"Sonst haben die Terroristen gewonnen!" - vom Sinn und Unsinn einer Parole

Zu den beliebtesten After-Terror-Parolen zählt mittlerweile die Ankündigung, die Terroristen "nicht gewinnen" zu lassen. Beliebt ist sie vor allem deshalb, weil sie kämpferisch klingt und sich von jedem beliebig aufladen lässt. Sie sagt dementsprechend viel über die Zielscheibe des Terrors und wenig über die Terroristen selbst aus. Denn die am Gewinnen zu hindernden Terroristen haben mitunter ganz andere Vorstellungen hinsichtlich der Frage, wann sie gewonnen haben und wann nicht. Es gibt auch keine repräsentative Forsa-Umfrage über die Vorstellungen, die Terroristen zwischen Raqqa und Brüssel zum Thema Gewinn und Verlust haben. Naheliegend ist allerdings, dass die jeweiligen Terroristen in Spanien am vergangenen Donnerstag schon mal gewonnen haben. Wer sich zum Morden aufmacht und das auch schafft, der hat sein persönliches Etappenziel erreicht. Hindert man einen Terroristen daran, etwa indem man ein Fußballspiel aufgrund ernstzunehmender Hinweise absagt, dann hat der betreffende Mörder in spe erstmal verloren. Diejenigen, die das Fußballspiel sehen wollten, haben somit gewonnen, aber gleichzeitig auch ein Stück Lebensqualität verloren. Jene, die am nächsten Tag eigentlich auf ein Festival gehen wollten, es sich aufgrund solcher Vorkommnisse jedoch überlegen, auch.

Andere wiederum folgen der "jetzt erst recht"-Devise und leben weiter wie gehabt - "denn sonst hätten die Terroristen ja gewonnen". Das ist sicherlich keine falsche, vielmehr eine menschlich betrachtet sympathische Herangehensweise. Vor allem ist es aber eine individuelle Entscheidung, die nicht zur Maxime für alle erhoben werden sollte. Wer lieber nicht auf das Oktoberfest, auf ein Konzert oder eine Fanmeile gehen will, der sollte das auch so halten dürfen, ohne sich sagen lassen zu müssen, er hätte den Terroristen gerade einen Punktsieg verschafft. Andersrum wäre es schön, wenn die Fraktion der Warnenden nicht zuverlässig Häme über jenen auskippen würde, die sich ihre Lebensfreude eben nicht nehmen lassen wollen. Die einen halten's so, die anderen lieber so, leben und leben lassen - auch das wäre Ausdruck jener Toleranz, von der man so häufig hört.

Zweifellos klingt „Wir lassen uns nicht unterkriegen“ besser als „Wir werden alle untergehen!“. Fatalismus gepaart mit Vorschlägen, die in die Sümpfe außerhalb des Rechtsstaats führen, ist keine sonderlich clevere Option - es sei denn, man glaubt ohnehin schon mehr an gestern als an morgen. Worte zählen, positive genauso wie negative. Es kommt bloß auch darauf an, wo sie fallen. Der Appell, die Terroristen nicht gewinnen zu lassen, kann auf gesellschaftlicher Ebene durchaus Sinn ergeben – vor allem jedoch an Orten wie Israel, wo der Terror so omnipräsent wie die Lebensfreude ist. Die Parole funktioniert deshalb, weil sie nicht im luftleeren Raum daher kommt, sondern mit der Gewissheit der Bürger verknüpft ist, dass die Behörden konsequent alles daran setzen, Terror zu verhindern. Aber Europa ist nicht Israel. Es könnte und sollte in dieser Beziehung höchstens mehr Israel wagen. Solange es jedoch Anis Amris gibt, solange nahezu jeder erfolgreiche Attentäter den Behörden bekannt war, solange es also noch nicht soweit ist wie in Israel, wo das „weiter so“ auf einem stabilen Fundament aus vielfältigen Sicherheitsmaßnahmen fußt - solange haftet dem Vorsatz, die Terroristen nicht gewinnen zu lassen, in Teilen auch der Nachgeschmack eines abgelaufenen Beruhigungsmittels an.

Haben Terroristen also gewonnen, wenn sich Europäer daheim verbarrikadieren? Manches spricht dafür, manches dagegen. Schäumen sie daheim im Kalifat vor Wut, wenn sie sehen, wie sich Touristen schon morgen wieder in Barcelona des Lebens erfreuen? Mag sein, eine hübsche Vorstellung wäre es definitiv. Vielleicht ist es ihnen aber auch egal, weil sie schon den nächsten Anschlagsplan aushecken.

Letztendlich ist es momentan ohnehin völlig irrelevant, welche Seite inwiefern und mit welchem Punktabstand gewinnt oder verliert. Denn da "Gewinnen" im Auge des Betrachters liegt, ist es schlicht kein Maßstab und keine sonderlich sinnstiftende Kategorie. Ziel sollte deshalb nicht bloß sein, die Terroristen "nicht gewinnen" zu lassen". Das sollte man vorerst am besten ganz vergessen. Das Ziel sollte und muss viel eher sein, die Terroristen davon abzuhalten, das tägliche Leben im Westen objektiv zu beeinträchtigen und Menschen umzubringen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Erst danach kann man sich in diesen Breitengraden wieder über das Gewinnen unterhalten. Aus der Siegerperspektive nämlich.

Haben tatsächlich gegen Terroristen gewonnen: Team 6 der Navy Seals

2 Kommentare:

  1. Und wie bringt man die Islamisten davon ab alle paar Wochen ein Massaker anzurichten?
    Weis man nicht, dann brauch ich auch nicht die bisherigen Versuche Ordnung zu schaffen nicht zu kritisieren.

    AntwortenLöschen