wäre, wenn auch mal eine andere
Devise salonfähig würde. Zum Beispiel diese hier: Wer über
"Marktradikalismus" redet, sollte vorher den Begriff "Markt" googlen -
und dann eine Schweigeminute einlegen. Aber das ist freilich keine
Option, sobald es darum geht, gegen "den Markt" und dessen grauenvolle
Risiken und Nebenwirkungen wie Wohlstand und Innovation zu Felde zu
ziehen. Die SPD, die AfD, die Globalisierung, das Kapital und die verängstigten
Bürger - ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
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Wortspielereien ...
AntwortenLöschenBegrifflichkeiten zu definieren, würde den politischen Diskurs stark vereinfachen. Vor Beginn einer jeden Debatte sollten im Dienste der Aufrichtigkeit z.B. Begriffe wie KAPITALISMUS und SOZIALISMUS definiert werden – und wie sie zu einander stehen.
Jetzt nach MARKT zu googlen – das führt in die völlig falsche Richtung, wie mein Selbstversuch von soeben ergeben hat. Es ist in etwa so, wie mit der „Sozialen Marktwirtschaft“ - ein Schlagwort, das sich die SPD wahnsinnig gern auf die Fahnen schreibt. Weil: die SPD ist ja so sozial ! Andererseits verteufelt sie gemeinsam mit u.a. der LINKSPARTEI den Neoliberalismus. Denn NEOliberalismus und NEOnazi beginnen mit denselben drei Buchstaben. Da muß ja irgendetwas faul sein...
Leider zu kurz gedacht, denn Ludwig Erhard, Vater der „Sozialen Marktwirtschaft“, ist der klassische Vertreter des Neoliberalismus. „Wat nu SPD, Du alte Phrasendreschmaschine ?“
"Das berührt mitunter Menschen mit Kapitalophobie, die der Ansicht sind, ein in Freiwilligkeit operierendes Unternehmen könne ihnen mehr schaden als staatlicher Zwang. "
AntwortenLöschenNun ja und das nach dem ersten Weltkrieg, dem zweiten den vielfachen Morden in den sozialistischen Ländern (mehr staatlicher Zwang wird anspruchsvoll), nach dem Desaster mit dem Sozialimus im 20 und 21. Jahrhundert. Mit einer Todesliste durch Kriege wohlorganisierter Staaten von hunderten von Millionen an Toten, Vetriebenen, Ermordeten.
Nach der systematsichen Vernichtung von "Volkschädlingen" wie auch immer man die definieren mag.
Ergebnis man wählt zu 100 % sozialdemokratische Parteien. Man sollte erstaunt sein kann aber nur mit den Schultern zucken: "Ist halt so"..."