Sie könnte so einfach zu managen sein, die Affäre rund um den Uli,
die Bayern und die Millionen. Ein Vorschlag zur nationalen
Krisenbewältigung ginge beispielsweise so: Nun, da Hoeneß sich selbst
angezeigt hat, nimmt alles seinen geregelten Lauf. Die Behörden
ermitteln, er selbst schweigt,
die Öffentlichkeit tut es ihm annährend gleich, der FC Bayern sucht
einen Nachfolger, oder lässt es bleiben, und je nach Ermittlungsergebnis
wird ganz unaufgeregt Recht im Namen des Volkes gesprochen.
Klar ist aber auch, dass ein Steuersünder-Skandal eben doch nicht so
leicht zu den Akten gelegt werden kann. Allein schon, weil die Causa
auch eine Offenbarung für alle ist, die – etwa wie Sigmar Gabriel
– schon immer wussten, dass die Hoeneße die „wahren Asozialen in diesem
Land“ sind. Der Bayern-Manager, der laut „SZ“-Recherchen bereits
versteuertes Geld in die Schweiz gebracht, dabei jedoch die
Kapitalertragssteuer und so ein paar, oder doch einige Millionen Euro –
wer weiß das schon? – unterschlagen haben soll, gilt nicht nur als
mutmaßlicher Straftäter. Nicht als Einzelfall, nicht mal als Individuum.
Vielmehr wird er, völlig frei von Belegen oder den sonst so beliebten
„Warum?“-Analysen, zum Vertreter einer vermeintlich von Gier
zerfressenen Gesellschaftsschicht stilisiert, die es zu bekämpfen gilt.
Was an dieser Debatte besonders nervt, ist zunächst nicht das
Vergehen Hoeneß‘, sondern die mit Genugtuung garnierte Arroganz vieler
Volksvertreter und einiger Journalisten, die nun zum großen Tribunal
antreten. Wer schon nicht juristisch richten darf, muss wenigstens
moralisch urteilen. Und das geschieht derzeit auch – in Talkshows,
Zeitungen, vielleicht sogar im Rahmen einer „Aktuellen Stunde“, die die Grünen gerne im Bundestag abhalten würden. Ganz so, als wäre Hoeneß nicht Fußball-Ikone, sondern Volksvertreter.
Die Kanzlerin ließ dazu ausrichten, von Uli Hoeneß „enttäuscht“ zu
sein – immerhin rechtzeitig genug, um der Opposition das neue
Wahlkampfspielzeug nicht gänzlich zu überlassen. Ungeheure Enttäuschung
bis hin zu Wut ist aber auch außerhalb Berlins an der Tagesordnung. Etwa
beim „kleinen Mann“, der täglich über Schlaglöcher zur Arbeit holpert,
während sein Kind im maroden Klassenzimmer sitzt, und dafür Hoeneß als
Hauptverantwortlichen ausgemacht hat. Passend dazu verkündet Volker
Beck, dass „Steuerhinterziehung in Millionenhöhe Diebstahl am
Gemeinwohl“ sei.
Nun klingt all das schön und gut, vor allem aber simpel. Hoeneß macht
sich ein schönes Leben, was die Kleinen wiederum ausbaden, indem sie
beispielsweise auf öffentliche Schwimmbäder und andere Wohltaten
verzichten müssen. Das Blöde an dieser Logik ist nur, dass sie ein
zentrales Glied der Verwertungskette völlig überspringt: nämlich den
Staat. Auch ein Herr Hoeneß zahlte Millionen Steuereuros (man spricht
von fünfzig) nicht direkt an das Straßenbauamt, sondern frei von
Zweckgebundenheit in die Staatskasse ein. Von dort aus nahm das Geld
seinen Lauf, floss sicherlich auch in Projekte, die dem, was als
Gemeinwohl bezeichnet wird, dienen. Es versickerte gleichwohl aber auch
in Löchern, die selbst der Bund der Steuerzahler nicht zur Gänze kennt.
Und wie war das nochmal mit dem Rettungsschirm, dem „ausufernden
Sozialstaat“ und all den anderen Späßen, die sonst selbst dem „kleinen
Mann“ die Zornesröte ins Gesicht treiben?
Um es kurz zu machen: Nicht Uli Hoeneß schadet dem gefühlten oder
reellen Gemeinwohl, sondern in erster Linie diejenigen, die mit seinem
Geld nicht wirtschaften können. Die wiederum sonnen sich nun allerdings
im Scheinwerferlicht der Talkshows. Sie erfreuen sich an ihrem neuen
Sündenbock, der ihnen lästige Fragen erspart und stattdessen – dem
Neidreflex sei Dank – Bonuspunkte aufs Wahlkampfkonto spült. Warum
hinterzieht ein Millionär Steuern, wenn unser Steuersystem doch so
gerecht ist? Keine Antwort. Warum müssen Steuern erhöht werden, wenn die
Einnahmen derzeit doch steigen? Kaum eine Antwort. Was ist mit den
Leuten, die von ihrer Putzfrau keine Rechnung brauchen und damit höhere
Steuerverluste verursachen als ein Hoeneß allein? Alles nicht so
schlimm. Stattdessen heißt es, man müsse nun weltweit Steueroasen
austrocknen. Klingt ja auch schicker.
Uli Hoeneß hat mutmaßlich eine Straftat begangen, für die er nun
gerade stehen muss. Diese Konsequenz ist, um den Lieblingsbegriff der
Opposition zu bemühen, gerecht. Vor allem mit Blick auf diejenigen, die
seit Jahr und Tag brav ihre Steuergelder – mal wenig, mal viel – ans
Finanzamt entrichten. Die staatlichen Umverteiler dagegen machen weiter
wie gehabt, beseelt von Selbstgerechtigkeit und Arroganz.
Zuerst im Rahmen der Kolumne "Neues aus Meschuggestan" auf "The European" erschienen.
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