Als Werner Faymann sich Anfang September 2015 an die Seite Angela
Merkels stellte, dachte er sich wohl Folgendes: Mit der (damals)
mächtigsten Frau Europas als Partnerin kann man nix falsch machen. Als
Mitinhaber des guten Gewissens auch nicht. Außerdem wolle eh kein
Flüchtling nach Österreich, das einst von nicht wenigen Migranten wegen
phonetischer Ähnlichkeiten für Australien gehalten wurde. Sechs Monate,
fünf gescheiterte europäische Lösungen und 90.000 Asylsuchende in der
Jahresbilanz später muss unser reizendes Nachbarland allerdings
feststellen, dass das Team Merkel im Rahmen der europäischen Refugee-Mission
nicht unbedingt der place to be ist. Die Konsequenz: Schmäh is over.
Stattdessen Obergrenze, "Grenzmanagement" aka Zaun, nationaler
Alleingang, Liebeleien mit dem kaltherzigen Balkan, moralisches
Untergeschoss. Warum also zerbricht die Traumehe am Rande der schönen
blauen Donau in ein helles Deutschland und ein dunkles Österreich?
Vielleicht nicht nur wegen der dort einigermaßen einflussreichen FPÖ,
sondern vor allem auch darum:
Österreich hat pro Kopf nicht nur etwa genauso viele Flüchtlinge wie Deutschland aufgenommen, sondern verfügt, ebenso wie wir, über ein nicht gerade zierliches Wohlfahrtssystem. Böse Zungen behaupten, dass solche Systeme nicht lang halten, wenn die Zahl der Nettoempfänger ins Unermessliche steigt. Weil eben irgendwann keiner mehr da ist, der das Ganze bezahlen will oder kann. In Wien nennt man das galant "beschränkte Ressourcen". Und weil ein Teil der Gesellschaft irgendwann grantig werden dürfte - was wiederum ungünstig für westliche Politiker ist, deren Existenzberechtigung im 21. Jahrhundert vom harmonischen wie geschmeidigen Funktionieren des Umverteilungs-Getriebes abhängt. Darum gibt es in Österreich eine Obergrenze samt Diskussion über Kürzung der Mindestsicherung für Asylbewerber.
Deutschland hat theoretisch das gleiche Problem. Praktisch löst es das Dilemma allerdings viel herzlicher und kreativer: No borders, no nations, bei vollem Intergrationsturbo plus Sozialleistungen wie gehabt. Und wenn sich jemand beschwert, weil er glaubt, als autochthoner Einwohner womöglich zu kurz zu kommen, ziehen alle Parteien das gleiche Rezept aus der Schublade: Wir fördern ab sofort einfach die Einheimischen in gleichem Maße wie die Neubürger. Kita mal zwei, sozialer Wohnungsbau mal zwei, Bezüge mal zwei, Rentenerhöhung oben drauf. Sigmar Gabriel spricht dann gerne von einem "neuen Solidaritätsprojekt für unsere eigene Bevölkerung". Nun, da die Flüchtlinge schon mal hier sind, kann man ja bei der Gelegenheit auch gleich den Sozialturbo für die Einheimischen anwerfen. Wo Österreich um finanzielle Engpässe fürchtet, decken wir uns mit Spendierhosen ein. Zwar gibt es auch hierzulande böse Zungen, die schon ohne Einberechnung der Migranten vor zu viel sozialer Romantik warnen. Aber die haben freilich keine Ahnung von ihrem Handwerk. "Wir schaffen das" wird um "Wir investieren das" erweitert.
Das kann man freilich mal probieren. Irgendwo wird sich schon ein geheimer Geldspeicher mit "Überschüssen" finden, in dem Wolfgang Schäuble bislang nur heimlich badete. Und falls das Aushebeln der Gesetze der Wohlfahrts-Ökonomie doch nicht gelingen sollte, dann können wir als Deutsche wenigstens auf ein aufregendes Experiment zurückblicken. Ein Experiment, auf das wir vor allem in guter alter Tradition das Copyright beanspruchen können.
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